Leitthema Orthopäde 2014 · 43:649–655 DOI 10.1007/s00132-013-2219-5 Online publiziert: 29. Juni 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

S. Senst

Die internationale Klassifikation hat sich von dem Begriff Hemiparese und Hemiplegie abgewendet und spricht jetzt von unilateraler spastischer Zerebralparese (CP). Hierbei sollte man jedoch den alten Begriff Hemiparese nicht ganz vergessen, der bedeutete, dass eine einseitige Bewegungsstörung vorliegt. Der Begriff „Parese“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „erschlaffen“. Er wird jedoch im Allgemeinen und auch wissenschaftlichen Sprachgebrauch mit inkompletter Kraftminderung oder inkompletter Lähmung gleichgesetzt, während eine vollständige Lähmung eine Plegie darstellen würde, sodass nach einer Verletzung des 2. motorischen Neurons (zwischen Vorderhornzelle im Rückenmark und dem Muskel) eine schlaffe Lähmung eintreten würde. Eine spastische Lähmung tritt immer dann ein, wenn das erste motorische Neuron zwischen dem motorischen Kortex und dem Rückenmark betroffen ist. Bei einer einseitigen Schädigung des Gehirns kommt es dann zu einer Parese der kontralateralen Körperseite mit nachfolgender Adduktion, Pronation und Flexion meist aller Gelenke des betroffenen Arms sowie mehr oder weniger ausgeprägt auch zu einem Pes equinus varus, Knieflexion, Innenrotation und Adduktion der unteren Extremität. Der Ausprägungsgrad ist dabei sehr unterschiedlich und meist distal betont (. Abb. 1a, b).

gesetzt und kam zu dem Schluss, dass die diagnostische Aufgabe häufig unterschätzt wird. Dies macht auch die differenzierte Einteilung in Untergruppen schwierig. Darüber hinaus entzieht sich die CP häufig einer einfachen Prognose, was ebenfalls die Klassifizierung erschwert. Dies hängt insbesondere damit zusammen, dass die CP keine isolierte motorische Störung darstellt, wie es gerne vonseiten der Orthopäden gesehen wird, sondern sehr häufig mit einer Epilepsie, Wahrnehmungsstörungen oder/und einer allgemeinen Retardierung verbunden ist. Deshalb ist eine optimale Diagnosestellung und optimale Therapie nur im interdisziplinären Team denkbar ist.

Klassifizierung Die Arbeitsgruppe um Heinen, Bartens und Fietzek hat sich intensiv mit den Problemen der Zerebralparese auseinander-

Klinik für Kinderorthopädie, Schön Klinik Hamburg-Eilbek, Hamburg

Unilaterale spastische Zerebralparese (Hemiparese)

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Bei der CP handelt es sich um keine isolierte motorische Störung Im Rahmen der Klassifizierung der CP zeigten insbesondere die großen schwedischen Kinderstudien nach Hagberg, dass ca. 85% der Patienten mit einer CP unter einer spastischen Bewegungsstörung leiden, 9% unter einer Dystonie und 6% unter einer ataktischen Störung. Bei den 85% spastischen Bewegungsstörungen finden sich 33% unilaterale (Hemiparesen) und 52% bilaterale spastische Zerebralparesen. Hier wurde früher im Wesentlichen eine phänomenologische Einteilung vorgenommen, während durch den zunehmenden Einsatz der MRT eine ätiologische Klassifizierung möglich geworden ist und das Läsionsmuster damit zur Klassifizierung herangezogen werden kann.

Diagnostik Nach Krägeloh-Mann konnten zunehmend Infarkte der großen Hirnarterien, vorwiegend der A. cerebri media, für eine unilaterale spastische CP verantwortlich gemacht werden. Die Autorin hat festgestellt, dass ca. 33% der Schädigung im 1. und 2. Trimenon eingetreten sind oder eine genetische Ursache zugrunde lag. Dreiunddreißig Prozent der Infarkte im Stromgebiet der A. cerebri media traten im 3. Trimenon auf und bei 33% der reif geborenen Kinder zeigte sich eine intrauterine Läsion im 3. Trimenon mit einer periventrikulären Läsion. In einer Arbeit von Okumora wurde festgestellt, dass sich bei 92% der Kinder im untersuchten Kollektiv Abnormitäten im MRT feststellen ließen und 70% dieser Kinder eine eindeutige unilaterale Pathologie im Gehirn zeigten und damit auch nachfolgend phänomenologisch eine einseitige Störung ausbildeten. Da die Kinder häufig primär unauffällig zur Welt kommen, kommt es immer wieder zur verzögerten Diagnosestellung, sodass Verwechslungen mit einer Plexusparese vorkommen können. Eine Frühdiagnose ist nur durch sehr genaues Beobachten möglich, wobei zunehmend die Überprüfung der GM („general movements“) nach Prechtl eine große Rolle spielen. Im Gegensatz zu den Patienten mit bilateralen Zerebralparesen, die zu zwei Dritteln geistige Behinderungen zeigen, sind 80–90% der Patienten mit unilateralen Zerebralparesen in ihrer geistigen Entwicklung im Wesentlichen nicht gestört. Schwere Sehstörungen treten ebenDer Orthopäde 7 · 2014 

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Leitthema

Zusammenfassung · Abstract chen Geburt. Andererseits entwickelt sich eine deutliche Hypotrophie der betroffenen Seite, was Umfang aber auch Länge der Extremitäten betrifft. Hierbei meint auch Ferrari beobachtet zu haben, dass die Beine mehr betroffen sind als die Arme und häufig ein kompensatorischer Spitzfuß auf der Gegenseite auftritt.

Gruppe b)

Die Patienten der Gruppe b), welche unter der Geburt eine Ischämie erlitten hatten, zeigen an den Extremitäten weniger Asymmetrie in den ersten Lebenstagen/-wochen, die Asymmetrie nimmt jedoch deutlich zu, und der Anteil der Patienten mit Epilepsie liegt deutlich ebenfalls höher als bei der Gruppe a). Auch Sprachprobleme kommen hinzu und die Geschicklichkeit der oberen Extremität ist schlechter als bei den pränatal erworbenen Defekten.

Gruppe c) Abb. 1 8 a Darstellung eines Jungen mit unilateraler Zerebralparese/Klumpfuß von J. Ribera aus dem Jahr 1642. © José de Ribera, „Der Klumpfuß“, 1642, Louvre-Museum, veröffentlicht in The Yorck Project, 10.000 Meisterwerke der Malerei, DVD-ROM, 2002. ISBN 3936122202. Vertrieben durch DIRECTMEDIA Publishing GmbH. b Junge mit typischer Fehlstellung bei unilateraler Zerebralparese rechts

falls sehr selten auf und eine Hemianopsie wird manchmal übersehen, da sie gut kompensiert wird.

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Eine Frühdiagnose ist nur durch sehr genaues Beobachten möglich Der Anteil an Patienten mit Epilepsie liegt immerhin bei 30%. Weitere Untersuchungen von Kägeloh-Mann zeigten, dass 50% der Patienten ein fast normales Gehen erlernten und nur 2% kein freies Gehen erlernt haben. Ebenso zeigten 50% noch eine relativ gute Handfunktion, was nicht von allen Autoren so beschrieben wird. Insbesondere die Ergebnisse älterer Arbeiten von Feldkamp oder Thom verwiesen darauf, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der Sensomotorik und Greiffunktion der oberen Extremität besteht. Bei etwa 20% besteht keine Funktion der oberen Extremität.

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Motorische Entwicklung Mit Blick auf die gestörte motorische Entwicklung hat Ferrari interessante Ausführungen zum motorischen Lernen und zur Prognose gemacht. Er unterteilt 3 Formen: a) Kinder mit angeborenen pränatalen Schädigungen, b) Patienten mit perinatalen Schädigungen und c) Patienten mit infantiler postnataler Schädigung, wobei exakterweise dann aber noch die Unterscheidung zwischen reifem und unreifem Gehirn gemacht werden sollte.

Gruppe a)

Die Patienten der Gruppe a) zeigen aufgrund von MRT-Untersuchungen eindeutig nachweisbar deutliche Durchblutungsstörungen, jedoch bei relativ großen Läsionen erstaunlich gute Funktionen. Dies erklärt sich aus der Möglichkeit frühzeitiger Korrekturen noch vor der eigentli-

In der Gruppe c) der Patienten, die durch eine Durchblutungsstörung oder durch ein Trauma später ihre unilaterale Läsion erlitten haben, ergeben sich ganz andere pathologische Muster, da bereits erworbene Funktionen wieder verloren gegangen sind und z. B. die Handfunktion von der gesunden Seite sowie visuell unterstützt wird, da der Patient eine Vorstellung von gewissen Handlungsabläufen hat. Aus diesem Grunde hat Ferrari auch ausgeführt, dass die Überspezialisierung der gesunden Hand sowie das Übergreifen in einem Bereich der gelähmten Hand einen typischen Ausdruck für die postläsionale Autoorganisation des Nervensystems darstellt. Sollte eine entsprechende Spezialisierung der gesunden Hand nicht zu beobachten sein, ist dies ein eindeutiges Zeichen für ein mangelndes Reorganisationsvermögen des ZNS und somit muss von einer schlechten Prognose ausgegangen werden.

Weitere Schädigungsmuster Eine sehr seltene Gruppe sind Patienten nach einer Hemisphärektomie bei einer therapierefraktären Epilepsie, die mit Blick auf ihre Epilepsie oft eine weniger gute Prognose haben.

Probleme entstehen häufig auch durch Wahrnehmungsstörungen und kognitive wie auch psychomentale Alterationen. Diese können bei jungen Männern mit Schädel-Hirn-Traumata, insbesondere im Sinne eines Frontalhirnsyndroms, sehr ausgeprägt sein und zu erheblichen sozialen Konflikten führen, da die Hemmschwelle bei diesen jungen Leuten häufig drastisch herabgesetzt ist. Umgekehrt wird von allen Autoren betont, dass insgesamt eher eine günstige Prognose besteht, da im Gegensatz zu den bilateralen spastischen Zerebralparesen eine Hüftluxation nicht beobachtet wird, wenn auch häufig sowohl statische als auch insbesondere dynamische Asymmetrien beobachtet werden, sodass im Einzelfall über längere Zeit auch Hüftdysplasien und Hüftkopfschädigungen beobachtet werden können (. Abb. 2). So kann es im Jugend- oder Erwachsenenalter zu erheblichen Hüftschmerzen kommen. Dies muss durch regelmäßige orthopädische Kontrolluntersuchungen vermieden werden. Neben der klinischen Untersuchung bieten sich hierfür dynamische Ganganalyseuntersuchungen an. Darüber hinaus haben sich spezielle Scores für die Analyse der Handmotorik, z. B. der MACS herausgebildet, um quantifizierte Untersuchungen durchführen zu können.

Therapeutische Ansätze Weiterhin kommt insbesondere auch bei der unilateralen CP eine Stigmatisierung hinzu, da eine spastische, verkrampfte Hand oder auch das Tragen einer Orthese im Alltag sehr auffällig ist. Dies muss unbedingt im Therapiealgorithmus berücksichtigt werden. Es wäre deshalb falsch, eine einfache Therapiepyramide aufzustellen, beginnend mit Physiotherapie, dann Orthesen, nachfolgend Botulinumtoxin und zuletzt Operationen.

Konservative Behandlung Natürlich sollte primär ein konservativer Therapieversuch unternommen werden, aber nicht alle Patienten, die sich stigmatisiert fühlen, werden damit einverstanden sein. Ferrari betont, dass im Gegensatz zu Tetra- und Diparesen bei einer Hemi-

Orthopäde 2014 · 43:649–655  DOI 10.1007/s00132-013-2219-5 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 S. Senst

Unilaterale spastische Zerebralparese (Hemiparese) Zusammenfassung Hintergrund.  Etwa 33% aller spastischen Bewegungsstörungen stellen unilaterale spastische Zerebralparesen dar. Diese sind gekennzeichnet durch eine einseitige motorische Bewegungsstörung, die ihr Korrelat in einer fokalen kontralateralen Hirnschädigung findet. Hierbei ist die obere Extremität stärker betroffen, sodass die Gehfähigkeit fast immer erreicht wird. Therapie.  Die Entwicklung wird erheblich durch Epilepsie und Wahrnehmungsstörungen beeinträchtigt. Deshalb ist ein interdisziplinäres Team für eine optimale Therapie erforderlich. Neben der Physio- und Ergotherapie sind insbesondere Orthopädietechniker

und Orthopäden/Handchirurgen gefordert. Die verschiedenen Klassifizierungen und Therapieansätze werden geschildert. Schlussfolgerungen.  Durch orthopädische und handchirurgische Eingriffe können flexible und strukturelle Veränderungen gebessert werden, eine Normalisierung von Armund Beinfunktionen ist allerdings nicht möglich. Die Prognose ist v. a. bei Dystonie und Ataxie ungünstig. Schlüsselwörter Motorische Bewegungsstörung · Klassifizierung · Konservative Therapie · Operative Therapie · Prognose

Unilateral spastic cerebral palsy (hemiparesis) Abstract Background.  Approximately 33 % of spastic movement disorders are due to unilateral spastic cerebral palsy which is characterized by a one-sided motor movement disorder which has a correlative in focal contralateral brain injury. The upper extremities are more severely affected so that ambulatory movement is nearly always possible. Therapy.  The development is substantially influenced by epilepsy and perception disturbances. Therefore, an interdisciplinary team is necessary for optimal therapy. In addition to physiotherapy and ergotherapy, orthopedic technicians, orthopedic and hand sur-

geons in particular are also required. The different classifications and therapy approaches are described Conclusion.  By orthopedic and hand surgical interventions flexible and structural alterations can be improved but a normalization of arm and leg functions is not possible. The prognosis in the presence of dystonia and ataxia is particularly unfavorable. Keywords Motor disorders · Classification · Conservative treatment · Operative treatment · Prognosis

plegie 2 Aufgaben bestehen, da von 2 Körperhälften gesprochen werden könne: F zum einen müsste die nichtbetroffene Seite gefördert werden, um Defizite der betroffenen Seite zu kompensieren, F  zum anderen muss die betroffene Seite gefördert werden, um die bessere Seite z. B. bei manuellen Tätigkeiten unterstützen zu können. Allen Autoren gemeinsam ist angefangen von Vojta über Feldkamp, Ferrari und Döderlein, dass eine möglichst frühzeitige Förderung sehr wichtig ist. Differenzierter beschäftigt sich Freund mit den Mechanismen von Plastizität, die erforderlich ist, um die oben genannten positiven Veränderungen herbeiführen zu können. Es wird unterschieden zwischen

F Reparaturmechanismen innerhalb der beteiligten Systeme, F dem Ersatz der Systeme, die ähnliche Funktionen ausüben, F durch die Kompensation der Funktion durch adaptive Mechanismen, F die Endmaskierung latenter Funktionen in anderen neuronalen Strukturen sowie F das Umlernen bzw. die Annahme neuer zweckdienlicher Strategien.

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Die möglichst frühzeitige Förderung ist sehr wichtig Die Überprüfung der Plastizität hat sich insbesondere durch die Möglichkeit der Hirnuntersuchung durch fokale magnetische Stimulation ergeben. Im Rahmen der Der Orthopäde 7 · 2014 

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Leitthema Verbesserung der Vertikalisierung, der Koordination und Kondition spielt die Ergotherapie bei den unilateralen CP eine sehr große Rolle, da neben den Asymmetrien auch die Wahrnehmungsstörung therapiert und Alltagsfertigkeiten intensiv trainiert werden müssen. Auch die Musiktherapie kann zu einer erheblichen Verbesserung der Gesamtsituation beitragen. Insbesondere bei kleinen Kindern sollte die Daumenadduktion orthetisch behandelt werden, was mit geringem Aufwand zu einer wesentlichen Verbesserung des Handeinsatzes führt, der ansonsten frühzeitig „vergessen“ würde. Orthesen können aber nur dort eingesetzt werden, wo noch eine genügende Flexibilität besteht und können gerade im Wachstum als ergänzende Lagerungsorthesen sinnvoll sein, um Kontrakturen zu verhindern oder zu verzögern.

Abb. 3 8 a Schwanenhalsdeformität, b Korrektur mit Ringorthesen

Operative Therapien

Abb. 2 8 a Patient vor BTX-, b Patient nach BTX-Behandlung am Arm und Hüftoperation linksseitig. c Röntgenbefund prä-,d postoperativ. BTX Botulinumtoxin

transkraniellen Magnetstimulation konnten verschiedene Gruppen differenziert werden, wobei diejenigen Patientengruppen, die starke Spiegelbewegungen zeigten, die günstigste Prognose haben dürften. Hierbei bewirkte die transkranielle magnetische Stimulation des primär motorischen Areals der kranken Hemisphäre keine motorischen Antworten am Zielmuskel, während die fokale Stimulation der gesunden Seite immer eine bilaterale Antwort erbrachte. Aus diesen Untersuchungsmög-

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lichkeiten ergeben sich auch wichtige therapeutische Aspekte. So gibt es zunehmend Diskussionen, wie eine optimale Förderung einer betroffenen oberen Ex­ tremität aussehen könnte. Hierbei brachte die CIMT („constraint-induced movement therapy“) in den vergangenen Jahren deutliche Erfolge, während zwischenzeitlich bei einigen Patienten weniger gute Erfolge gesichtet wurden und alternativ über ein bimanuelles Training diskutiert wird. Neben der Notwendigkeit der Physiotherapie zur

Diese spielen selbstverständlich auch bei den unilateralen CP eine wichtige Rolle, da jedoch die Vertikalisierung fast nie infrage gestellt ist, besteht kein Zeitdruck. Auch die bei schwerstbehinderten Patienten mit bilateraler CP auftretende Hüftluxation im frühen Kindesalter spielt hier keine Rolle, sodass für die Indikationsstellung operativer Maßnahmen in aller Regel sehr viel Zeit bleibt. Bei unilateralen CP beobachtet man insbesondere an der oberen Extremität eine Adduktion des Arms und eine Flexionsfehlstellung im Ellenbogengelenk kombiniert mit einer Handflexionsfehlstellung und Ulnaabduktion sowie ein Einkrallen der Finger. Es finden sich relativ häufig Instabilitäten am Daumengrund- und PIP-Gelenk mit nachfolgender Schwanenhalsdeformität (. Abb. 3a, b). Im Bereich der unteren Extremitäten sieht man ähnlich wie bei bilateralen CP eine Adduktions- und eine Innenrotationskomponente, wobei eine distale Betonung besteht mit Tendenz zum Pes equinus varus. Mithilfe von Ganganalysen können der Verlauf objektiviert und sekundäre Deformitäten z. B. Kniebeugekontrakturen und Kompensationsmechanismen, z. B. die Zirkumduktion erfasst werden.

Sollte die konservative Therapie mit Tag- und Nachtorthesen, die insbesondere im Wachstumsalter eine Rolle spielen, um einer schnellen Verschlechterung entgegen zu wirken, und der ergänzenden Botulinumtoxintherapie nicht zum gewünschten Ziel geführt haben, muss den Eltern erklärt werden, dass ohne großes Risiko eine Operation von Spitz-/Klumpfüßen durchaus möglich ist und damit das Gangbild deutlich verbessert werden kann. Diese relativ kleinen Operationen sind auch im Hinblick auf die gesamte Asymmetrie sinnvoll. Je länger sich Kompensationsmechanismen ausbilden konnten, z. B. mit Blick auf eine Zirkumduktion bei fehlender Dorsalflektierbarkeit des Fußes und einer progredienten Asymmetrie mit Hochziehen des Beckens, desto schwieriger wird auch durch operative Maßnahmen die Verbesserung der Symmetrie sein. So kann es auch hier durchaus sinnvoll sein, vor der Einschulung beginnende Kontrakturen operativ auszugleichen.

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Eine Operation von Spitz-/Klumpfüßen ist ohne großes Risiko möglich

Abb. 4 8 a Unilaterale Zerebralparese mit Hypotrophie rechts. b Temporäre Epiphyseodese zur Wachstumsbremsung

Die Asymmetrie bei Patienten mit unilateraler CP bereitet immer wieder große Probleme hinsichtlich der konservativen Therapie bei Beckenhochstand und der konsekutiven funktionellen Skoliose. Aus diesem Grunde sollte auch ganganalytisch ausgetestet werden, ob ein Verkürzungsausgleich hilfreich ist. Sollte dies der Fall sein, wäre eine wachstumslenkende Maßnahme vor Abschluss des Wachstums im Sinne einer temporären Ephiphyseodese, z. B. am distalen Femur, ggf. auch der proximalen Tibia sinnvoll (. Abb. 4). Im Bereich der oberen Extremitäten sind sich die Fachleute nicht einig, wann eine Operation der Ellenbogen-, Handund Fingergelenke am sinnvollsten ist. Goldner weist insbesondere darauf hin, dass bei dystonen Komponenten sehr kritisch eine Operationsindikation geprüft werden sollte, während bei typischen spastischen Bewegungsstörungen selbstverständlich wie im Bereich der unteren Extremitäten ein Multileveleingriff mit Verlängerung der Flexoren am EllenboDer Orthopäde 7 · 2014 

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Erratum

Leitthema F Eine frühestmögliche Förderung der Hand- und Fußfunktionen und Behandlung der Muskelimbalancen und Wahrnehmungsstörungen durch Physio- und Ergotherapie sind indiziert. Gezieltes ipsilaterales und bimanuelles Training werden derzeit diskutiert. F Bei flexiblen Fehlhaltungen helfen Funktions- und Lagerungsorthesen und Botulinumtoxin-Injektionen Alltagsfunktionen zu erleichtern und häufig auch die Entwicklung progredienter struktureller Deformitäten zu vermeiden. F Orthopädische und handchirurgische Eingriffe können bei flexiblen und strukturellen Veränderungen Verbesserungen, aber keine Normalisierung von Arm- und Beinfunktionen ermöglichen. Besonders bei Dystonie und Ataxie ist die Prognose ungünstiger.

Korrespondenzadresse

Abb. 5 9 a Präoperativer, b postoperativer Handbefund. c Nachtlagerungsorthese, d angelegte Nachtlagerungsorthese. e Funktionelle Tagorthese aus Silikon, f angelegte Tagorthese

gen- und Handgelenk und Augmentation der Daumenabduktoren in einem Schritt durchgeführt werden sollte. Besondere Aufmerksamkeit sollte auch dem Pronator teres und Pronator quadratus gelten, da meistens die Supination deutlich eingeschränkt ist. Eine Kombination von Arthrodesen, z. B. im Daumengrund- oder Handgelenk mit Weichteileingriffen wird gerade bei jüngeren Patienten nicht empfohlen. Hier sollte zunächst ein Weichteileingriff versucht werden, um eine Optimierung der Handstellung und des Gegengriffs zu erreichen. Mummenthaler wie auch Goldner betonen, dass die Erwartungshaltung der heutigen Elterngeneration sehr hoch ist und immer der Hinweis gegeben werden sollte, dass nur eine teilweise Verbesserung möglich ist. Mummentha-

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ler schreibt, dass die begründete Forderung nach einer Heilung nicht einer Bitte, sondern zunehmend einem Imperativ entspricht, was seitens der behandelnden Ärzte und Therapeuten nicht ohne Abstriche erfüllt werden kann. Umgekehrt können auch erfreuliche Verbesserungen bei einer guten Zusammenarbeit im Team zwischen operierenden Orthopäden, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Orthopädietechnikern erzielt werden, (. Abb. 2, 5). Gewisse Probleme müssen bei Patienten mit Dystonie oder Ataxie, wie es häufiger nach SchädelHirn-Traumata zu beobachten ist, hingenommen werden. Hier ist die Prognose häufig auch nicht ganz so positiv zu stellen und es werden immer wieder trotz aller integrativer Bemühungen Defizite bleiben. So gilt auch bei Patienten mit unilateraler spastischer Bewegungsstörung, dass

hier nicht nur während der Kinder- und Jugendzeit, sondern auch im Erwachsenenalter regelmäßige Förderung bzw. therapeutische Maßnahmen wichtig sind und bleiben.

Fazit für die Praxis F Unilaterale spastische Zerebralparesen sind gekennzeichnet durch eine einseitige motorische Bewegungsstörung, die ihr Korrelat in einer fokalen kontralateralen Hirnschädigung findet. Die obere Extremität ist meist stärker betroffen, die Gehfähigkeit wird fast immer erreicht. F Da die Entwicklung durch Wahrnehmungsstörungen und Epilepsie erheblich beeinträchtigt wird, ist ein interdisziplinäres Team für eine optimale Therapie erforderlich.

Dr. S. Senst Klinik für Kinderorthopädie, Schön Klinik Hamburg-Eilbek Dehnhaide 120, 22081 Hamburg [email protected]

  8. Mummenthaler M (2001) Wieviel Therapie ist nötig? In: Heinen F, Bartens W (Hrsg) Das Kind und die Spastik, 1. Aufl. Huber, Bern, S 89–100   9. Okumura A, Kato T, Kuno K et al (1997) MRI findings in patient with spastic cerebral palsy. II: correlation wirh type of cerebral palsy. Dev Med Child Neurol 39:513–517 10. Vojta V (1988) Die zerebralen Bewegungsstörungen im Säuglingsalter, 5. Aufl. Enke, Stuttgart

Orthopäde 2014 · 43:649–655 DOI 10.1007/s00132-014-2323-1 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

T. Renkawitz1 · F. von Knoch2 1 Orthopädische Klinik für die Universität

Regensburg, Asklepios Klinikum Bad Abbach 2 Gelenkzentrum Zürich,

Privatklinik Bethanien, Zürich

Erratum zu:   Update Gonarthrose. Konservative und operative Behandlungsverfahren In der HTML-Version des oben genannten Beitrags wurde F. von Knoch nicht als korrespondierender Autor genannt und die Autorenangaben waren nicht korrekt. Es muss korrekt heißen:

T. Renkawitz1, F. von Knoch2

Einhaltung ethischer Richtlinien

1 Orthopädische Klinik für die Universität

Interessenkonflikt.  S. Senst gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

2 Gelenkzentrum Zürich,

Regensburg, Asklepios Klinikum Bad Abbach

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur   1. Bröxkes S, Herzog U (2004) Rollstuhlversorgung bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, 2. Aufl. Eigenverlag des DRS e. V.   2. Döderlein L (2007) Infantile Zerebralparese, 1.  Aufl. Steinkopff, Darmstadt   3. Feldkamp M, Matthiaß H-H (1988) Diagnose der infantilen Zerebralparese im Säuglings- und Kindesalter, 2. Aufl. Thieme, Stuttgart   4. Ferrari A, Cioni G (1998) Infantile Zerebralparese. Springer, Berlin Heidelberg New York   5. Goldner JL (1994) Orthopädische Behandlung der oberen Extremität bei der infantilen Zerebralparese. In: Niethard FU, Carstens C, Döderlein L (Hrsg) Die Behandlung der infantilen Zerebralparese. Thieme, Stuttgart   6. Heinen F, Bartens W (2001) Das Kind und die Spastik, 1. Aufl. Huber, Bern   7. Krägeloh-Mann I, Hagberg G, Meisner C et al (1994) Bilateral spastic cerebral palsy – a comparative study between Southwest Germany and Western Sweden. II. Epidemiology. Dev Med Child Neurol 36:473–483

Privatklinik Bethanien, Zürich

Bei F. von Knoch wurde in der HTMLVersion ein falscher Interessenkonflikt angegeben. Der korrekte Interessenkonflikt lautet: F. von Knoch hat von Depuy Synthes Honorare für Vortrags- und Beratertätigkeiten auf dem Gebiet der unikondylären Kniearthroplastik erhalten. Wir bedauern diese Fehler sehr und bitten diese zu entschuldigen. Die Redaktion

Die Online-Version des Originalartikels können Sie unter http://dx.doi.org/10.1007/s00132013-2187-9 finden. Der Orthopäde 7 · 2014 

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[Unilateral spastic cerebral palsy (hemiparesis)].

Approximately 33 % of spastic movement disorders are due to unilateral spastic cerebral palsy which is characterized by a one-sided motor movement dis...
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