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Dtsch. med. Wschr. 104 (1979), 1607-1609 © Georg Thieme Verlag, Suttgart

Thorakale Aktinomykose mit oberer Einflußstauung*

Thoracic actinomycosis with superior vena cava obstruction

G. Schmidt und H. Füeßl

In a 40-year-old farmer's wife presenting with fatigue, shortness of breath on exertion and occasional extrasystoles a spaceoccupying lesion of the mediafl stinum leading to obstruction of venous return in the superior vena cava was found. Prior to intended surgery the patient suddenly died following cerebral haemorrhage. Actinomycosis of the mediastinum leading to almost complete stenosis of the superior vena cava was found at necropsy.

1. Medizinische Klinik (Direktor Prof. Dr. H. Blömer) und Pathologisches Institut )Direktor Prof. Dr. W. Gossner) der Technischen Universität München

Bei einer 48 jährigen Patientin, die seit einem Jahr an allgemeiner Leistungsschwäche, Gewichtsverlust, Herzrhythmusstörungen und intermittierenden Fieberschüben bis 39 oc litt, trat eine massive obere Einflußstauung auf. Die Röntgen-Untersuchung des Thorax war unauffällig, jedoch zeigte sich eine fokale Anreicherung im Bereich des mittleren Mediastinums im Gallium-Szintigramm. Eine Rechtsherzkatheterisierung zeigte eine Behinderung des venösen Rückstroms infolge hochgradiger Stenosierung der V. cava superior. Daher wurde ein von der Gefäßwand ausgehender maligner Tumor vermutet. Wegen der zu erwartenden T-iyperämie der herznahen Gefäße wurde auf eine Mediastinoskopie verzichtet. Eine bioptische Sicherung der Verdachtsdiagnose im Rahmen einer Thorakotomie gelang nicht, da die Patientin überraschend an den Folgen einer zerebralen Massenbiutung starb. Die Sektion ergab eine Aktinomykose des Perikards mit entzündlicher Ummauerung der V. cava superior sowie aktinomykotische Herde in Lungen, Leber und Nieren. * Professor Dr. W. Gössner zum 60. Geburtstag 0012-0472/79

1109 - 1607

$ 02.00 © 1979 Georg Thieme Publishers

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Schmidt, Füeßh Thorakale Aktinomykose

Nr. 45, 9. November 1979, 104. Jg.

Deutsche Medizinische Wochenschrxf

Schmidt, Füeßl: Thorakale Aktinomykose

Eine thorakale Verlaufsform einer Aktinomykose mit oberer Einflustauung ist bisher noch nicht beschrieben

Blutsenkungsreaktion 58/95 mm, C-reaktives Protein positiv, Hämoglobin 108 g/l, Eisen 9,3 imol/l, totale Eisenbindungskapazi-

worden. Wir beobachteten einen derartigen Fall, über den wir im folgenden berichten.

Albumin 46,5°/o, u1-Globuline 5°/o, y-Globuline 26°/o. Die Röntgen-

Kasuistik

untersuchung der Thoraxorgane einschließlich Hilustomogramme und Durchleuchtung ergab keinen pathologischen Befund, insbesondere keinen Hinweis auf einen raumfordernden mediastinalen Prozeß (Abbildung 1*).

Die bei der stationären Aufnahme 48jährige Bäuerin litt erstmals ein Jahr zuvor an allgemeiner Müdigkeit und Leistungsschwäche, Atemnot bei körperlichen Belastungen, gelegentlichen Herzrhythmusstörungen in Form von Extraschlägen sowie intermittierendem Fieber bis 39 °C.

Stationäre Aufenthalte in drei verschiedenen Krankenhäusern konnten keine endgültige diagnostische Klärung bringen. Festgestellt wurden eine normochrome Anämie (Hämoglobin um 80 g/l), ausgeprägte serologische Veränderungen, wie sie bei schweren Infekten oder Tumoren gesehen werden, Pleura- und Perikardergüsse sowie Aszites. Im Elektrokardiogramm fanden sich Zeichen einer Perimyokarditis. Nach Behandlung mit Digitalis, Diuretika, Terracyclinen und Corticosteroiden kam es zu einer - allerdings nur kurzfristigen - Besserung des Allgemeinzustandes und der Befunde. Erneute Verschlechterung mit erhöhten Temperaturen, Müdigkeit,

Gewichtsabnahme und Herzrhythmusstörungen sowie eine erstmals auftretende massive obere Einflußstauung führten zur stationären Aufnahme.

Die körperliche Untersuchung zeigte die fiebernde (39 °C), blasse Patientin in deutlich reduziertem Allgemeinzustand. Im Vor-

dergrund der Symptomatik stand eine isolierte obere Einflußstauung mit im Sitzen prall bis zum Kieferwinkel gefüllten Jugularvenen, ohne daß ein Venenpuls nachweisbar war. Der übrige kardiologische Status war weitgehend unauffällig (Herzfrequenz 96/mm, regelmäßig, Blutdruck 120/80 mm Hg, Herztöne rein, keine Extratöne, ein leises spindelförmiges Austreibungsgeräusch über dem dritten Interkostairaum links parasternal, keine Zeichen von Rechtsoder Linksherzinsuffizienz). Die Leber überragte den rechten Rip-

penbogen in der Mediokiavikularlinie um 3 cm, Lymphome und MiIz waren nicht palpabel.

Das Elektrokardiogramm zeigte biatriale Erregungsausbreitungsstörungen, inkompletten Rechtsschenkelblock und Repolarisationsstörungen.

NUSItARMEßIjI

tät 65 mol/l, Kupfer 27,2 tmoI/I, Gesamt-Protein 76 g/l, davon

SCHE KLINIK

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IWIVI CHIrA MUSCHEl.

Im Galliumszintigramm stellte sich eine fokale Anreicherung im mittleren bis unteren Mediastinum dar (Abbildung 2). Die Rechtsherzkatheterisation zeigte eine hochgradige Behinde-

rung des venösen Rückstromes in der V. cava superior (Abbildung 3). Die rechts- und linksventrikulären Füllungsdrücke waren ebenso wie das Herzminutenvolumen und die Drücke im kleinen Kreislauf normal. Nach diesen Befunden mußten wir einen raumfordernden Prozeß

im Mediastinum annehmen, der zu einer erheblichen Behinderung

des venösen Rückstrotnes in der V. cava superior geführt hatte. Unter dem dringenden Verdacht auf eine maligne Erkrankung führten wir eine komplette Tumorsuche durch, die jedoch keinen sicheren diagnostischen Hinweis erbrachte. Serologisch wurde eine Systemerkrankung im Sinne einer Kollagenose ausgeschlossen. Auf eine Mediastinoskopie verzichteten wir wegen der bei der zu erwartenden Blutfülle der herznahen Venen vergrößerten Blutungsgefahr. Statt dessen sollte eine Thorakotomie in Operationsbereitschaft einer Herz-Lungen-Maschine durchgeführt werden. Zu diesem Eingriff kam es jedoch nicht mehr; die Patientin starb über-

raschend an den Folgen einer zerebralen Massenblutung trotz sofortiger Kraniotomie mit Ausräumung des Hämatoms.

Die Sektion ergab eine Aktinomykose des Mediastinums mit entzündlicher Ummaucrung von Aorta, V. cava superior und linker A. pulmonalis. Die V. cava superior war nahezu vollständig stenosiert (Abbildung 4), kranial der Stenose lagen teils in Organisation befindliche, teils frische appositionelle Thromben. Der aktinomykotische Prozeß hatte auf den Herzbeutel und das Myokard von linkem Vorhof und linkem Ventrikel übergegriffen. Darüber hinaus fanden sich histologisch kleine aktinomykotische Herde in Lungen, Leber und Nieren. Der Tod war durch eine Hirnblutung im rechten Okzipitallappen mit Einbruch in den rechten Seitenventrikel eingetreten. Abbildungen 1, 3 bis S siehe Tafeln Seite 1591 und 1592

SURI AIIMEUIZINISCHE KLINIK DER TECHNISCHIN UNIVIRSIT*T NUNCIEN

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Abb. 2. Fokale °7Ga-Anreicherung im mittleren und unteren Mediastinum in einer räumlichen Ausdehnung von 10 X 12 X 10 cm.

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Diskussion Die Aktinomykose ist eine seltene, chronisch verlaufende

Infektionskrankheit, ausgelöst durch eine meist endogene Infektion mit Actinomyces israeli, einem Saprophyten der menschlichen Mundhöhle. Exogene Infektio-

nen sind sehr selten. Das früher immer wieder angeschu1digte Kauen von Gräsern und Getreidehalmen ist als Infektionsmodus ausgeschlossen (1). A. israeli wird als Saprophyt der Mundhöhle nur dann pathogen, wenn er, in die Tiefe verschleppt, unter anaerobe Verhältnisse gerät und zusätzlich von Begleitbakterien mit Enzymen versorgt wird.

Entsprechend den Eintrittspforten des Erregers entstehen cervicofaciale, bronchopulmonale oder abdomineue Manifestationsformen. Die weitere Ausbreitung kann dann per continuitatem, hämatogen oder lymphogen erfolgen.

Die Aktinomykose wurde lange Zeit als Pilzerkrankung betrachtet. Biochemische Zellwandanalysen und die gute therapeutische Wirksamkeit von Penicillinen, 'Tetracyclinen und Sulfonamiden führten dazu, Actinoniyceten als Bakterien anzusehen.

Histologisch ist die Erkrankung charakterisiert durch unspezifisches Granulationsgewebe, Neigung zu Abszedierung, starke bindegewebige Proliferation und Kalkéinlagerung. Typisch sind sogenannte Drusen (Abbildung 5), ein Bild, das zur Bezeichnung »Strahlenpilz« führte.

Das klinische Bild der Aktinomykose ist abhängig von

der Lokalisation der Erkrankung. Bei cervicofacialem Befall zeigt sich häufig eine »brettharte Infiltration« der den Prozeß bedeckenden, livide verfärbten Haut mit Abszedierung und Fistelbildung. Im Eiter gelingt gelegentlich der Nachweis von Drusen. Die bronchopulmonale Form ähnelt in ihrem chronischen Verlauf der Tuberkulose. Infiltrationen im Röntgenbild, Fieber, Husten und Dyspnoe sprechen für einen entzündlichen Krankheitsprozeß; sein Fortschreiten ohne Rücksicht auf Organgrenzen führt gelegentlich zur Fehldiagnose eines malignen Tumors. Die abdominelle Form wird meist spät erkannt, die Patienten werden nicht selten unter der Verdachtsdiagnose einer Appendizitis, eines Tuboovarialabszesses oder eines Ileus laparotomiert.

Der Befall des Herzens wird in weniger als 2% der

für einen Myokardbefall. Die histologische Identifizierung des Tumors im Rahmen einer Thorakotomie gelang nicht, da die Patientin unerwartet an einer Hirnblutung starb, deren Genese nicht geklärt werden konnte. Die Diagnose einer Aktinomykose wird bei thorakalen oder abdominellen Verlaufsformen häufig erst auf dem Sektionstisch gestellt. Brown (2) fand bei der Durchsicht von 181 histologisch gesicherten Aktinomykosen, daß in nur 19 Fällen (10,5%) die richtige klinische Diagnose gestellt worden war. Schlüssig kann die Erkrankung nur durch histologischen bzw. mikrobiologischen Erregernachweis erkannt werden; bei Verdacht sollte bioptisch gewonnenes Material auch anaeroben Kulturversuchen unterzogen wer-

den. Ein bakteriologisch positiver Sputumbefund ist wegen des Saprophytismus von A. israeli diagnostisch nicht verwertbar. Aus dem gleichen Grunde gibt es bisher noch keine verläßlichen serologischen und immunologischen Nachweismethoden, wenngleich Bemühungen in dieser Richtung unternommen werden (3). Ist trotz der beschriebenen Schwierigkeiten die Krank-

heit intra vitam erkannt, so ist eine Behandlung mit Antibiotika (Mittel der Wahl: Penicillin G, zum Beispiel 10-20 Mega E/d über 4-6 Wochen parenteral, anschließend langfristig hochdosiert per os) in Kombination mit chirurgischem Vorgehen (Resektion, Drainage) angezeigt (6). Die im Prinzip gute Prognose ist jedoch zurückhaltend

zu beurteilen, da die Erkrankung - wenn überhaupt im allgemeinen spät erkannt wird und es dann bereits zu ausgedehnten Gewebszerstörungen gekommen ist. Für die röntgenologischen Befunde danken wir Prof. Dr. H. Anacker,

Direktor des Instituts für Röntgendiagnostik, für die nuklearmedizinischen Befunde Prof. Dr. H. W. Pabst, Direktor der Nukicarmedizinischen Klinik und Poliklinik im Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München.

Literatur

Medical Diagnosis and Treatment (Lange Medical Publications: Los

Arzt, G. H.: Aktinomykose. Ti,: Gsell, O., W. Mohr (Hrsg.): lisfek. tionskrankheiten (Springer: BerlinHeidelbergNew York 1969). Brown, J. R.: Human actinomycosis. A study of 181 subjects. Hum. Path. 4

Altos 1978).

(1973), 319.

Buechner, H. A., J. H. Seabury, C. C. Caipbe1l, L. K. Georg, L. Kaufmafln, W. Kaplan: The current status of serologic, immunologic and skin tes:s in the diagnosis of pulmonary mycoses. Chest 63 (1973),

Aktinomykosefälle (8) beobachtet und ist am häufigsten durch Kontinuitätswachstum von der Lunge aus bedingt

259.

(4). Von den 76 bisher in der Literatur referierten aktinomykotischen Perikarditiden (1, 4, 5, 7, 9, 11)

resp. Dis. 110 (1974), 338.

waren in einem Drittel der Fälle auch Myo- und Endokard befallen (1). Ober eine obere Einflußstauung wurde unseres Wissens bisher nicht berichtet.

Laut Nagel und Nagel (10) ist eine isolierte obere Einflußstauung in 95% durch maligne Tumoren verursacht. Bei negativem Röntgenbild der Thoraxorgane und bei positiver Cavographie vermuteten wir bei unserer

Patientin ein von der Gefäßwand ausgehendes Malignom. Das pathologische Elektrokardiogramm sprach

1609

Datta, J. S., M. J. Raff: Actinonlycotic pleuropericarditis. Amer. Rev. Dutton, W. P., A. P. meTan: Cardiac actinomycos(s. Dis. Chest 54 (1968), 463,

Halde, C.: Actinosnycosis. In: Krupp, Chatton (Ed.): Current

Hara, M., M. D. Pierce: Chronic constrictive pericarditis due to acunomyers bovis. Report o6 a case by pericardectomy. J. thorac. Surg. 33 (1957), 730.

Kasper, J. A., M. Pinner: Acunomycosis of the heart. Arch. Path. 10 (1930), 689.

Mohan, K., S. J. Dass, E. E. Kemble: Actinomycosis of pericardium. J. Amer. med. Ass. 229 (1974), 321.

Nagel, G. A., J. G. Nagel Notfallsituation in der Onkologie. In: Brunner, K. W., G. A. Nagel (Hrsg.): Internistische Krebstherapie (Springer: BerlinHeidelbergNew York 1976). Schlossberg, D., D. Franco.Jove, C. Woodward, J. Shulman: Pericarditis with effusion caused by Actinomyces israelii. Chest 69 (1976), 680.

Dr. G. Schmidt I. Medizinische Klinik Dr. H. Füeßl Pathologisches Institut Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität 8000 München 80, Ismaninger Str. 22

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Schmidt, Füeßl: Thorakale Aktinomykose

Nr. 45, 9. November 1979, 104. Jg.

'59' Zur Arbeit Schmidt, Füeßl (Seite 1607-1609)

Abb. 1. Thorax postero-anterior und linksseitlich 3 Wochen vor dem Tod. Normalbefund von Lunge und Herz, insbesondere keine Verdichtung im Mediastirium, die auf eine Raumforderurig hindeutet. Nebenbefund: Trichterbrust.

Abb. 3. Röntgenkontrastdarstellung der V. cava superior im postero-anterioren Strahlengang: im oberen Teil mehrere wandständige Kontrastmittelaussparungen, im unteren Teil vor der Mündung in den rechten Vorhof fadendünne Einengung des Gefäßlumens von links her.

Abb. 4. Eröffneter rechter Vorhof (unterer Bildanteil)

mit V. cava superior. Die Vene ist von gelblichem Granulationsgewebe ummauert, die Pfeile begrenzen das Restlumen. Kranial der Stenose Thrombenbildung.

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Thorakale Aktinomykosc mit oberer Einflu1stauung

1592 Zur Arbeit Schmidt, Füeßl (Seite 1607-1609)

Abb. 5. Actinomycesdruse im Abszeßeiter; in der Peripherie keulen-

förmige Auftreibung der Actinomycesfäden. Hämatoxylin-Eosin, 56: 1.

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Thorakale Aktinomykose mit oberer Einflufstauung

[Thoracic actinomycosis with superior vena cava obstruction (author's transl)].

1607 Dtsch. med. Wschr. 104 (1979), 1607-1609 © Georg Thieme Verlag, Suttgart Thorakale Aktinomykose mit oberer Einflußstauung* Thoracic actinomyco...
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