Augenheilkunde up2date
Klinische Monatsblätter für Augenheilkunde
Herausgeber: Eckart Bertelmann, Berlin Annemarie Buser, Aalen Gerd Geerling, Düsseldorf Christian Jonescu-Cuypers, Berlin Ulrich Kellner, Siegburg Christian Meltendorf, Halle (Saale) Torsten Schlote, Basel Heimo Steffen, Würzburg
Rubrik: Bindehaut, Hornhaut, Lederhaut Rubrikherausgeber: Gerd Geerling, Düsseldorf
Transforming-GrowthFactor-β‑induzierte Dystrophien der Hornhaut D. Finis, J. Stammen, G. Geerling Universitätsaugenklinik Düsseldorf
Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Klin Monatsbl Augenheilkd 2014; 231: 653–666 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0033-1357920 · VNR 2760512014144211660 · ISSN 0023-2165
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Transforming-Growth-Factor-β‑induzierte Dystrophien der Hornhaut Transforming-Growth-Factor-β‑Induced Corneal Dystrophies D. Finis, J. Stammen, G. Geerling Die Bezeichnung „transforming-growth-factor-β‑induzier-
Grundlage für diesen Artikel ist die IC³D‑Klassifikation,
te Dystrophien der Hornhaut“ (im Folgenden TGFBI‑Dys-
wobei wir aber auch auf Nachteile dieser Einteilung ein-
trophien genannt) ist sicherlich für die meisten Augen-
gehen werden. Nach Lektüre des vorliegenden Artikels
ärzte recht neu und hat sich im klinischen Sprachgebrauch
wird der Leser in der Lage sein, allgemein eine ihm bis dato
noch nicht durchgesetzt. Schließlich findet sich in den
unbekannte Dystrophie der Hornhaut korrekt nach der
meisten Lehrbüchern und auch in vielen Veröffentlichun-
IC³D‑Klassifikation einzuordnen und von anderen Erkran-
gen immer noch die „klassische“ Einteilung der Hornhaut-
kungen wie Hornhautdegenerationen oder Ektasien ab-
dystrophien, in erster Linie beruhend auf den Schichten, in
zugrenzen. Des Weiteren wird der Leser in der Lage sein,
denen die morphologischen Auffälligkeiten mit der Spalt-
speziell die TGFBI‑Dystrophien voneinander abzugrenzen
lampe oder dem Mikroskop in der Histologie zu finden
und entsprechende Therapieansätze zu beherrschen.
sind. Diese klassische Einteilung berücksichtigt allerdings in keiner Weise, welche Zellen oder gar welche Gene für diese Veränderungen ausschlaggebend sind.
Einleitung
Definition Der Begriff „Hornhautdystrophie“ wird in der Regel für
Beim Begriff TGFBI‑Dystrophien fällt schnell auf, dass
eine Gruppe von erblichen, beidseitigen, langsam fort-
hier das verursachende Gen Namensgeber war. Grund-
schreitenden Hornhauterkrankungen ohne Hinweis
lage für diese Bezeichnung im ersten Versuch einer
auf äußere Einflüsse oder andere innere Erkrankungen
international einheitlich gültigen Klassifikation der
als Ursache verwendet.
Hornhautdystrophien, der IC³D‑Klassifikation (International committee for classification of corneal dystro-
Dass jede Dystrophie vererbt wird, trifft aber streng
phies), ist die Erkenntnis, dass unterschiedliche Muta-
genommen nicht auf alle in der IC³D‑Klassifikation
tionen in ein und demselben Gen (transforming-
aufgeführten Dystrophien zu. So findet sich bei der
growth-factor-β‑Gen) für mindestens 5 verschiedene
epithelialen Basalmembrandystrophie (EBMD) nämlich
Phänotypen von Hornhautdystrophien verantwortlich
bisher kein sicherer Hinweis auf eine Vererbung [3, 13].
sind. Durch den Austausch nur einer Aminosäure im entsprechenden Genprodukt, dem Keratoepithelin, ändert sich offensichtlich der Faltungszustand des gleichen Proteins erheblich und entscheidet über klinisch
Abkürzungen DALK
tiefe vordere lamelläre Keratoplastik
EBMD
epitheliale Basalmembrandystrophie
Zum besseren Verständnis wiederholen wir zunächst
GCD1
granuläre Hornhautdystrophie Typ 1
allgemein den Dystrophiebegriff sowie die Klassifika-
GCD2
granuläre Hornhautdystrophie Typ 2
tion der Dystrophie in Anlehnung an unseren voran-
GWCD
Grayson-Wilbrandt-Hornhautdystrophie
gegangenen Beitrag zum Thema epitheliale Hornhaut-
LCD
gittrige Hornhautdystrophie
dystrophien und Degenerationen [3]. Leser, die mit
PTK
phototherapeutische Keratektomie
diesem Artikel vertraut sind, können daher diesen all-
RBCD
Reis-Bücklers-Hornhautdystrophie
gemeinen Teil überspringen und ggf. direkt mit der
TBCD
Thiel-Behnke-Hornhautdystrophie
Lektüre des folgenden speziellen Teils fortfahren, in
TGFBI‑Dystrophie
Transforming-Growth-Factor-β‑induzierte Dystrophie
unterschiedliche Ablagerungsformen.
dem alle TGFBI‑Dystrophien einzeln erörtert werden.
Klin Monatsbl Augenheilkd 2014; 231: 653 – 666 ŒDOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0033-1357920 ŒVNR 2760512014144211660
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Transforming-Growth-Factor-β‑induzierte Dystrophien der Hornhaut
Definition
Klassifikation
Hornhautdystrophie
Klassischerweise werden die Hornhautdystrophien
Dystrophien sind erbliche, beidseitige, langsam fort-
aufgrund der klinisch sichtbaren Veränderungen nach
schreitende Hornhauterkrankungen mit charakteristi-
den betroffenen Schichten eingeteilt in:
schem Trübungsmuster ohne Hinweis auf äußere Ein-
n
epitheliale Dystrophien,
flüsse oder andere innere Erkrankungen. Abzugrenzen
n
Dystrophien der Bowman-Lamelle,
sind Degenerationen und Ektasien.
n
stromale Dystrophien,
n
endotheliale Dystrophien [3, 14].
In der Vergangenheit tauchten allerdings häufig VerVon den erblich bzw. genetisch bedingten Dystrophien
wechslungen von Hornhautdystrophien auf. So wurden
abzugrenzen sind Degenerationen als sekundäre, durch
teilweise für ein und dieselbe Form einer Dystrophie
andere Faktoren bedingte Erkrankungsgruppe. So
unterschiedliche Bezeichnungen verwendet. Auch
spricht man bei einer bullösen Keratopathie durch
wurden bereits bekannte Dystrophien als Neuent-
Endothelverlust zum Beispiel in Folge einer Katarakt-
deckungen beschrieben und im Zuge dessen natürlich
operation oder eines erhöhten Augendrucks von einer
mit einem neuen Namen bezeichnet. Ein prominentes
Endotheldegeneration und nicht von einer Dystrophie.
Beispiel hierfür ist die häufige Verwechslung von ThielBehnke- und Reis-Bücklers-Dystrophie im angloame-
Für eine Hornhautdystrophie werden außerdem cha-
rikanischen Raum. Natürlich ähneln sich die beiden
rakteristische Trübungsmuster gefordert. Dies grenzt
Dystrophien der vorderen Grenzmembran in Sympto-
sie gegenüber den Ektasien wie dem Keratokonus ab.
matik, Genetik und auch klinischer Erscheinung sehr,
Nach IC3D dürfen die Veränderungen zudem nur die
jedoch wurde die Thiel-Behnke-Dystrophie im anglo-
Hornhaut betreffen. Andere erbliche Erkrankungen, die
amerikanischen Sprachraum lange Zeit nicht als eigene
mit Hornhauttrübungen einhergehen, wie die Zystino-
Entität zur Kenntnis genommen und daher häufig
se und auch bestimmte Mukopolysaccharidosen, sind
fälschlicherweise als Reis-Bücklers-Hornhautdystro-
also aufgrund der systemischen Manifestationen nicht
phie beschrieben [2, 3].
als Dystrophie einzustufen [3, 11]. Auch die heute verfügbaren genetischen Analysen zeiDie Abgrenzung der Dystrophie ist aber insbesondere
gen die Mängel der herkömmlichen phänotypischen
gegenüber der Degeneration nicht immer eindeutig.
Klassifikation der Hornhautdystrophien auf. So konnte
Bei der bandförmigen Hornhautdegeneration sind zum
gezeigt werden, dass Anomalien in verschiedenen Ge-
Beispiel als Ursache häufig eine Uveitis oder eine vo-
nen einen einzigen Phänotyp verursachen können und
rausgegangene Operation (Silikonöleingabe) zu finden.
andersherum verschiedene Defekte in einem einzigen
In diesen Fällen handelt es sich also eindeutig um eine
Gen unterschiedliche Phänotypen bedingen können. So
Degeneration. Es treten aber auch bilaterale, als „idio-
kann zum Beispiel eine Meesmann-Dystrophie sowohl
pathisch“ bezeichnete Fälle ohne eine identifizierbare
durch Veränderungen im KRT3- als auch im KRT12-
Ursache auf, in denen dann von einer Dystrophie aus-
Gen ausgelöst werden (genetische Heterogenität). Auf
zugehen wäre. Erbgänge und Genetik sind für diese
der anderen Seite sind gerade die Mutationen im
Fälle allerdings bislang noch nicht entschlüsselt. Ein
TGFBI‑Gen für zahlreiche verschiedene Hornhautdys-
weiteres Beispiel ist die Salzmann-„Degeneration“
trophien wie Reis-Bücklers-, Thiel-Behnke-, granuläre
der Hornhaut. Hier wird in der Literatur von einer
Dystrophie Typ 1 und 2 sowie für die gittrige Dystro-
Degeneration gesprochen, da der Erkrankung dem
phie verantwortlich (phänotypische Heterogenität).
Erstbeschreiber nach vermutlich Entzündungen vo-
Zusätzlich konnte man bei einigen Hornhautdystro-
rausgegangen seien. Dies scheint aber in der überwie-
phien bislang gar keinen genetischen Hintergrund
genden Anzahl der Fälle nicht zuzutreffen. So finden
nachweisen [3].
sich bilaterale symmetrische Salzmann-Knoten häufig ohne irgendeine Ursache, insbesondere ohne voraus-
Insgesamt wird klar, dass die früher übliche phäno-
gegangene Entzündung. Von einigen Autoren wird
typische Klassifikation der Hornhautdystrophien zum
daher gefordert, diese als Salzmann-Dystrophie oder
einen aufgrund der fehlenden internationalen Stan-
periphere, subepitheliale hypertrophe Hornhautdys-
dardisierung und zum anderen aufgrund der neueren
trophie einzustufen und der Histologie entsprechend
genetischen Erkenntnisse nicht mehr dem wissen-
den epithelialen Dystrophien einzugliedern [3, 11, 12].
schaftlichen Kenntnisstand entspricht [3, 14].
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Mit dem Ziel, ein neues System zur Klassifizierung der
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Tabelle 1
Hornhautdystrophien zu entwickeln, das gleichzeitig aktuelle Daten phänotypischer Beschreibung, pathologischer Untersuchung und Genanalyse mit einbezieht, wurde daher von der Cornea Society ein internationa-
IC3D‑Klassifikation. epitheliale und subepitheliale Dystrophien
TGFBI‑Dystrophien (Dystrophien der Bowman-Lamelle)
1. epitheliale Basalmembrandystrophie (EBMD) – überwiegend degenerativ, einige C1 2. epitheliale rezidivierende Erosionsdystrophie (ERED) C3 (Smolandiensis-Variante) 3. subepitheliale muzinöse Hornhautdystrophie (SMCD) C4 4. Meesmann-Hornhautdystrophie (MECD) C1 5. Lisch-epitheliale Hornhautdystrophie (LECD) C2 6. gelatinöse tropfenförmige Hornhautdystrophie (GDLD) C1
1. Reis-Bücklers-Hornhautdystrophie (RBCD) – granuläre Hornhautdystrophie Typ 3 C1 2. Thiel-Behnke-Hornhautdystrophie (TBCD) C1 3. Grayson-Wilbrandt-Hornhautdystrophie (GWCD) C4
stromale Dystrophien
TGFBI‑Dystrophien
1. makuläre Hornhautdystrophie (MCD) C1 2. Schnyder-Hornhautdystrophie (SCD) C1 3. kongenitale stromale Hornhautdystrophie (CSCD) C1 4. Fleckchen-Hornhautdystrophie (FCD) C1 5. posteriore amorphe Hornhautdystrophie (PACD) C3 6. zentral-wolkenförmige Dystrophie (François) (CCDF) C4 7. Prä-Descemet-Hornhautdystrophie (PDCD) C4
1. gittrige Hornhautdystrophien C1
IC³D‑Klassifikation vorstellte. Die IC³D‑Klassifikation basiert zunächst auf der klassischen Einteilung der Hornhautdystrophien nach den betroffenen Schichten. So wird zwischen epithelialen/ subepithelialen, stromalen und endothelialen Dystrophien bzw. Descemet-Membran-Dystrophien unterschieden. Zusätzlich besteht eine Kategorie von TGFBI‑Dystrophien, welche die Dystrophien mit Mutationen in diesem Gen aufzählt. Einen Überblick gibt Tab. 1 [3, 13]. Da die Existenz einiger Hornhautdystrophien teilweise nur auf einer einzigen Publikation beruht, während auf der anderen Seite viele Dystrophien durch zahlreiche Literaturstellen gut belegt sind, enthält die IC³D‑Klassifikation zusätzlich eine Einteilung in 4 Kategorien, die den jeweiligen Evidenzgrad für die Existenz der Dystrophie anzeigen (Tab. 2). Die Autoren weisen dabei darauf hin, dass insbesondere bei der Kategorie 4 eventuell eine neue Einteilung vorgenommen werden muss, sobald neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen [3, 14]. Bei den TGFBI‑Dystrophien handelt es sich mit Ausnahme der Grayson-Wilbrandt-Hornhautdystrophie ausschließlich um Dystrophien der Kategorie 1, also um gut belegte Erkrankungen aufgrund zahlreicher Publikationen. Einige Autoren betrachten die neue IC³D‑Klassifikation durchaus kritisch, da sie gerade bei den in diesem Artikel beschriebenen TGFBI‑Dystrophien zwar den genetischen Hintergrund der Dystrophien berücksichtigt, aber dennoch an der klassischen Einteilung nach den betroffenen Schichten festhält. Schließlich könnte man die TGFBI‑Dystrophien auch allesamt als epitheliale Dystrophien bezeichnen, da die Trübungen jeder
– gittrige Hornhautdystrophie, TGFBI‑Typ (LCD): klassische gittrige Hornhautdystrophie, Typ 1 (LCD1) C1, Varianten (III, IIIA, I/IIIA, IV) C1 – gittrige Hornhautdystrophie, Gelsolin Typ (LCD2) C1* 2. granuläre Hornhautdystrophie C1 – granuläre Hornhautdystrophie, Typ 1 (klassisch) (GCD1) C1 – granuläre Hornhautdystrophie, Typ 2 (granulär-gittrig) (GCD2) C1
Descemet-Membranund Endotheldystrophien 1. Fuchs-endotheliale Hornhautdystrophie (FECD) C1, C2 oder C3 2. hintere polymorphe Hornhautdystrophie (PPCD) C1 oder C2 3. kongenitale hereditäre Endotheldystrophie 1 (CHED1) C2 4. kongenitale hereditäre Endotheldystrophie 2 (CHED 2) C1 5. X‑gebundene Endothel-Hornhautdystrophie (XECD) C2 * Es handelt sich hierbei nicht um eine echte Hornhautdystrophie, sie wird hier aber aufgeführt, um eine differenzierte Diagnose zu ermöglichen.
Schicht der Hornhaut hierbei ihren Ursprung vermutlich in den Epithelzellen haben [7, 11, 12]. Auf der anderen Seite erscheint die Einteilung der Dystrophien
nungen in Zukunft vermeiden kann. Wir plädieren
nach der betroffenen Schicht auch weiterhin für den
daher für die Verwendung der IC³D‑Klassifikation, ins-
behandelnden Augenarzt am praxistauglichsten. Zu-
besondere in wissenschaftlichen Veröffentlichungen.
dem ist die Vereinheitlichung der Nomenklatur und Klassifikation der Hornhautdystrophien für sich be-
Die IC 3D‑Klassifikation ist der erste Versuch einer
trachtet ein großer Erfolg, da man so die oben erwähn-
weltweit einheitlichen Klassifikation der Hornhaut-
ten Verwechslungen aufgrund verschiedener Bezeich-
dystrophien.
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les Komitee gegründet, das schließlich im Jahr 2008 die
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festzustellen, ob ein charakteristisches Trübungsmus-
Tabelle 2
ter vorliegt. Hier kann man zum Beispiel ein ringKategorien der IC3D‑Klassifikation.
förmiges, wirbelförmiges oder bandförmiges Muster erkennen.
Kategorie
Beschreibung
1
klinisch und histologisch klar definierte Dystrophie mit Identifikation des Gens und der Mutationen
2
klinisch und histologisch klar definierte Dystrophie mit bekannter Chromosomenlokalisation und unbekannter Genidentifikation
Anschließend sollte der Spalt sehr dünn eingestellt werden (Messerschnittspalt), sodass die betroffenen Schichten der Hornhaut erkennbar werden und man eine Aussage treffen kann, in welchen Schichten sich die Hornhauttrübungen befinden.
3
klinisch und histologisch klar definierte Dystrophie ohne genetische Analyse
4
Verdacht auf eine neue oder bereits dokumentierte Dystrophie, wobei die Eigenständigkeit noch nicht bewiesen ist
Zum Abschluss untersucht man im regredienten Licht bei weiter Pupille, aus welchen Bestandteilen sich das Trübungsmuster zusammensetzt, sodass man beurteilen kann, ob es sich beispielsweise um kleine Bläschen oder homogene Trübungen handelt. Man muss sich anfangs dazu zwingen, aber eine stren-
Diagnostik
ge Untersuchung nach diesem Schema ermöglicht später auch anderen Ärzten einwandfrei die Zuordnung zu
Diagnostisches Vorgehen Zielgerichtete Diagnostik
einem bestimmten Dystrophietyp [3, 5]. Jede Hornhautdystrophie wird 1. mit direktem Licht im breiten Spalt,
Hornhautdystrophie
2. mit dünnem Messerschnittspalt,
n
Anamnese
3. im regredienten Licht
n
Spaltlampe
betrachtet.
n
Messerschnittspalt
n
regredientes Licht
Allgemeine Symptome Die Symptome der TGFBI‑Dystrophien können sehr Bei jeder Form der Hornhautdystrophie sollte mit der
unterschiedlich sein. Natürlich trifft eine Visusmin-
Anamnese begonnen werden. Hierbei ist neben der
derung als Symptom potenziell bei allen Hornhautdys-
Symptomabfrage natürlich vor allem die Genetik von
trophien zu. Es sei jedoch angemerkt, dass auch bei den
besonderer Bedeutung. Anzustreben ist idealerweise
TGFBI‑Dystrophien manchmal trotz deutlicher mor-
eine Untersuchung der kompletten Familie. So können
phologisch fassbarer Trübungen nicht die Minderung
evtl. weitere Merkmalsträger identifiziert werden und
der Sehschärfe das vordergründige Symptom ist. Da das
die Diagnose untermauert werden. Insbesondere we-
TGFB‑Gen neben den Keratozyten vor allem auch im
nig ausgeprägte Befunde in einem frühen Krankheits-
Epithel der Hornhaut exprimiert wird, finden sich auch
stadium sind häufig für sich betrachtet nur schwer
häufig Schäden des Hornhautepithels und damit ver-
einzuordnen, während bei entsprechender Familien-
bundene Schmerzen, Epiphora, Photophobie usw. Hier
anamnese die Diagnose leicht fällt. Im Idealfall wird ein
kann es daher auch zu Verwechslungen mit viralen
Stammbaum der betroffenen Familie angefertigt und
oder bakteriellen Keratitiden kommen.
eine genetische Untersuchung eingeleitet, sodass Rückschlüsse auf das Vererbungsmuster getroffen
Differenzialdiagnostisch wichtig ist daher, insbe-
werden können [3, 5].
sondere bei fortbestehenden Hornhautveränderungen, stets das Partnerauge auf Pathologien zu
Im Anschluss sollte jeder Patient mit der Spaltlampe
untersuchen. Schließlich sind beidseitige Horn-
untersucht werden. Zur genauen Klassifikation emp-
hauttrübungen immer verdächtig auf das Vorliegen
fiehlt sich zunächst die Betrachtung mit voller Be-
einer systemischen Erkrankung oder einer Dystro-
leuchtung und breitem Spalt im direkten Licht, um die
phie.
Gesamtheit der Hornhauttrübung zu erfassen und
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Generell sind die Symptome bei homozygoten Merkmalsträgern meist stärker ausgeprägt als bei hetero-
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Die einzelnen Dystrophien
zygoten [3, 5, 6]. Weiterhin sollten differenzialdiagnostisch andere Hornhautdystrophien abgegrenzt werden.
Reis-Bücklers-Hornhautdystrophie (RBCD)
Hierbei wären in erster Linie die epithelialen Dystrophien zu nennen, die aufgrund ihrer Symptomatik
Als alternative Bezeichnungen für diese Dystrophie
durch Epithelschäden mit den TGFBI‑Dystrophien ver-
finden sich auch die Begriffe „atypische bröcklige Dys-
wechselt werden können [3].
trophie“, „superfizielle bröcklige Dystrophie“ und „Dystrophie der Bowman-Lamelle Typ 1“.
Neben einer Visusminderung finden sich bei den TGFBI‑Dystrophien häufig Epithelschäden! n
Wie alle TGFBI‑Dystrophien wird sie autosomal-dominant vererbt und der Genlocus befindet sich auf dem langen Arm von Chromosom 5 (5q31). Es findet sich
Prinzipien
eine vollständige Penetranz und äquivalente Geschlechterverteilung.
Wenn man therapeutisch an die TGFBI‑Dystrophien herantritt, sollte man sich erneut ins Gedächtnis rufen, dass das TGFB‑Gen neben den Keratozyten vor allem
n
Symptomatik
auch im Epithel der Hornhaut exprimiert wird, d. h. von Zellen ektodermaler Herkunft. Diese Zellen teilen sich
Die Erkrankung manifestiert sich bereits in der Kind-
schnell und haben im ausgereiften Stadium nur eine
heit (1. Lebensdekade). Typischerweise findet sich eine
kurze Lebensdauer, während auf der anderen Seite die
Visusreduktion in Kombination mit wiederkehrenden,
Endothelzellen und Keratozyten Abkömmlinge der
schmerzhaften Erosiones. Die Erkrankung schreitet
Neuralleiste sind, die nur selten Mitosen aufweisen und
langsam voran, mit der Zeit werden die Epithelauf-
eine lange Lebensdauer haben. Wenn man also bei-
brüche seltener [2, 5, 13, 14].
spielsweise eine perforierende Keratoplastik bei einem Patienten mit TGFBI‑Dystrophie durchführt, muss man sich bewusst sein, dass auf Dauer immer mit einem
n
Diagnostik
Rezidiv der Grunderkrankung im Transplantat zu rechnen ist. Schließlich finden sich die Stammzellen des
Spaltlampenmikroskopisch zeigen sich typischerweise
Epithels, die alle das „kranke“, die Dystrophie ver-
konfluierende, irreguläre, geografische Trübungen
ursachende Gen tragen, am Limbus und sind von einer
variabler Dichte auf Höhe der Bowman-Lamelle bzw.
Transplantation unberührt.
auch sekundär im anterioren Stroma. Das komplette Trübungsmuster erinnert an eine Mondkraterland-
Im Umkehrschluss hilft die Tatsache, ob ein Rezidiv
schaft. Im Anfangsstadium sind die Befunde jedoch
eintritt oder nicht, sogar diagnostisch. So kann man bei
meistens weniger charakteristisch ausgeprägt
einem Rezidiv von einer Dystrophie ausgehen, die
[2, 5, 13, 14] (Abb. 1, Abb. 2).
ihren Ursprung in den epithelialen Zellen hat. Wenn umgekehrt kein Rezidiv auftritt, dann handelt es sich
In der Histologie finden sich bei der Reis-Bücklers-
vermutlich um eine Dystrophie, die von den Kerato-
Dystrophie lamellär geschichtete, subepitheliale,
zyten oder Endothelzellen ausgeht. Eben das Auftreten
amorphe Ablagerungen, welche die Bowman-Mem-
von Rezidiven nach Transplantation bei z. B. bröckliger
bran ersetzen. Mit der Masson-Trichrom-Färbung las-
Dystrophie wird von einigen Autoren als Beleg dafür
sen sich diese Ablagerungen leuchtend rot darstellen
gewertet, dass die morphologischen Veränderungen
[2, 5, 13, 14].
epithelialen Ursprungs sind und nicht bzw. nicht nur von stromalen Keratozyten stammen [3, 9 – 12].
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Therapie
Vererbung
Transforming-Growth-Factor-β‑induzierte Dystrophien der Hornhaut
Bei allen Verfahren ist im weiteren Verlauf jedoch mit Rezidivtrübungen zu rechnen, da das zugrunde liegende Gen auch in den epithelialen Zellen exprimiert wird und von keinem der beschriebenen Verfahren berührt wird [2]. Alle TGFBI‑Dystrophien werden autosomal-dominant vererbt!
Thiel-Behnke-Hornhautdystrophie (TBCD) Als alternative Bezeichnungen für diese Dystrophie finden sich auch die Begriffe „Waardenburg-JonkersDystrophie“, „Honigwabendystrophie“ und „Dystrophie der Bowman-Lamelle Typ 2“. Abb. 1 Typische mondkraterartige Trübungen bei der Reis-Bücklers-Hornhautdystrophie in der direkten Beleuchtung. n
Vererbung
Auch hier ist der Erbgang autosomal-dominant mit vollständiger Penetranz und äquivalenter Geschlechterverteilung; der Genlocus befindet sich auf dem langen Arm von Chromosom 5 (5q31).
n
Symptomatik
Insgesamt finden sich bei der Erkrankung viele Parallelen zur Reis-Bücklers-Dystrophie, wobei aber die Thiel-Behnke-Dystrophie typischerweise weniger Beschwerden verursacht und vom Verlauf her eher als mild im Vergleich zur Reis-Bücklers-Dystrophie anzusehen ist. Abb. 2 Lokalisation der Veränderungen bei der Reis-Bücklers-Hornhautdystrophie auf Höhe der Bowman-Lamelle und im anterioren Stroma im dünnen Spalt.
Auch von den Symptomen her findet sich eine Visusreduktion in Kombination mit wiederkehrenden, schmerzhaften Erosiones mit Beginn in der Kindheit, allerdings eher später als bei der Reis-Bücklers-Dystro-
n
Therapie
phie [2, 5, 13, 14].
Therapeutisch kommt, je nach Ausdehnung im Stroma, eine superfizielle Keratektomie infrage. Hiernach
n
Diagnostik
resultiert jedoch häufig und insbesondere bei großflächigen Abtragungen ein irregulärer Astigmatismus.
Spaltlampenmikroskopisch finden sich bei der Thiel-
Dieser kann bei der Entfernung mittels photothera-
Behnke-Dystrophie die charakteristischen honigwa-
peutischer Keratektomie geringer ausgeprägt sein.
benartigen Trübungen (Abb. 3). Bei der Betrachtung im
Zusätzlich kommt die Verwendung von Mitomycin C
dünnen Spalt können diese auch auf Höhe der
infrage, um die Rezidivneigung einzuschränken. Bei
Bowman-Lamelle bzw. im anterioren Stroma lokalisiert
ausgedehnteren Befunden empfiehlt sich eine tiefe
werden [2, 5, 13, 14].
vordere lamelläre Keratoplastik (DALK). Die perforierende Keratoplastik sollte sehr ausgeprägten Befunden vorbehalten bleiben [2].
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In der Histologie findet sich bei der Thiel-BehnkeDystrophie eine irreguläre Verdickung des Epithels mit stellenweisem Fehlen der Basalmembran. Die Bowman-Membran ist durch eine fibrozelluläre Masse mit pathognomonischer sägezahnartiger gewellter Konfiguration ersetzt. Die Unterscheidung zur RBCD kann histologisch schwierig sein. Eine definitive Unterscheidung ist jedoch elektronenmikroskopisch möglich. Hier finden sich bei der RBCD subepitheliale, stäbchenförmige Ablagerungen und bei der TBCD geringelte Kollagenfasern mit einem Durch-
n
Therapie Abb. 3 Typische honigwabenartige Veränderungen bei der Thiel-Behnke-Hornhautdystrophie in der direkten Beleuchtung.
Die Therapie der beiden Dystrophien der vorderen Grenzmembran ist identisch. So kommen auch bei der Thiel-Behnke-Dystrophie eine superfizielle Keratekto-
Gittrige Hornhautdystrophie (LCD)
mie, eine phototherapeutische Keratektomie, eine tiefe vordere lamelläre Keratoplastik (DALK) und auch eine
Im englischen Sprachraum wird diese Dystrophie als
perforierende Keratoplastik infrage. Wie bereits erläu-
„Lattice corneal Dystrophy“ bezeichnet. Alternative
tert ist aufgrund des genetischen Ursprungs der Er-
Bezeichnungen sind „klassische gittrige Dystrophie“
krankung mit Genexpression im kornealen Epithel aber
oder auch „Biber-Haab-Dimmer“.
bei allen Verfahren mit Rezidivtrübungen zu rechnen [2]. n
Vererbung
Bei den Dystrophien der vorderen Grenzmembran kommt therapeutisch idealerweise eine Abtragung
Die Vererbung der Erkrankung erfolgt analog zu den
der Veränderungen mit dem Excimer-Laser zum
anderen TGFBI‑Dystrophien autosomal-dominant
Einsatz.
[5, 13, 14].
Grayson-Wilbrandt-Hornhautdystrophie (GWCD)
n
Symptomatik
In der 1. Lebensdekade beginnt die Erkrankung mit Bei dieser Erkrankung handelt es sich um eine Horn-
rezidivierenden Erosiones. Die Einschränkung der
hautdystrophie der Kategorie 4. Bislang wurde die
Sehschärfe nimmt nur langsam zu, erfordert aber meist
Erkrankung nur bei einer Familie in einer Publikation
in etwa im 4. Lebensjahrzehnt eine Keratoplastik
beschrieben. Es wird diskutiert, ob es sich hierbei
[5, 13, 14].
tatsächlich um eine seltene Dystrophie der BowmanLamelle oder vielleicht um eine Variante der epithelia-
Diagnostik
len Basalmembrandystrophie handelt.
n
Bei der Erkrankung finden sich spaltlampenmikrosko-
Spaltlampenmikroskopisch finden sich Gitterlinien, die
pisch variable Trübungsmuster von diffuser Marmorie-
ihren Ursprung im Zentrum der Hornhaut nehmen und
rung bis hin zu grau-weißen Trübungen auf Höhe der
eher oberflächlich gelegen sind (Abb. 4, Abb. 5). Von
Bowman-Lamelle. Es finden sich eine leicht einge-
dort breiten sich die Veränderungen bis in die Periphe-
schränkte bis normale Sehschärfe und rezidivierende
rie und mehr in die Tiefe aus, wobei aber ca. 1 mm der
Erosiones, allerdings deutlich weniger als bei den bei-
peripheren Hornhaut klar bleibt. Die Erkrankung läuft
den anderen Dystrophien der vorderen Grenzmem-
nicht zwingend bilateral symmetrisch ab; es wurden
bran [13, 14].
sogar einseitige Verläufe beschrieben [5, 13, 14].
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messer von 9 – 15 nm [2, 5, 13, 14].
Transforming-Growth-Factor-β‑induzierte Dystrophien der Hornhaut
scherweise perforierend durchgeführt, jedoch wird hier in Zukunft vermutlich die tiefe vordere lamelläre Keratoplastik (DALK) zunehmend durchgeführt werden. Auch wenn bisher keine Überlegenheit dieses Verfahrens hinsichtlich der erreichten Sehschärfe gezeigt werden konnte, scheinen längerfristig die Vorteile einer fehlenden Gefahr der endothelialen Abstoßungsreaktion zu überwiegen [4]. Therapeutisch zu überlegen ist auch die Verwendung eines limbustragenden Transplantats. Da hierdurch auch gesunde Limbusstammzellen übertragen werden, kann die Rezidivrate im Transplantat so evtl. verringert werden [9, 10]. An dieser Stelle sollte der Vollständigkeit halber auch Abb. 4 Typische Gitterlinien bei der gittrigen Hornhautdystrophie in direkter und indirekter Beleuchtung.
noch die gittrige Dystrophie Typ 2 (LCD2) erwähnt werden, wobei diese Erkrankung jedoch auch nach IC³D keine Dystrophie, sondern vielmehr die korneale Manifestation einer systemischen Erkrankung, nämlich des sog. Meretoja-Syndroms (familiäre Amyloidose) ist. Die Gitterlinien in der Hornhaut sind dabei mehr peripher gelegen als bei der LCD und das Zentrum der Hornhaut bleibt relativ frei. Die Ablagerungen sind histologisch Amyloid wie bei der gittrigen Dystrophie [13].
Granuläre Hornhautdystrophie Typ 1 (GCD1) Während für diese Dystrophie die Bezeichnung „Groenouw-Typ-I‑Hornhautdystrophie“ eher selten verwendet wird, ist im deutschen Sprachgebrauch die Bezeichnung „bröcklige Dystrophie“ weit verbreitet Abb. 5 Gittrige Hornhautdystrophie im regredienten Licht.
und wird sicherlich noch über viele Jahre parallel zur IC³D‑Bezeichnung verwendet werden.
Lichtmikroskopisch findet sich eine Atrophie des Epithels mit einer Zerstörung der Basalzellen. Die
n
Vererbung
Bowman-Lamelle ist verdünnt und kann stellenweise vollständig fehlen. Im Stroma finden sich Ablagerungen
Die Vererbung der Erkrankung erfolgt analog zu den
von Amyloid, welches mit Kongorot angefärbt werden
anderen TGFBI‑Dystrophien autosomal-dominant
kann [5, 13, 14].
[5, 13, 14].
n
Therapie
n
Symptomatik
Zwar kann prinzipiell auch bei der gittrigen Dystrophie
Die frühen Symptome der Erkrankung sind Blendung
ein Therapieversuch analog zu den Dystrophien der
und Photophobie. Im Verlauf der Erkrankung kommt es
vorderen Grenzmembran mit Abrasio oder photothe-
aber zunehmend zu einer Einschränkung der Seh-
rapeutischer Keratektomie versucht werden, aber wie
schärfe. Rezidivierende Erosiones sind wie bei den an-
bereits geschildert wird meist in der 4. Lebensdekade
deren TGFBI‑Dystrophien ebenfalls zu finden [5, 13, 14].
eine Keratoplastik erforderlich. Diese wurde klassi-
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Augenheilkunde up2date
n
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Diagnostik
Frühe Veränderungen bei dieser Erkrankung konnten bereits bei Kindern im 2. Lebensjahr gefunden werden. Initial finden sich spaltlampenmikroskopisch meistens wirbelförmige Ablagerungen. Später treten die typischen, namensgebenden Granula auf, die bereits bei direkter Beleuchtung auffallen. Das Bild erinnert dabei an eine Art Schneegestöber; die Veränderungen reichen nicht bis an den Limbus heran (Abb. 6, Abb. 7). Die Trübungen sind initial eher auf Höhe der Bowman-Lamelle und im anterioren Stroma lokalisiert, können mit teilt sein. Vom Spaltlampenbild her kann die bröcklige Dystrophie mit der makulären Hornhautdystrophie verwechselt werden. Diese zeigt im Gegensatz zur
Abb. 6 Typisches „Schneegestöber“ bei der granulären Dystrophie Typ 1.
bröckligen Dystrophie aber typischerweise Trübungen der gesamten Hornhaut, d. h. bis an den Limbus heran und vor allem ohne klare Zonen zwischen den Trübungen. Außerdem sind bei der makulären Dystrophie auch Trübungen des Endothels wie z. B. Guttae beschrieben, was therapeutisch bedacht werden muss [5, 13, 14]. Lichtmikroskopisch finden sich multiple Ablagerungen vorwiegend im Stroma, die vom Epithel bis zur Descemet-Membran reichen können. Diese hyalinen Trübungen sind mit Masson-Trichom anfärbbar [5, 13, 14].
n
Therapie
Therapeutisch kommen bei der granulären Dystrophie
Abb. 7 Frühe Veränderungen bei der granulären Dystrophie Typ 1, die einer Vortex-Keratopathie ähnlich sind.
grundsätzlich die gleichen Verfahren wie bei der gittrigen Dystrophie zum Einsatz [9, 10].
n
Symptomatik
Zwar können bei der granulären Hornhautdystrophie
Granuläre Dystrophie Typ 2 (GCD2)
Typ 2 bereits im 3. Lebensjahr korneale Veränderungen gefunden werden, aber generell wird die Erkrankung
Diese Dystrophie wird von vielen auch als „granulär-
erst in der 2. Lebensdekade symptomatisch. Im Verlauf
gittrige Dystrophie“ bezeichnet; am populärsten ist
der Erkrankung kommt es aber zunehmend zu einer
aber wohl der Name „Avellino-Dystrophie“. Dies ist auf
Einschränkung der Sehschärfe. Ähnlich der granulären
die vermeintliche Herkunft des Stammbaums aus der
Dystrophie Typ 1 finden sich rezidivierende Erosiones
Provinz Avellino in Süditalien zurückzuführen.
sowie eine Einschränkung der Sehschärfe, jedoch sind der Verlauf der GCD2 und die Symptome eher als mild anzusehen verglichen mit der GCD1 [5, 13, 14].
n
Vererbung Im Gegensatz zur GCD1 finden sich bei der GCD2 im
Die Vererbung der Erkrankung erfolgt wie bei allen
Frühstadium eher kleine punktförmige Ablagerungen.
TGFBI‑Dystrophien autosomal-dominant [5, 13, 14].
Später treten die typischen Ringe und Sterne im mittleren Stroma auf (Abb. 8). Insgesamt finden sich bei der GCD2 weniger Trübungen als bei der GCD1 [5, 13, 14].
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der Zeit aber in der gesamten Tiefe der Hornhaut ver-
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Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass er in keinem Interessenkonflikt steht.
Quellenangaben Das S, Langenbucher A, Seitz B. Excimer laser phototherapeutic keratectomy for granular and lattice corneal dystrophy: a comparative study. J Refract Surg 2005; 21: 727 – 731 Finis D, Stammen J, Huber KK. Dystrophien der vorderen Grenzmembran. Klin Monatsbl Augenheilkd 2012; 229: 257 – 258 Finis D, Stammen J, Geerling G. Epitheliale Dystrophien und Degenerationen der Hornhaut. Klin Monatsbl Augenheilkd 2013; 230: 279 – 291; Quiz 292 – 293 Kawashima M, Kawakita T, Den S et al. Comparison of deep lamellar keratoplasty and penetrating keratoplasty for lattice and macular Abb. 8 Die typische Kombination von „Sternen und Ringen“ bei der granulären Dystrophie Typ 2. n
corneal dystrophies. Am J Ophthalmol 2006; 142: 304 – 309 Lisch W, Seitz B. Neue internationale Klassifikation der Hornhautdystrophien und klinische „Schlüsselbefunde“. Klin Monatsbl Augen-
Diagnostik
heilkd 2008; 225: 616 – 622 Lisch W, Seitz B. Maskerade-Keratitis bei erblichen Hornhauterkran-
Lichtmikroskopisch finden sich bei der GCD2 sowohl
kungen. Klin Monatsbl Augenheilkd 2011; 228: 504 – 508
typische Ablagerungen als auch amyloide Ablagerun-
Lisch W. „Der Salzmann“. Ophthalmologe 2012; 109: 1030 – 1032
gen wie bei der gittrigen Dystrophie. Die einzelnen
Moon JW, Kim SW, Kim T et al. Homozygous granular corneal dystro-
Trübungen der GCD2 färben sich aber sowohl mit Masson-Trichrom als auch mit Kongorot an [5, 13, 14].
phy type II (Avellino corneal dystrophy): natural history and progression after treatment. Cornea 2007; 26: 1095 – 1100 Reinhard T, Spelsberg H, Sundmacher R. Möglichkeiten und Perspektiven der Therapie und Prophylaxe von Hornhautdystrophien.
n
Ophthalmologe 2002; 99: 427 – 431
Therapie
Spelsberg H, Reinhard T, Henke L et al. Penetrating limbo-keratoplasty for granular and lattice corneal dystrophy: survival of donor
Therapeutisch kommen grundsätzlich bei der GCD2 die gleichen Verfahren wie bei der GCD1 oder der gittrigen Dystrophie zum Einsatz, aber in der Veröffentlichung zur IC³D‑Klassifikation wird angeführt, dass eine LASIK bei diesen Patienten kontraindiziert ist.
limbal stem cells and intermediate-term clinical results. Ophthalmology 2004; 111: 1528 – 1533 Stammen J. Hornhautdystrophien und Hornhautdegenerationen – Problematik der Klassifikation. Z Prakt Augenheilkd 2012; 33: 129 – 134 Sundmacher R. Salzmannsche noduläre Hornhautdegeneration. Ophthalmologe 2012; 109: 389 – 403; Quiz 404
Generell gilt, dass alle Verletzungen der Hornhaut zu einer verstärkten Expression von TGFB führen, also die Krankheitsprogression bei jeder TGFBI‑Dystrophie verstärkt werden kann. So konnte eine Studie schnellere Rezidive bei der GCD2 mit einer zunehmenden Zahl an phototherapeutischen Keratektomien (PTK) zeigen. Dennoch empfehlen die-
Weiss JS, Møller HU, Lisch W et al. The IC3D classification of the corneal dystrophies. Cornea 2008; 27 (Suppl. 2): S1 – S83 Weiss JS, Møller HU, Lisch W et al. IC3D‑Klassifikation von Hornhautdystrophien. Klin Monatsbl Augenheilkd 2011; 228 (Suppl. 1): S1 – S39
Korrespondenzadresse Dr. med. David Finis
selben Autoren die PTK als Ersteingriff, da das Verfah-
Facharzt für Augenheilkunde Universitätsaugenklinik Düsseldorf
ren natürlich wesentlich weniger invasiv als eine
Moorenstraße 5
Hornhauttransplantation ist und die Zeit bis zur Kera-
40225 Düsseldorf
toplastik so zumindest etwas hinausgezögert werden
Telefon: 02 11/8 11 73 20
kann [1, 8 – 10, 13].
Fax: 02 11/8 11 62 98 E-Mail:
[email protected] Bei gittriger und granulärer Hornhautdystrophie wird im Verlauf meist eine Keratoplastik erforderlich. Hierbei kommt idealerweise eine lamelläre, tiefe, anteriore (DALK) Transplantation infrage.
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Augenheilkunde up2date
CME‑Fragen
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Viel Erfolg bei Ihrer CME-Teilnahme unter http://cme.thieme.de Bitte informieren Sie sich über die genaue Gültigkeitsdauer unter http://cme.thieme.de Sollten Sie Fragen zur Online-Teilnahme haben, unter http://cme.thieme.de/hilfe finden Sie eine ausführliche Anleitung.
Welche Aussage ist falsch?
A
findet sich ein charakteristischer Erbgang.
Bei den meisten Hornhaut-
B
handelt es sich um bilaterale, langsam fortschreitende Erkrankungen.
dystrophien …
C
findet sich ein typisches Trübungsmuster der Hornhaut.
D
liegen die Mutationen auf dem kurzen Arm des X‑Chromosoms.
E
findet sich typischerweise keine innere Erkrankung als Ursache.
Welche Aussage ist falsch?
A
werden klassischerweise nach den betroffenen Schichten eingeteilt.
Die Dystrophien der Hornhaut …
B
können inzwischen nach IC³D‑Klassifikation eingeteilt werden.
C
wurden lange Zeit nicht einheitlich bezeichnet.
D
können teilweise mit entzündlichen Veränderungen der Hornhaut verwechselt werden.
E
werden alle autosomal-rezessiv vererbt.
2
3 Welche Aussage ist richtig?
A
Mutationen im TGFBI‑Gen können verschiedene Hornhautdystrophien hervorrufen.
B
Der Keratokonus ist eine stromale Dystrophie nach IC³D.
C
Ein X‑chromosomaler Erbgang findet sich bei fast allen Hornhautdystrophien.
D
Die Salzmann-Dystrophie zählt nach IC³D zu den stromalen Dystrophien.
E
Die IC³D teilt die Hornhautdystrophien in 2 große Kategorien (stromal/nicht stromal) ein.
Welche Aussage ist richtig?
A
immer nur mittels direkter Beleuchtung.
Eine Hornhautdystrophie
B
immer nach dem Trübungsmuster im regredienten Licht.
wird diagnostiziert …
C
immer bei enger Pupille.
D
immer mittels direkter Beleuchtung und Fluoresceinanfärbung.
E
immer mittels direkter Beleuchtung, „dünnem Spalt“ und regredienter Beleuchtung.
A
Die epithelialen Stammzellen der Hornhaut liegen am Limbus.
B
Die Epithelzellen der Hornhaut haben eine lange Lebensdauer.
C
Die Endothelzellen der Hornhaut haben eine lange Lebensdauer.
D
Rezidive bei TGFBI‑Dystrophien sind häufig.
E
Beidseitige Hornhautveränderungen sollten immer als Hinweis für eine Dystrophie gewertet
4
5 Welche Aussage ist falsch?
werden.
6 Welche Aussage ist falsch?
A
verursacht typischerweise keine Schmerzen.
Die Reis-Bücklers-Hornhaut-
B
kann zu einer Visusminderung führen.
dystrophie …
C
wird autosomal-dominant vererbt.
D
kann mit infektiösen Hornhauterkrankungen verwechselt werden.
E
kann histologisch mit der Thiel-Behnke-Hornhautdystrophie verwechselt werden.
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CME‑Fragen
Transforming-Growth-Factor-β‑induzierte Dystrophien der Hornhaut
7 Welche Aussage ist richtig?
A
Die Thiel-Behnke-Hornhaut-
B
verursacht typischerweise landkartenartige Trübungen der Hornhaut. wird X‑chromosomal vererbt.
dystrophie …
C
stellt eine Kategorie-3-Dystrophie dar.
D
zeigt spaltlampenmikroskopisch typischerweise honigwabenartige Trübungen.
E
ist mit dem PEX‑Glaukom assoziiert.
Welche Aussage ist falsch?
A
wird autosomal-dominant vererbt.
Die gittrige Hornhautdystrophie
B
zeigt histologisch Amyloidablagerungen.
(LCD) …
C
erfordert therapeutisch meist im 4. Lebensjahrzehnt eine Keratoplastik.
D
verläuft meist ohne deutliche Symptome.
E
zeigt spaltlampenmikroskopisch gitterartige Ablagerungen.
Welche Aussage ist falsch?
A
wird autosomal-dominant vererbt.
Die granuläre Hornhautdystrophie
B
stellt eine Kategorie-1-Dystrophie dar.
Typ 1 (GCD1) …
C
wird durch eine Mutation im Genlocus Xq 17.3 verursacht.
D
ist histologisch durch hyaline Ablagerungen gekennzeichnet, die mit Masson-Trichrom anfärbbar
8
9
sind. E
kann auch asymptomatisch sein.
Welche Aussage ist richtig?
A
ist durch ein typisches Sterne- und Ringemuster gekennzeichnet.
Die granuläre Hornhautdystrophie
B
wird X‑chromosomal vererbt.
Typ 2 (GCD2) …
C
stellt eine Kategorie-2-Dystrophie dar.
D
kommt nur in Italien vor.
E
ist mittels Tropftherapie leicht zu behandeln.
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