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Stellenwert der Feinnadelaspirationszytologie und Stanzbiopsie im Kopf-Hals-Bereich Value of Fine Needle Aspiration Cytology and Core Needle Biopsy in the Head and Neck Region

Institute

Schlüsselwörter ▶ Feinnadelaspirations● zytologie ▶ Grobnadelpunktion ● ▶ Kopf-Hals-Karzinome ● ▶ FNAC ● ▶ GNP ● ▶ Stanzbiopsie ● Key words ▶ core needle biopsy ● ▶ fine needle aspiration ● cytology ▶ head and neck cancer ● ▶ FNAC ● ▶ CNB ●

eingereicht 18. Mai 2014 akzeptiert 15. Juli 2014 Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1385890 Online-Publikation: 25.9.2014 Laryngo-Rhino-Otol 2015; 94: 311–316 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0935-8943 Korrespondenzadresse Julia Thierauf Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde Universitätsklinikum Ulm Frauensteige 12 89070 Ulm [email protected] Editor’s-Choice

J. Thierauf1, T. K. Hoffmann1, M. Bommer2, J. A. Veit1, J. Lindemann1 1 2

Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Ulm, Ulm Klinik für Hämatologie, Onkologie und Infektionskrankheiten, Alb Fils Kliniken, Göppingen

Zusammenfassung



Hintergrund: Mit der Feinnadelaspirationszytologie (FNAC) und der Stanzbiopsie (auch: Grobnadelpunktion, GNP) existieren 2 wenig invasive Methoden zur Dignitätsklärung von klinisch oder bildgebungstechnisch auffälligen Veränderungen im Kopf-Hals-Bereich. Zum Vergleich beider Techniken liegen bisher wenige Daten vor. Das Ziel dieser retrospektiven Studie ist es, den diagnostischen Stellenwert sowie die Sensitivität und Spezifität der FNAC und der Stanzbiopsie zu vergleichen. Material und Methoden: Im definierten Zeitraum wurde bei 86 Patienten eine Stanzbiopsie und bei 408 Patienten eine FNAC durchgeführt. Aufgrund der Ergebnisse aus FNAC oder Stanzbiopsie wurden 52 Patienten der StanzbiopsieGruppe und 224 Patienten der FNAC-Gruppe anschließend operiert, sodass die Ergebnisse mit der endgültigen Histopathologie verglichen werden konnten.

Einleitung



Im klinischen Alltag sieht sich der HNO-Facharzt häufig mit unklaren Raumforderungen im KopfHals-Bereich konfrontiert. Von der einfachen Palpation, über die Sonografie, bis hin zum MRT steht ein breites Spektrum an diagnostischen Untersuchungen zur Verfügung, um die Dignität weiter abzuklären. Mit der Feinnadelaspirationszytologie (FNAC) und der Stanzbiopsie (auch: Grobnadelpunktion, GNP) existieren 2 wenig invasive Methoden zur Dignitätsklärung von klinisch oder sonografisch auffälligen tumorösen Veränderungen im KopfHals-Bereich. Zum Vergleich der beiden Techniken liegen bisher wenige publizierte Daten vor [1]. Bisherige Studien fokussieren sich auf eine der beiden Techniken, oder auf lediglich Teilaspekte des Kopf-Hals-Bereichs wie z. B. ausschließlich die Glandula parotis [2] oder die Schilddrüse.

Ergebnisse: Die Sensitivität der FNAC lag mit 85 % höher als die der Stanzbiopsie (80 %), die Spezifität (87 vs. 94 %) und der positiv prädiktive Wert (64 vs. 97 %) waren geringer. Überlegen war die FNAC beim negativ prädiktiven (92 vs. 71 %) und dem falsch-negativen Wert (5 vs. 13 %). Bei der Berechnung des falsch-positiven Wertes schnitt die Stanzbiopsie besser ab (2 vs. 15 %). Schlussfolgerungen: Beide Methoden sind gut geeignet, die Dignität von Raumforderungen im Kopf-Hals-Bereich zu klären. Die FNAC eignet sich besonders zur Diagnostik von hämatologischen Erkrankungen und zum Ausschluss von Malignomen bei suspekten Lymphknoten. Die Stanzbiopsie hat sich als besonders valide bei der Erkennung von Rezidiven in bereits bestrahltem oder operiertem Gewebe erwiesen. Zudem hat sie den Vorteil einer Histologiegewinnung zur definitiven Therapieplanung.

Beide Techniken bieten gegenüber einer unmittelbaren Exstirpation suspekter Raumforderungen folgende Vorteile: Bei sicherem Malignitätsausschluss kann, z. B. im Falle von vergrößerten Halslymphknoten, eine nicht zwingend erforderliche Operation mit verschiedenen Risiken und Narbenbildung vermieden werden. Bei sicherem Malignitätsnachweis kann eine definitive onkologische Operation mit konsequenter Tumorresektion bzw. Neck dissektion durchgeführt werden [3, 14, 15]. Das Ziel dieser retrospektiven Studie ist es, den diagnostischen Stellenwert anhand von Sensitivität, Spezifität und positiv prädiktivem sowie negativ prädiktivem Wert dieser beiden Untersuchungen zu vergleichen. Mit der Erstellung eines diagnostischen Pfades wurde die Anwendung der beiden Techniken im klinischen Alltag eingeordnet.

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Autor

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Abb. 1 Spritze mit Vakuumventil (FNAC).

Abb. 2 GNP-Stanze.

hoch der Anteil an richtig erkannten gutartigen Raumforderungen an allen tatsächlichen Raumforderungen ist. Der positiv prädiktive Wert gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass bei einem Test-positivem Patienten eine maligne Erkrankung vorliegt. Der negativ prädiktive Wert errechnet die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Test-negativ entweder keine oder eine benigne Erkrankung zu finden ist. Die Berechnung von Sensitivität, Spezifität, dem positiv prädiktivem Wert und dem negativ prädiktivem Wert erfolgte unter der Annahme ▶ positiver Befund: alle Malignome ▶ negativer Befund: alle anderen Tumore, also entzündliche Veränderungen sowie benigne Tumore. Die FNAC Befunde, bei denen sich der Untersucher nicht festlegen konnte, Malignität allerdings nicht ausgeschlossen werden konnte, wurden einmal als ▶ richtig erkannt ▶ falsch erkannt ▶ nicht vorhanden gewertet und dann der Mittelwert dieser 3 Berechnungen gebildet. Die statistischen Kenngrößen wie Sensitivität, Spezifität, positiv prädiktiver Wert und negativ prädiktiver Wert wurden wie ▶ Tab. 1 ersichtlich berechnet. in ● Positiv prädiktiver Wert (PPV) der jeweiligen Biopsieart: Der PPV stellt den Prozentsatz maligner Diagnosen (operativ bestätigt) mit positivem Biopsiebefund, bezogen auf alle Fälle mit positivem Biopsiebefund dar.

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Zwischen den Jahren 2005 und 2012 wurden bei 86 Patienten eine Stanzbiopsie und bei 408 Patienten eine FNAC durchgeführt. Hiervon wurden 52 Patienten der Stanzbiopsie-Gruppe und 224 Patienten der FNAC-Gruppe anschließend operiert, sodass die Ergebnisse mit der endgültigen Histopathologie verglichen werden konnten. In die Studie wurden alle Patienten eingeschlossen, die zwischen 2005 und 2012 eine FNAC oder eine Stanzbiopsie im HNO-Bereich zu diagnostischen Zwecken erhalten hatten und welche anschließend operiert wurden. In beiden Kollektiven wurden sowohl neu erkrankte Patienten als auch Patienten mit bereits bekannter maligner Grunderkrankung untersucht. Es gab keine Ausschlusskriterien. Die Indikation zur Entnahme einer Biopsie und die Wahl der Methode wurden vom zuständigen Ambulanzoberarzt anhand der Erreichbarkeit, des Palpations- und des Ultraschallbefundes des Tumors und der Verdachtsdiagnose gestellt. Die FNAC wurde nach Palpation und ohne die Zuhilfenahme eines Ultraschallgeräts durchgeführt. Nachdem die Haut über der zu punktierenden Raumforderung desinfiziert wurde, fixiert der Untersucher mit der linken Hand den Tumor und sticht mit der Spritze fächerförmig mehrmals in diesen ein ohne das Hautniveau zu verlassen. Die Spritze fasst klassischerweise 20 ml und wird mit einer 20 Gauge Nadel versehen. Dazwischen befindet sich ein in anonymisiert entwickeltes Vakuumventil, welches durch Fingerdruck nach Platzierung der Nadel in der Läsion freigegeben werden kann (Dissertation Perry-Ray Lang, Ochsenhau▶ Abb. 1). Das gewonnene Aspirat wird auf einem sen 2005, ● gläsernen Objektträger ausgestrichen und luftgetrocknet. Danach wird klassischerweise die May-Grünwald-Giemsa Färbung für die zu untersuchenden Zellen verwendet. Sowohl die Untersuchung als auch die Auswertung wird durch einen erfahrenen Zytopathologen durchgeführt. Die Stanzbiopsie wurde sonografisch gesteuert durchgeführt. Etwaige Risikostrukturen wie Blutgefäße oder die Schilddrüse können so gezielt identifiziert werden. Nach Hautdesinfektion erfolgte zunächst eine Infiltrationsanästhesie mit Xylocain 1 % cum Adrenalin. Anschließend wurde nach Stichinzision mit dem 11er Skalpell die Spitze der Punktionskanüle (Temno Evolu▶ Abb. 2) unter VisualisietionTM, CareFusionTM, Seattle, USA, ● rung mit der B-Mode-Sonografie in 1- bis 2-fach eingerastetem Modus in den Tumor positioniert. Bei einfachem Einrasten der Kanüle resultiert ein Stanzzylinder von 10 mm Länge, bei 2-fachem Einrasten 20 mm Länge. Danach wurde die Punktionsnadel ausgelöst und unter deutlich hörbarem Geräusch der Zylinder eingerastet. Die Nadel wird nun erneut 1- bis 2-fach eingerastet und der gewonnene Gewebszylinder kann auf seine Qualität und makroskopische Verwertbarkeit geprüft werden. Dieser Vorgang wurde so oft wiederholt, bis mind. 2 qualitativ hochwertig erscheinende Biopsate (sog. Stanzzylinder) gewonnen wurden. Der Patient erhielt nach erneuter Desinfektion einen Druckverband. Die Biopsate wurden anschließend in mit Formalin gefüllte Behältnisse gelegt und zur histopathologischen und immunhistologischen Untersuchung in das Pathologische Institut der Uniklinik anonymisiert versendet. Die statistische Auswertung der Daten wurde wie folgt durchgeführt: Durch die Sensitivität lässt sich die Frage nach den, durch die jeweils angewendete Methode, richtig erkannten Malignomen klären. Durch die Spezifität kann erhoben werden, wie

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Tab. 1 Vierfeldertafel zur statistischen Berechnung von Sensitivität, Spezifität, positiv prädiktivem Wert und negativ prädiktivem Wert.

histologisch maligne histologisch benigne Summe

Zytologisch

Zytologisch

maligner

benigner

Befund

Befund

a c a+c

b d b+d

Summe

a+b c+d n=a+b+c+d

Sensitivität: a/a + b Spezifität: d/c + d positiv prädiktiver Wert: a/a + c negativ prädiktiver Wert: d/b + d

Tab. 2 Direkter Vergleich der Ergebnisse des FNAC- und des StanzbiopsiePatientenkollektivs. FNAC Alter in Jahren (Median) Geschlecht (w : m) Sensitivität Spezifität positiv prädiktiver Wert negativ prädiktiver Wert falsch-positive Befunde falsch-negative Befunde

55 97 : 129 85 % 78 % 64 % 92 % 15 % 5%

Stanzbiopsie 60 16 : 36 80 % 94 % 97 % 71 % 2% 13 %

Tab. 3 Subgruppenanalyse der % an richtig erkannten Malignomen von FNAC und Stanzbiopsie. Malignome

FNAC n = 69

Plattenepithelkarzinome Non-Hodgkin-Lymphome Hodgkin-Lymphome Adenokarzinome Karzinome anderer Entitäten

73 % 100 % 100 % 83 % 100 %

Benigne Tumoren

FNAC n = 103 91 % 84 % 100 % 79 % 68 % 100 %

Ergebnisse



Zwischen 2005 und 2012 wurde bei 408 Patienten eine FNAC durchgeführt. Von diesen 408 Patienten wurden 224 anschließend operiert, sodass eine definitive Histologie zum Vergleich mit den FNAC Befunden bei 224 Patienten vorlag. Im gleichen Zeitraum erfolgte bei 86 Patienten eine Stanzbiopsie, davon wurden anschließend 52 operiert, sodass hier eine Vergleichsdiagnose in Form des abschließenden histopathologischen Befundes vorlag. Auf das gesamte Kollektiv bezogen lag die Sensitivität der FNAC bei 85 %, die Spezifität bei 78 %, der negativ prädiktive Wert bei ▶ Tab. 2). 92 % und der positiv prädiktive Wert bei 64 % (● In der Stanzbiopsie-Gruppe lagen die Sensitivität bei 80 %, die Spezifität bei 94 %, der negativ prädiktive Wert bei 71 % und der ▶ Tab. 2). positiv prädiktive Wert bei 97 % (● ▶ Tab. 2 zeigt, sind beide Methoden geeignet, die DiWie sich in ● gnität von unklaren Raumforderungen zu klären. Besonders positiv fällt auf, dass der negativ prädiktive Wert der FNAC mit 92 % relativ hoch lag, womit nur wenige Patienten, die tatsächlich eine maligne Erkrankung hatten, unentdeckt bleiben. Zudem ist der positiv prädiktive Wert der Stanzbiopsie mit 97 % so aussagekräftig, dass auf Basis dieser Untersuchung eine definitive Strahlentherapie oder Operation geplant werden kann. ▶ Tab. 3 „Malignome“ und ● ▶ Tab. 4 In der Subgruppenanalyse (● „Benignome“), welche den Anteil an richtig erkannten Entitäten in Prozent angibt, zeigt sich in der Gruppe der malignen Tumoren, dass manche Entitäten sehr treffsicher erkannt wurden. Andere Entitäten hingegen schnitten schlechter ab, wie bspw. das Plattenepithelkarzinom. Dazu muss angemerkt werden, dass es sich bei Lymphknotenmetastasen eines Plattenepithelkarzinoms um Gewebe mit teilweise nekrotischen Anteilen handelt, was die zytologische Diagnostik erschwert. Die Subgruppenanalysen sind bei der Stanzbiopsie nur begrenzt aussagekräftig, da teilweise sehr kleine Fallzahlen vorlagen.

Stanzbiopsie n = 35 85 % 100 % 50 % 75 % 50 %

Tab. 4 Subgruppenanalyse der % an richtig erkannten benignen Tumoren von FNAC und Stanzbiopsie.

reaktive Prozesse Zysten Adenome entzündliche Prozesse Zystadenolymphome Lipome

zu erkennen, wenn eine operativ gesicherte maligne Diagnose vorliegt. Spezifität der Biopsieart: Die Spezifität gibt in dieser Arbeit die Wahrscheinlichkeit an, einen Normalbefund oder eine gutartige Läsion durch die Biopsie zu erkennen, wenn ein operativ oder durch den Verlauf gesicherter Normalbefund oder benigne Diagnose vorliegt [12].

Stanzbiopsie n = 17 nicht bestimmbar 100 % 100 % 83 % 100 % nicht bestimmbar

Diskussion



Da Malignome klinisch und bildgebungstechnisch nicht immer von benignen Raumforderungen abzugrenzen sind, spielen Biopsien in der Diagnostik von Raumforderungen im HNO-Bereich eine wichtige Rolle. Die klinische Untersuchung, der sonografische Befund und Zusatzuntersuchungen wie die Kernspintomografie (MRT) oder Computertomografie (CT), zeichnen sich zwar alle durch hohe Sensitivitäten und Spezifitäten aus, sind aber zur Therapieeinleitung alleine nicht ausreichend. Die besten Ergebnisse in der Detektion von Tumoren erzielen eine Kombination von hochauflösenden bildgebenden Verfahren und einer minimalinvasiven Gewinnung von Zellmaterial aus der zu untersuchenden Läsion [4].

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Negativ prädiktiver Wert (NPV) der jeweiligen Biopsieart: Der NPV stellt den Prozentwert benigner Diagnosen (operativ bestätigt oder im Verlauf) mit negativem Biopsiebefund, bezogen auf alle Fälle mit benignem Biopsiebefund dar. Falsch-positive Befunde der jeweiligen Biopsieart: Der Wert für die falsch-positiven Befunde errechnet sich aus den operativ abgeklärten gutartigen Diagnosefällen mit positiver (malignitätsverdächtiger) Biopsie, bezogen auf alle biopsierten Fälle. Befunde der jeweiligen Biopsieart: Der Wert für die falsch-negativen Befunde errechnet sich aus dem entweder operativ oder im Verlauf festgestellten bösartigen Diagnosefällen mit negativer Biopsie (Normalbefund oder benigne Diagnose), bezogen auf alle biopsierten Fälle. Sensitivität der Biopsieart: Die Sensitivität gibt in dieser Arbeit die Wahrscheinlichkeit an, eine bösartige Läsion durch die Biopsie

In dieser Arbeit sollte neben der Analyse der FNAC- und der Stanzbiopsie-Ergebnisse im Kopf-Hals-Bereich auch beide Biopsiearten miteinander verglichen werden, um ihre Bedeutung für den klinischen Alltag zu eruieren. Beide diagnostischen Verfahren zeigten ähnliche Werte hinsichtlich Spezifität und Sensitivität auf. Bei der Berechnung für den positiv und den negativ prädiktiven Wert weichen die Ergebnisse von FNAC und Stanzbiopsie voneinander ab. Dieser Wert betrug bei der FNAC 64 %, bei der Stanzbiopsie aber 97 %. Genau umgekehrt verhielt es sich mit dem negativ prädiktiven Wert. Für die FNAC ergab sich ein Wert von 92 %, für die Stanzbiopsie ein Wert von 71 %. Dieser negativ prädiktive Wert ist insofern relevant, als er angibt, wie viele Patienten, die unter anderem mithilfe der FNAC als nicht maligne erkrankt diagnostiziert wurden, tatsächlich krank waren und somit übersehen wurden. Nach den Ergebnissen der vorliegenden Studie ist hierbei die FNAC deutlich überlegen. Ein Vergleich mit der Literatur ist insofern nur begrenzt möglich, als sich fast alle veröffentlichten Studien, sei es über die Stanzbiopsie oder die FNAC, ausschließlich auf Teilbereiche im KopfHals-Bereich beziehen. Es werden bspw. Raumforderungen der Glandula parotis [2, 5], anderer Speicheldrüsen [6] oder Lymphknotenmetastasen mithilfe der FNAC untersucht [7, 8], selten aber findet man eine Auswertung der Untersuchungsergebnisse von tumorösen Läsionen im gesamten Kopf-Hals-Bereich mittels FNAC und Stanzbiopsie [9]. Des Weiteren existieren Studien über spezielle Entitäten, wie den Warthintumor der Glandula parotis oder das Plattenepithelkarzinom, im gesamten KopfHals-Bereich [10]. Die in der Literatur gefundenen Werte für die Sensitivität der FNAC liegen zwischen 64 und 91 %, die Werte für die Spezifität zwischen 86 und 98 % [5, 9]. In der vorliegenden Studie liegen die Werte für die Sensitivität der FNAC bei 85 % und für die Spezifität bei 78 %. Die Sensitivität liegt damit innerhalb der Werte die in der Literatur gefunden wurden, die Spezifität liegt etwas darunter. Der positiv prädiktive Wert zeigt eine Variation von 59 bis 93 % und der negativ prädiktiven Wert von 64 bis 95 %. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen einen positiv prädiktiven Wert von 64 % und einen negativ prädiktiven Wert von 92 %. Falsch-positive Befunde liegen zwischen 1,5 und 7 % und die falsch-negativen Befunde von 3,2 bis 13 % [5, 7, 8, 10–12]. Der falsch-positive Befund betrug in dieser Studie 15 %, der falsch-negative Befund lag bei 5 %. Die Tatsache, dass der Wert für die Spezifität mit 78 % niedriger als die in der Literatur gefundenen Werte (86–98 %) liegt, lässt sich möglicherweise dadurch erklären, dass in der vorliegenden Studie der gesamte Kopf-Hals-Bereich untersucht wurde. Hierdurch kam es zu einem nicht unerheblichen Anteil an zervikalen Punktionen, was meist einer Lymphknotenpunktion entsprach. Bei zytologisch nicht eindeutig negativem Ergebnis oder dem Verdacht auf ein Malignom erfolgte bei klinischer Persistenz eine Lymphknotenexstirpation. Das histologische Ergebnis ergab in der Mehrheit der Fälle benigne Befunde, wie reaktive oder entzündliche Prozesse, sodass der Wert der Spezifität in Bezug auf die FNAC sank. Die Werte für die Stanzbiopsie werden in der vorhandenen Literatur mit Sensitivitäten zwischen 68 bis zu 100 % und Spezifitäten zwischen 67 und 100 % [1, 13, 14] angegeben, Werte die sich in der vorliegenden Studie wieder finden lassen (80 % Sensitivität der Stanzbiopsie und 94 % Spezifität).

Allerdings muss hier erwähnt werden, dass aufgrund der geringen Publikationen über den Stellenwert der Stanzbiopsie und wegen der zum Teil sehr unterschiedlichen Einschluss- und Ausschlusskriterien der veröffentlichten Studien, es schwer fällt einen direkten Vergleich der Ergebnisse zuzulassen. So erachten Pfeiffer et al. [15] es z. B. als sinnvoll, für den Vergleich seiner erhobenen Daten die Entnahmefehler (sampling error) nicht in die Berechnung von Sensitivität und Spezifität einzubeziehen, da sie zu sehr von Untersucher und Tumorgegebenheiten abhängig seien und spätestens bei der histopathologischen Aufarbeitung auffallen würden. Dies soll zeigen, wie schwer, im Gegensatz zu FNAC-Daten, der Vergleich fällt. Alle hier zitierten Studien wurden so gewählt, dass ihr Aufbau möglichst ähnlich dem Aufbau dieser Studie war. So wurden in allen zitierten Studien ebenfalls die FNAC- bzw. StanzbiopsieErgebnisse mit der definitiven Histopathologie nach der Operation verglichen. Heute gängige bildgebende Verfahren wie die Computertomografie oder die Magnetresonanztomografie sind zwar unerlässlich, wenn es um die Diagnostik von Raumforderungen unklaren Ursprungs geht, allerdings sind sie nicht in der Lage klar zwischen malignen und benignen Veränderungen zu unterscheiden. Zusätzlich zu diesen wertvollen bildgebenden Methoden bleibt es sinnvoll, eine Gewebeuntersuchung durchzuführen, um einen für den Patienten optimalen Therapieplan zu entwerfen. Die heutzutage am weitesten verbreiteten Methoden sind in der HNO-Heilkunde die FNAC und die offene Biopsie. Die Stanzbiopsie wird zwar in anderen Bereichen der Medizin häufig eingesetzt, hat sich in der HNO allerdings nur langsam etablieren können. Die offene Biopsie bringt zwar den Vorteil einer großen Gewebeprobe, allerdings auch viele Nachteile. Die gängigen Risiken einer Operation, wie intraoperative Blutung oder Nachblutungen, Nervenschädigungen, welche gerade im Gebiet der HNO wegen ihrer engen anatomischen Verhältnisse wichtiger Strukturen nicht zu vernachlässigen sind und die Belastung und das Risiko einer Vollnarkose sind nur einige Punkte. Als wesentlich weniger invasiv, kostengünstiger und risikoärmer haben sich daher die FNAC und die Stanzbiopsie erwiesen. Diese Studie zeigt, dass sowohl die Stanzbiopsie als auch die FNAC in der Lage sind, Malignome oder dessen Vorstufen nachweisen zu können. Beide Methoden erkennen auch spezifisch benigne Befunde und sind so in der Lage, dem Patienten die körperliche und psychische Belastung einer eventuell unnötigen Operation zu ersparen. Der Wert der FNAC sowie der Stanzbiopsie ist auch deswegen hoch anzusehen, weil diese Methode in der Lage ist, die Richtung und Ausdehnung der Therapie zu beeinflussen. Zwar sind Batsakis et al. [17] der Meinung, die FNAC habe nur geringen Einfluss auf den Verlauf der Therapie, da die meisten Parotistumore operiert werden müssten, allerdings vernachlässigt er mit dieser Aussage einerseits die Parotisbenignome, die nicht operativ entfernt werden müssen und die Tatsache, dass sich die Art und Ausdehnung der Operation erheblich verändern kann, wenn man den Tumor präoperativ diagnostiziert hat. Diese Planung hat nicht nur psychologische Folgen für den Patienten, sondern geht bis hin zu Erhaltung oder eben Resektion des Gesichtsnerven, um bei dem Beispiel eines Parotistumors zu bleiben, welches nicht nur eine Stigmatisierung zur Folge hätte, sondern auch erhebliche Einschränkungen im alltäglichen Leben des Patienten mit sich bringen würde. Zusätzlich ist zu erwähnen,

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erwiesen, zudem hat sie den großen Vorteil einer Histologiegewinnung zur weiteren Therapieplanung. Zusammenfassend lässt sich schlussfolgern, dass beide Methoden sehr gut geeignet sind, die Dignität von Raumforderungen im Kopf-Hals-Bereich mit hoher Sensitivität und Spezifität zu klären und somit einen hohen Stellenwert im klinischen Alltag des HNO-Arztes in Klinik und Praxis besitzen.

Abstract

Value of Fine Needle Aspiration Cytology and Core Needle Biopsy in the Head and Neck Region



Background: Fine-needle aspiration cytology (FNAC) and core-needle biopsy (CNB) represent 2 minimal invasive methods for further assessment of suspect lesions of the head and neck area. However, only limited data on the direct comparison of both methods has been published. The aim of this retrospective study was to evaluate the diagnostic value of FNAC and CNB and to compare their sensitivity and specificity. Material and methods: Between 2005 and 2012, CNB was performed in 86 patients and FNAC in 408 patients. 52 of 86 CNBpatients and 224 of 408 FNAC-patients underwent surgery afterwards and were included into the study (n = 276). In order to compare the results of both methods the corresponding final histopathological finding from surgery was considered. Results: The sensitivity of the FNAC-group was higher (85 %) compared to the CNB-group (80 %), the specificity (87 vs. 94 %) as well as the positive predictive value (64 vs. 97 %) was lower. The negative predictive value (92 vs. 71 %) and also the false negative value of the FNAC (5 vs. 13 %) were superior to the results of the CNB-group. Concerning the false positive value the CNB-group showed better results (2 vs. 15 %). Conclusion: Both methods are well suited to clarify the dignity of lesions in the head and neck region. In the current case series, FNAC seemed particularly suitable for diagnosis of hematologic diseases and the exclusion of malignancy in suspicious lymph nodes. The GNP has proven to be valid in the detection of tumor recurrences in irradiated or previously operated tissue, furthermore the definitive oncological treatment can be planed, based on the histopathological results obtained by GNP. Interessenkonflikt: Kein Interessenkonflikt angegeben. Literatur 1 Kraft M, Laeng H, Schmuziger N, Gu N. Original Article Comparison Of Ultrasound-Guided Core-Needle Biopsy And Fine-Needle Aspiration In The Assessment Of Head And Neck Lesions. Head and Neck 2008; 30: 1457–1463 2 Ogawa T, Suzuki T, Sakamoto M, Watanabe M, Tateda Y, Oshima T et al. Correct diagnosis of Warthin tumor in the parotid gland with dynamic MRI. Tohoku J Exp Med 2012; 227: 53–57 3 Supriya M, Denholm S, Palmer T. Seeding of tumor cells after fine needle aspiration cytology in benign parotid tumor: a case report and literature review. Laryngoscope 2008; 118: 263–265 4 Muraki AS, Mancuso AA, Harnsberger HR. Metastatic cervical adenopathy from tumors of unknown origin: the role of CT. Radiology 1984; 152: 749–753 5 Zbären P, Schär C, Hotz MA, Loosli H. Value of fine-needle aspiration cytology of parotid gland masses. Laryngoscope 2001; 111 (11 Pt): 1989–1992 6 Douville NJ, Bradford CR. Comparison of ultrasound-guided core biopsy versus fine-needle aspiration biopsy in the evaluation of salivary gland lesions. Head Neck 2013; 35: 1657–1661

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dass im Falle eines durch die Stanzbiopsie oder die FNAC nachgewiesenen Malignoms und einer darauf folgenden Operation, beide Biopsiemethoden ein relativ narben- und hämatomfreies Operationsfeld hinterlassen, was dann wiederum die totale Tumorresektion für den Chirurgen erleichtert. Die erhobenen Daten von FNAC haben sich mit den erhobenen Daten für die Stanzbiopsie nicht wesentlich unterschieden. Beide Verfahren erzielten äquivalent hohe Werte in den untersuchten Bereichen Sensitivität, Spezifität, negativ und positiv prädiktive Werte und falsch positiv und falsch-negative Werte. Der Vorteil der FNAC liegt in den konstant hohen Werten von 224 ausgewerteten Patienten, ihrer schnellen Durchführbarkeit und Auswertung und ihrer äußerst geringen Invasivität. Trotzdem darf die Anzahl der nicht diagnostizierbaren Aspirate aufgrund von bspw. zu wenig gewonnenem Material nicht vernachlässigt werden. Aufgrund der guten Zusammenarbeit und der jahrelangen Erfahrung des Untersuchers fällt dieser Wert in der Studie relativ gering aus, sollte aber in Abteilungen berücksichtigt werden, die nicht über einen so versierten Zytologen verfügen. In diesem Punkt schnitt die Stanzbiopsie besser ab, da in allen Fällen genügend Material für eine ausreichende pathologische Beurteilung gewonnen wurde. Trotzdem muss bedacht werden, dass auch die Grobnadelpunktion erlernt werden muss und bei häufigerem Einsatz die durchführenden Ärzte eine entsprechende Schulung erhalten sollten. Die Stanzbiopsie sollte vermehrt bei Patienten eingesetzt werden, die keine Kandidaten für eine Operation sind oder diese ablehnen. Hier bietet die Stanzbiopsie eine gute Möglichkeit, ohne eine Lymphknotenexstirpation eine Histologie zu gewinnen, um eine etwaige Radiochemotherapie planen zu können. Sie sollte außerdem als zweiter Schritt durchgeführt werden, wenn eine nicht diagnostische FNAC bereits durchgeführt wurde und nicht in umgekehrter Reihenfolge, da der negativ prädiktive Wert der FNAC höher liegt. Anzumerken ist, dass für beide Verfahren eine starke Abhängigkeit von der Erfahrung des Untersuchers gilt. Dies gilt zunächst für die Probengewinnung. In unserem Kollektiv wurde eine hohe Qualität der FNACs erreicht, selbst ohne ultraschallgesteuerte Punktion. Die Stanzbiopsie-Punktionen wurden allesamt ultraschallgesteuert durchgeführt, was das Vermeiden eines „sample errors“ erleichtert. Der zweite Arbeitsschritt, der entscheidend zur Validität der Ergebnisse beiträgt, ist die zytologische bzw. histopathologische Untersuchung der Präparate. Auch dieser Arbeitsschritt ist stark Untersucher-abhängig. Bei der Etablierung dieser Punktionstechniken ist somit immer eine Interdisziplinarität zu beachten und ein Anlernen sowohl der Punktionstechniken, als auch der Auswertung der Präparate von hoher Bedeutung. Aus den ausgewerteten Daten und den klinischen Erkenntnissen lässt sich zusammenfassend aus unserer Sicht folgender Algorithmus ableiten: Die FNAC eignet sich besonders zur Diagnostik von hämatologischen Erkrankungen wie Lymphomen sowie zum Ausschluss von Malignomen bei suspekten Lymphknoten. Plattenepithelkarzinome, welche aufgrund ihrer Inhomogenität schwerer zu diagnostizieren sind, werden besser mit der Stanzbiopsie als mit der FNAC erkannt. Dies ist wahrscheinlich durch die Größe des gewonnenen Biopsates und die z. T. erhaltene Gewebsarchitektur zu erklären. Unter den untersuchten Plattenepithelkarzinomen befand sich ein nicht unerheblicher Anteil an zervikalen Metastasen, welche teilweise Erstdiagnosen, teilweise allerdings auch Rezidiven in bereits bestrahltem und operiertem Gewebe entsprachen. In diesem schwierig zu untersuchenden Gewebe hat sich die Stanzbiopsie als besonders valide

316 Originalie 12 McGurk M, Hussain K. Role of fine needle aspiration cytology in the management of the discrete parotid lump. Ann R Coll Surg Engl 1997; 79: 198–202 13 Pfeiffer J, Kayser G, Technau-Ihling K, Boedeker CC, Ridder GJ. Ultrasound-guided core-needle biopsy in the diagnosis of head and neck masses: indications, technique, and results. Head Neck 2007; 29: 1033–1040 14 Novoa E, Gürtler N, Arnoux A, Kraft M. Role of ultrasound-guided coreneedle biopsy in the assessment of head and neck lesions: A metaanalysis and systematic review of the literature. Head Neck 2012; 34: 1497–1503 15 Smith EH. The hazards of fine-needle aspiration biopsy. Ultrasound Med Biol 1984; 10: 629–634 16 Diaz LK, Wiley EL, Venta LA. Are malignant cells displaced by largegauge needle core biopsy of the breast? AJR Am J Roentgenol 1999; 173: 1303–1313 17 Batsakis JG, Sneige N, el-Naggar AK. Fine-needle aspiration of salivary glands: its utility and tissue effects. Ann Otol Rhinol Laryngol 1992; 101: 185–188

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Thierauf J et al. Stellenwert der Feinnadelaspirationszytologie und … Laryngo-Rhino-Otol 2015; 94: 311–316

[Value of fine needle aspiration cytology and core needle biopsy in the head and neck region].

Fine-needle aspiration cytology (FNAC) and core-needle biopsy (CNB) represent 2 minimal invasive methods for further assessment of suspect lesions of ...
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