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Transsphenoidale Mikrochirurgie* der Kraniopharyngeome D. Stolke, V. Seifert Neurochirurgische Klinikder Medizinischen Hochschule Hannover (Direktor: Prof. Oe. med. Oe. h.c. H. Dietz)

Einleitu ng

In der vorliegenden Arbeit wird der mikro chi rurgisc he trans sph en oidale Zuga ng zu Kraniopha ryngeom en erörtert. Die Vorbe dingunge n dazu we rde n

herau sgearbeitet: vergröße rte Sella , Ausb reitung des Tum or s in die Keilbeinh öhle und ein intakt es Diaphragma sellae. Das eigene Krankengut wird zu dieser Erörterung hinzugezogen und die Ergebnisse dargestellt. Es wird ausdrüc klich darauf hingewiesen, daß bei älte re n Pat ienten unter Verzicht des Ansp ruchs auf Radikalität auch die wieder holte tr anss pheno ida le Entlast ung gro ße r zys tisc he r Prozes se gut ve rtragen wird. Tra nsspheno ida l m icrosu rgery

of craniopharyngiomas Th is paper presents the microsurgical tran ssph en oidai approac h to intracranial craniopha ry-

giomas. Essential prerequisites for this route are stressed: enlarged sella, gro wth into the sphe noid sinus , intact diaphr agm a sellae . The auth ors' own material is dis cussed . It is pointed out that eve n repeated trans s phe noidal decompress ion of large cystic les ions is we Il

tolera ted in elderly pat ients.

Kraniop haryng eome m ach en etwa 2,5% aller Hirntumor en aus; etwa 20 % aller Sella- und Chias maTumo ren bei Erwachsene n und 7 % der Hirntum oren bei Kindern und etwa 50% der Tumoren , die bei Kindern im

Sella- oder Chiasma bereich zu Symptome n führen (2). Die Störunge n, die die Kranioph aryngeome verursac he n, lasse n sic h auf die um gebend en Strukturen zurückführen ; bei

Kompression des Chiasmas: Sehstöru ngen; der Hypophyse: hormonelle Ausfa lle und Zwischenhirnstö ru ngen bei dem Einw achse n in dies es bzw . in das Ventrikelsystem . Trotz hervorragender Ergebnisse . wie sie

von einigen Autoren (6, 8) ber ichtet werden, ste llt das Kraniopha rynge om in jede m Fall eine Herau sforderung für den Neur ochiru rgen dar. Als operativer Zugang sollte gru ndsätzlich der transkranielle Weg gewählt werden, wobei es auf die Wachstumsrichtung des Kraniopharyngeoms an -

kommt, ob ein fronte -latera ler (pteri onaler), ein subfronta ler , ein transkallosaler oder transventrikulärer Weg ge wählt werden sollte. Im Einzelfall kann sogar eine Komb ination zwe ier Zugänge, z. B. fronto-lateraler plus tra ns kallosaler Zugang, notwe ndig werden, um die Möglichkeit zu sc haffen, den Tumor total zu exstirpieren (7).

Key-Words

In dieser Arbeit soll gepr üft und beschri eben werden, ob es Indikati onen gibt, und wenn ja, welche , die

Craniopharyngioma - Transsp he noidal

eine erfolgreic he transs phenoidale Exstirpation ve rsprechen .

appr oach - Enlarged sella

Vora ussetzungen (Abb . 1-4) Um die Vora ussetzungen für eine n transsphenoidalen Zugang zu prüfen , muß zuvor auf die Entwicklungsgesc hichte de r Hypophyse eingega nge n werden (I , 2). Während der Entwicklung der Rathkeschen Tasche können Epithelzellnes ter des Ductus hypophyseus in enge n Kontakt zur Ausstülpung der Hirnblase. des lnfundibulums , komm en . Geschieht das zu einem Zeitpunkt bevor sich die Pia mater entwickelt hat, wird der Kontakt so sein, daß sich das Kranioph ar yngeom in die Substanz des Infundibulum bis nac h intrave ntrikulär hin einent wickeln kann, ohne daß sich eine Grenzschicht entwickelt hat oder diese s päte r bei der neurochirurgisc he n Operation erkennbar wird.

Neurochirurgia 33 (1990) 106-109 © GeorgThieme Verlag Stuttgart · New York

* Herrn Prof. Dr. med., Dr. h.c. JI. Dietz zum 65 .Geburtstag gewidmet.

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Zusammenfassung

Neurochi rurgia 33 (1990)

Transsphenoidale Mikrochirurgie der Kraniopharyngeome

Abb.2

Abb. 3 Ausbildung eines supra- und intrasellä r slchentwickelnden Kraniopharyngeoms (Zeltnestb). Transkrankielier Zugang erfolgversprechender, u.U. Zweiteingriffüber transsphenordeten Weg möglich oder gar notwendig

~

Das Zellnest

a führt zueiner suprasellärenAusbildung eines Kraniopharyngeoms mitderOption bis inden 3.Ventrikel vorzuwachsen.Der operative Zugang muß transkraniell erfolgen

Geschieht das nach Entwicklung der Pia rnater, wird zumindes t eine Grenzschicht erkennbar se in und der Tumor müßte vollständig entfern bar sein . Je nach Höhe des Zellnestes im Ber eich des Infundibulum wird sich der Tumor allein supras ellär, supra- und intr asellär oder rein intrasellär entwickeln (1). Bei den ausschließlich suprase lläre n Tumore n bleibt die Sella klein. der Tumor muß in jed em Fall transkraniell operiert werden (Abb. 2). Bei der Tum orentwicklung tiefer. d. h. im Bereich des Infundibulum. wird u.U. auch eine SanduhrTumorform entstehen könn en (Abb. 3). bei der es weiterhin sinnvoll se in wird . den Tumor auf transkraniellem Weg zu

entfern en. auch wenn die Sella sich durch das Wachstum des basalen Anteils deutlich erweitert hat. bzw. eine Zweitoper ation an zuschließen. die auftranssphenoid alem Wege durchzuftihren se in wird. um den entsprechenden intrasellären Anteil zu entferne n. Entwickelt sich das Zellnest am basalen Anteil des Infundibulum im Bereich der Sella, wird zum einen die Sella erheblich erweitert und zum anderen das Diaphr agma sellae intakt sein (Abb.4) . Der tra nssphenoidale Zugang ist dann möglich. sogar unter Schonung der Hypophyse. falls sich eine arachnoida le Grenzmembran zu die-

,,

I

Abb. 4 lntraselläre Ausbildungdes Krane pharyngeoms (Zellnest clmit Aufweitungder Selia als Bewe is der Entwicklungdes Tumors inderSelia und intaktemDiaphragma sel1ae. Transsphenoidaler Zugangist hier der sinnvollere und erfolgversprechendere D = Dura ,S = Keilbe in, V = Ventrikel (Abb. 1-4 gezeichnet von S. Fischer)

und zweitens das intak te Diaphragma. Es wird postuliert . daß eine erweiterte Sella auf die Entwicklung des Kraniopharyn geomes in der Sella hind eutet. so daß auch bei suprasellär er Ausbr eitung das Diaphragma intakt bleibt. Ein suprasellär wachsendes Kraniopharyngeom sollte nur tra nss phenoidal angegangen werd en. wenn die Sella vergrößert ist und die sagittale und koronare MRDiagnostik Hinweise dafür gibt. daß sich zu den umgebenden Strukturen eine "Grenzmembran" nachweisen läßt

(Abb. 7). Es gibt also tatsächlich die Indikation zur transsphenoidal en Exstirpation des Kraniopharyngeomes . Sie ist in den wenigen Fällen schon alleine deshalb indiziert . da der Zugang wesentlich besser toleriert wird und Schäden . vor allen Dingen an Optikus und Zwischenhirn. weniger wahrscheinlich sind. BeiKindern hat sich dieser Zugang in unserem Krankengut nicht ergeben. Die Symyptome bei Kindern sind vor allem Zwischenhirns törunge n. so daß sich die Zellnester schon vor der Pia-Entwicklung eingenistet hab en und deshalb auch im Infundibu lum oder Ventrik el wachsen bzw. dort ihr en Ausgang hab en. Eigenes Krank engut (Abb. 5-7)

ser nachweisen läßt (1. 3. 5). Von 1986-1988 sind insgesamt 126 tra nsDaraus läßt sich zusammenfass en: Die wichtigste Vorausset zung für den tra nssphenoidalen Zugang bei Kraniopharyngeom en ist die vergrößerte Se lla, d. h. die Ausbreitung des Tumors in die Keilbein höhle und eine Arrosion des Clivus von rostralwärts her

sphenoidale Operationen vorgenommen worden: 121 Hypophysentumoren und 5 Kraniopharyngeom e bei insge -

samt 25 Kraniopharyngeomen innerh alb desselben Zeitraums ; davon sind 3 Patienten männlichen und 2 we iblichen Geschlechtes gewesen. Die Altersverteilung reicht von

20 bis zu 63 Jahren.

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Abb, 1 Die Buchstabena. b, czeigen den Sitz der Zellnester,die Pfeiledie wecnstcms. richtungdes sich entwickelnden Kraniopheryngeomes

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D. S tolke, V. Seifert

Die Ausbreitungsrichtung des Tumo rs war vor allen Dingen in Ricbtung Keilbeinböhle und Clivus, der imme r deutli ch a rrodie rt in se inem rostralen Anteil zur

Darste llung kam (Abb.5 , 6). Die suprase lläre Ausbreitung war deutlich, gemessen aber an der in andere Richtungen gering. Die Patienten litten alle unter Gesichtsfeld- und Visuss törungen sow ie unter hormo nellen Störungen, vor allen

Dingen sekund är er Amenorrhoe. Impotenz und den Zeichen der allgemeinen Hypophyseninsuffizienz. Bei 4 Patient en hat es sich um einen Primärtumor gehandelt. bei einem um eine Rezidivoperation eines zuvor transkraniell oper ierten Tumo rs.

Erge hnisse Alle Opera tionen sind ohne Komplikationen verlaufen . Bei Verletzungen der Kapsel bzw, des Diaphragma sellae und intraoper ativem Liquorfluß (bei 3 Patient en) erfolgte eine plastische Deckung mit Faseia lata und Abdekkung mit Ethiblock sowie eine lumbale Liquordrainage für 5 Tage, darunter sistierte der Liquorfluß auf Dauer. Rezidive sind im Beobachtungszeitr aum (7-42 Monate) nicht aufget reten. Liquorrauminfektionen wurd en nicht beobachtet. Disk ussion

Die übliche operative Exstirpation eines Kraniop haryngeom es wird über den transkraniellen Zu-

gan g zu erfolgen hab en (4,7. 8). In ausgewählten Fällen (in unserem Kran kengut in 5 von 25 Fällen) kann der Zugang transspheno idal erfolgen . In den hier dargestellten Beispielen ist es auch der sinnvo llere und erfolgverspr echen dere Weg ge we se n. Die wichtigste Vorauss etzu ng für dies en Zu-

gang ist die erweiterte Sella, also das Wachstum Richtung Keilbeinhöhle und Clivus; Sanduhrformati onen werden zwe izeitig an zugeh en sein : von transkr aniell und tra nssphe noidal. Bei großen. weit nach supra sellär reichenden Tumo ren sollte transsphen oidal entlastet werden und spä ter - wenn nötig - der suprase lläre Kapselanteil tra nskra -

niell exstirpiert werden.

Abb. 5 u. 6 MR·Oarstel1ungentypischerKraniopharyngeomemitvornehmlieher Wachstumsrichtung indie Keilbeinh öhle hineinmitArrosion desClivusund vergleichsweisegeringerAusdehnungnach suprasellär. OieIndikation zur transsphenoidalen Exstirpationbietet sichausden anatomischenGegebenheiten zwangsläufigan

Vor allen Dingen bei älteren Patienten mit einem hohen Risiko. so da ß der Anspru ch auf Radikalität nicht mehr an ers ter Stelle stehen kann . wird die trans sphe noidale Entlastung hilfreich sein. da zum einen der Zugang besser vertragen wird als der transkran ielle und zum ande -

ren bei zystischem Tumo r die Entlastung und ErölTnung der Tumo rzyste in die Keilbeinhö hle hinein eine ausreichen de

Entlastung auf Dauer bringen kan n, bzw, rezidivierende palliative Dra inagen auf tra nssph enoidalem Wege möglich sind .

Abb. 7 CT-Reformationsagittal und coronar.Obwohl einausgedehntes Wachstum nachsuprasellär vorliegt,isthierdietranssphenoidale Exstirpation vorgenommen worden, dadieSella erheblich aufgeweitet ist und diesich anfärbende Tumorkapseleinegute Abgrenzung zur Umgebung vermuten läßt. Intraoperativwurde dasbestätigt und dieRezidMreiheitüber36 Monate läßt daraufschließen, daß eineTotalexstirpationgelungen ist

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Trans sphenoidale Mikrochirurgie der Kraniopha ryngeom e

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Prof Dr. med. D. S tofke PDDr. med. V. Seifer t Neurochiru rgische Klinik Med. Hochsch ule Ha nnover D-3000 Hannover 61

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[Trans-sphenoid microsurgery of craniopharyngioma].

This paper presents the microsurgical transsphenoidal approach to intracranial craniopharygiomas. Essential prerequisites for this route are stressed:...
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