Nr. 1, 6. Januar 1978, 103. Jg.

Baute, Trede: Therapie des solitären pyogenen Leberabszesses

2.3

Die Therapie des solitären pyogenen Leberabszesses

Treatment of solitary pyogenic liver abscess

M. Raute und M. Trede

A solitary pyogenic liver abscess

Chirurgische Klinik des Klinikum Mannheim der Universität Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. M. Trede)

usually requires open surgical drainage. Digital exploration of the cavity is important for eliminating any loculations and avoiding complications after the drainage procedure. chronic liver abscesses which are enclosed by a fibrous capsule and thus may simulate a neoplastic tumor are best treated by atypical liver resection close to the abscess or by a procedure similar to pericystectomy. Early radical operation is indicated for a complicated liver abscess whenever two drainage procedures have failed and the patient's condition is deteriorating. In such a case the development of sepsis and (or) multiple abscesses caused by an internal fistula to the bile duct system are a potential and increasing danger. Anatomical liver resection, though the most radical operation, carries a comparatively low risk as its mortality rate is less than 10°/ø. The prognosis of solitary abscess has improved during the last decade due to an earlier diagnosis and adequate surgical drainage in combination with antibiotics. Anaerobic liver abscesses have the best prognosis.

Der pyogene Solitärabszeß der Leber stellt eine absolute Indikation zur Operation dar. Die Operationsmethode der Wahl ist im allgemeinen die Eröffnung und Drainage des Abszesses, wobei die digitale Zerstörung etwa vorhandener kleiner Satellitenabszesse eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg dieser operativen Maßnahme ist. Bei chronischen abgekapselten Abszessen, die einen neoplastischen Tumor vortäuschen können, ist die radikale Sanierung durch eine atypische abszeßnahe Leberteilresektion oder eine Ausschälung analog einer Perizystektomie möglich. Bei den seltenen Fällen komplizierter Leberabszesse, die trotz zweimaliger Revision und Drainage der Abszeßhöhle keine Tendenz zur Rückbildung zeigen, sollte frühzeitig eine Radikaloperation erwogen werden, wenn auch klinisch keine entscheidende Besserung im Befinden des Patienten eintritt. Das Risiko einer anatomischen Leberresektion ist bei einer Hospital-Letalität von weniger als 100/o kalkulierbarer und niedriger als die mit der Zeit wachsende Gefahr, daß multiple Leberabszesse aufgrund einer inneren Fistel zum Gallengangssystem entstehen und (oder.) eine Sepsis auftritt. Die Prognose des Solitärabszesses ist im Gegensatz zu multiplen Abszessen bei frühzeitiger Diagnose und adäquater chirurgischer Therapie in Kombination mit der gezielten Gabe von Antibiotika im letzten Jahrzehnt günstiger geworden, wobei der anaerobe Leberabszeß die beste Heilungschance hat. Der solitäre pyogene Leberabszeß stellt bei interdisziplinärer Einstimmigkeit über die absolute Indikation zur Operation eine besondere Herausforderung für den Chirurgen dar. Es handelt sich um eine Erkrankung, die durch adäquate operative Intervention in Kombination mit Antibiotika meist heilbar ist, während sie ohne chirurgischen Eingriff fast ausnahmslos tödlich verläuft. In der Chirurgischen Klinik des Klinikum Mannheim der Universität Heidelberg wurden 1975 drei Patienten mit einem solitären pyogenen Leberabszeß erfolgreich behandelt. Anhand der gewonnenen Erfahrungen soll unter Berücksichtigung der Literatur dargelegt werden, wie operativ im Einzelfall das Abweichen vom Grundprinzip der Eröffnung und Drainage des Abszesses sinnvoll und erforderlich werden kann.

Kasuistik Fall 1: Der lSjährige Patient A. G. litt im Dezember 1974 an hochfieberhafter Angina tonsillaris. Im Januar 1975 traten erneut rezidivierende Fieberschübe bis 40 oc mit Schüttelfrost auf. In 3 Monaten hatte der Patient 7 kg abgenommen. Am 11. März 1975 wurde er in der chirurgischen Klinik aufgenommen. 0012-0472/78

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© 1978 Georg

Präoperative Befunde: Die klinische Untersuchung ergab keinen auffälligen abdominellen Palpationsbefund. Klinisch-chemisch fanden sich eine Leukozytose, Infektanämie, Hypalbuminämie, Erhöhung der a- und y-Globuline, erhöhte Aktivität der alkalischen Phosphatase sowie ein erniedrigter Quick-Wert. Röntgen-Thorax: Zwerchfelihochstand und Winkelerguß rechts. Leberszintigramm in zwei Ebenen und coeliacographie: großer, dorsal der Leberkuppe gelegener Tumor im rechten Lappen. Klinische Diagnose: Leberabszeß. Therapie: Trotz rechtsbasaler Pneumonie Operation am 13. 3. 1975 wegen rapider Verschlechterung des Allgemeinzustandes. Nachweis des Abszesses durch perkutane Punktion im elften Interkostalraum rechts paravertebral. Transpieuraler transdiaphragmaler Zugang durch dorsale Thorakotomie im zehnten Interkostalraum. Nach Sicherung der Pleurahöhle durch Adaptationsnähte der Pleura an das Zwerchfell Eröffnung und Spülung der mannsfaustgroßen Abszeßhöhle. Extraperitoneale dorsale Ausleitung einer intrahepatischen Drainage. Bülau-Drainage im achten Interkostalraum. Bakteriologisch im Originalpräparat und kulturell kein Keimnachweis. Fortsetzung der präoperativ begonnenen antibiotischen Medikation mit Gentamicin und cefazolin bis zum Ende der zweiten postoperativen Woche. Verlauf: Postoperativ war zunächst kontrollierte Beatmung wegen respiratorischer Insuffizienz bei beginnendem septischem Schock erforderlich. Es entwickelte sich eine linksbasale Pneumonie. Aus-

Thieme Publishers

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Dtsch. med. Wschr. 103 (1978), 23-28 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Raute, Trede: Therapie des solitären pyogenen Leberabszesses

reichende Spontanatmung kam ab sechstem postoperativem Tag in Gang. Nach guter Erholung trat zwischenzeitlich erneut eine rechtsbasale Pneumonie in der fünften postoperativen Woche auf. Am 29. 4. 1975 konnte der Patient aus der Klinik entlassen werden. Ein Jahr post operationem besteht subjektiv und objektiv völlige Beschwerdefreiheit. FaIl 2: Bei dem 54 Jahre alten Patienten N. F. traten im Juli 1975 rezidivierende Fieberschübe bis 40 °C mit Schüttelfrost, rechtsseitigen Oberbauchschmerzen und gelegentlichem Erbrechen auf. In zwei Monaten hatte er 13 kg abgenommen. Aus einer auswärtigen Klinik wurde er am 1. 9. 1975 zur Probelaparotomie nach Feststellung eines Tumors unklarer Genese im rechten Leberlappen ver-

legt.

Präoperative Befunde: druckdolente, um 3 cm vergrößerte Leber. Laboratoriumswerte im Normbereich. Röntgen-Thorax mit Durchleuchtung: Hochstand und aufgehobene Beweglichkeit der rechten Zwerchfellhälfte. Ultraschall-Sonographie, Leberszintigramm in zwei Ebenen und Coeliacographie: kleiner Tumor an der Kuppe des rechten Leberlappens. Laparoskopie: entzündliche perihepatische Verwachsungen im Bereich des rechten Lappens. Klinische Diagnose: Lebertumor unklarer Genese. Verdacht auf Leberabszeß. Therapie: Operation am 24. 9. 1975. Laparotomie durch Transrektaischnitt im rechten Oberbauch. Darstellung eines hoch auf der Leberkuppe sitzenden, mit dem Zwerchfell verwachsenen, derben Tumors. Trotz mehrfacher Punktion keine Aspiration von Eiter. Scharfe Lösung des schwer zugänglichen Tumors aus dem Zwerchfell unter Eröffnung der Pleurahöhle. Erweiterung der Laparotomie durch anteriore Thorakotomie zur besseren Exposition. Atypische tumornahe Leberteilresektion bei Unklarheit über die Art des gänseeigroßen Tumors. Drainage im Subphrenium und Pleuradrainage. Intra- und postoperative antibiotische Therapie mit Ampicillin.

Operationspräparat: Leberabszeß mit walnußgroßer, wenig Eiter enthaltender Höhle und breiter Abszeßkapsel. Histologische Untersuchung: chronischer Leberabszeß mit ausgeprägter Vernarbung. Bakteriologischer Nachweis anhämolysierender Streptokokken. Der postoperative Verlauf war komplikationslos. Am 30. 10. 1975 wurde der Patient aus der Klinik entlassen. Sieben Monate nach der Operation bestehen subjektiv geringe unspezifische Beschwerden bei klinisch unauffälligem Befund. Fall 3: Bei dem 26 Jahre alten Patienten K. A. waren 1973 eine Thorakolaparotomie und Drainage eines Leberabszesses in der Türkei vorangegangen. Im Oktober 1975 traten rechtsseitige Oberbauchschmerzen und intermittierende Fieberschübe bis 40 °C auf. Am 24. 10. 1975 wurde der Patient in der chirurgischen Klinik auf-

genommen. Prao perative Befunde: druckdolente, um 5 cm vergrößerte Leber. Leukozytose, Hypalbuminämie sowie Erhöhung der u- und ?-Globuline. Erhöhung der y-GT, AP, LAP und LDH. Thoraxdurchleuchtung: verminderte Zwerchfellbeweglichkeit rechts. UltraschallSonographie, Leberszintigramm in zwei Ebenen (Abbildung 1) und Coeliacographie: großer zystischer Tumor im rechten Leberlappen. Endoskopisch-retrograde Cholangiographie (Abbildung 2): bogenförmige Verdrängung der intrahepatischen Gallengänge. Klinische Diagnose: Leberabszeß (Rezidiv). Therapie und Verlauf: Laparotomie am 3. 11. 1975. Transrektalschnitt im rechten Oberbauch. Eröffnung und Spülung eines mannsfaustgroßen Abszesses im rechten Leberlappen. Digitale Zerstörung mehrerer Nebenkammern der zentralen Abszeßhöhle. Intrahepatische Drainage sowie Drainage im Subphrenium. Postoperativ täglich mehrfache Spülung der Abszeßhöhle. Bakteriologisch im Onginalpräparat und kulturell kein Keimnachweis. Prä- und postoperative antibiotische Therapie mit Gentamicin und Cefazolin. Postoperative Fistelfüllung (Abbildung 3): kein Anhalt für Verkleinerung der Abszeßhöhle. Nachweis einer neu entstandenen Verbindung des Abszesses zum Gallengangsystem. Drei Wochen post operationem klinisch unverändert schlechter Allgemeinzustand des Patienten mit rezidivierenden septischen Fieberschüben. *

Abbildungen

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bis 3 siehe Tafel Seite 21

Deutsche Medizinische Wochenschrift

Radikaloperation am 26. 11. 1975: rechtsseitige Hemihepatektomie nach Thorakolaparotomie. Technisch schwierige Mobilisierung des rechten Leberlappens aufgrund ausgeprägter Verwachsungen nach zwei Voroperationen. Cholezystektomie und Präparation des Leberhilus mit Ligatur des rechten Astes der Arteria hepatica und Vena portae sowie des rechten Ductus hepaticus. Durchtrennung und Ubernähung der Vena hepatica dextra. Parenchymdissektion mittels der »Finger fracture«-Technik nach Lin. Zieldrainage im Subphrenium und am Hilus. Operationspräparat: große, stark vernarbte Abszeßhöhle mit einem fuchsbauartigen System von Nebenkammern. Histologische Untersuchung: chronisch-rezidivierende, herdförmig abszedierende Cholangitis im Restparenchym. Bakteriologischer Nachweis einer Mischinfektion mit Pseudomonas aeruginosa und Staphylococcus albus. Der postoperative Verlauf war komplikationslos. Am 12. 12. 1975 wurde der Patient aus der Klinik entlassen. Vier Monate nach der Operation besteht subjektiv und objektiv völlige Beschwerdefreiheit.

Diskussion Präoperative Diagnostik Die Anamnese ist im typischen Fall durch Schmerzen im rechten Oberbauch, Gewichtsabnahme und rezidivierende Fieberschübe mit oder ohne Schüttelfrost gekennzeichnet. Chronische Leberabszesse, die Monate bis Jahre alt sein können, zeichnen sich durch einen protrahierten Verlauf mit langen symptomlosen Intervallen aus (3, 4, 17). Wie bei einem unserer Patienten (Fall 2) ist der initiale Infekt in manchen Fällen anamnestisch gar nicht faßbar. Eine druckdolente vergrößerte Leber ist ein häufiger, jedoch keineswegs obligater Befund. Multiple Leberabszesse, die charakteristischerweise bei Obstruktion der abführenden Gallengänge auftreten, verursachen meist einen Ikterus (4, 7, 14), während dieser bei Solitärabszessen selten und ein prognostisch ungünstiges Zeichen ist. Die Laboratoriumswerte sind nur unspezifisch verändert und können im Einzelfall alle im Normbereich liegen, wie bei unserem Patienten mit chronischem Leberabszeß. Einfache, diagnostisch richtungweisende Maßnahmen sind unter Umständen die Röntgenaufnahme der Lunge sowie die Thorax-Durchleuchtung: Zwerchfellhochstand, Einschränkung oder Aufhebung der Zwerchfellbeweglichkeit sowie ein Winkelerguß lenken den Verdacht auf einen subphrenischen oder intrahepatischen Abszeß. Die wichtigste diagnostische Methode ist das Leberszintigramm, das Aufschluß über die Größe und vor allem Lokalisation des Abszesses gibt. Ultraschall-Sonographie und Coeliacographie stellen wertvolle ergänzende Untersuchungen dar.

Operative Behandlung Die Mortalität nicht drainierter pyogener Leberabszesse liegt bei 100% (4, 14). Übereinstimmend wird deswegen die offene chirurgische Drainage als Behandlungsmethode gefordert (1, 2, 7, 13, 15). Die äußerst schlechte Prognose multipler Leberabszesse ist vor allem darauf zurückzuführen, daß sie im allgemeinen keiner direkten chirurgischen Therapie zugänglich sind. Vereinzelt finden sich in der Literatur Berichte über die erfolgreiche perkutane Nadelpunktion eines pyogenen

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1, 6.

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Leberabszesses (11, 17). Die Anwendung dieser Methode, die sich vielfach als unzureichend erwiesen hat und kornplikationsbelastet ist, sollte auf die seltenen, nicht operationsfähigen Fälle sowie Amöbenabszesse beschränkt bleiben (5, 7, 15). Bei präoperativ gesicherter Lokalisation des Abszesses im ventralen Bereich des rechten Leberlappens ist der anteriore transperitoneale Zugang indiziert, der heute bevorzugt wird, da er die beste Exposition sowie die Möglichkeit zur Revision der Bauchhöhle bietet (5, 6, 7, 12). Der anteriore extraperitoneale Zugang hat an Bedeutung verloren, seit das Risiko einer Peritonitis unter dem Schutz von Antibiotika entscheidend verringert wurde. ist der Abszeß im dorsalen Bereich des rechten Lappens lokalisiert, so bietet sich entweder der transpleurale transdiaphragmale oder der infrapleurale retroperitoneale Zugang an (5, 10, 15). Die eröffnete und gespülte Abszeßhöhle muß zur Zerstörung etwa vorhandener Satellitenabszesse digital ausgetastet werden. Über eine großlumige Drainage wird postoperativ gespült und der Heilungsverlauf röntgenologisch durch Fistelfüllung kontrolliert (4, 7, 12). Abweichend von dieser üblichen operativen Methode führten wir bei unserem Patienten mit chronischem Abszeß eine atypische abszeßnahe Leberteilresektion durch. Der an der Kuppe des rechten Lappens lokalisierte Abszeß hatte eine breite fibröse Kapsel und war weder makroskopisch noch durch Punktion von einem neoplastischen Tumor zu unterscheiden. Bourgeon (3) empfiehlt bei chronischen Abszessen, die nach seiner Angabe bevorzugt im siebten und achten Segment der Leber auftreten, ein operatives Vorgehen analog der Perizystektomie, da der Abszeß durch seine fibröse Kapsel gegen das Parenchym abgegrenzt ist. Die andere Möglichkeit, die sich wie bei unserem Patienten vor allem bei pseudoneoplastischen chronischen Abszessen anbietet, ist die atypische abszeßnahe Leberteilresektion. Auf jeden Fall ist bei chronischen Leberabszessen die Resektion der Drainage vorzuziehen, da ohne erhöhtes Risiko mit Sicherheit eine radikale Sanierung erzielt wird. Ein Abszeßrezidiv oder ein mit unzureichendem Erfolg drainierter Abszeß ist bei regelrechter Durchführung des Eingriffs selten. Lediglich Butler und McCarthy (4) berichten, daß bei immerhin vier von 22 Patienten eine Zweitoperation mit erneuter Abszeßdrainage erforderlich war. Ungewöhnlich ist ein Abszeßrezidiv, das wie bei einem unserer Patienten (Fall 3) mit einem freien Intervall von 2 Jahren nach primär erfolgreicher Drainage des Abszesses auftrat. Unser Versuch, das Abszeßrezidiv erneut zu drainieren, blieb erfolglos. Die postoperative Fistelfüllung zeigte eine große Abszeßhöhle mit Nebenkammern sowie eine innere Fistel zum Gallengangsystem, die bei der präoperativen endoskopischretrograden Cholangiographie noch nicht nachweisbar war. Wir entschlossen uns daraufhin zur Radikaloperation und führten mit Erfolg eine rechtsseitige Hemihepatektomie durch. Das aufgeschnittene Operationspräparat veranschaulichte, daß bei dem Ausmaß der Parenchymdestruktion jeder Drainageversuch erfolglos

Raute, Trede: Therapie des solitären pyogenen Leberabszesses

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bleiben mußte. Außerdem bestätigte der mikroskopische Nachweis einer herdförmig abszedierenden Cholangitis im Restparenchym die Indikation zur Radikaloperation. Bei solchen komplizierten Fällen sollte als kleinstmöglicher Eingriff zunächst die erneute Revision und Drainage der Abszeßhöhle durchgeführt werden (4, 5, 6). Zeichnet sich nach dem zweiten Eingriff jedoch ab, daß die Abszeßdrainage wiederum unzureichend ist, sollte der Entschluß zur Radikaloperation nicht zu lange hinausgezögert werden. Die Sanierung wird je nach Befund durch eine großzügige atypische Leberteilresektion oder eine anatomische Leberresektion erzielt, deren Operations- bzw. Hospital-Letalität als elektiver Eingriff heute bei 10% liegt. Bei der Abwägung der Risiken ist zu berücksichtigen, daß bei einem komplizierten Leberabszeß mit der Zeit trotz liegender Drainage die Gefahr wächst, daß es aufgrund einer eitrigen Cholangitis, die durch eine innere Fistel zum Gallengangsystem unterhalten wird, zur Bildung von multiplen Abszessen kommt Außerdem droht immer eine Sepsis, die in jedem Fall eine ungünstige Prognose hat, während die Radikaloperation ein vergleichsweise niedriges kalkulierbares Risiko darstellt. Antibiotische Therapie Die operative Therapie des Leberabszesses muß mit der bereits intraoperativ einzuleitenden Gabe von Antibiotika kombiniert werden. Die Applikationsdauer der antibiotischen Therapie ist vom Verlauf abhängig. Bei der Wahl des Antibiotikums ist zu berücksichtigen, wobei überwiegen, daß gramnegative Erreger Escherichia coli der meistisolierte Keim ist (8, 14). Außerdem sollte beachtet werden, daß eine anaerobe Infektion häufig dem Nachweis entgeht, so daß als Ergebnis der bakteriologischen Untersuchung eine falsch-negative (sterile) Kultur resultiert. Die Häufigkeit anaerober pyogener Leberabszesse, die nach Angabe von Pitt und Zuidema (14) 20 bis 45% ausmachen, wurde erst in den letzten Jahren erkannt (8, 9, 16).

Prognose

Pitt und Zuidema (14) vom John Hopkins Hospital veröffentlichten die bisher detaillierteste Analyse zur Prognose pyogener Leberabszesse. Die Gesamtmortalität 41 chirurgisch und antibiotisch behandelter Patienten lag bei 34% (n = 14). Während 71% der Patienten mit multiplen Abszessen starben, betrug die Mortalität bei Solitärabszessen nur 8%. Andere Autoren geben bei vergleichbar großer Patientenzahl eine Mortalitätsrate von etwa 15% für drainierte solitäre Abszesse an (7, 8). Eine besonders günstige Prognose haben die überwiegend solitär auftretenden anaeroben Abszesse (14, 16). Der Durchbruch zu einer erfolgreicheren Behandlung solitärer pyogener Leberabszesse ist erst im letzten Jahrzehnt gelungen. Entscheidend war, daß mit dem Leberszintigramm als diagnostischer Routinemethode die frühzeitigere Diagnose der Erkrankung möglich wurde. Andererseits hat sich allgemein die Erkenntnis durchgesetzt, daß die unverzögerte, eher aggressive chirurgische Therapie in Kombination mit dem gezielten Einsatz von Antibiotika indiziert ist.

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Nr.

Münzenberg: Therapie des Sudeck-Syndroms mit Calcitonin

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Dr. M. Raute, Prof. Dr. M. Trede Chirurgische Klinik Klinikum Mannheim der Universität Heidelberg 6800 Mannheim 1, Theodor-Kutzer-Ufer

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Abb. 1. Fall 3: präoperatives Leberszintigramm (zwei Ebenen). Hepatomegalie. Großer ventrolateraler Speicherdefekt im rechten Lappen.

Abb. 2. Fall 3: präoperative endoskopische retrograde Cholangiographie. Bogenförniige Verdrängung der unvollständig gefüllten intrahepatischen Gallengänge. Kein Anhalt für innere Fistel.

Abb. 3. Fall 3: postoperative Fistelfüllung (11 Tage nach Abszeßdrainage). Zentrale Abzeßhöhle mit meh. reren kleinen Nebenkammern. Innere Fistel mit Kontrastmittelabfluß in die Gallengänge.

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Die Therapie des solitären pyogenen Leberabszesses

[Treatment of solitary pyogenic liver abscess (author's transl)].

Nr. 1, 6. Januar 1978, 103. Jg. Baute, Trede: Therapie des solitären pyogenen Leberabszesses 2.3 Die Therapie des solitären pyogenen Leberabszesses...
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