Traumatische Trachealverletzung: Präsentation eines seltenen Falles Einleitung



Traumatische Verletzungen des tracheobronchialen Systems sind selten und stellen für den Patienten häufig eine lebensbedrohliche Situation dar. Sie sind so selten, dass auch in großen Zentren in Deutschland in der Regel weniger als 5 Patienten pro Jahr gesehen werden (Palade, et al., Chirurg, 2011; 82: 141–147, Carretta, et al., World J Surg, 2011; 35: 2568–2574). Die Letalität wird in der Literatur mit ca. 15–30 % angegeben (Cassada, et al., Ann Thorac Surg, 2000; 69: 1563–1567). In der Pathogenese kann zwischen Art des Traumas, der Genese und der Lokalisation unterschieden werden. Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung und der hohen Letalität sollte die Versorgung interdisziplinär in medizinischen Zentren erfolgen (Cassada, et al., Ann Thorac Surg, 2000; 69: 1563–1567).

Kasuistik



Wir präsentieren den Fall eines 37-jährigen Patienten, welcher sich in suizidaler Absicht in alkoholisiertem Zustand zu erhängen versuchte. Dabei war das Seil gerissen. Bei stabilem Patienten war dieser zunächst vom eigenen Vater in ein heimatnahes Krankenhaus gebracht worden, von dem aus eine notärztlich begleitete Verlegung in unsere Abteilung stattfand. Während des Transportes sowie bei der Ankunft war der Patient wach, ansprechbar, suffizient spontan atmend und kardiopulmonal stabil. Er beklagte Dyspnoe sowie Schluckschmerzen und eine Dysphonie. Am Hals war eine horizontale Strangulationsmarke ca. 4 Querfinger un▶ Abb. 1) soterhalb des Ringknorpels (● wie ein rechtsbetontes zervikales Hautemphysem erkennbar. 70 °-endoskopisch zeigte sich ein beidseitiger Stimmbandstillstand mit subglottischem Koagel. Zur Beurteilung des Verletzungsmusters, insbesondere bezüglich Ring-/Schildknorpel sowie der Trachea und zum Ausschluss einer HWS Läsion, wurde umgehend ein CT Hals und obere Thoraxapertur mit Kontrastmittel durchgeführt. Hierbei zeigte sich ein Abriss der Trachea

vom Ringknorpel mit einer Dehiszenz von mindestens 4 cm sowie ein ausgeprägtes Weichteilemphysem am gesamten Hals, dem oberen Thoraxbereich und im Mediastinum sowie prävertebrale Luft ▶ Abb. 2). (● Aufgrund der drohenden Atemdepression erfolgte eine sofortige Verbringung zur operativen Versorgung in den OP. Zunächst erfolgte hier eine transorale Laryngo-Tracheobronchoskopie durch die Anästhesie. Der distale Trachealstumpf konnte im Mediastinum sicher aufgefunden werden, sodass eine mühelose Intubation mit einem 6,5er Tubus gelang. In der anschließenden Ösophagoskopie konnte eine Ösophagusläsion ausgeschlossen werden. Es folgte eine horizontale Inzision zwischen Jugulum und distalem Ringknorpel sowie eine Präparation in die Tiefe, bis der liegendes Tubus zu erkennen war. Es zeigte sich ein Komplettabriss der Trachea am distalen Ringknorpel, wodurch die beidseitige Rekurrensparese erklärbar ist. Anschließend erfolgte die Freilegung der Trachea, zunächst an der Vorderseite mit darauffolgender Separation vom Ösophagus. Es wurden beidseitige Haltenähte mit Vicryl 3.0 angelegt. Nach Anteflexion des Kopfes konnte die weit ins Mediastinum dislozierte Trachea an das Ringknorpelniveau herangeführt werden. Nun erfolgte eine Anfrischung der Ränder im Bereich des Ringknorpels und der Trachea. Nach Umkanülierung auf einen UTubus erfolgte die Rekonstruktion der Tracheahinterwand mit PDS 3.0 in submuköser Nahttechnik mit vorgelegten Fäden und sukzessive Adaptation der Hinterwand an die Ringknorpelhinterwand. Die Vorderwand wurde ebenfalls mit PDS 3.0 rekonstruiert. Es konnte auf einen transoral positionierten 7,5er Endotrachealtubus gewechselt werden. Insgesamt gelang eine zirkuläre, stabile Endzu-End-Anastomose zwischen distalem Ringknorpel und proximalem Trachea▶ Abb. 3). lende (● Zuletzt wurde aufgrund der beidseitigen Rekurrensparese eine endo-extralaryngeale Glottiserweiterung nach Lichtenberger mit rechtsseitiger Stimmbandlateralisation durchgeführt.

Postoperativ erfolgte eine intensivmedizinische Überwachung mit Extubation am 3. Tag. Im Verlauf klagte der Patient nach Extubation weiterhin über Dyspnoe, weswegen bei weiterhin nur wenige Millimeter weiter Glottis 6 Tage nach dem ersten Eingriff eine posteriore Chordektomie und partielle Laserarytenoidektomie links durchgeführt wurde. Die Entscheidung zur Operation an der Gegenseite wurde getroffen, da aufgrund geringer Gewebeflexibilität bei Vernarbung im rechtsseitigen Stimmbandbereich hier nur eine ungenügende Lateralisierung mit nicht ausreichendem glottiserweiterndem Effekt zu erwarten war. Der weitere Verlauf verlief komplikationslos, die Wundheilung erfolgte per primam und eine i. v.-Antibiose mit Cefuroxim und Metronidazol wurde durchgeführt. Es wurde eine psychiatrische Mitund Weiterbehandlung eingeleitet, die Entlassung des Patienten mit Übernahme in eine psychiatrische Abteilung konnte nach insgesamt 8 Tagen erfolgen.

Abb. 1 Strangulationsmarke am Hals.

Abb. 2 CT Hals und obere Thoraxapertur mit Komplettabriss der Trachea vom Ringknorpel und einer Dehiszenz von mehr als 4 cm.

Abb. 3 OP Situs nach erfolgter Trachealnaht.

Nordmann M et al. Traumatische Trachealverletzung: Präsentation eines … Laryngo-Rhino-Otol 2014; 93: 330–331 ∙ DOI 10.1055/s-0034-1370934

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330 Der interessante Fall

V.a. Tracheobronchiale Verletzung

Notoperation/notfallmed. Behandlung Klinisch instabiler Patient (schwerste Verletzungen, Ateminsuffizienz Schock usw.)

Stabiler Patient

Röntgen Thorax/Röntgen HWS CT, ÖGD/Breischluck Tracheobronchoskopie, Angiografie

Not-/dringliche Operation schwere Verletzung (tracheobronchial,ösophageal, venös/arteriell usw.)

keine schwere Verletzung

Überwachung Wiederholung apparativer Diagn. (s.o.)

Frühelektive Operation schwere Verletzung (Fistel, Mediastinitis usw.)

Abb. 4 Möglicher Behandlungspfad nach Veit, et al. 2008.

5 Tage nach Entlassung erfolgte eine erneute Vorstellung mit phoniatrischer Mitbeurteilung aufgrund von Aspiration von Flüssigkeiten und Dysphonie. Dyspnoe bestand nicht. Es wurde Andickmittel für Flüssiges rezeptiert, 2-mal tägliches Temperaturmessen empfohlen sowie Logopädie zur Erarbeitung von Glottisreinigungstechniken und Stimmtherapie verordnet. In einer erneuten Vorstellung weitere 3 Wochen später bestand keine Aspiration mehr.

Klinik und Literaturübersicht



Trachealverletzungen sind schwerwiegende Erkrankungsmuster und sind mit einer hohen Letalität verbunden. Die meisten tracheobronchialen Verletzungen sind Folge eines stumpfen oder penetrierenden Traumas. Andere Ursachen sind iatrogene Verletzungen, Strangulationen wie in unserem Fall oder Inhalationstraumata. Bei der Versorgung eines Patienten mit vermuteter tracheobronchialer Verletzung steht die Sicherung der Atemwege an erster Stelle. Diagnostische Schritte sollten parallel zur Stabilisierung des Patienten erfolgen. Die häufigsten Symptome mit einem Anteil von 76–100 % sind Dyspnoe und respiratorische Insuffizienz. Weitere häufige Symptome sind Heiserkeit und Dyspho-

nie, ein Weichteil- oder Mediastinalemphysem, ein Pneumothorax oder Hämoptysen. Die klinische Trias aus Zyanose, Weichteil- oder Mediastinalemphysem und Dysphonie ist hochgradig verdächtig auf eine tracheobronchiale Verletzung (Palade, et al., Chirurg, 2011; 82: 141– 147). Die Symptome können unmittelbar posttraumatisch oder nach einem freien Intervall auftreten. Selbst schwerwiegende Verletzungen können primär unerkannt bleiben, wenn die Kontinuität des Atemweges durch peribronchiales oder peritracheales Gewebe erhalten ist und somit eine ausreichende Ventilation bestehen bleibt. Diese Fälle werden häufig erst bis zu 4 Wochen später durch Atemwegsstenosierungen klinisch manifest (Palade, et al., Chirurg, 2011; 82: 141–147). Daher ist eine frühzeitige umfassende Diagnostik mittels Röntgen Thorax/HWS, Computertomografie, Angiografie, Tracheobronchoskopie sowie ggf Ösophagogastroskopie oder Röntgenbreischluck von Bedeutung. Hinsichtlich der Reihenfolge und Wertigkeit dieser diagnostischen Maßnahmen und der zwingenden Notwendigkeit einer chirurgischen Exploration werden verschiedene Modelle diskutiert. Einigkeit herrscht bezüglich der Wichtigkeit der Detektion einer ösophagealen Begleitverletzung, da diese in Form von Mediastinitis oder Fistelbil-

dung schwerwiegende Folgen nach sich ziehen kann. Die optimale Therapiestrategie muss aufgrund der geringen Fallzahlen noch definiert werden. Ein chirurgisches Vorgehen ist traditioneller Weise die Vorgehensweise der Wahl, wobei insbesondere bei iatrogenen Verletzungen auch konservative Vorgehensweisen zunehmend an Bedeutung gewinnen (Carretta, et al., World J Surg, 2011; 35: 2568–2574). Typischerweise werden Verletzungen im proximalen Teil der Trachea transzervikal angegangen, tiefer gelegene Läsionen in der Regel über eine rechtsseitige Thorakotomie. Die Adaptation erfolgt nach Freilegung und Anfrischung der Ränder klassischerweise durch Einzelknopfnaht mit einem resorbierbaren monofilen Faden der Stärke 3.0 oder 4.0. Bei großen Substanzdefekten im Bereich der Pars membranacea kann als Ersatzmaterial autologes Pericard oder ein Muskellappen verwendet werden (Palade, et al., Chirurg, 2011; 82: 141–147). Eine Antibiotikaprophylaxe sollte stets frühzeitig eingeleitet werden. Ein möglicher Behandlungspfad bei Patienten mit Verdacht auf tracheobronchiale Verletzung wurde von Veit et al. vorgeschlagen (Veit, et al., Laryngorhinooto▶ Abb. 4). logie, 2008; 87: 270–273) (●

Fazit



▶ Tracheobronchiale Verletzungen sind selten, jedoch häufig lebensbedrohlich. ▶ Eine rasche Diagnostik und Therapie ist von großer Bedeutung, da auch bei relativ geringer Beschwerdesymptomatik ein ausgeprägtes Verletzungsmuster vorliegen kann. ▶ Die Therapie der Wahl ist meist chirurgisch, nur bei iatrogenen Verletzungen ist in ausgewählten Fällen eine konservative Herangehensweise möglich.

Interessenkonflikt: Kein Interessenkonflikt angegeben. M. Nordmann, R. Riepl, M. Scheithauer; Ulm

Nordmann M et al. Traumatische Trachealverletzung: Präsentation eines … Laryngo-Rhino-Otol 2014; 93: 330–331 ∙ DOI 10.1055/s-0034-1370934

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Der interessante Fall 331

[Traumatic tracheal injury: presentation of a rare case].

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