Falldarstellung 379

Obere gastrointestinale Blutung aufgrund eines Hohlvenenverschlusses M. P. Wedig, G. B. Stark Chirurgische Universitätsklinik Bonn (Ehern. Direktor: Prof. Dr. rned. Dr. rer. nat. h. c. F. Stelzner)

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Ein Verschluß der unteren Hohlvene im Kindesalter kommt selten \'01'. Die diagnostischen Möglichkeiten und ungewöhnliche Blutungskomplikationen bei einem jetzt 21jährigen Mann werden vorgestellt. Die Ultraschalluntersuchung und die Kavographie sind hilfreich für die DiagnosesteIlung und die Planung operativen Eingreifens. Ursache vollständiger Hohlvenenverschlüsse im frühen Kindesalter sind in der Regel maligne Tumoren oder Raumforderungen. Infolge von Hypoplasie kavaler Segmente in der Embryogenese können vollkompensierende kavo-azygeale Kollateralen erweitert werden. Ein retroperitoneales Kollateralstrombett mit ausreichender Kapazität verhindert in der Regel das Auftreten von Beinödemen, beiderseitigen Varikozelen und einem Caput medusae der Bauchwand. Im vorliegenden Fall gaben variköse Venen des Duodenums Anlaß für eine gastrointestinale Blutung. Bei diffuser Blutung aus multilokulären venösen Umgehungskreisläufen kann weder eine Resektionsbehandlung noch ein drucksenkender gefäßchirurgischer Eingriff eine sichere Rettung versprechen. Bei der Autopsie wurde in diesem Fall eine fast komplett stenosierte Hohlvene sowie schrotschußartige Ulzerationen der duodenalen Varizen gefunden.

Occlusive Disease of Inferior Vena Cava (ODIVC) Causing Gastrointestinal Bleeding Occlusive disease of the inferiour vena cava is rare. The experiences of diagnosis and uncommon complications of bleeding in a case of a now 21-year-old male are reported. Real-time ultrasound examination and cavography are very useful for diagnosis and planing of surgical intervention. Causes of complete occlusion of the VCI in early childhood are malignant tumours or an abdominal masse Usually cava-azygos collaterals may enlarge sufficiently. Normally, vertebral pathways \vith sufficient circulation prevent oedema of the limbs, bilateral varicoceles and caput medusae of the abdominal wall. The vasa vasorum or intrahepatic pathways rarely contribute to the collateral circulation. In the present case, varicosities of the duodenum caused intestinal bleeding. Neither treatment by resection nor a shunt procedure may promise definite relief if collateral veins are bleeding diffusely. Stenosis and occlusion of VCI and small shot-like ulcers above the varicosities of the duodenum were the major observations found in the case under discussion.

Key words Schlüsselwörter Vena cava inferior-Aplasie - Vena cava inferior-Hypoplasie - Nierenvenenthrombose - Verschlußkrankheit der unteren Hohlvene

Hämodynamik Die anatomisch gekannten 5 Hauptumgehungswege der unteren Hohlvene sind: 1. die Vena azygos und die Vena hemiazygos 2. die Venae mammariae internae 3. die durch die V. lumbalis ascendens verbundenen Vv. lumbales Eingegangen am 4. Februar t 990 Z Kinderchir 45 (1990) 379-382 C Hippokrates Verlag Stuttgart

Aplasia of vena cava inferior - Hypoplasia of vena cava inferior - Thrombosis of renal vein - Occlusive disease of the inferior vena cava

4. die oberen Interkostalvenen, die links über die Vena hemiazygos kommunizierend das Blut in die linke Vena subclavia und rechts über die Vena azygos der \lena cava superior zuleiten 5. die unteren Interkostalvenen, die transthorakal Blut den Venae thoracicae lateraliae, den subskapulären Venen und den Venae axillares zuleiten. Die Kontrastmittelverweildauer bei unterbundener Vena cava inferior liegt zwischen 3 und 10 Sekunden (9). Die präformierten Kollateralvenen sind damit bei einem alleinigen Verschluß der Hohlvene ausreichend zur Umleitung des Blutflusses ohne jede zusätzlichen adaptiven Prozesse. Das Feh-

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M. P. Wedig und G. B. Stark

Z Kinderchir 45 (1990)

len parakavaler oder paraazygealer Kollateralen bei Patienten mit Fortsetzung der Vena cava durch die V. azygos spricht gleichfalls für eine ausreichende Kapazität der regelhaften Umgehungskreisläufe (16). Die Pfortaderfüllung bei unterbundener Hohlvene wurde von Robinson 1949 an totgeborenen Kindern demonstriert. In Abhängigkeit von der Höhe des Hohlvenenverschlusses und von der Ausdehnung der Thrombose auf die kollateralen Kanäle kann der Blutfluß auch über die Vena portae umgeleitet werden. Kendall (13) führt hierzu 2 phlebographisch dokumentierte Fälle an, bei welchen die Hohlvenenokklusion die beiden Venae iliacae communes einbezogen hatte und neben dem Kollateralfluß über die Venae lumbales ascendentes zum Azygosstromgebiet eine Füllung der Pfortader über die Vena mesenterica inferior über die rektalen Plexus gefunden wurde (13). In einem Einzelfall wurde eine hämodynamisch bedeutsame Drainage des HohlvenenverscWusses über intrahepatische Venenkonvolute zu den Lebervenen und von dort direkt in den rechten Vorhof gefunden (3). Voraussetzung hierfür war die getrennte Einmündung von Lebervenen proximal und distal der kurzstreckigen Kavaobliteration. Auch die Vasa vasorum der HoWvene können bei langsamer tumorartiger Okklusion einen angiographisch darstellbaren Nebenschluß bilden (15).

Embryologie Entwicklungsgeschichtlich geht die Vena cava aus vier Segmenten hervor, die als Anomalie persistieren können (Tab. 1). Aus dem Leber-Herz-Kanal entsteht der Kavaabschnitt zwischen Einmündung der Lebervenen und rechtem Vorhof (posthepatisches Segment). Aus der Vereinigung von rechter Subkardinalvene mit dem Lebergefäßgeflecht bildet sich das prärenale Segment, die spätere intrahepatische Hohlvene. Das renale Segment ist ein Derivat der rechten Subkardinalvene allein. Aus dem kaudalen Abschnitt der rechten Suprakardinalvene und der sakro-kardino-subkardinalen Anastomose entwikkelt sich das postrenale Segment. Bei Aplasie des prärenalen Segments bleibt die Kommunikation der Subkardinalvene mit der Suprakardinalvene (spätere V. azygos) erhalten. Die renale Hohlvene endet dann beim Erwachsenen in Höhe der Leberpforte, der Blutfluß setzt sich über die V. azygos fort (16).

Kasuistik Gastroskopisch war bei einem 21jährigen Studenten der Verdacht auf eine Blutungsquelle im Korpus des Magens geäußert worden. Nachdem mit Somatostatin-Infusionen die Blutung (mit 6 Blutkonserven/24 Stunden konnte das Hb zwischen 6,6 und 7,0 gehalten werden) nicht gestillt werden konnte, wurde der Patient laparotomiert. Durch eine obere Gastrotomie und Duodenotomie lokalisierte der Operateur Fundusvarizen als mutmaßliche Blutungsquelle. Unter Kompression mit der Sengstakensonde mußten in den beiden folgenden Tagen vor Verlegung auf die Intensivstation der Universitätsklinik Bonn weitere 17 Konserven transfundiert werden. Auffällig in seiner Anamnese waren das Bestehen von Beinödemen bei der Geburt, eine Laparotomie wegen einer Nierenvenenthrombose am 3. Lebenstag und eine vergrößerte V. azygos in einem anläßlich von Rückenschmerzen angefertigten Computertomogramm. Am Abend der Aufnahme in der Universitätsklinik Bonn zeigte die i. a. Zöliako-, Mesenterikographie Extravasate als Hinweis auf eine retroperitoneale Blutung. Gastroskopisch fanden sich Koagel im Magen. Blut trat aus dem Bereich der Gastrostomiewunde aus. Bei massiver Transfusionsbedürftigkeit (10 Konserven/24 Stunden) wurde fundektomiert unter Entfernung der Milz. Der Pathologe beschrieb ein Magenresektat mit Fundusvarizen. Es bestand eine Stauungsmilz. Über eine Woche hielt ein gastraler Reflux von über 1,5 I an. Am 8. postoperativen Tag wurde gastrographisch eine Insuffizienz der Ösophagogastrostomie nachgewiesen. Bei weiterer Transfusionsbedürftigkeit wurde mit einer A. mesenterica sup. - und lienalis i. a. DSA keine Blutungsquelle gefunden. Man entschloß sich zur Gastrektomie. Das Resektat zeigte ausgedehnte, z. T. die Magenwand durchsetzende Nekrosen. Am 3. Tag nach der Operation trat Darminhalt aus der Thorakotomiewunde aus, Drainagen wurden eingelegt. Eine weiterbestehende diffuse Blutung mit hyperämisch bedingter Hyperkontrastierung des Darmes wurde angiographisch nachgewiesen. Der Patient verstarb am 31. 1. 1988. Die Autopsie ergab eine bindegewebig organisierte Thrombosierung der unteren Hohlvene bis proximal der Nierenveneneinmündung. Das Kavarestlumen war teilweise nur sondendurchgängig rekanalisiert. Die rechte Nierenvene war durch Thromboseresiduen eingeengt und wurde durch kleinkalibrige Anastomosen mit retroperitonealen Venen verbunden. Die Vena cava inferior war durch retroperitoneale Venen und pankreoduodenale Äste der V. mesenterica superior anastomisiert, so daß offenbar erhebliche Blutmengen aus der unteren Körperhälfte in den Portalkreislauf gelangten. Ösophagusvarizen waren Anlaß der initialen Blutung gewesen. Im Duodenum waren submuköse Venen varikös erweitert. Ulzerationen, ausgesät wie von einem Schrotschuß lagen in allen Stadien der Exulzeration teils mit frischen Thromben über diesen Venen.

Tab. 1 Klassifikation der kongenitalen Anomalien der V. cava inferior (nach Chuang).

I. Postrenales Segment Typ A:

persistierende rechte hintere Kardinalvene ("retrokavaler Ureter", "zirkumkavaler Ureter") Typ B: persistierende rechte Suprakardinalvene ("normale V. cava inferior") Typ C: persistierende linke Suprakardinalvene ("linksseitige V. cava inferior") Typ BC: persistierende rechte und linke Suprakardinalvene ("doppelseitige V. cava inferior")

11. Renales Segment Persistierender renaler Venenring (" zj rku maortaler Venen ri ng")

111. Pr/Jrenales Segment Fehlen des hepatischen Segments (" Azygosven en -Konti nuation")

Diagnostik Ersten Hinweis auf einen Hohlvenenverschluß kann eine Erweiterung der V. azygos auf der Thorax p. a.Aufnahme geben. In etwa 70 % kann die Gefäßweite bestimmt werden. Eine Dilatation erlaubt Rückschlüsse auf die Druckverhältnisse im Bereich des rechten Herzens als Ausdruck einer veränderten Pumpfunktion oder Strömung. Der erweiterte Azygosbogen kann eine mediastinale Raumforderung vortäuschen (6). Ein Qualitätsmerkmal seitlicher Thoraxaufnahmen ist die Darstellung des hinteren Randes der V. cava inferior (4). Im Kavogramm (Tab. 2) läßt sich anhand der Füllungsdefekte bzw. des Kontrastierungsabbruchs die Längenausdehnung einer Hohlvenenthrombose feststellen und ihr Alter beurteilen. Kalibersprünge sowie Abweichungen vom gestreckten Gefäßverlauf sind Marker von Anomalien. Kollatera-

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[Upper gastrointestinal hemorrhage due to vena cava obstruction].

Occlusive disease of the inferior vena cava is rare. The experiences of diagnosis and uncommon complications of bleeding in a case of a now 21-year-ol...
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