Originalarbeit 77

Inanspruchnahme von Ergotherapie im Kindesalter – Ergebnisse aus der KiGGS-Basiserhebung

Autoren

A. Weber1, D. Karch1, U. Thyen2, A. Rommel3, R. Schlack3, H. Hölling3, R. von Kries1

Institute

Die Institutsangaben sind am Ende des Beitrags gelistet

Schlüsselwörter ▶ Ergotherapie ● ▶ Kinder ● ▶ Versorgung ● ▶ Inanspruchnahme ● ▶ ADHS ●

Zusammenfassung

Abstract

Hintergrund:  Eine populationsbezogene Auswertung der Inanspruchnahme von Ergotherapie bezogen auf elternberichtete gesundheitliche Einschränkungen von Kindern unter Berücksichtigung sozialer Determinanten fehlt bislang. Patienten und Methoden:  Die KiGGS-Basis­ erhebung wurde von 2003 bis 2006 mit insgesamt 17 641 Kindern und Jugendlichen im Alter von 0 bis 17 Jahren und ihren Eltern durchgeführt. Die Inanspruchnahme von Ergotherapie in den letzten 12 Monaten konnte als „andere Therapie“ in einem Freitextfeld genannt werden. Gesundheitliche Einschränkungen, die für die Inanspruchnahme von Ergotherapie in den letzten 12 Monaten relevant sein können, wurden analysiert. Mittels populationsattributabler Risikofraktion wurde der Anteil der Inanspruchnahme geschätzt, der durch diese Faktoren erklärt werden kann. Ergebnisse:  Die Häufigkeit der Inanspruchnahme von Ergotherapie bei 3 bis 13-Jährigen betrug 2,4 %. Der soziale Status der Familie zeigte keinen Zusammenhang mit der Inanspruchnahme. Kinder mit Migrationshintergrund nahmen seltener Ergotherapie in Anspruch (z. B. 3 bis 6 Jährige: ORadjustiert 0,2 [95- % KI: 0,1–1,0]). Der durch die erhobenen gesundheitlichen Einschränkungen erklärbare Anteil der Ergotherapie lag zwischen 45 % (3 bis 6 Jahre) und 65 % (11 bis 13 Jahre). Diskussion:  Die generelle Inanspruchnahme von Ergotherapie in der KiGGS-Basiserhebung ist niedriger als in den Heilmittelreporten der Krankenkassen berichtet. Dies kann möglicherweise auf die Erhebungsmethodik zurückgeführt werden. Die niedrigere Inanspruchnahme von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund wird in der Literatur auch bezüglich Arztbesuchen berichtet. Schlussfolgerung:  Auch wenn die Inanspruchnahme von Ergotherapie mit diesen Daten unter-

Background:  A population-based analysis on use of occupational therapy by child‘s parentally reported health restrictions and socio-demographic determinants is missing. Patients and Methods:  The basis KiGGS survey (2003 to 2006) reports on health in 17 641 children aged 0 to 17 years. The use of occupational therapy in the last 12 months could be ticked as other therapies with a free text field to name occupational therapy or others. Health restrictions potentially relevant for the use of occupational therapy and sociodemographic factors were assessed. The proportion of use of occupational therapy explained by the health restrictions was estimated by the population attributable risk fraction. Results:  The average use of occupational therapy for 3 to 13-year-olds was 2.4 %. There was no association with the socioeconomic status; Children with immigration background used occupa­tional therapy less often (e. g. age group 3 to 6 years: ORadjusted 0.2 [95- % KI: 0.1–1.0]). The proportion of occupational therapy explainable by the health restrictions considered ranged from 45 % (3 to 6 years) to 65 % (11 to 13 years). Discussion:  The lower use of occupational therapy in the KiGGS survey compared to health insurance reports may be explained by the ascertainment method. A lower use of occupational therapy related to immigration background matches lower use for physician visits. Conclusion:  The causes for the low proportion of explained occupational therapy in young children and the lower use in children with immigration background warrant further research.

Key words ▶ occupational therapy ● ▶ children ● ▶ health care ● ▶ utilization ● ▶ ADHD ●

Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0041-111177 Online-Publikation: 17.2.2016 Klin Padiatr 2016; 228: 77–83 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0300-8630 Korrespondenzadresse Alisa Weber Ludwig-Maximilians-University Institute of Social Paediatrics and Adolescent Medicine Haydnstraße 5 80336 Munich Tel.:  + 49/89/552734 142 Fax:  + 49/89/552734 139 [email protected]­ muenchen.de





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Utilization of Occupational Therapy in Children – Results from the KiGGS Basis Survey

78 Originalarbeit

Einleitung



Nach der Richtlinie zur Verordnung von Heilmitteln umfassen die Maßnahmen der Ergotherapie die „Wiederherstellung, Entwicklung, Verbesserung, Erhaltung oder Kompensation der krankheitsbedingt gestörten motorischen, sensorischen, psychischen und kognitiven Funktionen und Fähigkeiten“ [10]. In diesem Sinne kann Ergotherapie bei Erkrankungen des Stütz- und Bewegungssystems, des Nervensystems und bei psychischen Störungen eingesetzt werden [21]. Die Evidenz der Wirksamkeit von Ergotherapie in Bezug auf unterschiedliche Störungsbilder ist allerdings umstritten. So lagen etwa nach Darstellung der Bundesärztekammer von 2005 keine Wirksamkeitsstudien für die Behandlung von ADHS mit Ergotherapie vor, sie wird aber trotzdem häufig verordnet [5]. Allerdings gibt es in den letzten Jahren immer mehr Bestrebungen, die Wirksamkeit von Ergotherapie evidenzbasiert nachzuweisen [17]. Die Versorgungssituation von Kindern mit Ergotherapie wurde bisher vor allem durch die Heilmittelreporte der Krankenkassen untersucht. Hierbei wurde auf die Versorgung einzelner Störungsbilder wie ADHS mit Ergotherapie fokussiert und auf möglicherweise zu niedrige Verordnungsraten von Ergotherapie bei unterschiedlichen Indikationen hingewiesen [9, 17, 23]. Eine populationsbezogene Analyse der Inanspruchnahme von Ergotherapie bezogen auf elternberichtete gesundheitliche Einschränkungen der Kinder unter Berücksichtigung soziodemografischer Determinanten fehlt bislang. Hierfür bietet die Basiserhebung der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) die Möglichkeit, die Inanspruchnahme von Ergotherapie zu elternberichteten gesundheitlichen und psychischen Einschränkungen sowie soziodemografischen Determinanten der Kinder in Bezug zu setzen. Aus den in der KiGGS-Basiserhebung erhobenen Daten wurden Variablen ausgewählt, die Indikationen approximieren, für die laut Literaturlage Ergotherapie als Behandlungsmöglichkeit berichtet wird: Entwicklungsstörungen und Behinderungen [4], umschriebene motorische Entwicklungsstörungen [2] sowie psychische und Verhaltensstörungen, insbesondere auch ADHS [17]. Auch zur Prävention von Entwicklungsstörungen bei Frühgeborenen wird Ergotherapie eingesetzt [4]. Ziel der vorliegenden Studie war es, folgende Fragestellungen zu analysieren: Gibt es Unterschiede in der in der KiGGS-Basiserhebung erhobenen Inanspruchnahme von Ergotherapie und den Verordnungsprävalenzen, die in den Heilmittelreporten der Krankenkassen berichtet werden? Findet sich bei der Auswertung der KiGGS-Daten ein Zusammenhang der Inanspruchnahme von Ergotherapie mit den in der KiGGS-Basiserhebung erhobenen sozialen Determinanten und elternberichteten gesundheitlichen und psychischen Problemen der Kinder? Wie hoch ist die Inanspruchnahme von Ergotherapie bei Vorliegen dieser Determinanten? Wie groß ist der durch die in der KiGGS-Basis­ erhebung erhobenen Determinanten erklärbare Anteil der Inanspruchnahme von Ergotherapie?

Methode



Die KiGGS-Studie ist eine Langzeiterhebung zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen mit Quer- und Längsschnittkomponenten. Sie wird vom Robert Koch Institut, Berlin, durchgeführt. Ziel dieser Befragungs- und Untersuchungsstudie ist es, umfassende, bevölkerungsbezogene Daten zur Kinder- und Jugend­ gesundheit zu erheben. Die Ersterhebung (KiGGS-Basiserhebung) wurde von 2003 bis 2006 mit insgesamt 17 641 Kindern und Jugendlichen im Alter von 0 bis 17 Jahren (8 985 Jungen und 8 656 Mädchen) und ihren Eltern aus 167 für die Bundesrepublik repräsentativen Städten und Gemeinden durchgeführt. Die Teilnahmequote betrug 66,6 %. Konzept, Design und Durchführung der KiGGS-Studie sind an anderer Stelle ausführlich beschrieben [7, 11, 12, 15]. In der KiGGS-Basiserhebung wurden unter anderem Informationen zur Inanspruchnahme von Ergotherapie in den letzten 12 Monaten, zu körperlichen und psychischen Gesundheitsproblemen der Kinder und Jugendlichen sowie soziodemografischen Determinanten mittels Fragebögen bei den Eltern, ab 11 Jahren auch bei den Kindern und Jugendlichen selbst, erhoben. Angaben zur Inanspruchnahme von Ergotherapie wurden nicht direkt erfasst. Im Altersbereich 0 bis 13 Jahre konnten die Eltern „Ergotherapie“ bei der Frage: „Welche der nachfolgenden Therapeuten/Einrichtungen haben Sie für Ihr Kind in den letzten 12 Monaten in Anspruch genommen?“ in Verbindung mit der Antwortmöglichkeit „Sonstige“ in einem Freitextfeld angeben. In der Altersgruppe der 14 bis 17-Jährigen wurden die Jugendlichen hierzu selbst befragt. Im Unterschied zum Elternfragebogen gab es hier die Möglichkeit, „Ergotherapie“ unter den Antwortmöglichkeiten direkt auszuwählen. Der Sozialstatus wurde anhand eines mehrdimensionalen Index auf Basis von Angaben der Eltern zu deren schulischer und beruflicher Ausbildung, beruflichen Stellung sowie zum Haushaltsnettoeinkommen bestimmt [18] (niedriger vs. mittlerer vs. hoher Sozialstatus). Einen Migrationshintergrund nach der Definition aus der KiGGS-Basiserhebung hatten Kinder und Jugendliche, die 1.) entweder selbst aus einem anderen Land zugewandert sind und von denen mindestens ein Elternteil nicht in Deutschland geboren ist oder 2.) von denen beide Eltern zugewandert sind oder nicht die deutsche Staatsangehörigkeit hatten [24]. Kinder wurden als frühgeboren definiert, wenn die Eltern selbst ihr Kind als frühgeboren bezeichneten (ja vs. nein) oder angegeben hatten, dass es vor der 37. Schwangerschaftswoche geboren sei. Außerdem wurden die Eltern gefragt, ob ihr Kind eine amtlich anerkannte Behinderung hat (ja vs. nein). Darüber hinaus lagen Elternangaben dazu vor, ob sich ihr Kind ihrer Meinung nach langsamer, gleich schnell oder rascher als andere Kinder entwickelt hat (im Folgenden als elternberichtete Entwicklungsverzögerung bezeichnet). Eine Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) bei den Kindern und Jugendlichen wurde mit der Frage: „Wurde bei Ihrem Kind jemals eine Aufmerksamkeitsstörung/Hypera­ ktivität festgestellt?“ erhoben. Im Weiteren konnten die Eltern angeben, wer diese Störung diagnostiziert hat. Hierbei werden analog der RKI-Falldefinition im Folgenden nur die Fälle einbezogen, bei denen die Diagnose laut Elternauskunft durch einen Arzt oder Psychologen gestellt wurde [25]. Informationen zu psychischen Auffälligkeiten der Kinder und Jugendlichen in diesem Beitrag stammen aus der Elternversion des „Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ)“. Der SDQ

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schätzt wird, lassen sich relevante Hypothesen generieren: geringere Inanspruchnahme bei Kindern mit Migrationshintergrund und unklare Indikationsstellung bei kleineren Kindern.

Originalarbeit 79

6,0 4,4 [3,3 – 5,4]

5,0 4,0 3,0 2,0 0,1

1,0 [0,0 – 0,4] 0,0

Statistische Methoden

Mithilfe eines Gewichtungsfaktors wurden die Analysen um die Abweichungen der Stichprobe von der Bevölkerungsstruktur hinsichtlich Alter, Geschlecht, Region und Staatsangehörigkeit korrigiert [15]. Zur Beschreibung der Daten wurden in deskriptiven Analysen gewichtete Prävalenzen berechnet. Mithilfe des Chi2-Tests wurden bivariate Berechnungen zur Überprüfung des Unterschiedes in der Inanspruchnahme von Ergotherapie bei Vorliegen vs. Nicht-Vorliegen der sozialen, gesundheitlichen und psychischen Determinanten durchgeführt. In einer logistischen Regression wurden sowohl rohe als auch wechselseitig adjustierte Odds Ratios berechnet. Hierbei gingen die Inanspruchnahme von Ergotherapie als abhängige Variable und alle weiteren beschriebenen Determinanten als Prädikatoren jeweils einzeln und in ein Gesamtmodell mit allen Variablen ein. Mithilfe von PARF, der populationsattributalen Risikofraktion, wurde geschätzt, welchen Anteil an der Inanspruchnahme von Ergotherapie die identifizierten gesundheitlichen Einschränkungen auf Bevölkerungsebene erklären können. Hierbei wird sowohl die Stärke der Assoziation berücksichtigt als auch die Prävalenz der Exposition in der untersuchten Population. Hierzu wurde das von Eide und Gefeller vorgestellte Modell [8] unter Zuhilfenahme des Codes von Rückinger und Kollegen für die Software-Pakete von SAS verwendet [22]. Alle Berechnungen wurden mit SAS 9.2 unter Verwendung der Survey-Prozeduren für komplexe Stichproben vorgenommen.

Ergebnisse



Insgesamt beträgt die Inanspruchnahme von Ergotherapie in den letzten 12 Monaten bei den 0 bis 17-Jährigen in der KiGGS-­ Basiserhebung 1,6 %. In den Altersgruppen 0 bis 2 Jahre (1 Kind) und 14 bis 17 Jahre (19 Kinder) nehmen nur sehr wenige Kinder Ergotherapie in Anspruch. Daher werden die weiteren Analysen ▶  Abb. 1). auf die 3 mittleren Altersgruppen beschränkt ( ● Für 87,5 % (n = 9 716) aller Kinder im Altersbereich 3 bis 13 Jahre liegen vollständige Daten für die Analyse der relevanten Fragestellungen zur Inanspruchnahme von Ergotherapie vor. Die soziodemografischen Determinanten sind in allen Altersgruppen ähnlich verteilt. Der gewichtete prozentuale Anteil an frühgeborenen Kindern nimmt in den höheren Altersgruppen ab (von 8,3 auf 6,0 %), während die übrigen untersuchten gesundheitlichen Einschränkungen mit dem Alter zunehmen. Selbiges gilt für die psychischen Auffälligkeiten, vor allem der prozentuale gewichtete Anteil von Kindern mit ADHS-Diagnose steigt mit dem Alter ▶  Tab. 1). an (von 1,5 auf 7,1 %) ( ● Vor allem im Alter von 3 bis 6 Jahren (Jungen: 4,4 %; Mädchen: 1,1 %) und 7 bis 10 Jahren (Jungen: 5,0 %; Mädchen 1,4 %) nehmen Kinder Ergotherapie in Anspruch. Bei den 11 bis 13 Jährigen ist die Prävalenz vor allem bei den Jungen deutlich niedriger und nähert sich an die Inanspruchnahme der Mädchen an (Jungen: ▶  Abb. 1). 1,3 %; Mädchen: 0,8 %) ( ●

5,0 [3,8 – 6,2]

0,0

1,1 [0,5 – 1,6]

1,3 1,4 [0,7 – 1,9] [0,9 – 2,0] 0,8

[0,3 – 1,3] 0,3 [0,1 – 0,5]

[k.A.]

0–2

3–6

7 – 10 Alter in Jahren Jungen

0,7 [0,3 – 1,1]

11 – 13

14 – 17

Mädchen

Abb. 1  Inanspruchnahme von Ergotherapie bei Kindern und ­Jugendlichen in Deutschland in den letzten 12 Monaten nach Alter und Geschlecht (in %) (KiGGS-Basiserhebung 2003–2006).

Bezüglich des Sozialstatus der Eltern zeigt sich kein Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Ergotherapie. Bei Kindern ohne Migrationshintergrund berichten die Eltern vor allem bei den 3 bis 6 Jährigen (2,8 %) häufiger die Inanspruchnahme von Ergo­therapie als bei Kindern mit Migrationshintergrund (1,0 %). Auch nach Adjustierung im Gesamtmodell zeigt sich in dieser Altersgruppe für Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund eine geringere Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme ▶  Tab. 2, 3). von Ergotherapie (OR: 0,2 [95 %-KI: 0,1–1,0]) ( ● Frühgeburt leistet im adjustierten Modell in keiner Altersgruppe einen eigenständigen Vorhersagebeitrag zur Inanspruchnahme ▶  Tab. 3), während beim Vergleich der Prävavon Ergotherapie ( ● lenzen durchaus statistisch signifikante Unterschiede zu erken▶  Tab. 2). nen waren ( ● Bei Kindern im Alter von 3 bis 6 Jahren mit einer amtlich anerkannten Behinderung berichten 14,4 % der Eltern die Inanspruchnahme von Ergotherapie im Gegensatz zu 2,4 % bei Kindern ohne amtlich anerkannte Behinderung. Eine amtlich anerkannte Behinderung ist in der adjustieren Analyse im Gesamtmodell allerdings nur noch bei Kindern im Alter von 11 bis 13 Jahren signifikant mit der Inanspruchnahme von Ergotherapie assoziiert (OR: ▶  Tab. 2, 3). 5,9 [95 %-KI: 1,6–21,9]) ( ● In der Altersgruppe der 7 bis 10-Jährigen nehmen Kinder, deren Eltern berichten, dass sie sich langsamer als andere entwickelt haben, zu 21,4 % Ergotherapie in Anspruch, im Gegensatz zu gleich schnell bzw. rascher entwickelten Kindern: 1,9 %. Eine solchermaßen verzögerte Entwicklung zeigt auch nach Adjustierung im ­Gesamtmodell in allen Altersgruppen eine signifikante Assozia­ tion mit der Inanspruchnahme einer Ergotherapie (ORadjustiert, signi▶  Tab. 2, 3). fikant zwischen 3,6 und 7,5 je nach Altersgruppe) ( ● Während bei 3 bis 6-Jährigen noch 40,7 % aller Eltern von Kindern mit ADHS-Diagnose von der Inanspruchnahme von Ergotherapie berichten, sind es im Grundschulalter noch 25,3 %. Eine ADHS-Diagnose ist in der logistischen Regression in allen Altersgruppen am stärksten mit der Inanspruchnahme von Ergo­ therapie assoziiert. Besonders ausgeprägt zeigt sich dies bei Kindern im Alter von 3 bis 6 Jahren (ORadjustiert: 20,9 [95 %-KI: 9,3– 46,5]) und im Alter von 11 bis 13 Jahren (ORadjustiert: 25,3 [95 %-KI: 6,6–96,9]). Ein auffälliger SDQ-Gesamtproblemwert ist nach Adjustierung im Gesamtmodell in der logistischen Regres▶  Tab. 2, 3). sion in keiner Altersgruppe mehr relevant ( ● Auf Basis der Berechnung der PARF kann bei den 3 bis 6 Jährigen nur 45 % der Inanspruchnahme von Ergotherapie durch die Prädiktoren erklärt werden. In den beiden höheren Altersgruppen können mithilfe der in der KiGGS-Basiserhebung erhobenen

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% [95 % -KI]

besteht aus 5 Einzelskalen: Emotionale Probleme, Hyperaktivität/Aufmerksamkeitsprobleme, Probleme im Umgang mit Gleichaltrigen, Verhaltensauffälligkeiten und Prosoziales Verhalten. Der Gesamtproblemwert wird aus den Rohwerten der 4 erstgenannten Problemskalen gebildet. Zur Bestimmung von Grenzwerten wurde die deutsche Normstichprobe herangezogen [13, 28].

80 Originalarbeit

Tab. 1  Stichprobe der Basiserhebung der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) (2003–2006). Altersgruppen (ngesamt = 11099) 3–6 Jahre

7–10 Jahre

(n = 3 875)

(n = 4 148)

 % a

N

 % b

N

[95 %-KI]

(Nmissing)

2,8

2,8 [2,2–3,3]

127 (0)

50,3

51,3 [50,8–51,7] 27,2 [25,2–29,2] 43,6 [41,4–45,8] 29,2 [26,7–31,6] 17,6 [15,2–20,1]

(Nmissing) Ergotherapie

108 (0) Soziodemografische Determinanten Junge 1 950 (0) Sozialer Status Niedrig 1 059 (74) Mittel 1 712 Hoch Migrationshintergrund

45,0

1 030

27,1

569 (32)

14,8

Gesundheitliche Einschränkungen Frühgeburt 297 (148) Amtlich anerkannte Behinderung 62 (57) Elternberichtete Entwicklungs­ 194 verzögerung (233) Psychische Auffälligkeiten Diagnostiziertes ADHS 57 (309) Auffälliger SDQ691 Gesamtproblemwert (69) a

27,9

8,0 1,6 5,3

1,6 18,2

 % a

11–13 Jahre (n = 3 076)  % b

N

[95 %-KI]

(Nmissing)

3,1

3,3 [2,6–3,9]

37 (0)

1,2

1,1 [0,7–1,4]

2 127 (0) 1 140 (72) 1 870

51,3

1 588 (0) 843 (76) 1 449

51,6

1 066

26,2

708

23,6

606 (26)

14,7

51,3 [50,9–51,8] 27,5 [25,5–29,5] 45,1 [43,1–47,0] 27,4 [25,3–29,5] 16,7 [14,7–18,8]

487 (0)

15,8

51,3 [50,7–51,8] 29,0 [26,8–31,2] 46,3 [44,2–48,4] 24,7 [22,5–26,9] 18,7 [16,0–21,3]

8,3 [7,2–9,4] 1,5 [1,1–1,9] 5,2 [4,4–5,9]

270 (191) 89 (72) 270 (221)

6,8

6,9 [6,0–7,8] 1,9 [1,5–2,4] 6,9 [6,0–7,7]

197 (184) 87 (70) 194 (192)

6,8

1,5 [1,1–2,0] 17,9 [16,5–19,3]

215 (391) 854 (75)

5,7

5,3 [4,5–6,1] 20,8 [19,4–22,1]

202 (293) 505 (68)

7,3

28,0 45,9

2,2 6,9

21,0

 % a

 % b [95 %-KI]

28,1 48,3

2,9 6,7

20,8

6,0 [5,1–7,0] 2,8 [2,2–3,4] 6,3 [5,3–7,3] 7,1 [6,0–8,2] 20,8 [18,9–22,7]

 Ungewichtete Häufigkeiten; b gewichtete Häufigkeiten; KI = Konfidenzintervall

Variablen

Soziodemografische Determinanten Geschlecht Junge Mädchen Sozialer Status Niedrig Mittel Hoch Migrationshintergrund Ja Nein Gesundheitliche Einschränkungen Frühgeburt Ja Nein Amtlich anerkannte Ja Behinderung Nein Elternberichtete Ja Entwicklungsverzögerung Nein Psychische Auffälligkeiten ADHS-Diagnose Ja Nein Auffälliger SDQ-Gesamt- Ja problemwert Nein

Altersgruppen 3–6 Jahre

7–10 Jahre

11–13 Jahre

(n = 3 416)

(n = 3 626)

(n = 2 674)

Berichtete Ergotherapie

Berichtete Ergotherapie Berichtete Ergotherapie

(%) [95 %-KI]

(%) [95 %-KI]

(%) [95 %-KI]

4,1 ** [2,9–5,2] 1,0 ** [0,5–1,6] 3,1 [1,9–4,3] 2,4 [1,5–3,3] 2,4 [1,4–3,4] 1,0 * [0,0–2,0] 2,8 *  [2,1–3,4]

4,8 ** [3,5–6,0] 1,4 ** [0,8–2,0] 4,2 [2,4–6,0] 2,9 [1,9–3,8] 2,5 [1,4–3,5] 1,4 [0,2–2,7] 3,3 [2,5–4,1]

1,2 [0,6–1,8] 0,9 [0,3–1,4] 1,1 [0,3–1,8] 1,1 [0,4–1,7] 0,9 [0,1–1,7 ] 0,5 [0,0–1,4] 1,1 [0,6–1,6]

6,5 ** [3,1–9,8] 2,3 ** [1,6–2,9] 14,4 ** [1,6–27,2] 2,4 ** [1,8–3,1] 17,9 ** [11,0–24,9] 1,8 ** [1,3–2,4]

5,0 [1,2–8,9] 3,0 [2,3–3,6] 12,8 ** [4,1–21,6] 2,9 ** [2,2–3,6] 21,4 ** [15,7–27,0] 1,9 ** [1,3–2,5]

1,2 [0,0–3,4] 1,0 [0,6–1,5] 7,5 ** [0,7–14,3] 0,9 ** [0,4–1,3] 6,7 ** [2,3–11,0] 0,7 ** [0,3–1,0]

40,7 ** [25,8–55,5] 2,0 ** [1,4–2,6] 5,6 ** [3,5–7,8] 2,0 ** [1,4–2,6]

25,3 ** [18,0–32,6] 1,8 ** [1,3–2,4] 8,7 ** [6,3–11,0] 1,9 ** [1,3–2,5]

8,4 ** [4,3–12,5] 0,5 ** [0,2–0,8] 1,9 [0,4–3,4] 0,8 [0,4–1,3]

KI = Konfidenzintervall; ADHS = Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung; SDQ = Strenghts and Difficulties Questionnaire; * p 

[Utilization of Occupational Therapy in Children - Results from the KiGGS Basis Survey].

A population-based analysis on use of occupational therapy by child's parentally reported health restrictions and socio-demographic determinants is mi...
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