Operative Techniken Oper Orthop Traumatol 2014 DOI 10.1007/s00064-013-0236-5 Eingegangen: 8. Juli 2011 Überarbeitet: 18. Januar 2013 Angenommen: 21. Januar 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

Redaktion

U. Bosch, Hannover Zeichner

R. Himmelhan, Heidelberg

Vorbemerkungen In Deutschland werden jährlich ca. 100.000 primäre Hüftprothesen implantiert. Aufgrund dieser Tatsache in Verbindung mit der zunehmenden Lebenserwartung der Patienten ist in Zukunft mit einer steigenden Anzahl an periprothetischen Frakturen zu rechnen [4, 5, 15, 17]. In der Literatur wird über eine Inzidenz von Femurfrakturen nach der primären Hüftendoprothetik von 0,8 bis 2,3% und nach Revisionseingriffen von 4% berichtet [1, 5, 8, 10, 14, 16, 17]. Neben der zunehmenden Gang- und Standunsicherheit der regelhaft sehr betagten Patienten stellen weitere Risikofaktoren für eine periprothetische Femurfraktur u. a. eine begleitende Osteoporose sowie Osteolysen, rheumatoide Arthritis und eine Kortikoidtherapie dar. Eine zementierte Prothese und ein stattgehabter Prothesenwechsel sind zusätzliche Risikofaktoren [3, 12, 16]. Zur Einteilung der periprothetischen Femurfrakturen sind die Klassifikationen nach Johannson [5, 7], die Einteilung nach Mont und Maar [5, 11] sowie die sog. Vancouver-Klassifikation nach Masri und Duncen ([5, 9], . Abb. 1), nach welcher das eigene Krankengut klassifiziert wird, gebräuchlich. Die Vancouver-Klassifikation nach Masri und Duncen berücksichtigt neben der Lokalisation auch die Frage, ob zusätzlich ein Knochensubstanzdefekt vorliegt. Demnach befinden sich die

G. Szalay1 · C. Meyer2 · J. Mika1 · R. Schnettler1 · U. Thormann1 1 Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Giessen-Marburg, Standort Giessen 2 Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie, Klinikum Saarbrücken

Die Behandlung periprothetischer Femurfrakturen nach Hüft-TEP-Implantation mittels sonderangefertigten retrograden Hohlnagels Typ-A-Frakturen auf Höhe des Trochanters, die Typ-B-Frakturen auf Höhe des Prothesenschafts und die Typ-C-Frakturen distal der Prothesenspitze. Bei den Typ-B-Frakturen wird zusätzlich differenziert ob der Schaft fest (Typ-B-1) oder locker (Typ-B-2) ist. Die Typ-B-3-Frakturen berücksichtigen Knochendefekte und eine schlechte Knochenqualität [5, 9]. Zur Behandlung periprothetischer Frakturen stehen bei fester Prothese unterschiedliche osteosynthetische Verfahren, wie die Plattenosteosynthese (DCS, Winkelplatte, winkelstabile Platten) und/oder die Anlage von Cerclagen, zur Verfügung [2, 5, 13, 14, 15, 16, 17]. Bei gelockerter Endoprothese stellt der Prothesenwechsel, in der Regel auf die Langschaftprothese, die Therapie der Wahl, dar [5, 6, 13, 16]. Der Möglichkeit der In-Situ-Koppelung der intakten und festsitzenden Prothese mit einem intramedullären Kraftträger wird in der Literatur nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet [5, 10, 17, 18]. Eine Besonderheit dieser Therapiemöglichkeit besteht in der Notwendigkeit der exakten präoperativen Planung des Eingriffs mit Größenbestimmung des Prothesenstiels, Längen- und Durchmesserbestimmung des Schaftfragments und der Sonderanfertigung eines geschlitzten Hohlnagels. Die Durchführung dieser Vorbereitungen unterliegt dem Zeitdruck, den Patienten zeitnah operativ versorgen zu müssen, um die bekannten Risiken der Immobilisierung des Patienten möglichst gering zu halten.

Unserer Ansicht nach ist ein Vorteil, des hier vorgestellten Verfahrens im Vergleich zur winkelstabilen Plattenosteosynthese, die Stabilität des Verbundes zwischen Prothese und Nagel, die eine sofortige Mobilisierung des Patienten unter Voll- oder Teilbelastung der versorgten Extremität erlaubt. Plattenosteosynthesen am Femur bedürfen häufig einer vollständigen Entlastung in den ersten Wochen postoperativ.

Operationsprinzip und -ziel Reposition und Stabilisierung periprothetischer Femurfrakturen durch In-Situ-Koppelung der intakten und festsitzend einliegenden Prothese mit einem intramedullären, maßgefertigten, von retrograd eingebrachten Kraftträger.

Vorteile F Stabile, intramedulläre ­Osteosynthese mit der Möglichkeit des Erhalts der festen und intakten Prothese F Operativer Eingriff im Vergleich zum Prothesenwechsel weniger belastend F Direkte intramedulläre Weiterleitung der Kraft, welche durch die Hüftendo­prothese in das Femur eingeleitet wird F In der Regel postoperative Mobilisierung des Patienten unter Voll- oder Teilbelastung der versorgten Extremität möglich Operative Orthopädie und Traumatologie 2014 

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Abb. 1 9 Vancouver-Klassifikation nach Masri und Duncen

F Im Vergleich zur winkelstabilen Plattenosteosynthese wird bei diesem Verfahren nicht auf gesamter Länge der Prothese der Zement durch eingebrachte Schrauben geschwächt. Das Risiko eines Bruchs des Zementmantels ist unseres Erachtens so etwas geringer.

Nachteile F Kniegelenksarthrotomie unter Inkaufnahme von Knorpeldefekten, Gelenkinfektion und Manipulation intraartikulärer Strukturen erforderlich F Durch Sonderanfertigung des Nagels ist, unter Inkaufnahme der Risiken der Immobilisierung, nur eine zeitverzögerte Versorgung der Fraktur möglich F Ggfs. zusätzliche Osteotomie zum Entfernen des Zements oder Knochens erforderlich mit dem Risiko einer iatrogenen Prothesenlockerung F Risiko der Prothesenlockerung beim Aufstülpen des Nagels auch bei sehr

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vorsichtiger Operationstechnik gegeben F Zusätzliche Kosten durch eine Messuntersuchung mittels Computertomographie (CT) zur Bestimmung der Nagelausmaße

Indikationen F Periprothetische Femurfrakturen nach totalendoprothetischem Hüftgelenksersatz von Typ B1 und C nach der Vancouver-Klassifikation nach Masri und Duncen F Der einliegende Prothesenschaft muss eine konisch zulaufende Spitze besitzen, die das Aufstülpen eines geschlitzten Verriegelungsnagels erlaubt (exakte präoperative Planung mittels CT bzw. Überprüfung am identischen Prothesenmodell zwingend erforderlich).

Kontraindikationen F Gelockerte/gebrochene Prothese

F Floride Entzündungen und Verletzungen der Weichteile im Operationsgebiet F Kontraktes Kniegelenk: Zum Einbringen des Nagels muss das Kniegelenk bis etwa 45° zu flektieren sein. F Einliegende Revisionsprothese im Kniegelenk F Fortgeschrittene Deformierung im Kniegelenk F Prothesentypen, die keine zulaufende Spitze besitzen, die das Aufstülpen eines kurzen geschlitzten Verriegelungsnagels erlauben F Nicht ausreichender Markraumdurchmesser zur Aufnahme eines passenden großvolumigen Nagels F Frakturen des Typ A, B2, B3 nach der Vancouver-Klassifikation nach Masri und Duncen F Frakturen des Typs B1 weit proximal der Prothesenspitze F Nicht vorhandene Voraussetzung für einen erforderlichen Prothesenwechsel falls sich intraoperativ eine Schaftlockerung herausstellen sollte

Zusammenfassung · Abstract Oper Orthop Traumatol 2014 · [jvn]:[afp]–[alp]  DOI 10.1007/s00064-013-0236-5 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 G. Szalay · C. Meyer · J. Mika · R. Schnettler · U. Thormann

Die Behandlung periprothetischer Femurfrakturen nach Hüft-TEP-Implantation mittels sonderangefertigten retrograden Hohlnagels Zusammenfassung Operationsziel.  Versorgung periprothetischer Frakturen durch Implantation eines sonderangefertigten, retrograden Hohlnagels, der über die Prothesenspitze gestülpt und mit dieser verklemmt wird. Indikationen.  Periprothetische Femurfrakturen mit fest verankertem Prothesenschaft nach totalendoprothetischem Hüftgelenksersatz von Typ B1 und C nach Vancouver-Klassifikation. Kontraindikationen.  Gelockerte Prothese (Typ B2/B3) und Trochanterfrakturen (Typ A). Gebrochene/beschädigte Prothese, ­floride Entzündungen und Weichteilverletzungen im Operationsgebiet, kontraktes Kniegelenk, fortgeschrittene Deformierung im Kniegelenk und des distalen Oberschenkels, einliegende Prothese im Kniegelenk sowie allgemeine Kontraindikationen. Operationstechnik.  In Rückenlagerung Darstellen der periprothetischen Fraktur über lateralen Zugang. Bei zementierten Prothesen Entfernen des Zements im Bereich von Prothesenspitze (mind. 2–3 cm) und Markraum. Arthrotomie bei flektiertem Kniegelenk und

Markieren des Nageleintrittspunkts. Aufbohren des Markraums, retrogrades Einbringen des Nagels, unter Sicht Überstülpen über die Prothesenspitze und Verklemmen des Nagels mit der Prothese. Je nach Frakturtyp und Größe der Defektzone zusätzliche Spongiosaplastik, ggf. zusätzliche Cerclagen-Anlage sinnvoll. Distale Verriegelung des Nagels. Intraoperative radiologische Kontrolle auf korrekte Nagellage und -länge. Schichtweiser Wundverschluss unter Einbringen von Redondrainagen und Verband. Weiterbehandlung.  Teilbelastung für 6 Wochen. Anschließend schmerzadaptierte Belastungssteigerung bis zur Vollbelastung. Ist keine gezielte Teilbelastung möglich, ist im Einzelfall zu entscheiden, inwieweit der in­ traoperative Befund die sofortige Vollbelas­ tung erlaubt. Ergebnisse.  Von 2004 bis 2011 wurden an 2 Standorten 25 periprothetische Oberschenkelfrakturen bei 25 Patienten mittels sonderangefertigten geschlitzten Hohlnagels versorgt. Im Rahmen einer retrospektiven Studie wurden 20 dieser Patienten (16 Frauen,

4 Männer; durchschnittliches Alter 77,2 [72– 84] Jahre) im Mittel nach 19,3 (7–31) Monaten klinisch und radiologisch nachuntersucht. Keine postoperativen Nachblutungen, Wundheilungsstörungen oder Infekte. Bei allen Patienten belastungsstabile Frakturkonsolidierung in korrekter Femurachse, -länge und -rotation ohne Nachweis radiologischer Zeichen einer Prothesenlockerung oder einer Nageldislokation. Ein Fall einer Prothesenlockerung, welche offenbar im Rahmen der operativen Versorgung entstand; nach Frakturkonsolidierung Wechsel auf eine Langschaftprothese nötig. Eine zum präoperativen Mobilitätsgrad vergleichbare Situation zeigten 12 Patienten, eine mäßige Verschlechterung 5 Patienten, eine erhebliche verbliebene Beeinträchtigung 2 und eine Verbesserung 1 Patient. Schlüsselwörter Intramedulläre Frakturfixation ·   Prothesen und Implantate · Hüftgelenk ·   Vancouver-Klassifikation · Frakturheilung

Treatment of periprosthetic femoral fractures after total hip arthroplasty with specially constructed retrograde hollow nails Abstract Aim.  Treatment of periprosthetic fractures by implantation of a specially constructed, retrograde hollow nail which fits over the tip of the prosthesis and becomes locked on it. Indications.  Periprosthetic femoral fractures with firmly anchored prosthesis shaft after total hip arthroplasty of types B1 and C according to the Vancouver classification. Contraindications.  Loosened prosthesis (type B2/B3) and trochanteric fractures (type A). Broken or damaged prosthesis, florid inflammation and soft tissue injuries in the operation field, contracted knee joint, advanced deformation in the knee joint and distal femur, enclosed prosthesis and general contraindications. Surgical technique.  In a supine position the periprosthetic fracture is exposed via a lateral access. For cemented prostheses the cement is removed around the tip of the prosthesis (at least 2–3 cm) and medullary cavity. Arthrotomy with flexion of the knee joint and marking of the nail entry point. Drill the medullary cavity, retrograde introduction of

the nail, visually fit the nail over the tip of the prosthesis and lock the nail with the prosthesis. If necessary use additional spongiosaplasty or also placement of additional cerclages depending on fracture type and size of the defect zone. Lock the nail distally. Use intraoperative radiological imaging to control correct positioning and length of the nail. Close the wound layer by layer with placement of suction drainage devices and dressing. Postoperative management.  Partial loading for 6 weeks with a subsequent pain-adapted loading gradient until full loading is possible. If selective partial loading is not possible, a decision must be made in individual cases as to whether the intraoperative findings allow immediate full loading. Results .  From 2004 to 2011 a total of 25 periprosthetic femoral fractures in 25 patients were treated in 2 locations using specially constructed slotted hollow nails. Within the framework of a retrospective study 20 of these patients (16 female and 4 male; average age 77.2 [72–84] years) were clinical-

ly and radiologically re-examined on average 19.3 (7–31) months postoperatively. No postoperative bleeding, wound healing disorders and infections. In all patients there was a loading stable consolidation of the fracture in the correct femoral axis, length and rotation with no evidence for radiological signs of loosening of the prosthesis or dislocation of the nails. In one case there was loosening of the prosthesis which had obviously occurred during the operative procedure. After consolidation of the fracture it was necessary to exchange the prosthesis for a long shafted prosthesis. A comparable situation to the preoperative degree of mobility was found in 12 out of the 20 patients, a moderate deterioration in 5 patients, a substantial residual impairment in 2 patients and an improvement of the situation in 1 patient. Keywords Fracture fixation, intramedullary ·   Prostheses and implants · Hip joint ·   Vancouver classification · Fracture healing

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Patientenaufklärung F Allgemeine Operationsrisiken wie thrombembolische Komplikationen, Wundheilungsstörungen, Infektionen und Osteomyelitis F Großer operativer Eingriff mit den allgemeinen Risiken und der Gefahr eines transfusionsbedürftigen intraoperativen Blutverlusts F Operationsdauer ca. 120 min F Gefahr der intraoperativen Schaftlockerung beim Überstülpen des Nagels F Kniegelenksarthrotomie mit der Gefahr eines Kniegelenksempyem sowie implantatassoziierten Komplikationen F Falls intraoperativ keine ausreichende axiale Stabilität erreicht werden konnte, ist evtl. eine postoperative Teilbelastung der Extremität für 6 Wochen notwendig. F Möglichkeit des intraoperativen Umschwenkens auf anderes Verfahren (Prothese/winkelstabile Platte) F Gefahr der sekundären Prothesenbzw. Nagellockerung F Gefahr der Ausbildung einer Pseudarthrose F Beinlängendifferenz, Rotationsfehler des Beins F Ggfs. Notwendigkeit weiterer operativer Eingriffe F Alternative Verfahren anbieten und die Vor- und Nachteile aller Verfahren ausführlich darlegen F Aufklärung darüber, dass nur eine zeitverzögerte Versorgung möglich ist, da der Nagel maßgefertigt wird. Darstellung der Risiken der damit verbundenen Immobilisierung F Materialentfernung in der Regel nicht indiziert

Operationsvorbereitung F Da wegen der Anfertigung des Nagels eine sofortige operative Versorgung nicht möglich ist, Lagerung der Beins in einer Lagerungsschiene oder Anlage einer Tibiakopfextension F Röntgendiagnostik: Aufnahme des Beckens im a.-p.-Strahlengang, Langaufnahme des betroffenen Oberschenkels in 2 Ebenen inkl. der angrenzenden Gelenke

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F Klinische/radiologische Zeichen einer Prothesenlockerung bzw. eines Prothesendefekts sind sicher auszuschließen F Kenntnis des Prothesentyps bzw. die exakte präoperative Vorbereitung mittels CT-Messung der Größen- und Längenverhältnisse. Folgende Kenngrößen müssen bekannt sein: 1 Durchmessers des konischen Endes des Prothesenstiels über eine Länge von mindestens 2–3 cm 1 Länge des Schaftfragments 1 Durchmesser des Markraums mit der Frage, ob die Aufnahme des voluminösen Implantats möglich ist F Auf der Basis der ermittelten Daten wird ein geschlitzter Hohlnagel mit distaler Verriegelungsmöglichkeit der ausgemessenen Länge (Cave: 2–3 cm Überlappung mit dem Prothesenstiel mitberechnen) und des für die Prothesenspitze passenden Innendurchmessers angefertigt (Firma Stryker, GmbH & Co.KG, Duisburg, Deutschland). Dauer der Anfertigung des Sonderimplantats: 2–3 Arbeitstage) F Erheben des Weichteilstatus unter Beachtung von Narben und Infektionszeichen F Allgemeine und anästhesiologische Vorbereitung des Patienten F Bereitstellung von ausreichend Blutkonserven der entsprechenden Blutgruppe, ggf. Cell-Saver bereitstellen F Perioperative Gabe eines Antibiotikums (z. B. Cepalosporin der 2. Generation) F Rasur des Operationsgebiets unmittelbar vor dem Eingriff

Instrumentarium F Knochensieb, chirurgische Grundin­ strumente F Cerclagen der Dicke 1,25 mm mit Deschamps F Instrumentarium zum Pfannen- und Schaftwechsel und Langschaftprothese/winkelstabile Plattenosteosynthese muss vorgehalten werden F Maßgefertigter, geschlitzter Hohlnagel F Hochauflösender Röntgenbildverstärker

Anästhesie und Lagerung F Rückenmarksnahe Anästhesie oder Allgemeinnarkose F Rückenlagerung auf geradem Tisch F Das zu versorgendes Bein muss intraoperativ im Kniegelenk zu flektieren sein. F Kontralaterales Bein etwas abgesenkt

Operationstechnik (. Abb. 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17)

Abb. 2 8 Periprothetische Femurfraktur links (Typ B1 nach der Vancouver-Klassifikation (. Abb. 1) nach Masri und Duncen) 8 Jahre nach Implantation einer zementierten Hüftendoprothese. (Aus [10], mit freundlicher Genehmigung. von Lipincott Williams & Wilkins)

Abb. 3 9 CT-basierte Diagnostik zum Ausmessen des Durchmessers der Prothesenspitze (a), sowie 2 cm (b) und 4 cm (c) proximal des kaudalen Endes der Prothese. Dies ist erforderlich, um den Innendurchmesser des geschlitzten Hohlnagels zu bestimmen. Zusätzlich muss die exakte Länge (d) sowie der Markraumdurchmesser des Schaftfragments zur Berechnung der Länge und Dicke des maßgefertigten Hohlnagels berechnet werden. Auf Grundlage dieser Daten wird der Hohlnagel hergestellt (Firma Stryker, GmbH & Co.KG, Duisburg). (Aus [10], mit freundlicher Genehmigung von Lipincott Williams & Wilkins) Operative Orthopädie und Traumatologie 2014 

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Abb. 4 9 a, b Maßgefertigter, geschlitzter Hohlnagel der Firma Stryker. Der Griff zum Einbringen des Nagels ist bereits aufgeschraubt

Abb. 5 9 Patient in Rückenlage gelagert. Das zu versorgende Bein ist im Kniegelenk um 45° flektiert gelagert. Die Arme sind ausgelagert. Dargestellt ist die Schnittführung im Bereich des Oberschenkels sowie des Kniegelenks

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Abb. 6 9Nach Durchtrennen der Haut sowie des Subkutangewebes wird die Muskulatur mit der Hochfrequenzdiathermie der Länge nach durchtrennt und die Fraktur dargestellt

Abb. 7 9 Darstellen der Fraktur

Abb. 8 9 Entfernung des Zements bzw. Knochens aus dem Mark­ raum und von der Prothesenspitze mit dem Luer sowie dem Meißel. Hierbei muss der Prothesenstiel auf einer Länge von 2–3 cm freigelegt werden. Je nach Lokalisation der Fraktur ist hierfür eine zusätzliche Osteotomie erforderlich

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Abb. 9 8 Längsverlaufende Schnittführung im Verlauf des Ligamentum patellae und Zugang zum Kniegelenk durch das Ligamentum patellae. Unter Bildwandlerkontrolle markieren des korrekten Nageleintrittspunkts. Dieser sollte exakt mittig im a.-p.-Strahlengang und am Übergang des vorderen zum mittleren Drittel im seitlichen Strahlengang liegen

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Abb. 10 8 Aufbohren des Markraums des Schaftfragments mit Bohrwellen

Abb. 11 9 Freigelegte Prothesenspitze­

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Abb. 12 8 Retrogrades Einbringen des Nagels bis vor die Prothesenspitze. Durch dosierte Schläge auf den Nagel wird dieser in Richtung auf die Prothesenspitze vorangetrieben. Auf die korrekte Rotation und Ausrichtung des Beins ist zu achten

Abb. 13 8 Unter Sicht wird der Nagel über die Prothesenspitze gestülpt. Erneute Kontrolle auf korrekte Rotation und Ausrichtung des Beins. Die stabile Verklemmung von Nagel und Prothese gelingt durch dosierte Hammerschläge auf den Führungsgriff des Nagels. Hier besteht die Gefahr der Auslockerung der Prothese. Je nach Frakturtyp und Größe der Defektzone ist eine zusätzliche Spongiosaplastik sinnvoll. Sollte sich intraoperativ eine Prothesenlockerung zeigen, muss auf die Implantation einer Langschaftprothese umgeschwenkt werden

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Abb. 14 9 Zur zusätzlichen Stabilisierung der periprothetischen Fraktur ist in Abhängigkeit des Frakturtyps noch die zusätzliche Anlage von Cerclagen erforderlich. Im eigenen Krankengut wird dies regelhaft, z. B. mit Sternumbändern (Fa. Ethicon; Länge 19 cm, Stahl), durchgeführt

Abb. 15 9 Distale Verriegelung des Nagels in Freihandtechnik. Auf die exakt runde Einstellung der Verriegelungslöcher unter Bildwandlerkontrolle ist zu achten

Abb. 16 9 Intraoperative radiologische Kontrolle auf korrekte Lage und Länge des Nagels

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Operative Techniken teosynthesematerials sowie der Prothese in Erwägung gezogen werden.

Ergebnisse

Abb. 17 9 Radiologische Verlaufskontrolle nach Ausheilen der periprothetischen Fraktur. (Aus [10], mit freundlicher Genehmigung von Lipincott Williams & Wilkins)

Postoperative Behandlung F Entfernen der Redondrainagen im Bereich des Oberschenkelschafts sowie des Kniegelenks in Abhängigkeit der Fördermenge F Röntgenkontrolle des Oberschenkels inkl. der Hüfte sowie des Kniegelenks im a.-p.- und seitlichen Strahlengang postoperativ sowie nach 2, 6, 12 und 26 Wochen bzw. auf Grundlage individueller Gegebenheiten F Je nach postoperativer klinischer und radiologischer Situation erfolgt die Mobilisierung der Patienten unter Vollbelastung oder 20-kg-Teilbelastung für 6 Wochen und anschließender schmerzadaptierter Belastungssteigerung bis zur Vollbelastung F Falls der Patient zur gezielten Teilbelastung nicht in der Lage ist, muss individuell entschieden werden, inwieweit der intraoperative Befund die

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sofortige Vollbelastung erlaubt oder eine Immobilisierung des Patienten in Erwägung gezogen werden muss. F Entfernen des Nahtmaterials am 10– 14 Tag F Entfernung des Implantats ist nicht indiziert

Fehler, Gefahren, Komplikationen F Nicht Erkennen einer bereits präoperativ vorliegenden Prothesenlockerung bzw. beim Einschlagen des Nagels Lockerung der Prothese. Aus diesem Grund sollte eine entsprechende Revisionsprothese vorgehalten werden. F Bei Infektionen im Operationsgebiet sollte eine frühzeitige Revision nach den Regeln der septischen Chirurgie erfolgen und eine Entfernung des Os-

Von 2004 bis 2011 wurden in unserem Krankengut 25 periprothetische Oberschenkelfrakturen bei 25 Patienten mittels sonderangefertigten geschlitzten Hohlnagels der Firma Stryker versorgt. Es handelte sich um 6 männliche und 19 weibliche Patienten mit einem Durchschnittsalter von 80,42 Jahren (72–90 Jahre). Im Rahmen einer retrospektiven Studie konnten 20 dieser Patienten (16 Frauen, 4 Männer) mit einem durchschnittlichen Alter von 77,2 Jahren (72–84 Jahre) im Mittel nach 19,3 Monaten (7–31 Monate) klinisch und radiologisch nachuntersucht werden. Insgesamt 5 Patienten konnten nicht erreicht werden, willigten der Nachuntersuchung nicht zu oder waren zwischenzeitlich verstorben. Betroffen waren 12-mal war das rechte und 8-mal das linke Bein. Nach der Vancouver-Klassifikation nach Masri und Duncen ([9], . Abb. 1) handelte es sich in 16 Fällen um Typ-B1- und in 4 Fällen um Typ-C-Frakturen. Die einliegende Hüft-TEP war 16-mal zementiert, 4-mal fand sich eine zementfreie Hüft-TEP. Bei 7 Patienten waren bereits eine oder mehrere TEP-Wechseloperationen vorausgegangen. In 14 Fällen handelte es sich um einen Ersteingriff im Rahmen der Frakturbehandlung, bei 6 Patienten war die Operation als Revisionsoperation bei ausbleibender knöcherner Konsolidierung einer B1-Fraktur und Plattenbruch erforderlich. Bei 8 Patienten lag ein kortikaler Defekt von mehr als 1 cm im Bereich der Fraktur vor, sodass hier eine autologe Spongiosaplastik ergänzt wurde. Postoperative Nachblutungen, Wundheilungsstörungen oder Infekte wurden nicht beobachtet. Es erfolgte die Mobilisation mit erlaubter Vollbelastung in 3 Fällen und Teilbelastung mit 20 kg über 6 Wochen mit anschließender Aufbelastung in 17 Fällen. Der stationäre Aufenthalt dauerte im Schnitt 22,5 Tage (17–40 Tage). Zwei Patienten wurden nach Hause, 2 Patienten in eine Rehabilitationseinrichtung und 16 in eine geriatrische Abteilung oder in eine Pflegeeinrichtung entlassen. In allen 20 Fällen zeigte sich die belastungsstabile Konsolidierung der Fraktur in korrek-

Tab. 1  Score nach d’Aubigné und Postel [3] zur Beurteilung des Operationsergebnisses.

Dieser berücksichtigt die Parameter Schmerz, Beweglichkeit und Gehfähigkeit und bewertet jeden dieser Parameter mit bis zu 6 Punkten Schmerz

Beweglichkeit

Gehfähigkeit

Intensiv und dauerhaft Stark, sogar nachts Stark beim Gehen mit Behinderung der Aktivität Erträglich mit Einschränkung der Aktivität Gering beim Gehen, verschwindet in Ruhe Gering und inkonstant, normale Aktivität Kein Schmerz Ankylose in schlechter Hüftstellung Keine Beweglichkeit, leichte Deformierung Flexion unter 40° Flexion zwischen 40° und 60° Flexion zwischen 60° und 80°, Patient kann seinen Fuß erreichen Flexion zwischen 80° und 90°, Abduktion mindestens 15° Flexion mehr als 90°, Abduktion ab 30° Keine Gehfähigkeit Nur mit 2 Gehstützen Nur mit 2 Gehstöcken Mit 1 Gehstock, weniger als 1 h, sehr schwierig ohne Stütze Lange Zeit mit 1 Gehstock, kurze Zeit ohne Stütze, mit Hinken Ohne Gehstock aber mit leichtem Hinken Normale Gehfähigkeit

ter Femurachse, -länge und -rotation ohne Nachweis radiologischer Zeichen einer Prothesenlockerung oder einer Nageldislokation (. Abb. 17). Eine Pseudarthrose wurde bei keinem Patienten beobachtet. Bei einer Patientin war eine Prothesenlockerung zu beklagen, welche offensichtlich im Rahmen der operativen Versorgung entstand; nach Frakturkonsolidierung wurde der Prothesenwechsel auf eine Langschaftprothese erforderlich. Der Mobilitätsgrad nach d’Aubigné und Postel ([3], . Tab. 1) betrug durchschnittlich 13,2 [6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18]. Hierbei ist jedoch aufgrund des heterogenen Patientenguts (primäre Hüft-TEP, Revisions-TEP, teilweise mehrfache Revisionen im Rahmen der Frakturversorgung) nicht zu differenzieren, inwieweit die ursprüngliche Versorgung mittels Endoprothese bzw. die stattgehabte Fraktur und deren Behandlung für den Mobilitätsgrad verantwortlich sind. Relevant für die klinische Bewertung des Operationsverfahrens war der Vergleich mit der Mobilität vor der periprothetischen Fraktur. Hier zeigten 12 der 20 Patienten eine vergleichbare Situation, 5 Patienten berichteten über eine mäßige Verschlechterung, 2-mal zeigte sich eine

0 1 2 3 4 5 6 0 1 2 3 4 5 6 0 1 2 3 4 5 6

erhebliche verbliebene Beeinträchtigung, während eine Patientin sogar über eine Verbesserung der Situation berichtete (offensichtlich hat hier eine Femurschaftfissur nach Revisionsoperation einer HüftTEP vorgelegen).

Fazit Zusammenfassend ist es mit dem vorgestellten Verfahren gelungen bei allen nachuntersuchten Patienten eine belastungsstabile Konsolidierung der Fraktur in korrekter Femurachse, -länge und -rotation ohne Nachweis radiologischer Zeichen einer Prothesenlockerung oder einer Nageldislokation zu erhalten. Bei einer Patientin war eine Prothesenlockerung zu beklagen, welche nach Frakturkonsolidierung einen Prothesenwechsel auf eine Langschaftprothese erforderlich machte. Nach Konsolidation der Fraktur erreichten 12 der 20 Patienten einen vergleichbaren Mobilitätsgrad. Über eine mäßige Verschlechterung ihrer Mobilität berichteten 5 Patienten, 2 Patienten wiesen eine erhebliche verbliebene Beeinträchtigung auf, während eine Patientin über eine Verbesserung der Situation berichtete.

Korrespondenzadresse Dr. U. Thormann Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie,   Universitätsklinikum Giessen-Marburg,   Standort Giessen Rudolf-Buchheim Str. 7, 35385 Giessen [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  U. Thormann, G. Szalay, C. ­Meyer, J. Mika und R. Schnettler geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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Operative Techniken 15. Rupprecht M, Großterlinden L, Barvencik F et al (2008) Periprothetische Femurfrakturen – Langzeitergebnisse nach plattenosteosynthetischer Stabilisierung. Unfallchirurg 111:812–820 16. Scholz R, Pretzsch M, Matzen P, Frh. Von Salis-Soglio G (2003) Zur Behandlung periprothetischer Femurfrakturen bei Hüftendoprothesen. Z Orthop Ihre Grenzgeb 141:296–302 17. Schwarz E, Scharf W (2003) Der Andocknagel – eine neue Möglichkeit zur Behandlung der periprothetischen Oberschenkelfraktur bei liegender Endoprothese der Hüfte. Aktuelle Traumatol 33:284–291 18. Wenda K (2002) In situ connection of a hollow intramedullary nail to the stem of a knee prosthesis in periprosthetic fracture. Unfallchirurg 105:19–22

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Operative Orthopädie und Traumatologie 2014

[Treatment of periprosthetic femoral fractures after total hip arthroplasty with specially constructed retrograde hollow nails].

Treatment of periprosthetic fractures by implantation of a specially constructed, retrograde hollow nail which fits over the tip of the prosthesis and...
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