Originalarbeit · Original Article Forsch Komplementmed 2015;22:304–310 DOI: 10.1159/000439468

Published online: September 15, 2015

Yoga in Deutschland – Ergebnisse einer national repräsentativen Umfrage Holger Cramer Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin, Kliniken Essen-Mitte, Medizinische Fakultät, Universität Duisburg-Essen, Essen, Deutschland

Schlüsselwörter Yoga · Querschnittstudie · Prävalenz

Keywords Yoga · Cross-sectional study · Prevalence

Zusammenfassung Hintergrund: Yoga wird weltweit vermehrt als therapeutische und präventive Methode angewandt. Ziel dieser national repräsentativen Umfrage war die Erhebung der Lebenszeit- und Punktprävalenz für Yoga-Praxis in Deutschland und die Erfragung der Gründe für die Inanspruchnahme von Yoga sowie der damit einhergehenden wahrgenommenen Veränderungen. Methoden: Von August bis September 2014 wurde eine national repräsentative Stichprobe von 2041 Personen ab 14 Jahren bezüglich derzeitiger und früherer YogaPraxis interviewt. Unterschiede zwischen soziodemografischen Subgruppen wurden mittels Chi-Quadrat-Tests analysiert. Ergebnisse: Die Lebenszeitprävalenz für die Yoga-Praxis lag bei 15,1%, die Punkt-Prävalenz bei 3,3%. Höhere Prävalenz war assoziiert mit weiblichem Geschlecht (p < 0,001), höherem Bildungsabschluss (p < 0,001), Berufstätigkeit (p = 0,047) und Wohnen in Großstädten (p < 0,001). Die durchschnittliche Dauer der Yoga-Praxis betrug 48,2 Monate, 61,7% der Befragten praktizierten mindestens einmal wöchentlich. Wichtigste Gründe, Yoga zu praktizieren, waren Verbesserungen des körperlichen (62,8%) und geistigen Befindens (56,9%) sowie der körperlichen (54,4%) und geistigen Leistungsfähigkeit (50,0%). Positive Veränderungen durch die Yoga-Praxis berichteten 89,7%, insbesondere größere Ausgeglichenheit (58,8%). Weitere 16,1% der aktuell nicht praktizierenden Befragten konnten sich vorstellen, in den nächsten 12 Monaten mit Yoga zu beginnen. Schlussfolgerung: Geschätzte 15,7 Millionen Menschen in Deutschland praktizieren aktuell Yoga oder sind daran interessiert, mit Yoga zu beginnen; darunter am häufigsten vertreten sind Frauen, Großstädter sowie Personen mit höherem Bildungsabschluss und Berufstätige. Fast 90% der Praktizierenden berichten positive Veränderungen durch die Yoga-Praxis.

Summary Yoga in Germany – Results of a Nationally Representative Survey Background: Yoga is increasingly used as a therapeutic and preventive method worldwide. The aim of this nationally representative survey was to assess prevalence and patterns of yoga practice in Germany. Methods: Between August and September 2014, a nationally representative sample of 2,041 individuals of at least 14 years of age was interviewed regarding actual and prior yoga practice. Differences between socioeconomic subgroups were analyzed using chi-squared tests. Results: Lifetime prevalence of yoga practice was 15.1%, point prevalence 3.3%. Higher prevalence was associated with female gender (p < 0.001), higher education (p < 0.001), employment (p = 0.047), and living in a major city (p < 0.001). Mean duration of yoga practice was 48.2 months; 61.7% practiced at least once weekly. The main reasons for yoga practice were improved physical (62.8%) and mental well-being (56.9%) as well as physical (54.4%) and mental capacity (50.0%). Positive changes due to yoga were reported by 89.7% of practitioners, mainly increased inner balance (58.8%). Another 16.1% of those who were not currently practicing could imagine practicing yoga in the next 12 months. Conclusion: An estimated 15.7 million Germans are currently practicing yoga or are at least interested in starting to practice, most commonly women, metropolitans, and those with a higher education as well as employed persons. Almost 90% practitioners report positive changes due to their yoga practice.

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Dr. Holger Cramer Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin, Kliniken Essen-Mitte Medizinische Fakultät, Universität Duisburg-Essen Am Deimelsberg 34a, 45276 Essen, Deutschland [email protected]

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Einführung Yoga entstammt der indischen Philosophie und ist seit Jahrtausenden Bestandteil der spirituellen und medizinischen Praxis des Subkontinents. Der indische Weise Patañjali, auf den sich die meisten modernen Yogaschulen berufen, beschrieb im 2. Jahrhundert nach Christus 8 sogenannte Glieder des Yoga, die der Beruhigung des Geistes und der Vereinigung von Körper, Geist und Seele dienen sollen: Yama (ethisches Verhalten anderen gegenüber), Niyama (Selbstdisziplin), Asana (Yogahaltungen und körperliche Disziplin), Pranayama (Kontrolle des Atems), Pratyahara (Ausrichtung nach innen und Disziplin der Sinne), Dharana (Konzentration), Dhyana (Meditation) und Samadhi (meditative Versenkung) [1, 2]. Heutige europäische und US-amerikanische Yogaschulen beschränken sich meist auf die bekannten Yogahaltungen, meist ergänzt durch Atemtechniken und/oder meditative oder Entspannungsübungen, wobei unterschiedliche Schulen mehr oder weniger stark auf die mentalen oder körperlichen Techniken fokussieren [1, 2]. Yoga ist dadurch auch zu einer Methode der Komplementärmedizin geworden [2]. In den letzten Jahren ist die therapeutische Wirksamkeit von Yoga vermehrt untersucht worden [3–5]. Die beste Evidenz für eine Wirksamkeit fand sich bei Patienten mit Rückenschmerzen [6–8], onkologischen Erkrankungen [9–11], Depressionen [12, 13], Hypertonie [14–17] und Diabetes

Mellitus Typ 2 [18, 19]. In den USA gehört Yoga zu den am häufigsten genutzten komplementärmedizinischen Methoden; 2012 gaben 13,2% der erwachsenen US-Bevölkerung (30,99 Millionen) an, schon einmal Yoga praktiziert zu haben, 8,9% (20,95 Millionen) in den letzten 12 Monaten [20]. Die Hälfte der amerikanischen Praktizierenden berichtet dabei, aus gesundheitlichen Gründen mit Yoga begonnen zu haben [21]. Wahrgenommene Veränderungen durch die Yoga-Praxis umfassen insbesondere Stressreduktion, allgemeine gesundheitliche und speziell emotionale Verbesserungen sowie gesteigerte Schlafqualität [20]. Für den deutschen Sprachraum lagen bisher keine entsprechenden Zahlen zur Nutzung von Yoga vor; ebenso ist bislang unklar, welche Personengruppen aus welchen Gründen Yoga praktizieren. Solche Daten sind aber bedeutsam, um die tatsächliche gesundheitspolitische Bedeutung von Yoga in Deutschland zu ermitteln; das Patienteninteresse dürfte die Notwendigkeit einer weiteren wissenschaftlichen wie auch gesundheitspolitischen Beschäftigung mit dem Verfahren maßgeblich mitbedingen. Ziel dieser Studie war daher, in einer national repräsentativen Umfrage die Lebenszeit- und Punktprävalenz für Yoga-Praxis zu ermitteln. Weitere Ziele waren die Ermittlung von Charakteristika, die mit der Yoga-Praxis assoziiert sind, die Erfragung von Gründen für die Yoga-Praxis und die Erhebung von wahrgenommenen Veränderungen durch die Yoga-Praxis.

Frage

Subgruppe

Antwortmöglichkeiten

1.

Praktizieren Sie Yoga?

Alle

Ja, tägliche Praxis Ja, wöchentliche Praxis Ja, monatliche Praxis Ja, weniger als einmal im Monat Nein, ich habe noch nie Yoga praktiziert Nein, nicht mehr

2.

Wie lange praktizieren Sie schon Yoga? Wenn Sie es nicht genau wissen, dann schätzen Sie bitte. Bitte Dauer in Monaten angeben.

Ja, praktiziert Yoga (laut Frage 1)

Freie Antworten

3.

Warum haben Sie mit der Yogapraxis begonnen?

Ja, praktiziert Yoga (laut Frage 1)

Verbesserung des körperlichen Befindens z.B. bei Rückenleiden etc. Verbesserung des geistigen Befindens wie z.B. Stresszuständen etc. Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit Ist (gerade) populär Persönliches Interesse (auf geistig spiritueller Ebene)

4.

Warum praktizieren Sie aktuell Yoga?

Ja, praktiziert Yoga (laut Frage 1)

Verbesserung des körperlichen Befindens z.B. bei Rückenleiden etc. Verbesserung des geistigen Befindens wie z.B. Stresszuständen etc. Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit; Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit Ist (gerade) populär Persönliches Interesse (auf geistig spiritueller Ebene)

5.

Haben Sie aufgrund der YogaPraxis eine Veränderung bei sich wahrgenommen?

Ja, praktiziert Yoga (laut Frage 1)

Freie Antworten Kategorisierung als «keine Veränderung wahrgenommen» und «irgendeine Veränderung wahrgenommen» sowie Angabe der 5 am häufigsten genannten Veränderungen

6.

Können Sie sich vorstellen, in den nächsten 12 Monaten mit Yoga zu beginnen?

Nein, praktiziert kein Yoga/ kein Yoga mehr (laut Frage 1)

Ja, sicher Ja, vielleicht Nein

Yoga in Deutschland

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Tab. 1. Interviewfragen

Tab. 2. Soziodemografische Charakteristika der Stichprobe (N = 2041)

Design und Stichprobe Die Umfrage wurde im August und September 2014 durch die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Auftrag des Berufsverbands der Yogalehrenden in Deutschland e.V. (BDY) durchgeführt. A priori wurde im Studienprotokoll definiert, dass mindestens 2000 Frauen und Männer ab 14 Jahren in die Studie eingeschlossen werden sollten. Die nationale Repräsentativität in Bezug auf Geschlecht, Alter, Bundesland, Ortsgröße, Haushaltsgröße und Beruf wurde durch eine repräsentative zweistufige Quota-Auswahl gewährleistet. Die Befragung erfolgte persönlich mit der CAM-Quest-Methode (Computer Assisted Multimedia Questioning) im Rahmen deutschlandweiter Mehrthemenumfragen. Interview Neben soziodemografischen Daten (Geschlecht, Alter, Haushaltsgröße, Familienstand, Bundesland, Ortsgröße, Einkommen, Beruf, Schulbildung) wurde die derzeitige und frühere Yoga-Praxis mithilfe eines Interviews von 6 Fragen erhoben (Tab. 1). Bei 4 Fragen wurde ein geschlossenes Antwortformat verwendet, bei den restlichen 2 ein offenes. Zusätzlich zur Frage nach derzeitiger oder früherer Yoga-Praxis wurde die Dauer und Häufigkeit der Yoga-Praxis erfragt. Darüber hinaus wurde erfragt, aus welchen Gründen mit der YogaPraxis begonnen und derzeit Yoga praktiziert wurde und ob die Befragten aufgrund der Yoga-Praxis eine Veränderung bei sich wahrgenommen haben. Diejenigen, die angaben, aktuell kein Yoga zu praktizieren, wurden gefragt, ob sie sich vorstellen könnten, in den nächsten 12 Monaten mit Yoga zu beginnen. Statistische Auswertung Die Auswertung erfolgte deskriptiv durch Angabe von absoluten und relativen Häufigkeiten und Prozentsätzen. Unterschiede zwischen soziodemografischen Subgruppen in Bezug auf derzeitige Yoga-Praxis und mögliche zukünftige Yoga-Praxis wurden mithilfe von Chi-Quadrat-Tests ermittelt. Soziodemografische Subgruppen wurden basierend auf dem Geschlecht (Frauen; Männer), dem Alter (14–17 Jahre; 18–64 Jahre; ˰65 Jahren), dem Bildungsabschluss (Abitur/Hochschulabschluss; geringerer Schulabschluss), der Berufstätigkeit (Berufstätige; Erwerbslose) und der Größe des Wohnorts (Großstadt; kleinerer Ort) definiert. Ebenfalls mithilfe von Chi-Quadrat-Tests wurden Unterschiede bezüglich der Gründe für die Yoga-Praxis sowie Unterschiede in den wahrgenommenen Veränderungen durch die Yoga-Praxis in Abhängigkeit von der Häufigkeit der Yoga-Praxis (täglich oder wöchentlich; seltener als einmal wöchentlich) ermittelt. Die Auswertung erfolgte mittels Microsoft Excel (Version 2010) und einer spezialisierten Computer-Software zur Berechnung von Chi-Quadrat-Tests [22].

Ergebnisse Stichprobe Insgesamt wurden 2041 Personen im Zeitraum vom 29. August bis zum 12. September 2014 befragt. Die soziodemografischen Charakteristika der Stichprobe sind in Tabelle 2 wiedergegeben. Umfrageergebnisse Von den 2041 Teilnehmern gaben 68 (3,3%) an, derzeit Yoga zu praktizieren. Von den Teilnehmern, die derzeit nicht praktizierten, hatten 241 (11,8%) früher Yoga praktiziert, taten dies zum Befragungszeitraum allerdings nicht mehr. Deutlich mehr Frauen (61 von 1041; 5,9%) als Männer (7 von 1000; 0,7%) gaben an, Yoga zu praktizieren (Abb. 1; p < 0,001). Von den 1491 befragten Personen im erwerbstätigen Alter gaben 53 (3,6%) an, Yoga zu praktizieren; im Vergleich dazu wird Yoga von keinem der 80 befragten Jugend-

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Soziodemografische Charakteristika Geschlecht Männlich Weiblich Alter, Jahre 14–19 20–29 30–39 40–49 50–59 60–69 ≥70 Familienstand Ledig Unverheiratet, zusammen lebend Verheiratet Verwitwet/geschieden/getrennt lebend Schulbildung Haupt-/Volksschule Höhere Schule ohne Abitur Abitur/Studium Berufstätigkeit Arbeiter Angestellter Beamter Selbständig/Freiberufler Erwerbslos Haushalteinkommen, EUR (netto)

[Yoga in Germany - Results of a Nationally Representative Survey].

Yoga is increasingly used as a therapeutic and preventive method worldwide. The aim of this nationally representative survey was to assess prevalence ...
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