Der interessante Fall 619

Einleitung



Beim Hodgkin-Lymphom (HL) handelt es sich um eine maligne lymphatische Systemerkrankung, die durch das Auftreten weniger neoplastischer Zellen („Hodgkin“- und „Sternberg-Reed“-Zellen) in granulomatös-entzündlicher Umgebung gekennzeichnet ist. Ausgangspunkt sind größtenteils B-Zellen der Keimzentren. Die klassischen HL lassen sich in nodulär sklerosierende, lymphozytenarme, lymphozytenreiche oder Mischtypen einteilen (Swerdlow et al., World Health Organization Classification of Tumours of Haematopoietic and Lymphoid Tissues, Lyon: IARC Press, 2008: 1–441). Die Inzidenz beträgt 2–4 Neuerkrankungen pro 100 000 Personen (Sant et al., Blood 2010; 116: 3724). Klinisch fallen Patienten mit HL oftmals mit einer schmerzlosen Lymphadenopathie auf, die in 70 % der Fälle am Hals lokalisiert ist; im weiteren Verlauf können bspw. B-Symptome (Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsverlust) auffallen (Mauch et al., Cancer 1993; 71: 2062). Wesentlicher Bestandteil der Diagnosesicherung ist die histologische Untersuchung eines befallenen Lymphknotens.

Fall



Wir berichten den Fall eines 60-jährigen Patienten, der sich mit den Symptomen einer chronischen Tubenbelüftungsstörung links in unserer Klinik vorstellte. Nach Versagen der konservativen Therapie war im Vorfeld auswärts bereits die Einlage eines Paukenröhrchens erfolgt. Es kam daraufhin zu einer persistierenden leichten Otorrhoe. Am empfundenen Ohrdruck sowie dem linksseitigen Gesichtsschmerz änderte sich nichts. Eine im Verlauf durchgeführte Computertomografie der Felsenbeine zeigte eine weitgehende Verschattung des linken Mastoids; Naso- und Oropharynx waren aufgrund ausgeprägter Artefakte durch Zahnimplantate nicht beurteilbar. Es erfolgte bei Vorstellung eine vollständige HNO-ärztliche Untersuchung, welche auch eine endoskopische Untersuchung des Nasopharynx beinhaltete. Hier zeigte sich eine diskrete weißlich belegte

Schleimhautverdickung im Bereich des Eingangs der linken Tuba eustachii. In der Ohrmikroskopie stellte sich das Trommelfell nach Absaugen von wenig serösem Sekret bei einliegendem Paukenröhrchen reizfrei dar. In der Tonaudiometrie konnte eine symmetrische Schallempfindungsschwerhörigkeit nachgewiesen werden. Aufgrund des auffälligen Untersuchungsbefundes im Nasopharynx erfolgte ergänzend eine Magnetresonanztomografie (MRT) des Kopfes mit Kontrastmittel; hier wurde eine submuköse malignomsuspekte Raumforderung von maximal 3,8 cm Größe mit Infiltration ▶ Abb. 1). der Schädelbasis beschrieben (● Im Rahmen einer Panendoskopie wurden Proben aus der Schleimhautverdickung im Nasenrachen gewonnen, welche jedoch keinen Anhalt für Malignität ergaben. Aufgrund der Befundkonstellation erfolgte eine erneute, navigierte Probenentnahme. Aus den entnommenen Proben gelang der Nachweis eines EBV-assoziierten HL, das sich morphologisch zwischen Mischtyp und lymphozytenarmen Typ ansiedeln ließ. Im durchgeführten Staging zeigten sich 2 suspekte, leicht vergrößerte Lymphknoten zervikal ohne weitere Herdbefunde, entsprechend ergab sich ein Tumorstadium II B und es wurde eine Chemotherapie eingeleitet. Nach 6 Zyklen Chemotherapie wurde eine vollständige, bis heute anhaltende Remission erreicht.

Diskussion



Insbesondere einseitige, chronische Tubenbelüftungsstörungen müssen im Rahmen einer HNO-ärztlichen Untersuchung sorgfältig abgeklärt werden. Eine endoskopische Untersuchung zum Ausschluss einer verlegenden Raumforderung ist dabei unerlässlich. Primär im Nasopharynx lokalisierte HL sind selten. In einer retrospektiven Auswertung von über 3 500 Patienten mit HL am University of Texas M. D. Anderson Cancer Center zeigte sich bei 11 Patienten ein Befall im Nasopharynx bzw. den Adenoiden (Iyegnar et al., Cancer 2010 Aug 15; 116 (16): 3825–3829). Durch die vorhandenen Therapieoptionen kann in der

Abb. 1 Magnetresonanztomografie des Kopfes mit Kontrastmittel, T1-Wichtung. Kontrastmittel aufnehmende, im Maximum 3,8 × 3,5 cm submukös wachsende Raumforderung des Nasenrachens links.

Regel eine sehr effektive Therapie angeboten werden. Im Rahmen der klinischen Untersuchung unseres Patienten imponierte eine weißlich belegte Schleimhautverdickung. Die zunächst gewonnenen Proben zeigten nur entzündliche Veränderungen. In der auswärts durchgeführten Computertomografie konnte die Schleimhautveränderung nicht weiter spezifiziert werden. Da sich jedoch in der ergänzenden MRT ein submuköses Wachstum der Raumforderung zeigte und bspw. eine Osteomyelitis unwahrscheinlich erschien, wurde eine erneute Histologiegewinnung erzwungen. Im geschilderten Fall konnte nur durch die Kernspintomografie das tiefe submuköse Wachstum der beschriebenen Raumforderung festgestellt werden; ohne diese wesentliche Zusatzinformation wäre die navigierte erneute Probenentnahme möglicherweise nicht durchgeführt und der Beginn der Chemotherapie zumindest verzögert worden.

Schlussfolgerung



Der geschilderte Fall unterstreicht die Bedeutung der endoskopischen Untersuchung sowie der Bildgebung bei Raumforderungen im Nasenrachen. Wir empfehlen hier die Durchführung einer MRT mit Kontrastmittel, um genauere Aussagen zu Dignität und Ausdehnung treffen zu können.

Interessenkonflikt: Kein Interessenkonflikt angegeben. C. Becker, W. Maier; Freiburg

Becker C, Maier W. Seltene Differenzialdiagnose einer Raumforderung … Laryngo-Rhino-Otol 2014; 93: 619 ∙ DOI 10.1055/s-0034-1372589

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Seltene Differenzialdiagnose einer Raumforderung im Nasenrachen

[Unusual differential diagnosis of a nasopharyngeal mass].

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