Fallbericht Tubusfehllage als Ursache einer Tubus-Cuffhernie J. Meyer, M. Penner, W. Diemer, P. hwin Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin der Westfälischen Wilhelms-UniversitätMünster

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Malpositioning of Endotracheal Tubes Causing Cuff Herniation

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Summary

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Airway obstruction of endotracheai tubes may occur during general anaesthesia. A case is reported where endobronchial intubation and inflation of the cuff caused herniation into the left bronchus before the malpositioning had been corrected. This led to a cuff herniation that caused airway obstrucnon at the end of anaesthesia. The regional overinflation of the tubes cuff could be reproduced by a model by other tubes of the Same type. Malpositioning of endotracheai tubes may cause cuff herniation that potentially leads to acute airway obstruction.

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Zusammenfassung Bei einer 68jährigen Patientin trat bei Narkoseausleitung eine akute Atemwegsobstruktion auf, als deren Ursache sich eine Cuffhernie herausstellte. Praformiert wurde diese Cuffhemie wahrscheinlich direkt nach der Narkoseeinleitung durch Insufflation des Cuffs bei knapp endobronchialer Intubation. Der Tubus war nach dem adfdigen Auskultationsbefund zurückgezogen, aber nicht ausgewechselt worden. Ein solcher Entstehungsmechanismus einer Cuffhernie war im Modell reproduzierbar. Untersuchungen fabrikneuer Tuben des gleichen Typs haben ergeben, daß sich Cuffaussackungen in ein freies Lumen nicht völlig zurückbilden, weil sich das Material des Cuffs teilweise überdehnt. Der Fail zeigt, dai3 eine versehentliche endobronchiaie Intubation eine Cuffherniation induzieren kann.

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Einleitung Die endotracheale Intubation dient der Freihaltung der Atemwege. In seltenen Fällen kann jedoch gerade die Verwendung eines Endotracheaitubus Ursache einer akuten Verlegung der Lufwege darstellen. Häufigste Ursache solcher Komplikationen sind Materialfehler arn Cuff, die Verwendung von Lachgas und möglicherweise Zug arn Tubus bei geblocktem Cuff. -

Anästhesiol. Intensivrned.Notfailmed. Schmenther. 27 (1992)56-58 0Georg Thieme Verlag Smttgatt. New York

Hier wird ein Fall voreestellt. bei dem die versehentliche endobronchiale 1ntuba:on al; Ursache der Cuffhemiation angesehen werden mui3. Fallbericht Eine 68 "lahre alte Patientin mußte sich wegen eines Cholesteatoms einer Ohroperation untexziehen. Nach der Intubation mit einem zuvor hinsichtlich der Cufffunkrion geprüften, fabrikneuen RAE@-Tubus(Fa. Mallinckrodt, innerer Durchmesser 7,5 mm) war das Atemgeräusch auf der linken Seite aufgehoben. Deswegen wurde der Tubus entblockt und um 4cm zurückgezogen, woraufhin ein seitengleiches Atemgeräusch und seitengleiche Thoraxexkursionen fesaustellen waren. Die Cuffinsufflation wurde unter auskultatorischer Kontrolle vorgenommen: Nach Abdichten des Tubus wurden weitere zwei ml Luft insuffliert. Der Cuffinnendruck betrug danach etwa 25 cm H20. Die Narkose wurde als baianzierte Anästhesie unter der Verwendung von Fentanyl,'Droperidol, Isoflurane sowie Lachgas durchgeführt. Intraoperativ war auffällig, daf3 nach einer Lageverändemng des Kopfes der Patientin durch den Operateur die pulsoximetrische Sauerstoffsättigung abfiel, während die Beatmungsspitzendrücke von 22cm H 2 0 auf 32cm H20, die Plateausdrücke von 18cm H 2 0 auf 27cm H 2 0anstiegen. Auskultatorischzeigte sich ein seitengleiches Atemgeräusch. Da sich nach Lagekorrektur des Kopfes die Sauerstoffsättigung und die Beatmungsdrücke normalisierten, wurde auf ein Entfernen der OP-Abdeckung und ein Zurückziehen des Tubus verzichtet. Der übrige intraoperative Verlauf war unauffällig. Nach 120Minuten Narkosedauer stellte die Patientin wahrend der Ausleitung der Narkose ihre wiedergekehrte Spontanatmung abrupt ein. Eine manuelle Beatmung war nur mit sehr niedrigem Atemvolumen bei hohen Beatmungsdrücken von 60cm H20 möglich. Ein peripheres Atemgeräusch war nicht zu auskultieren. Als sich trotz Einfiihren eines Absaugkatheters und Absaugen von Tracheaisekret die Situation nicht veränderte. wurde nach Verifizierung der intratrachealen Tubuslage durch direkte Laryngoskopie die Verdachtsdiagnose ,Cuffhernieu gestellt. Nach Entblocken der Tubusmanschette und vorsichtiger erneuter Füllung war die Patientin problemlos zu ventilieren. Der weitere Verlauf der Narkoseausleitung war ebenso wie die Phase im Aufwachraum völlig unauffällig. Die Überprüfung des Endotrachealtubus zeigte eine Cuffhernie an der linken Seite des Tubus, die an ihrer Basis einen Durchmesser von 12-14mm hat und in einem Winkel von etwa 60 Grad zur Tubuslängsachse steht (Abb. 1).

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Abb. 1 Tubusmanschette mit deutlicher Hernie. Cuffvolumen9 rnl.

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Abb.2 Ein fabrikneuer Tubus im Modell bei einem Cuffdruckvon 25cm H,O.

Da die endobronchiale Intubation mit der Entstehung der Cuffhernie in Verbindung gebracht wurde, ist versucht worden, diese Veränderung an einem Modell nachzuvollziehen. In 9 von 12 Fällen war durch Blocken des Tubus in einem üblichen T-Adapter eine Cuffhernie zu erzeugen. Die Cuffinnendrücke, bei denen eine nicht komplett rückbildungsfähige Herniation begann, lagen bei etwa 25-35 cm H 2 0 (Abb. 2,3). Diskussion Die beschriebene Cuffhernie war zweifellos Ursache der akuten Atemwegsobstruktion. Die Hernie selbst kann sich jedoch erst nach der Intubation ausgebildet haben, da der Tubus bei der präoperativen Funktionsprüfung noch völlig unauffällig war. Als Ursachen von Cuffhernien sind bislang drei Mechanismen beschrieben: Materialermüdung bzw. -fehler (1, 3, 4, 9-13, 16), Zugkräfte am geblockten Tubus (7, 15) sowie Diffusion von Lachgas in die Tubusmanschette (5,9, 11, 13) können für die Obstruktion des distalen Tubusendes verantwortlich sein. Material, Herstellungsprozeß sowie Materialbelastung durch häufiges Wiederaufbereiten führten insbesondere bei Woodbridgetuben (Spiralfedertuben) zu Ballonhernien (7) oder inneren Aneurysmen (1, 5, 9-13, 16) der Cuffleitung. Auch für Respirationsschlauchsysteme ist eine ahnliche Komplikation beschrieben worden (2). Für moderne PVC-Tuben liegt nur ein Bericht über Tubusobstruktionen vor. In diesem Fall (3) fuhrte bei einer speziellen Charge das Aufblasen der Cuffmanschette m einer gleichmäßigen Lumenverkleinemng des Tubus.

Abb.3 flation.

Der gleiche Tubus nach Reinsuf-

Bei Modell-Versuchen mit fabrikneuen RAP-Tuben gelang es nicht, durch Zug am geblockten Tubus eine Cuffhernie zu provozieren. Jedoch führte das Aufblasen des Cuffs in einem T-Adapter in 9 von 12 Fällen zu einer Herniation in das freie Lumen, wobei die erforderlichen Cuffinnendrücke zwischen 25 und 35mm H 2 0 schwankten. Für die Annahme, daß die Ausbildung der Cuffhernie bei der endobronchialen Intubation und gleichzeitiger Insufflation der Tubusmanschette auf Höhe der Trachealbifurkation entstand, sprechen auch Form und Position der Hernie. Für die intraoperativ aufgetretene, lageab hängige Oxygeniemngsstörung kommen zwei Ursachen in Frage: zum einen die partielle Obstruktion der Trachea und zum zweiten die intermittierende endobronchiale Lage der Tubusspitze. Denkbar ist auch eine Kombination der beiden Möglichkeiten. Nachdem durch Aufblasen des Cuffs auf Höhe der Bifurkation eine Wandschwäche der Tubusmanschette verursacht worden war, kommen Zugkräfte ( 7 )arn Tubus sowie die Verwendung von Lachgas mit konsekutiver Vergrößerung von Cuffinnendmck und Manschettenvolumen (6, 14) zwei Umstände hinzu, die die Vergrößerung der bereits präformierten Cuffhernie begünstigten. Bei Verwendung von Tuben mit Lachgasrediffusionssystern (z. B. RAEB-Tubus Svstem BrandtB. Mallinckrodt) hätte die beschriebene ~uffherniewahrscheinlich nicht'zur Verlegung der Atemwege geführt. Dieser Faiibericht zeigt, d& eine zu tiefe, endobronchiale Intubation arn Anfang einer Kausalkette stehen kann, die zu einer vitalen Bedrohung des Patienten führen kann.

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Dr. med. JötgMeyer Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivrnedizin Albert-Schweiacr-Straße33 4400 Münster

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Literatur

J. Meyer und Miturb.: Tubusfehlkage

[Tubal malpositioning as a cause of tubal cuff hernia].

Airway obstruction of endotracheal tubes may occur during general anaesthesia. A case is reported where endobronchial intubation and inflation of the ...
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