Originalien Ophthalmologe 2014 DOI 10.1007/s00347-014-3086-0 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

T. Bertelmann · I. Bertelmann · P. Szurman · U. Mester · J. Schmidt · W. Sekundo · S. Mennel Augenklinik des UKGM GmbH, Standort Marburg und der Philipps Universität Marburg

Glaskörperstatus und retinaler Venenverschluss In den letzten 2 Jahrzehnten sind die pathophysiologischen Vorgänge im vitreomakulären Interface (VMI) mehr und mehr in das Interesse vitreoretinaler Forschung gelangt. Eine anliegende oder lediglich partiell von der Lamina limitans interna (ILM) der neurosensorischen Netzhaut abgehobene hintere Glaskörpergrenzschicht („posterior vitreous cortex“, PVC) zeigt einen signifikanten Einfluss auf die Entstehung und die Progression verschiedener vitreoretinaler Erkrankungen. Erst kürzlich wurden diesbezüglich die Forschungsergebnisse der vergangenen Jahre für Augen mit und ohne Zusammenbruch der Blut-NetzhautSchranke (BRB) in Übersichtsarbeiten zusammengestellt [3, 5]. Dieser Zusammenhang gilt sowohl für Augen mit diabetischen Veränderungen als auch mit exsudativer altersbedingter Makuladegeneration aufgrund einer hohen Fallzahl an untersuchten Patienten als gesichert [3, 5]. In Augen mit retinalem Venenverschluss (RVO) sprechen die bisher publizierten Ergebnisse eine ähnliche Sprache [2]. Aufgrund der niedrigen Fallzahlen sind allerdings die Ergebnisse noch nicht signifikant bzw. bedürfen der weitergehenden Abklärung [5]. In einer Vorgängerstudie haben wir den Anheftungsstatus der PVC an der ILM in Augen mit Zentralvenen(ZVV) und Venenastverschluss (VAV) untersucht [2]. Wir konnten zeigen, dass in allen Altersgruppen eine komplett anliegende PVC in Augen mit beiden RVOEntitäten häufiger im Vergleich zu gesunden Kontrollaugen gefunden wird. Die Fallzahl in dieser Studie war allerdings gering, sodass nur teilweise statistisch signifikante Unterschiede dargestellt werden konnten [2].

Ziel der vorliegenden Studie war es, an einem größeren Patientenkollektiv unter Einschluss von 3 großen operativen Zentren den Anheftungsstatus der PVC in Augen mit RVO zu untersuchen und mit gesunden Augen einer altersgleichen Kontrollgruppe [19] zu vergleichen. Kann gezeigt werden, dass in Augen mit RVO signifikant häufiger eine anliegende PVC vorhanden ist, so steht heute mit der enzymatischen Vitreolyse [13] ein einfaches und sicheres Verfahren zur Verfügung, um die PVC von der ILM zu lösen, was den pathophysiologischen Vorgängen im VMI entgegenwirken kann. Dies wiederum könnte das Risiko für die Entwicklung eines RVOs und anderer retinaler Erkrankungen sowie die aktuelle Standardtherapie in Augen mit RVO ergänzen, da die pathophysiologischen Vorgänge der vitreomakulären Adhärenz (VMA) oder vitreomakulären Traktion (VMT) mit den zur Verfügung stehenden Verfahren – intravitreale Injektionen von Anti-VEGFSubstanzen oder Kortikosteroiden sowie ggf. einer Laserbehandlung [11] – bisher nicht adressiert werden.

Material und Methoden In einer retrospektiven Auswertung der Operationsberichte von insgesamt 238 Augen von 238 Patienten, die zwischen Januar 2000 und August 2013 entweder aufgrund eines ZVVs eine Pars-planaVitrektomie (ppV) mit radiärer Optikusneurotomie (RON) oder aufgrund eines VAVs eine ppV mit arteriovenöser Sheathotomie (AVS) erhielten, wurde der intraoperativ beschriebene Adhäsionsstatus der PVC an der ILM evaluiert. Zur Verfügung standen hierbei die Operations-

berichte von 3 großen operativen Zentren (Augenklinik der Philipps Universität Marburg [2], Augenklinik des Knappschaftskrankenhauses Sulzbach und Augenklinik Tausendfensterhaus Duisburg/ Essen). Eingeschlossen wurden alle Augen, für die im Operationsbericht eine exakte Beschreibung des Anheftungsstatus der PVC an der ILM (komplett anliegend/partiell abgehoben/komplett abgehoben) gefunden werden konnte; alle Augen mit nicht diktiertem oder unklarem Anheftungsstatus, definiert als eine andere Beschreibung als komplett anliegend/ partiell abgehoben/komplett abgehoben, wurden nicht in die Datenauswertung aufgenommen. In einem zweiten Schritt wurden die erhobenen Daten der analysierten Augen in verschiedene Altersgruppen unterteilt. Dies erlaubt einen direkten Vergleich unserer Ergebnisse mit dem natürlichen Vorgang einer spontanen hinteren Glaskörperabhebung („posterior vitreous detachment“, PVD) in gesunden Augen, welcher in einer Vorgängerstudie bereits sonographisch untersucht wurde [19]. Einen direkten Vergleich unserer Ergebnisse mit intraoperativen Ergebnissen in gesunden Kontrollaugen kann es aus ethischen Überlegungen nicht geben. Es konnte allerdings gezeigt werden, dass die präoperative Ultraschalldiagnostik in 83% mit dem intraoperativ gefundenen Glaskörperstatus übereinstimmt [8] und somit die Ergebnisse aus [19] die beste Vergleichsmöglichkeit für die vorliegende Studie bieten.

Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit wurden als Präsentation für den 112. DOG-Kongress in Leipzig im September 2014 angemeldet. Der Ophthalmologe 2014 

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Originalien Tab. 1  Unterteilung der analysierten Augen in Altersgruppen, nach RVO (retinaler Venen-

verschluss)-Entität und nach eruiertem Glaskörperstatus Glaskörper­ status Alter   (Jahre) 30–39 40–49 50–59 60–69 65–69 70–79 80–89





Glaskörper anliegend

Glaskörper abgehoben

ZVV insge­ samt n=145 (100%) 2 (1%) 6 (4%) 16 (11%) 32 (22%) 18 (12%) 55 (38%) 34 (23%)

VAV insge­ samt n=93 (100%) 1 (1%) 2 (2%) 8 (9%) 27 (29%) 16 (17%) 39 (42%) 16 (17%)

ZVV n=126 (100%)

VAV n=89 (100%)

ZVV n=19 (100%)

VAV n=4 (100%)

2 (100%) 6 (100%) 14 (88%) 31 (97%) 17 (94%) 47 (85%) 26 (76%)

1 (100%) 2 (100%) 8 (100%) 27 (100%) 16 (100%) 38 (97%) 13 (81%)

0 (0%) 0 (0%) 2 (12%) 1 (3%) 1 (6%) 8 (15%) 8 (24%)

0 (0%) 0 (0%) 0 (0%) 0 (0%) 0 (0%) 1 (3%) 3 (19%)

ZVV Zentralvenenastverschluss, VAV Venenastverschluss.

Tab. 2  Ergebnisse aus [19] zur Ultraschalldiagnostik über den Anheftungsstatus des

„posterior vitreous cortex“ (PVC) an der Lamina limitans interna (ILM), unterteilt nach Altersgruppen und eruiertem Glaskörperstatus Glaskörper­ status Alter (Jahre) 65–69 70–79 80–89 >90

Anliegend (n=/%)

Komplett   abgehoben

Partiell   abgehoben

Insgesamt

75 (72%) 166 (56%) 114 (43%) 16 (39%)

12 (11%) 104 (35%) 121 (46%) 20 (49%)

18 (17%) 27 (9%) 28 (11%) 5 (12%)

105 (100%) 297 (100%) 263 (100%) 41 (100%)

Die Abbildungen und Tabellen wurden mittels Microsoft Word® und Excel® erstellt. Die statistische Auswertung erfolgte unter Zuhilfenahme von SPSS 14.0® für Windows® (IBM®). Zur Berechnung von signifikanten Unterschieden wurden der Test auf Binomialverteilung (Testanteil 0,50) sowie der Chi-Quadrat-Test angewendet. Signifikante Unterschiede wurden bei einem p

[Vitreous body and retinal vein occlusion].

The aim of this study was to evaluate whether the adhesion status of the posterior vitreous cortex (PVC) towards the internal limiting membrane (ILM) ...
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