Schwerpunkt: Was ist gesichert in der Therapie Internist 2014 · 55:1419–1426 DOI 10.1007/s00108-014-3554-2 Online publiziert: 16. November 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 Schwerpunktherausgeber:

H. Haller, Hannover

H. Wedemeyer Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Medizinische Hochschule Hannover

Therapie der Hepatitis C Was ist gesichert?

In Deutschland sind zwischen 300.000 und 500.000 Menschen von einer persistierenden Hepatitis-C-Virus(HCV)-Infektion betroffen. Die chronische Hepatitis C ist eine der Hauptursachen für Leberzirrhosen, hepatozelluläre Karzinome und Lebertransplantationen. Über mehr als 10 Jahre bestand die Therapie in der Gabe von pegyliertem Interferon-α (PEG-IFN-α) in Kombination mit Ribavirin (RBV). Die Entwicklung neuer hocheffektiver, direkt antiviral wirksamer Substanzen gegen HCV, der sog. „directacting antivirals“ (DAA), ermöglicht nun einen kompletten Paradigmenwechsel in der Behandlung der HCV-Infektion. Annähernd jedem Patienten kann eine kurative und annähernd nebenwirkungsfreie Behandlungsoption angeboten werden.

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Eine Ausheilung der Hepatitis C führt auch bei Leberzirrhose zu einem verbesserten Langzeitüberleben HCV-Infektionen gehen sowohl mit einer vermehrten leberassoziierten als auch mit einer höheren extrahepatischen Mortalität einher [12]. Die HCV-assoziierte Morbidität und Mortalität wird in Deutschland über die nächsten 5–10 Jahre ohne therapeutische Interventionen weiter zunehmen [18]. Aktuelle retrospektiv-prospektive Kohortenstudien konnten zeigen, dass eine therapieinduzierte Ausheilung der Hepatitis C bei Patienten mit bereits fortgeschrittener Leberfibrose oder Leberzirrhose zu einem deutlich verbesserten Langzeitüberleben führt [22]. Damit einhergehend zeigen Modellrechnungen, dass eine Steigerung der Ansprechraten auf 90% und eine Zunahme der The-

rapien um 75% in Deutschland in den nächsten 10 Jahren zu einer deutlichen Senkung von Leberzirrhosen, hepatozellulären Karzinomen und Lebertransplantationen, welche durch eine Hepatitis C verursacht sind, führen würden [23]. Die bis 2011 bestehende Standardtherapie mit PEG-IFN-α und RBV (. Abb. 1) erreichte je nach HCV-Genotyp und Stadium der Lebererkrankung Ausheilungsraten zwischen 30 und 90% [20]. Hervorzuheben ist aber, dass die Therapie mit häufigen und teils schwerwiegenden Nebenwirkungen assoziiert war und sehr viele Patienten aufgrund von Kontraindikationen überhaupt nicht behandelt werden konnten. In den letzten Jahren wurden zahlreiche DAA gegen HCV in klinischen Studien getestet. Im Jahr 2014 sind vier neue DAA von der European Medical Agency (EMA) zur Therapie der chronischen Hepatitis C zugelassen worden, die erstmals interferonfreie Therapien ermöglichen. Mit der Zulassung weiterer DAA und verschiedener Kombinationen ist in den nächsten Monaten und Jahren zu rechnen.

Direkt antiviral wirksame Medikamente gegen HCV Vorraussetzungen für die klinische Entwicklung von direkt antiviralen Medikamenten gegen HCV waren die Entschlüsselung von einzelnen Schritten des HCVReplikationszyklus und die Entwicklung von Zellkultursystemen, die ein In-vitroScreening von kleinen Molekülen mit Aktivität gegen HCV ermöglichen [11]. Das genaue Verständnis einzelner Schritte in der Vermehrung des HCV führte letztlich zur Identifizierung von zahlreichen neuen

Substanzen, die in klinischen Studien getestet wurden (. Tab. 1, . Abb. 2).

Proteaseinhibitoren Die HCV-NS3-Serinprotease spaltet das HCV-Polyprotein. Ein erster, von der Firma Boehringer Ingelheim entwickelter, NS3-Protease-Inhibitor wurde bereits 2002 an Patienten getestet [6]. Es dauerte dann allerdings bis zum Jahr 2011, bis die ersten beiden Proteaseinhibitoren gegen HCV zur Therapie der chronischen Hepatitis C zugelassen wurden. Boceprevir und Telaprevir wurden in Kombination mit PEG-IFN-α und RBV für 24–48 Wochen bei Patienten mit einer HCV-Genotyp-1-Infektion eingesetzt. Diese „Dreifachtherapie“ steigerte die Ausheilungsraten um etwa 30%, war aber mit zusätzlichen Nebenwirkungen wie verstärkter Anämie oder Hautausschlägen verbunden. Die Behandlung wurde „Responsegesteuert“ durchgeführt, d. h. die Therapiedauer richtete sich nach dem HCVRNA-Ansprechen nach 4 Wochen Therapie [19]. In Anbetracht neuer Therapiealternativen sollten Boceprevir und Telaprevir nach den aktuellen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) in Deutschland nicht mehr eingesetzt werden (www.dgvs. de; . Tab. 1).

Simeprevir

Im Mai 2014 hat die EMA mit Simeprevir nun den ersten Proteaseinhibitor der zweiten Generation zugelassen. Simeprevir hat zahlreiche Vorteile gegenüber Boceprevir und Telaprevir in Bezug auf die Dosierung (1-mal täglich) und das Nebenwirkungsprofil (keine Anämie, sehr selten Der Internist 12 · 2014 

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Schwerpunkt: Was ist gesichert in der Therapie lungsoption empfohlen, da die Notwendigkeit einer 24-wöchigen PEG-IFN-αTherapie besteht. Von praktischer Bedeutung ist, dass die EMA eine interferonfreie Kombinationstherapie von Simeprevir und Sofosbuvir für Patienten mit dringender Therapieindikation zugelassen hat, bei denen Interferon nicht gegeben werden kann (s. unten).

PEG-IFN-α + RBV PEG-IFN-α + RBV DAA P-IFN+RBV DAA

Abb. 1 9 Chronische Hepatitis C. Therapiekonzepte 2014/15. DAA „Direct-acting antivirals“; PEG-IFN-α pegyliertes Interferon-α; RBV Ribavirin

DAA/RBV DAA

NS5AInhibitoren „…asvir“

Grazoprevir

Elbasvir

Simeprevir

Daclatasvir

Asunaprevir

Daclatasvir

BMS791325

Sofosbuvir Daclatasvir

Paritaprevir-r

Ombitasvir

Dasabuvir

Sofosbuvir Ledipasvir Sofosbuvir

Proteaseinhibitoren „…previr“

Simeprevir Sofosbuvir

„Non-Nucs“

GS-5816

Polymeraseinhibitoren „…buvir“ Nukleoside/Nukleotide

Abb. 2 8 Interferonfreie Kombinationstherapien gegen Hepatitis-C-Viren. NS5A „Nonstructural protein 5A; Paritaprevir-r Ritonavir-geboostetes Paritaprevir

Hautausschläge). Die Substanz kann bei HCV-Infektionen mit den Genotypen 1 und 4 eingesetzt werden, wobei in vitro und in einer kleinen Pilotstudie auch eine Wirksamkeit gegen HCV-Genotyp 2 und 6 gezeigt wurde. Von Bedeutung ist aber, dass Simeprevir nicht gegen den HCVGenotyp 3 wirkt.

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Simeprevir zeigt keine Wirkung gegen den HCV-Genotyp 3

Die Phase-III-Zulassungsstudien sind noch in Kombination mit PEG-IFN-α und RBV durchgeführt worden. Hier zeigte sich gegenüber einer traditionellen PEG-IFN-α/RBV-Behandung eine Steigerung der Sustained-virological-respon-

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se(SVR)-Raten von 50 auf 80% [13]. Prinzipiell kann die Substanz aufgrund dieser Daten in Kombination mit PEG-IFN-α und RBV eingesetzt werden, wobei das Ansprechen zu Woche 4 bestimmt werden muss. Ist die HCV-RNA zu diesem Zeitpunkt nicht nachweisbar oder liegt sie

[Treatment of hepatitis C: what is known?].

Treatment of hepatitis C is changing dramatically. Various new direct-acting antivirals (DAA) against HCV have recently been approved or will become a...
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