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Reiseimpfungen und Malariaprophylaxe Martin Alberer, Thomas Löscher

Gefährdeter Personenkreis | Besonders stark gefährdet für infektiöse Reisekrankheiten sind ▶▶ Rucksack- und Abenteuerreisende (sog. „Lowbudget-travelers“) und ▶▶ Menschen mit Migrationshintergrund, die ihre Herkunftsländer besuchen (sog. „Visitingfriends-and-relatives“ [VFR]). Dennoch reisen gerade sie häufig ohne adäquate Beratung und Prävention [10]. Reiseberatung | Die Prävention übertragbarer Erkrankungen spielt bei der Reiseberatung eine besonders wichtige Rolle. Hierzu gehören neben der Expositionsprophylaxe (▶ Tab. 1) vor allem Impfungen und der Schutz vor Malaria. Eine adä­quate Beratung umfasst jedoch auch Informationen über nicht-infektiöse Gesundheitsrisiken, z. B. ▶▶ Klima, ▶▶ UV-Schutz, ▶▶ Unfälle, ▶▶ Gewalt, ▶▶ Gifttiere, ▶▶ Reisen mit chronischen Krankheiten ▶▶ sowie über den Inhalt der Reiseapotheke. Bei beruflich veranlassten Reisen ist die Beratung ein wichtiger Teil der arbeitsmedizinischen Vorsorge. Die Kosten, auch für Impfungen, trägt der Arbeitgeber [3].

Impfungen Rechtsgrundlage | In Deutschland regeln die Zulassungsunterlagen (Fachinformation) und Empfehlungen der Ständigen Impfkomission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts die Indikation und Durchführung von Impfungen [19]. Nach der Schutzimpfungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sind Reiseimpfungen keine Kassenleistungen. Ausnahme sind Standard- oder Indikationsimpfungen, die auch un­ abhängig von einer Reise empfohlen werden. Zahlreiche gesetzliche wie private Krankenver­ sicherungen übernehmen jedoch die Kosten von

Expositionsprophylaxe

Infektionen (Beispiele)

Nahrungsmittel- / Wasserhygiene

Enteritiserreger, Typhus / Para­typhus, Giardiasis, Amöbiasis, Helminthiasen, Hepatitis A / E, Polio

Schutz vor Insekten und blutsaugenden Arthropoden

Malaria, Denguefieber und andere Arbovirosen, Rickettsiosen, Borreliosen, Leishmaniosen, Filariosen, Ektoparasitosen

Nicht barfuß laufen

Hakenwurminfektion, Strongyloidiasis, kutane Larva migrans

Süßwasserkontakt vermeiden

Schistosomiasis, Leptospirose

Keine ungeschützten Sexualkontakte

HIV, Lues, Gonorrhoe und andere STDs, Herpesvirus-Infektionen, Hepatitis B / C, Ektoparasitosen

Tierkontakte und Tier­bisse vermeiden

Tollwut, Brucellose, Leptospirose, Lassafieber, Ebola/Marburgfieber, Echinokokkose

Vermeiden von Injektionen, medizinischen Eingriffen, Piercings und Tätowierungen unter unsterilen Bedingungen

HIV, Hepatitis B / C

Reiseimpfungen zumindest teilweise als freiwillige Leistung.

Tab. 1  Übersicht über Expositionsprophylaxen bei unterschiedlicher infektiöser Gefährdung.

Vorgeschriebene Impfungen | Nach den Internationalen Gesundheitsvorschriften ([27], zuletzt überarbeitet 2005) kann jeder Staat Impfungen bei Einreise oder Transit über bestimmte Länder vorschreiben. Dies betrifft vor allem die Gelbfieberimpfung. Saudi-Arabien verlangt bei bestimmten Personen einen aktuellen Impfschutz gegen Meningokokken und Poliomyelitis. Hierzu gehören z. B. Pilger und Personen, die zwecks Arbeitsaufenthalt in das Land reisen [2]. Eine Reihe weiterer Staaten verlangt derzeit bei Einreise aus ­Endemiegebieten ebenfalls den Nachweis einer aktuellen Polioimpfung. Da sich die Einreisevorschriften kurzfristig ändern können und das Auswärtige Amt nicht immer informiert wird, sollten sich Reisende im Vorfeld ggf. bei der Botschaft bzw. dem Konsulat des Reiselandes erkundigen [2].

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Fernreisen und Migration nehmen kontinuierlich zu. Das Ziel sind immer häufiger auch Regionen, in denen Infektionskrankheiten verbreitet sind, die in Europa selten oder gar nicht vorkommen. Durch gezielte Präventionsmaßnahmen lassen sich zahlreiche Gesundheits­risiken vermeiden – oder zumindest erheblich reduzieren. Genau das ist die Aufgabe der reisemedizinischen Beratung, die rechtzeitig vor Aufenthalten in Risikogebieten erfolgen sollte.

Dossier Indikationsimpfungen | Neben vorgeschriebenen Impfungen können zudem bestimmte Indikationsimpfungen angezeigt sein. Diese richten sich nach ▶▶ Ziel, Art und Dauer der Reise, ▶▶ Expositionsrisiken und ▶▶ Vorerkrankungen des Reisenden. Aktuelle Hinweise dazu finden sich u. a. in den „Hinweisen und Empfehlungen zu Reiseimpfungen“ der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit (DTG e. V.), die jährlich aktualisiert werden [6].

Standardimpfungen Tetanus und Diphterie | Grundsätzlich wird ein aktueller Schutz gegen Tetanus und Diphtherie empfohlen. Eine fehlende oder unvollständige Grundimmunisierung ist nachzuholen bzw. zu komplettieren. Liegt die letzte Impfung bei vollständiger Grundimmunisierung länger als 10 Jahre zurück, sollte der Impfschutz aufgefrischt werden mit einem ▶▶ Td-Impfstoff (ab dem Alter von 5–6 Jahren, je nach Herstellerangaben) bzw. ▶▶ TD-Impfstoff (Kinder unter 5–6 Jahre, s. o.). Das TD-Präparat enthält eine höhere Dosis des Diphterietoxins. Robert Koch-Institut (www.rki.de) ▶▶ STIKO-Empfehlungen ▶▶ Migration und Impfen ▶▶ Epidemiologisches Bulletin Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit (www.dtg.org) ▶▶ Hinweise & Empfehlungen zu Reiseimpfungen ▶▶ Empfehlungen zur Malariavorbeugung ▶▶ Leitlinie zur Diagnostik & Therapie der Malaria ▶▶ Reisemedizinische Kurse & Fortbildungen ▶▶ Arztsuche: Reisemedizin, Gelbfieberimpfstellen, Tropenmedizin ▶▶ Tropenmedizinische Einrichtungen Weltgesundheitsorganisation (www.who.int) ▶▶ International travel and health ▶▶ Weekly epidemiological Record ▶▶ International Health Regulations (IHR)

Pertussis | Im Erwachsenenalter sollte bei der nächsten fälligen Td-Auffrischung einmalig gegen Keuchhusten geimpft werden (Tdap-Kombinationspräparat). Ein monovalenter Impfstoff ist in Deutschland zurzeit nicht verfügbar [19]. Masern | Insbesondere in Ländern mit einer niedrigen Durchimpfungsrate (z.  B. viele Entwicklungsländer) besteht ein erhöhtes Masern-Risiko. Eine einmalige Impfung – möglichst als Kombination Masern-Mumps-Röteln – ist bei allen Personen indiziert, die ▶▶ nach 1970 geboren sind und ▶▶ in der Kindheit nicht bzw. nur einmal gegen Masern geimpft wurden. Pneumokokken und Influenza | Alle Reisenden ab dem 60. Lebensjahr sollten einmalig gegen Pneumokokken sowie jährlich gegen Influenza geimpft werden. Die Influenza zählt zu den am häufigsten bei Fernreisen erworbenen Infektionen [22]. Eine Impfung sollte deshalb bei allen Fernreisenden erwogen werden, insbesondere bei ▶▶ Besuch von Massenveranstaltungen (z. B. Mekkapilger) oder ▶▶ regelmäßiger Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln. In manchen Jahren unterscheidet sich die WHOEmpfehlung zur Zusammensetzung des aktuellen saisonalen Impfstoffes für die Nord- und Südhalbkugel. Bei Beschaffungsproblemen (z. B. Südhalbkugel-Impfstoff) sollte der Reisende ggf.

möglichst bald nach Ankunft vor Ort geeimpft werden. Auf der Nord- und Südhalbkugel tritt die Influenza im jeweiligen Winter auf, in den Tropen hingegen ganzjährig.

Personalisierte Empfehlungen | Bei bestimmten Personen und Risikogruppen sollten auch weitere in Deutschland indizierte Impfungen besprochen und ggf. durchgeführt werden [19], z. B. gegen ▶▶ Varizellen, ▶▶ Hepatitis B, ▶▶ humane Papillomviren (HPV). Eine Impfung gegen die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) schützt auch gegen die fernöstliche und sibirische Virusvariante. Deshalb kann eine FSME-Impfung auch für Reisende nach Asien sinnvoll sein (z.  B. Russland, Mongolei, Nordchina und Japan). Bei jeder reisemedizinischen Beratung sollten auch die von der STIKO empfohlenen Standard­ impfungen überprüft und ggf. ­nachgeholt bzw. aufgefrischt werden.

Poliomyelitis Endemiegebiete | Trotz der globalen Anstrengungen, Polio zu auszurotten, kommt es in Afrika (Nigeria) und in Südasien (Pakistan, Afghanistan) immer noch zu neuen Fällen. Dabei können Polioviren auch in Nachbarländer übertragen werden und dort zu Ausbrüchen führen, z. B. in Somalia, Kenia, Äthiopien, Südsudan, Kamerun. Auch in Syrien kam es 2013 / 14 zu einem Polio-Ausbruch. In Ägypten und Israel wurden Wildvirusisolate in Abwässern nachgewiesen. Für Reisen nach Afrika und Asien einschließlich dem Nahen Osten wird ein aktueller Polioschutz empfohlen.

Impfschema | Nach abgeschlossener Grundimmunisierung werden in Deutschland derzeit keine weiteren Auffrischimpfungen empfohlen. Für einen aktuellen Impfschutz ist eine Auffrischimpfung mit dem inaktivierten trivalenten Polio­ impfstoff (IPV) erforderlich, wenn die letzte Impfung länger als 10 Jahre zurückliegt. Ggf. können Kombinationspräparate angewendet werden (▶ Tab.  2). Eine fehlende Grundimmunisierung muss nachgeholt werden – auch unabhängig von einem Auslandsaufenthalt. Dabei sollten vor ­Reiseantritt möglichst 2 Dosen IPV im Abstand von ≥ 4 Wochen verabreicht werden. Der orale ­Lebendimpfstoff (OPV) steht in Deutschland nicht mehr zur Verfügung.

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Virushepatitis Hepatitis A | Von der Impfung profitieren viele Reisende, auch bei Zielen im Mittelmeerraum oder Osteuropa [13, 22]. Daher sollten alle nichtimmunen Personen vor Reisen in Endemiege­ biete geimpft werden. Eine einmalige Immunisierung mit dem gut verträglichen und hoch wirksamen Totimpfstoff schützt für mindestens ein Jahr vor einer Infektion. Eine Wiederholung nach frühestens 6 Monaten führt zu einem Langzeitschutz von mindestens 25 Jahren, möglicherweise sogar lebenslang. Kombinationspräparate (mit Hepatitis B oder Typhus) sind erhältlich (▶ Tab. 2).

Hepatitis B | Die STIKO rät, grundsätzlich alle Kinder und Jugendliche gegen Hepatitis B zu impfen. Hierfür sind gut verträgliche rekom­ binante Totimpfstoffe verfügbar. Jugendliche und Erwachsene werden mit drei Impfungen (0, ≥ 1 und ≥ 6 Monate) grundimmunisiert. Bei AntiHBs-Werten ≥ 100 IE / l ist nach den aktuellen STIKO-Empfehlungen keine Auffrischung erforderlich. Ausnahmen hierfür sind: ▶▶ Patienten mit humoraler Immundefizienz ▶▶ Personen mit hohem individuellen Expositionsrisiko Reicht die Zeit vor der Ausreise nicht aus, ist eine Schnellimmunisierung mit einem Hepatitis-B- oder Hepatitis-A / B-Impfstoff möglich (Impfung an Tag 0, 7, 21 sowie zusätzlich nach 12 Monaten).

Hepatitis-B-Indikationsimpfung | Geimpft werden sollten Personen ▶▶ mit erhöhtem privaten oder beruflichen Infektionsrisiko, ▶▶ in Gemeinschaftseinrichtungen, ▶▶ mit bestimmten Grunderkrankungen (z. B. HIV- / HCV-Infektion, Dialysepatienten), ▶▶ vor Reisen in Endemiegebiete (v. a. Langzeitaufenthalte).

Erkrankung bzw. Erreger

Handelspräparate

Cholera

Dukoral®

Diphtherie

Diphtherie-Adsorbat-Impfstoff Behring® NF

Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)

Encepur®, FSME-Immun®

Gelbfieber

Stamaril®

Hepatitis A

HAVpur®, Havrix®, VAQTA®

Hepatitis B Erhöhte Dosis MPL-Adjuvans (AS04)

Engerix®, HBVAXPRO® HBVAXPRO® 40 µg Fendrix®

Influenza tetravalent

Verschiedene Präparate Influsplit tetra®, Fluenz® tetra

Japanische Enzephalitis

IXIARO®

Meningokokken ACWY (Konjugat)

Menveo®, Nimenrix®

Meningokokken B

Bexsero®

Pneumokokken, Pneumokokken-Konjugat

Pneumovax 23®, Prevenar 13®

Polio (IPV)

IPV Merieux®

Tetanus

Tetanol® pur, Tetanus-Impfstoff Mérieux®

Tollwut

Rabipur®, Tollwut-HDC®

Typhus oral Typhus parenteral

Typhoral® Typherix®, Typhim Vi®

Tab. 2  Impfstoffe in der Reisemedizin.

Kombinationsimpfstoffe ▶▶ Tetanus-Diphtherie (TD, Td) ▶▶ Tetanus-Diphtherie-Pertussis (Tdap) ▶▶ Tetanus-Diphtherie-Polio (TdIPV) ▶▶ Tetanus-Diphtherie-Pertussis-Polio (Tdap-IPV) ▶▶ Masern-Mumps-Röteln ▶▶ Hepatitis A/B ▶▶ Hepatitis A-Typhus

verschiedene Präparate Boostrix®, Covaxis®, TdaP-IMMUN® Revaxis® Boostrix® Polio, Repevax® M-M-R-vaxPro®, Priorix® Twinrix® Hepatyrix®, ViATIM®

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Wer sollte geimpft werden? | Alle Reisenden nach Afrika und Asien sollten einen aktuellen Schutz aufweisen. Dies gilt auch für Asylbewerber und Flüchtlinge aus diesen Gebieten sowie für betreuendes Personal in Deutschland [19]. Bei Einreise aus Gebieten mit Poliofällen oder Wildvirusnachweis wird von einzelnen Ländern (derzeit Saudi-Arabien und Indien) sogar eine Impfung bei ­Einreise verlangt, die nicht länger als 1 Jahr zurückliegt und mind. 6 Wochen vorher erfolgt sein muss [2].

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Kontrolle des Impferfolgs | Bei Indikationsimpfungen sollte der Impferfolg serologisch 4–8 Wochen nach der Grundimmunisierung kontrolliert werden. Hierbei muss das individuelle Exposi­ tionsrisiko bzw. das Risiko eines Impfversagens berücksichtigt werden, z. B. bei ▶▶ älteren Reisenden, ▶▶ Personen mit Grunderkrankungen. Bei unzureichendem Ansprechen sollten weitere Impfungen und Kontrollen entsprechend den STIKO-Empfehlungen erfolgen [19]. Für Non-Responder und Personen mit bekannt schlechtem Ansprechen (z. B. Dialysepatienten) sind Hepatitis-B-Impfstoffe mit besonders wirksamen Adjuvanzien (AS04) oder erhöhtem Antigengehalt ­erhältlich (▶ Tab. 2). Eine Hepatitis-B-Impfung sollte bei jeder reisemedizinischen Beratung besprochen werden.

Gelbfieber Risikogebiete Afrika und Südamerika | Gelbfieber wird durch Aedes-Moskitos übertragen. Die Virusinfektion ist in einigen tropischen Regionen Südamerikas und des subsaharischen Afrikas zoonotisch bei Affen verbreitet. Beim Menschen kann es neben Einzelerkrankungen auch zu epidemischen Ausbrüchen kommen (▶ Abb. 1). Auf-

grund des zoonotischen Reservoirs ist eine vollständige Eradikation in den Endemiegebieten unwahrscheinlich. So kann es auch Jahrzehnte nach dem letzten menschlichen Gelbfieberfall erneut zu Ausbrüchen kommen. In Asien sind zwar geeignete Vektoren vorhanden, dennoch traten bislang keine autochthonen Gelbfieber­ fälle auf. Bei einem Teil der Patienten kommt es im Krank­heitsverlauf zu hämorrhagischem Fieber mit Multiorganversagen (Letalität stationär behandelter Fälle 5–10 %).

Immunisierung | In Deutschland ist ein Lebend­ impfstoff verfügbar, der auf dem attenuierten 17D-Impfvirusstamm basiert (▶ Tab. 2). Pflicht ist eine im internationalen Impfpass dokumentierte Immunisierung ▶▶ in Teilen Südamerikas und des subsaharischen Afrikas bei Einreise oder Rückkehr aus einem Endemiegebiet. Die Impfung muss dabei mindestens 10 Tage vor Einreise erfolgt sein. ▶▶ in einigen Ländern Asiens, wenn 10 Tage zuvor eine Endemieregion bereist wurde. Die WHO geht nach einmaliger Impfung von ­einem lebenslangen Impfschutz aus. Diese Erkenntnis wurde allerdings noch nicht in den ­Internationalen Gesundheitsvorschriften und in den Einreisevorschriften der Länder umgesetzt. So muss in einigen Staaten bei Einreise noch immer nachgewiesen werden, dass die letzte Gelbfieberimpfung maximal 10 Jahre zurückliegt. Impfrisiken | Das Gelbfieberimpfvirus hat eine ­relativ hohe Restvirulenz. Die Erstimpfung kann

Abb. 1  Verbreitungsgebiete des Gelbfiebers in Afrika (A) und Südamerika (B). Quelle: WHO [29]. Bei Reisen in die rot markierten Gebiete wird die Gelbfieberimpfung empfohlen. Bei Reisen in die rot schraffierten Gebiete, in denen die Gefahr einer Gelbfieber-Exposition eher gering ist, wird die Impfung nicht allgemein empfohlen, aber es gibt eine kleine Gruppe von Reisenden, bei denen das Expositionsrisiko erhöht ist: insbesondere bei längeren Reisen, bei ausgeprägter Exposition gegenüber Stechmücken oder wenn Mückenstiche nicht vermieden werden können. Die Entscheidung für oder gegen eine Gelbfieberimpfung muss das Infektionsrisiko, die Einreisebestimmungen und das individuelle Risiko schwerer Nebenwirkungen einbeziehen.

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Bei Fernreisen können zudem zusätzliche, nicht immer vorhersehbare Risiken vorkommen, wie ▶▶ ungeschützte Sexualkontakte oder ▶▶ medizinische Eingriffe bei ungenügenden hygie­nischen Bedingungen [13, 22].

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Kontraindikationen | Nicht gegen Gelbfieber geimpft werden dürfen ▶▶ Personen mit Hühnereiweißallergie, ▶▶ Säuglinge  20 mg Prednisonäquivalent / d), ▶▶Strahlentherapie, ▶▶Dysfunktion des Thymus in der Anamnese (einschließlich Thymom und Thymektomie), ▶▶symptomatischer HIV-Infektion bzw. mit verminderter Immunfunktion. Liegen Kontraindikation vor bzw. gehört der Reisende einer Risikogruppen für Impfnebenwirkungen an, kann eine Ausnahmebescheinigung ausgestellt werden, wenn die Ansteckungsgefahr gering ist. Die Zielländer sind jedoch rechtlich nicht verpflichtet, diese Bescheinigung bei der Einreise anzuerkennen. Ist eine Gelbfieberimpfung aus medizinischen Gründen nicht vertretbar, sollte vorab der Reiseveranstalter oder die zuständige Botschaft kontaktiert werden.

Meningokokken Risikogebiet Afrika | Insbesondere im sogenannten Meningitisgürtel der subsaharischen Staaten Afrikas (▶ Abb. 2) kommt es in mehrjährigen Abständen zu Epidemien – v. a. während der ­Trockenzeit (Januar – Mai). Die Krankheitswellen fordern regelmäßig tausende Tote. Die Ansteckungsgefahr ist für Reisende insgesamt jedoch niedrig. In Europa und Nordamerika treten vorwiegend sporadische Erkrankungen auf. Weltweit kommen verschiedene Serogruppen vor [1]: ▶▶ Afrika: meist A; seltener C, X, W-135 ▶▶ Europa, Nordamerika, Brasilien: meist B, C ▶▶ China, Indien: meist A, C

Abb. 2  Gebiete mit epidemischem Auftreten der Meningokokken-Meningitis. Quelle: WHO [29]. Rot: Meningitis-Gürtel: Gebiete mit hohem Epidemie-Risiko. Orange: Länder mit hohem Epidemie-Risiko

Impfstoffe | In Deutschland sollten alle Kinder ab 12 Monaten einmalig gegen die Serogruppe C geimpft werden [19]. Es handelt sich dabei um einen Meningokokken-Konjugat-Impfstoff. Für die Serogruppen A, C, W und Y besteht ebenfalls die Möglichkeit einer Impfprävention. Reisende sollten bevorzugt mit einem 4-valenten Konju­ gatimpfstoff (ACWY) immunisiert werden. In Deutschland sind zwei wirksame und verträg­ liche Impfstoffe verfügbar (▶ Tab. 2). Sie können ab dem 2. bzw. 3. Lebensjahr verabreicht werden (in den USA bereits ab dem 3. Lebensmonat). Zur Schutzdauer und zu Auffrischimpfungen gibt es bislang noch keine Empfehlungen. Indikationsimpfung | In einigen Ländern (z. B. USA, Großbritannien) kann von Schülern und Studenten der Nachweis einer Meningokokken-Impfung (C oder ACWY) verlangt werden. Dies gilt insbesondere bei Unterbringung in Gemeinschaftseinrichtungen wie Studentenwohnheimen. Reisende nach Saudi-Arabien (v. a. Pilger zur Hadsch und Umrah) müssen ab einem Alter von 2 Jahren immunisiert sein (ACWY). Die Impfung muss mind. 10 Tage vor Einreise erfolgt sein und darf nicht länger als 3 Jahre her sein [2, 29]. 2013 wurde ein neuer Impfstoff gegen die Serogruppe B zugelassen, der ab einem Alter von 2 Monaten verabreicht werden kann (▶ Tab.  2). Nach Angaben der STIKO kann eine Impfung sinnvoll sein bei ▶▶ Personen mit erhöhter Infektionsgefahr (z. B. Kontakte zu Erkrankten, Asplenie, Komplementdefekte [20]), ▶▶ Kindern ▶▶ Reisende in Europa, Neuseeland, Nord- und ­Lateinamerika ▶▶ Impfempfehlung des Ziellandes [6].

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insbesondere bei immunkompromittierten Pa­ tienten und Säuglingen seltene, aber schwer­ wiegende Nebenwirkungen verursachen, bis hin zu ▶▶ Impfgelbfieber (Letalität bis zu 50 %), ▶▶ Impfvirus-Enzephalitis. Letzteres tritt v. a. bei Impflingen unter 7 Monaten auf [16, 24]. Es gibt zudem Berichte, wonach das Impfvirus durch Stillen übertragen wird [5, 9]. In einigen Untersuchungen war das Risiko für schwere Nebenwirkungen auch mit zunehmendem ­Alter erhöht [17]. Einer gründlichen Risiko-Nutzen-Abwägung bedarf die Impfung folglich bei ▶▶ Kindern der Altersgruppe 6–9 Monate, ▶▶ Personen > 60 Jahren, ▶▶ schwangeren Frauen (obwohl bislang keine ­negativen Auswirkungen bekannt sind), ▶▶ stillenden Frauen.

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Grundsätzlich gegen Meningokokken-Meningitis geimpft werden sollten: ▶▶ Reisende in Endemie- / Epidemiegebiete ▶▶ medizinisches Personal ▶▶ Personen mit intensivem Kontakt zur Bevölkerung (z. B. soziale Berufe, Entwicklungshelfer)

Typhus abdominalis Risikogebiet Südasien | Die Typhus-Erkrankung ist v. a. in Ländern mit schlechten hygienischen und sanitären Verhältnissen endemisch. Insbesondere in Indien und Nepal ist das Risiko erhöht. Die Erkrankung wird durch Salmonella enterica Serovar Typhi (S. typhi) hervorgerufen und fäkal-oral oder durch kontaminierte Lebensmittel übertragen. Im Gegensatz zu Salmonellosen reicht bereits eine Keimzahl von 105 Bakterien für eine Infektion aus [26]. Impfstoffe | In Deutschland sind zwei Impfstoffe (oral und parenteral) erhältlich (▶ Tab. 2): ▶▶ Der orale attenuierte Lebendimpfstoff (S. typhi Stamm Ty21a) ist ab dem 2. Lebensjahr zugelassen. Er wird als Kapsel in drei Dosen jeden zweiten Tag eingenommen. Die Schutzdauer beträgt mindestens ein Jahr. Der Impfstoff ist kontra­ indiziert bei Patienten mit Immundeffizienz. ▶▶ Der parenterale Polysaccharid-Totimpfstoff (auf Basis des S. typhi Vi-Antigens) ist ab dem 3. Lebensjahr zugelassen. Er wird einmalig i. m. verabreicht und bietet einen Schutz über ca. 3 Jahre. Begrenzte Wirksamkeit | Die kumulativen 3-Jahres-Schutzraten beider Impfstoffe lagen in einer Metaanalyse bei 51 % bzw. 55 % [8]. Zu empfehlen ist die Impfung bei Risikoreisen unter schlechten hygienischen Bedingungen, z. B. Rucksackreisen oder Hilfseinsätzen in Endemiegebieten. Ein neuer, besser wirksamer Vi-Konjugatimpfstoff wird derzeit entwickelt [23]. Eine Impfung gegen S. paratyphi A / B steht bislang nicht zur Verfügung, wird aber ebenfalls in Studien geprüft [15]. Eine Typhusimpfung kann hygienische ­Vorsichtsmaßnahmen nicht ersetzen.

▶▶ Affen,

▶▶ Fledermäuse und

▶▶ andere Säugetiere. Die reisemedizinische Beratung vor Aufenthalten in Risikogebieten sollte folgende Punkte umfassen: ▶▶ Hinweis auf das Tollwutrisiko bei Tierkontakten ▶▶Tierkontakte möglichst vermeiden! ▶▶ Präventionsmöglichkeiten ▶▶ Postexpositionelle Behandlung (PEP) nach Risikokontakten

Impfstoffe | In Deutschlang gibt es zwei moderne Zellkulturimpfstoffe zur prä- und postexpositionellen Impfung (▶ Tab. 2). Sie können gegeneinander ausgetauscht werden und unterliegen keiner Altersbeschränkung. Rabipur® ist bei Hühnereiweißallergie kontraindiziert. Alternativ kann Tollwut HDC® (gezüchtet auf humanen diploiden Zellkulturen) verwendet werden. Die Indikation für eine präventive Impfung ist abhängig von ▶▶ Art, Dauer und Stil der Reise, ▶▶ Verfügbarkeit von modernen Tollwut-Impfstoffen und Tollwut-Immunglobulin im Reiseland. Cave  Nervengewebsimpfstoffe sind unzuverlässig und können gefährliche Nebenwirkungen haben. Sie sollten nicht mehr eingesetzt werden.

Präexpositionelle Prophylaxe | Die präventive Immunisierung basiert auf folgendem Schema: ▶▶ dreimalige Impfung als Grundimmunisierung (Tag 0, 7, 21 bzw. 28), ▶▶ Auffrischung nach 1–2 Jahren (je nach Impfstoff), danach alle 5 Jahre, ▶▶ bei Risikokontakt: unverzügliche Wundreinigung und möglichst bald zwei weitere Impfungen (Tag 0 und 3 nach Exposition). Postexpositionelle Immunisierung | Bei nicht-immunen Patienten muss nach einer Risikoexposition möglichst rasch mit einer PEP begonnen werden. Neben einer unverzüglichen Wundreinigung, Desinfektion und ggf. Tetanusprophylaxe erfolgt eine aktive Immunisierung an den Tagen 0, 3, 7, 14 und 28. Bei Exposition Grad III [19] wird zudem mit der ersten Impfung einmalig ein Tollwut-Immunglobulin (TIG) verabreicht. TIG ist allerdings in vielen Entwicklungsländern nicht verfügbar.

Tollwut

Japanische Enzephalitis

Risiko nicht zu unterschätzen | Die Tollwut verläuft immer letal und ist eine oft vernachlässigte Gefahr für Reisende. In Deutschland gibt es seit 2008 keine terrestrische Wildtollwut mehr, eine Ansteckung ist aber weiterhin über Fledermäuse und importierte infizierte Tiere möglich [18]. Man infiziert sich über Bisse, Kratzer und Speichel­kontakt mit Wunden / Schleimhäuten. Überträger sind weltweit ▶▶ hauptsächlich Hunde, ▶▶ seltener Katzen,

Risikogebiet Asien | Die Japanische Enzephalitis ist eine in weiten Teilen Asiens endemische Flavivirus-Erkrankung (▶ Abb.  3). Sie wird durch Stechmücken übertragen (z. B. Culex tritaeniorhynchus und C. vishnui), Virusreservoir sind v. a. Wasservögel und Schweine. Deshalb ist das Infektionsrisiko bei Reisen in ländliche Regionen erhöht, insbesondere während und nach der Monsunzeit. In Endemiegebieten sind hauptsächlich Kinder betroffen.

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Das Infektionsrisiko für Reisende ist insgesamt gering. Allerdings wurde auch über schwere Fälle nach Kurzreisen berichtet [4].

Impfstoff | Seit 2009 ist ein gut verträglicher Zellkultur-Totimpfstoff erhältlich (▶ Tab.  2), der ab dem 3. Lebensmonat zugelassen ist. Die Impfung erfolgt zweimal im Abstand von mindestens 4 Wochen. Kinder bis zum vollendeten 3. Lebensjahr erhalten die halbe Dosis. Es ist noch unklar, wie lange der Impfschutz anhält. Vom Hersteller wird derzeit bei anhaltender bzw. erneuter Exposition eine einmalige Auffrischung nach 12–24 Monaten empfohlen. Indikation | Alle Personen mit längeren oder wiederholten – auch kurzen – Aufenthalten in Risikogebieten sollten geimpft werden. Dies gilt insbesondere, wenn zusätzliche Risikofaktoren vorliegen, wie ▶▶ Aufenthalt in einem Endemiegebiet während der Hauptübertragungszeit, ▶▶ Alter > 50 Jahre, ▶▶ Z. n. Transplantation eines soliden Organs, ▶▶ Störungen der Blut-Hirn-Schranke, z. B. ▶▶ventrikulo-peritonealer Shunt, ▶▶Cochlea-Implantat, ▶▶ Immunsuppression, ▶▶ arterieller Hypertonie, ▶▶ Diabetes mellitus, ▶▶ chronische Nierenerkrankungen, ▶▶ Homozygotie für CCR5Δ32, ▶▶ vermehrte Aufenthalte im Freien [4, 6].

Malaria Risikogebiete Tropen und Subtropen | Malaria wird durch weibliche Stechmücken der Gattung Anopheles übertragen. Erreger sind 5 verschie­dene Protozoenarten der Gattung Plasmodium (▶ Tab. 3).

Abb. 3  Verbreitungsgebiete der Japanischen Enzephalitis. Quelle: WHO [29].

Die Krankheit kommt in zahlreichen tropischen und subtropischen Länder vor (▶ Abb.  4). Nach Schätzungen der WHO erkrankten 2013 198 Millionen Menschen, 584 000 Millionen starben [28]. Die meisten ­Erkrankungen (ca. 80 %) und Todesfälle (ca. 90 %) treten im subsaharischen Afrika auf – insbesondere bei Kindern unter 5 Jahren (ca. 78 % aller T ­ odesfälle). 2013 wurden in Deutschland 637 Malaria-Erkrankungen gemeldet, davon 81 % der Malaria-tropica-Form [21]. Der größte Teil der ­Erkrankungen (95 %) wurde aus Afrika und hier insbesondere aus Westafrika importiert. Malaria tropica | Fast 80 % aller Malaria-Fälle sind heute auf Plasmodium falciparum zurückzuführen, dem Erreger der gefährlichen Malaria tropica (Falciparum-Malaria). Sie kann schwere Komplikationen verursachen (s. Beitrag „Affenmalaria“ auf Seite 815) und unbehandelt rasch letal verlaufen. Besonders gefährdet sind ▶▶ Reisende aus Malaria-freien Gebieten, ▶▶ Kleinkinder und ▶▶ Schwangere (v. a. Erstgebärende) in den Verbreitungsgebieten. Malaria tertiana und quartana | Beide Formen verlaufen meist nicht bedrohlich und führen sel-

Erkrankung (Erreger)

Inkubation

Dauer der Blutschizogonie

Parasitämie (% befallene Erythrozyten)

Fieber, Klinik

Malaria tropica (P. falciparum)

7–30 Tage, ev. länger

ca. 48 h (asynchron)

unbegrenzt

irregulär, Komplikationen

Malaria tertiana (P. vivax, P. ovale)

12 Tage bis 1 Jahr (Spätrezidive)

ca. 48 h (synchron)

maximal 1–3 %

jeden 2. Tag*

Malaria quartana (P. malariae)

30–50 Tage

ca. 72 h (synchron)

maximal 1–2 %

jeden 3. Tag

P. knowlesi-Malaria („Affen-Malaria“)

> 1 Woche

ca. 24 h

bis über 10 %

täglich, Komplikationen

Tab. 3  Malariaerreger und Krankheitsformen. *bei P. vivax auch tägliches Fieber möglich (bei mind. 2 verschiedenen Parasitengenerationen)

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Meist bleibt die Erkrankung asymptomatisch oder es zeigen sich lediglich unspezifische grippale Symptome. Nur bei etwa einem von 50–200 Infizierten entwickelt sich ein schwerer neurologischer Verlauf (Letalität 5–30 %). 30–50 % der Überlebenden haben bleibende neurologische Schäden. Eine kausale Therapie gibt es nicht.

Dossier ten zu Todesfällen. Bei der Malaria tertiana (Erreger: P. vivax und P. ovale) sind Spätrezidive durch in der Leber persistierende Erregerformen (Hypnozoiten) möglich. Malaria quartana wird hin­ gegen durch P. malariae verursacht. In einigen ­Gebieten Südostasiens wird bei Malariakranken zunehmend auch P. knowlesi nachgewiesen. Der Erreger kommt üblicherweise bei Makaken vor, kann beim Menschen aber – ähnlich wie Malaria tropica – zu lebensbedrohlichen Verläufen führen (s. Beitrag „Affenmalaria“ auf Seite 815). Wesentlichen Schutzmaßnahmen vor Malaria sind ▶▶ Vermeidung von Stichen der Überträgermü-

cken (Expositionsprophylaxe) ▶▶ Prophylaktische Einnahme von Medikamenten

(Chemoprophylaxe) ▶▶ Mitnahme von Medikamenten für eine

notfallmäßige Selbsttherapie (NST)

Symptome der Malaria | Anhand der Symptome ▶▶ Fieber, ▶▶ schweres Krankheitsgefühl, ▶▶ Kopf- und Gliederschmerzen, ▶▶ Schüttelfrost. kann die Diagnose weder sicher gestellt noch ausgeschlossen werden. Dies ist nur durch den Nachweis von Parasiten oder Parasitenbestandteilen im Blut möglich. Jedes unklare Fieber in den Tropen ab dem 6. Tag nach erstmaligem Betreten eines ­Endemiegebietes ist so lange verdächtig auf Malaria, bis das Gegenteil erwiesen ist. Dies gilt auch längere Zeit nach Rückkehr.

Expositionsprophylaxe | Basis der Malariaprophylaxe ist ein konsequenter Mückenschutz. Die-

ser kann das Risiko um bis zu 90 % reduzieren und auch vor zahlreichen anderen Vektor-übertragenen Infektionen schützen (z. B. Denguefieber). Zur Expositionsprophylaxe gehören: ▶▶ Einreiben unbedeckter Hautstellen mit mückenabweisenden Mitteln (Repellents), ▶▶ Tragen von hautbedeckender, heller Kleidung ▶▶ Schlafen unter Moskitonetzen ▶▶ Aufenthalt in mückensicheren Räumen (Klimaanlage, Fliegengitter). Als Repellents kommen vor allem DEET oder Icaridin in Frage. Die zusätzlichen Verwendung von Insektiziden (z. B. Pyrethroide) bietet weiteren Schutz, z. B. ▶▶ als Spray, ▶▶ in Verdampfern, ▶▶ als Räucherspiralen („mosquito coils“), ▶▶ zur Imprägnierung von Moskitonetzen und Kleidungsstücken. Die Kombination von imprägnierter Kleidung und einem Repellent bietet den höchstmöglichen Schutz gegen Moskitos und andere blutsaugende Arthropoden, einschließlich Zecken.

Angesichts der zunehmenden Resistenz der Erreger gegen vorbeugende Medikamente ist die Expositionsprophylaxe besonders wichtig. Bei Säuglingen und Kleinkindern ist sie sehr effektiv durchführbar (z. B. Moskitonetz über dem Bett). Chemoprophylaxe | Eine regelmäßige Chemoprophylaxe kann das Erkrankungsrisiko erheblich reduzieren und ist bei Reisen und Aufenthalten in Malariagebieten mit hohem Risiko grundsätzlich empfehlenswert. Dies sind vor allem ▶▶ das subsaharische Afrika ▶▶ einige Gebiete in Südostasien / Ozeanien ▶▶ sowie einige Gebiete in Südamerika (▶ Abb. 4).

Abb. 4  Verbreitung der Malaria und Empfehlungen zur Prophylaxe [7].

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Chemoprophylaxe (Erwachsenendosis)*

Notfallmäßige Selbsttherapie (Erwachsenendosis)*

Artemether / Lumefantrin (Riamet®)

Nicht geeignet

initial: 80 / 480 mg (= 4 Tbl.), nach 8 h: weitere 4 Tbl. Tage 2 und 3: zweimal täglich je 4 Tbl.

Atovaquon / Proguanil (Malarone®, versch. Generika)

250 / 100 mg (= 1 Tbl.) pro Tag 1–2 Tage vor bis 7 Tage nach Aufenthalt

1000 / 400 mg (= 4 Tbl.) als Einmaldosis an 3 aufeinanderfolgenden Tagen

Chloroquin (Resochin® u. a. )

300 mg Chloroquin-Base (= 2 Tbl. Resochin®), bei Patienten > 75 kg: 450 mg (3 Tbl.) pro Woche 1 Woche vor bis 4 Wochen nach Aufenthalt

initial: 600 mg Base (= 4 Tbl. Resochin) nach 6, 24, 48 h: je 300 mg (= 2 Tbl. Resochin®)

Doxycyclin** (versch. Handelspräparate)

100 mg pro Tag 1–2 Tage vor bis 4 Wochen nach Aufenthalt

nicht geeignet

Mefloquin*** (Lariam®)

250 mg (= 1 Tbl.) pro Woche 1 Woche vor bis 4 Wochen nach Aufenthalt

initial 750 mg (= 3 Tbl.) nach 6–8 h: weitere 500 mg Patienten > 60 kg: weitere 250 mg nach 6–8 h

Tab. 4  Für die Chemoprophylaxe und notfallmäßige Selbsttherapie zugelassene Antimalariamedikamente [7]. * Dosis für normalgewichtige Erwachsene, Dosierung für Kinder siehe [7]  ** In Deutschland für diese Indikation nicht zugelassen („off-label-use“), aber von der DTG und WHO empfohlen. *** Besondere Vorsichtsmaßnahmen beachten (s. Text)

Resistenzen gegen Medikamente wie Chloroquin oder Sulfadoxin / Pyrimethamin sind weit verbreitet. Aus diesem Grund werden derzeit Atovaquon / Proguanil oder Doxycyclin bevorzugt (▶ Tab. 4). Mefloquin wird aufgrund seines neuropsychiatrischen Nebenwirkungspotenzials nur noch als Reservemedikament eingesetzt, z. B. bei ▶▶ Kontraindikationen bzw. Unverträglichkeiten anderer Chemoprophylaktika, ▶▶ Schwangeren, ▶▶ Kindern, ▶▶ Langzeitaufenthalten. Nach den geänderten Zulassungsunterlagen (Rote Hand-Brief vom September 2013) muss der verschreibende Arzt ▶▶ ausführlich über mögliche Nebenwirkungen aufklären, ▶▶ einen speziellen Fragebogen ausfüllen und ▶▶ einen Medikamentenausweis zur Mitnahme für den Reisenden ausstellen. Cave  Keine Chemoprophylaxe wirkt absolut zuverlässig. Bei febrilen Erkrankungen während oder nach einem Aufenthalt ist – trotz regelmäßiger Einnahme – zeitnah eine Malaria abzuklären.

Notfallmäßige Selbsttherapie (NST) | Wenn keine regelmäßige Chemoprophylaxe erfolgt ist – etwa in Gebieten mit niedrigem oder mittlerem Malaria­ risiko – sollte eine therapeutische Dosis eines ­geeigneten Malaria-Medikaments mitgeführt werden. Treten malariaverdächtige Symptome auf und ist kein Arzt erreichbar, kann dieses im Notfall selbstständig eingenommen werden. Für die NST geeignet sind (▶ Tab. 4): ▶▶ Atovaquon / Proguanil ▶▶ Artemether / Lumefantrin ▶▶ Mefloquin bei Schwangeren ▶▶ Chloroquin (in Teilen Mittelamerikas und der Karibik).

Nach einer NST ist so rasch wie möglich ein Arzt aufzusuchen, um die Wirkung der NST zu überprüfen und eine evtl. bestehende, anderweitige febrile Erkrankung nicht zu übersehen! Beratungspraxis | Über die konkrete Art der Malariavorbeugung muss individuell entschieden werden anhand ▶▶ des Reiseziels, ▶▶ der Reisezeit, ▶▶ der Reisedauer, ▶▶ des Reisestils und ▶▶ unter Berücksichtigung von ▶▶Vorerkrankungen, ▶▶Unverträglichkeiten, ▶▶Medikamenteneinnahme ▶▶und anderen Faktoren. Die DTG-Empfehlungen zur Malariavorbeugung enthalten Angaben für die wichtigsten Reise­ gebiete mit Malariavorkommen [7]. Sie orientieren sich an reisemedizinischen Erfahrungen und Daten und gelten für den „Regelfall“ eines organisiert reisenden Touristen.

Ermessensspielraum | Der beratende Arzt kann sich aus fachlichen Gründen jedoch auch für ein anderes Vorgehen entscheiden, wenn das individuelle Malaria-Risiko höher oder geringer ist, z. B. durch ▶▶ Reisestil, ▶▶ Aufenthaltsdauer, ▶▶ Zielregion, ▶▶ Saison oder ▶▶ aktuelle Ereignisse Der Reisende sollte in diesem Fall über alle Alternativen im Rahmen des Ermessensspielraums aufgeklärt und an der Entscheidung beteiligt werden. Die Empfehlung sollte am besten schriftlich dokumentiert werden. Bei speziellen Fragen

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Dossier

Dossier sollte einen Arzt mit Zusatzbezeichnung Tropenmedizin bzw. eine tropenmedizinische Einrichtung hinzugezogen werden.

Dr. med. Martin Alberer ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in der Abteilung für Infektions- und Tropen­ medizin Ludwig-MaximiliansUniversität, München. Martin.Alberer@ lrz.uni-­muenchen.de

Prof. Dr. med. Thomas Löscher ist Facharzt für Innere Medizin, Infektiologie und Tropenmedizin und Direktor der Abteilung für Infektions- und Tropen­ medizin Ludwig-MaximiliansUniversität , München. [email protected]

Bei nicht standardmäßigem Vorgehen müssen die WHO-Richtlinien und deutschen Zulassungsbedingungen beachtet werden.

Malaria- und Dengue-Impfstoffe Malaria | In den letzten Jahren wurden vor allem Fortschritte bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen Dengue-Fieber und Malaria erzielt. Der erste in grossen kontrollierten Feldstudien wirksame Malaria-Impfstoff RTS,S zeigte Schutzraten von durchschnittlich 46 % [14]. Dies könnte in den Hochendemiegbieten die Sterblichkeit bei Kleinkindern reduzieren und sie Malaria-Morbidität in der Bevölkerung verringern. Die bisherigen Schutzmaßnahmen bei Reisenden wird der Impfstoff nach jetzigem Stand allerdings nicht ersetzen können. Dengue-Fieber | Das Dengue-Fieber hat sich über weite Bereiche von Asien und Lateinamerika ausgebreitet. Derzeit werden mehrere tetravalente Impfstoffe präklinische und klinische erprobt [12, 25]. Diese sind auch für die Reisemedizin von Interesse, da das Denguefieber mittlerweile zu den häufigsten auf Fernreisen erworbenen Erkrankungen zählt [10]. Konsequenz für Klinik und Praxis ▶▶ Zu einer reisemedizinischen Beratung gehören

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Interessenkonflikt T. L. hat Vortrags­honorare und Forschungsunterstützung von folgenden Unternehmen erhalten, die im Artikel erwähnte Impfstoffe und Medikamente herstellen: GSK, Novartis, Sanofi Pasteur, Sigma tau und MSD. M. A. hat als Subinvestigator Impfstudien für Novartis Vaccines durchgeführt. DOI 10.1055/s-0041-102193 Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 805–814 © Georg Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-0472

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Informationen zu Reiseimpfungen, Expositionsprophylaxe und nicht-infektiösen Gesundheitsrisiken. Ebenfalls überprüft werden sollte der aktuelle Impfstatus von Standardimpfungen. Neben vorgeschriebenen Impfungen des Ziellandes können u. U. auch bestimmte Indikationsimpfungen sinnvoll sein. RKI, DTG und WHO veröffentlichen regelmäßig aktuelle Informationen. Grundlage der Malariaprophylaxe ist ein konsequenter Mückenschutz. Eine zusätzliche Chemoprophylaxe ist bei Reisen in Hochrisikogebieten indiziert. Ggf. können Medikamente für eine notfall­ mäßige Selbsttherapie (NST) der Malaria empfohlen werden.

Literatur 1 Al-Tawfiq JA, Clark TA, Memish ZA. Meningococcal disease: the organism, clinical presentation, and worldwide epidemiology. J Travel Med 2010; 17 Suppl: 3–8 2 Auswärtiges Amt: Reise- und Sicherheitshinweise. http://www.auswaertiges-amt.de letzter Zugriff 4.5.2015

3 Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) Bonn 2014 4 Burchard GD, Caumes E, Connor BA et al. Expert opinion on vaccination of travelers against Japanese encephalitis. J Travel Med 2009; 16: 204–216 5 Centers of Disease Control and Prevention (CDC): Transmission of yellow fever vaccine virus through breast-feeding – Brazil, 2009. Morb Mortal Wkly Rep 2010; 59: 130–132 6 Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit (DTG): Hinweise und Empfehlungen zu Reiseimpfungen. http://www.dtg. org/impfungen.html letzter Zugriff 4.5.2015 7 Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit (DTG): Empfehlungen zur Malariavorbeugung. http://www.dtg.org/malaria.html; letzter Zugriff 4.5.2015 8 Fraser A, Goldberg E, Acosta CJ et al. Vaccines for preventing typhoid fever. Cochrane Database Syst Rev 2007: CD001261 9 Kuhn S, Twele-Montecinos L, Macdonald J et al. Case report: probable transmission of vaccine strain of yellow fever virus to an infant via breast milk. CMAJ 2011; 183: E243–224 10 Leder K, Torresi J, Libman MD et al. GeoSentinel Surveillance Network. GeoSentinel surveillance of illness in returned travelers, 2007–2011. ­Ann ­Intern Med 2013; 158: 456–468 11 Löscher T, Horstmann R, Krüger A et al. Malaria. In: Löscher T, Burchard GD, Hrsg. Tropenmedizin in Klinik und Praxis. 4. Aufl. Stuttgart, New York: Georg Thieme Verlag; 2010 12 Murrell S, Wu SC, Butler M. Review of dengue virus and the development of a vaccine. Biotechnol Adv 2011; 29: 239–247 13 Nothdurft HD, Dahlgren AL, Gallagher EA et al. The risk of acquiring hepatitis A and B among travelers in selected Eastern and Southern Europe and non-European Mediterranean countries: review and consensus statement on hepatitis A and B vaccination. J Travel Med 2007; 14: 181–187 14 Ouattara A, Laurens MB. Vaccines Against Malaria. Clin Infect Dis 2014 [Epub ahead of print] 15 Pakkanen SH, Kantele JM, Kantele A. Cross-reactive gut-directed immune response against Salmonella enterica serovar Paratyphi A and B in typhoid fever and after oral Ty21a typhoid vaccination. Vaccine 2012; 30: 6047–6053 16 Plotkin SA, Orenstein WA. Vaccines. 4th. Aufl. Philadelphia, Saunders; 2004 17 Rafferty E, Duclos P, Yactayo S, Schuster M. Risk of yellow fever vaccine-associated viscerotropic disease among the elderly: a systematic review. Vaccine. 2013; 31: 5798–5805 18 Robert Koch-Institut: Tollwut in Deutschland – Gelöstes Problem oder versteckte Gefahr? Epidem Bull 2011; 8: 57–61 19 Robert Koch-Institut: Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO). Stand: August 2014. Epidem Bull 2014; 34: 305–340 20 Robert Koch-Institut: Aktualisierte Stellungnahme zum Stand der Bewertung des neuen Meningokokken-BImpfstoffs. Epidem Bull 2014; 36: 356–360 21 Robert Koch-Institut: Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2013. RKI Berlin 2014 22 Steffen R, Banos A, deBernardis C. Vaccination priorities. Int J Antimicrob Agents 2003; 21: 175–180 23 Szu SC. Development of Vi conjugate – a new generation of typhoid vaccine. Expert review of vaccines 2013; 12: 1273–1286

Vollständiges Literaturverzeichnis unter http://dx.doi.org/10.1055/s-0041-102193

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Dossier 28 World Health Organization: World Malaria Report 2014. WHO, Geneva 2015. http://www.who.int/malaria/ publications/world_malaria_report_2014/en/ letzter Zugriff 4.5.2015 29 World Health Organization: International travel and health, 2014 update. WHO, Geneva 2015. http://www. who.int/ith/en letzter Zugriff 4.5.2015

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24 Thomas RE, Spragins W, Lorenzetti DL. How many published cases of serious adverse events after yellow fever vaccination meet Brighton Collaboration diagnostic criteria? Vaccine 2013; 31: 6201–6209 25 Villar L, Dayan GH, Arredondo-García JL et al. CYD15 Study Group. Efficacy of a tetravalent dengue vaccine in children in Latin America. N Engl J Med. 2015; 372: 113–123 26 Wain J, Hendriksen RS, Mikoleit ML et al. Typhoid fever. Lancet. 2014 [Epub ahead of print] 27 World Health Organization: International Health Regulations (2005) 2nd ed. WHO Geneva 2008.http:// www.who.int/ihr/publications/9789241596664/en/ letzter Zugriff 4.5.2015

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[Vaccinations and malaria prophylaxis for international travelers].

The prevention of infectious diseases by vaccination and by counselling about malaria prophylaxis is a central aspect of travel medicine. Besides mand...
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