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Die thermische Aufbereitung von homologen Knochentransplantaten für die Knochenbank als zusätzliche Sicherheit zur Aids-Prophylaxe H . W. Staudte, B. Breickmann Orthopädische Abteilun g des Kreiskrank enha uses Wü rse1en

Zusa mmenfass ung Unter der Annahme, daß Retroviren aufgrund ihrer Thermo labi lität bei Temperaturen über 56 Gr ad Celsius inakti viert werd en, erfolgte eine Unt ersuchung der Hüftkopfkerntemperatur und Erhitzun gsdauer bis zu einer Kerntemp eratur von 65 Grad Celsius. Bei un seren Messungen an 14 Hüftköpfen mit einer Ofentemperatur von 85 Grad Celsius und einem Hüftkopfkernvolum en von durchschnittlich 81 ml beträgt na ch 1 Stunde Er hitzu ng die durchschn ittlich e Hüftkopfkerntemperatur 66, I Gr ad Celsius. Bei einer Gesa mterhitzungsdauer von 1,5 Stunden sollt e eine ausreichende zusätzliche Sicherh eit vor Übertragung einer Aid s-Infektion bei einer homologen Knochentran splantation gewährleistet sein. T he T hermal Inactivat ion of Homologe Bon e G rafts for Bnn e Bank s as Additional Security to Avoid AIDS Tra nsmissio n Under the supposition t hat retrovirus is inactivated by heating at 56 °C , we explored wha t tim e was necessary to reac h 65 "C as a cent ra l temperature in a femoral head by heating (14 femoral head s). We found that at a stove temperature of 85 °C and a femora l head volurne of 81 ml the average cent ral ternperature was 66, 1°C after 1 haut. After 1,5 hours of heat ing a sufficient security should be guaranteed to avo id Aids-transmi ssion by bone grafts.

Einleitung Die homologe Knoche ntransplantatio n stellte eine bewährte Maßnahme zur Auffü llung großer knö cherner Defekte in de r orthopädischen Chirurgie dar. Die po stinfekt iöse Latenz von mehreren Wo chen ohne po sit ivem Te stnachweis nac h H IV-Infektion (I) haben dazu geführt, daß die homologe Knoch entr ansplantation nicht unum stritten ist (2, 4), da im Serum Z.Orthop. 129 (1991) 108- 110 © 1991 F. En ke Verlag Stuttgart

nicht alle HIV-in fiziert en ausgeschlossen werden kön nen. Aufgrund derzeit vorliegender Arbeiten über die Thermolabilität des Retrovi rus bei Temperaturen über 56 Grad C und der damit verbundenen Inaktivierung (3, 5, 6, 7, 9) führten wir Messung en bei Erh itzung von Hüftköpfchen bis zur Erreichung einer Hüftkopfkerntemperatu r von 65 Grad e durch, um eine zusätzliche Methode zur Verbe sserung der Sicherheit zu erproben.

Material und Meth od e Von 14 int raoperati v entnommenen Hüftköpfchen wurd e das Volumen durch Wa sserverdrängung bestimmt. Der Mittelwert betrug 81,07 ml. Mit einem Pfriem wurde ein zentraler Kana l durch den Schenkelhalsrest bis in das Kopfzentrum gebohrt. Hier wur de eine Temperatursonde po sitionie rt. Der Kana l um das isolierte Kabel wurde mit Restspongio sa ab gedichtet. Die Hüftköpfe wurden im selben Plastikbehälter, wie er zur La gerun g in der Knoch enbank benutzt wird , in den vorgeheizten Ofen gestellt. Da s isolierte Kabel wurde durch ein Loch im Deckel des Behält ers au s dem Ofen herausgeleitet. Ziel war die Erhitzun g des Hüftkopfkernes auf 65 G rad C , wobei der Temperaturverlauf in lOminütigen Abständen abge lesen wurd e. In den zwei Vor versuchen wurde der Erwärmungsverlauf bei einer Ofenau sgan gst emperatu r von 65 Grad C erprobt. Der Temp eraturver lauf wurde alle 5 Minuten abg elesen. Aufgrund des schwachen Temp eraturanstieges im Hüft kopf wurde die Ofentemperatur währe nd der Vorv ersuche erhöht, wobei sich 85 Grad C a ls gün stig erwiesen haben .

Temperatur-Messun g Für die Temperaturerfassung wird ein PtlOO-Meßwertgeber verwendet. Die Bezeichnung PtlOO steht für Platin , 100 Ohm bei 0 Grad Celsius. Der Platindraht ist zu einer Spirale aufgewickelt un d in einen Glaskörper eingeschmo lzen , der zu einer thermischen Zeitkonstant en führt , für den verwendeten Pt 100 der Geschwindigkeit v = 0,5 m/ s. Der elekt rische Wider stand des Füh lers schickt einen konstanten Strom durch den Fühler, so

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Die thermische Aufbereitung von homologen Knochentransplanta ten

Das Temperaturmeßgerät enthält zusätzlich eine 3'h stellige 7-Segmen t·Anzeige ( ± 199,9 Grad Cl, einen analoge n Schreiberausgang und eine Stromversorgung. Kurzdaten: Pt lOO·Meßwertgeber:

Toleran z ±O,2 Grad C, Ansprechzeit 1,4 s Meßan ordnung: Dreileitertechnik Automat ische Korrektur des Leitungswide rstandes Meßkreisüberwachung: Füh lerbruch und F ühlerk reuzschluß Übertrag ungsverhalten: temperaturlinear, Abweichung 0,2% Ergebnisse

Bei der Ofenau sgangstemperatur von 85 Grad C erfolgte entsprechend der o.g . Vorbereitung die Erh itzung von 12 H üftköpfen. Bei einem durchschnitt liehen Volumen von 81,07 ml und einer H üftk opfkernausgangstemperatur von durchschnittlich 19,2 Grad C wurde eine Erwärmung des Hüftkopfzentrums von durchschnittlich 66,1 Grad C nach 60 Minuten erreicht. Nach 60 Minuten betrug die niedrigste Kerntemperatur 60, S Grad C, die höchste Kern tempera tu r lag bei 69,4 Grad C. Mit 60,5 Gr ad C und 64,2 Grad C lagen nach 60 Minut en nur 2 Wert e unter 65 Gra d C. Nac h 80 Minuten lagen alle Werte deutlich über 65 Grad C. Nac h einem initial relativ steilen Anstieg des Temperaturverlaufes, kam es nach 30 Minuten zu einer Abfl achung des Kurvenverlaufes. Aus den Vorversuchen hab en wir geschlossen, daß ein au sreichend hoher Temperaturgradient (hier 20 Grad) erfo rderlich ist, um einen praktikabel kurzen Temperaturanstieg zu gewährleisten. Diskussion

Der Aids-Erreger HIV gehört zur Gr uppe der Retroviren, die aufgrund ihrer Lipidhülle und ihres Genoms eine einzelstr ängige RNA, im Vergleich zur anderen Modellviren relativ einfac h zu inaktivieren ist (5, 6).

Ku rth und Wem er (1987) beschreiben die Inaktivierung von HIV-Viren im Gewebekulturmedium. Bei einer Temperatur von 37 Grad C beträgt die Zeit für die 90%ige Inaktivierung 116 Stund en. Bei 60 Grad C tritt ein 9OOJoiger Infektionsverlust bereits nach 24 Sekunden auf. Weiter verweisen Kurth und Werner auf die Wichtigkeit der Restfeuchte. Je trockener Lyophilisat , je weniger Restfeucht e. desto stabiler sind Retroviren. Ihrer Au ffassung nach besteht ein großer Unterschied bei einer Restfeuchte von unter 1010 oder einer Restfeuchte von 4- 8%, wo das Virus labiler ist.

Nach M e Dougal et al. (7) führt eine 2minütige Behandlun g von HIV bei 60 Grad C in Gegenwart von 10010 fötalem Kälberserum zur Viru sinakti vierung. Auch SIephon (8) weist au f die Effektivität der Hitzeinaktivierung hin. Spire et al. (9) haben gefunden, daß das Lymphad enopathy assoeiated virus bei einer Erhitzung von 56 Grad C für 30 Minuten zu einer Inaktivierung führt , wäh rend eine Gamma -Bestra hlung von 2 x 10' rad oder eine Ultravi olett-Bestrahlung von 5 x 10' Jlm ' nicht zur Inaktivierung führen.

Die von uns durchgefü hrten Erhitzungsversuche an entnommen en Hüftköpfen zeigen bei einer Ausgangstemperatur von 85 Grad C eine du rchschnittliehe Hü ftkopfkerntemperatur von 66,1 Grad C nach 60mi· n ütiger Erhitzungsdauer, bei einem durchschnittlichen Hüftkopfvolum en von 81,07 ml. HIV-Viren sind unter günstigen Bedingungen durchaus bei Raumtemperatu r sta bil (10), dah er sollte nach Explantation der Hüftköpfe eine sofortige Erhitzung im vorgewärmten Ofen erfo lgen. Nach Entnahme aus dem Ofen sollte die unverzügliche Lagerung im Kühlschrank vorgenommen werden.

.Neben einer sorgfältigen Auswahl der Spender (Anamnese, Risikogruppe) und den Lab ort estes (Lues, Hepatiti s, HIV etc.) (3) erscheint uns die 1,5stündi· ge Erhi tzung des Hü ftkopfes bei 85 Grad C als eine geeignete Methode zur Inaktivierung von möglicherweise nicht erkennbarer HIV-Positivität zur Vermeidung einer Transplan tationsinfektion des Empfängers. Nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse existieren keine Anhaltspunkte für die Vermutung, daß eine der Stufen: I. Spenderau swah l, I!. Lab or tests, III. In· aktivierungs verfahren eine andere dieser Stufen entbehr-

lich machen könnte (3). Über die biologische Wertigkeit auf 66 Grad Celsius erh itzter homologer Knochentran splant at e liegen keine Er fah rungen vor. Wohl gibt es zahlreiche Hinweise auf die fehlende osteoge ne Potenz von allogenem Knochen nach Erhit zen über 100 Grad Celsius ( Übersicht bei Kreicbergs und Köhler, 1989).

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daß wegen U = I ' R über dem Fühler eine dem Widerstand prop orti onale Spannung ab fällt. Da au ch die Zuleitungsdrähte zum Fühler einen Widerstand aufwei sen und dadur ch einen zusätz lichen Spannung sabfall erzeugen, wird bei der Temperaturmessung die Dreileitertechnik verwendet. D. h. es wird ein dr itter Draht bis zum Fühler geführt, der die Aufgabe hat , den Spannungsab fall auf der F ühlerzuleitung zu erfassen. Die Elektronik komp ensiert diesen Spannungsabfall, so daß die Länge und der Que rschnitt der Zuleitungen i. a. ohne Belang bleiben. Die Ternperaturwiderstandskennlinie weist aufgrund der Materialeigenschaften des Platins einen progressiven Verlauf auf. Für ein kom patibles Meßsignal ist jedoc h eine lineare Kennlinie nöt ig. Die Elektronik linearisiert und verstärkt das Signal des Pt l üü-Meßwertgebers. Gleichzeitig enthält sie eine F ühlerbruch- und Fühl erkurzschlu ßerkennung.

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H. W. Staudte, B. Breickmann: Aufbereitung von homologen Knochentransplantaten

Dank sagun g Wir bedank en uns bei Herrn Pro f. Dr. H. Reut und Mitarb eitern (Helmholtz-Instit ut für biochemische Techn ik an der RWTH Aachen, Pro f. Dr. G. Rau) für die Überlassung der Meßin strumente. Literatur Aid s-Statisti k 30. 6. 1988. Aids-Zent ru m im Bun desgesund heitsam t: Dt. Ärzteblatt 85 (1988) 36 2 Dedericn, R.• L. Wolf, F. Möller: Homologe Knochentra nsplantation. Unfallchirurg 88 (1985) 299 ) Fiedler, H .• H . Cramer: Vo rschri ften fü r die Gewin nung und Tr an sfu sion von Blut und Blutprodukten . In : G . Maass (H rsg.) : Virussicherheit vo n Blut. Plasma und Plasmapr äpa raten . Springer , Berlin -Heidelberg (1988) 26 4 H ierhotzer. G.: Mün dliche Mitt eilun g anl äßtich des Symposi um: Zementloser H üftersatz 6.17. 2. 1987 in Gelsenkirchen , Kreicbergs, A., P. K öhler: Bone expo sed to Heat. In: Bo ne Transplan taticn , Eds.: ~1. Aebi, P . Regazzoni. Spri nger. BerJin-Heidelberg (1989) 155 I

Kunn , R.• A . Werner: Ina ktivierun g des Humanen Immundefizienz Virus (H IV). Ärztl. Labor 33 (1987) 48 7 Me Dougal. J. S.• L. S. Manin, S. P. Con, M . Mozen. C. M . HeIdebraut. B. C. Eva: Ther mal Inacuvation of t he acquired immuno deü ciency syndrom virus , huma n T-Lymph otr oph ic vlrus-Hl / Lympbadenoparh y associated virus......ith special reference to a nti hemophilic facro r, 1. Cli n. l nvest. 76 (1985) 875 • Stepnon, w.: vi rusak tivierung in Blutpr odukten. In: M. Maas (Hrsg .): Virussicherheit von Blut. Plasma und Plasma pr äparaten. Springer . Berlin-Heidelberg (1988) 53 \I Spire, B., D. Dormont, F. Barre-Sinoussi, L. M onragnier, J. C. Chermann: Inactivation of Lymphoad enopa thy - Associated Viru s by Heat, Gamma Rays a nd Ultraviele r Light. T he Lan cet (l 985) 188 10 Zeiehhard, H .• N . Seneiermann. G. Spieher, F. Deinhard: Sta bilit ät und Inaktivierung des Human Immuno deficiency Viru s (H IV). Ot. Ärzteblatt 84 (1987) 38 6

Dr. med. B. Breick rnann Ma uerfeldehen 25 5102 w ürselen

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110 Z. Orl hop. / 29 (/99/)

[Thermal processing of homologous bone transplants for the bone bank as additional safety measure in AIDS prophylaxis].

Under the supposition that retrovirus is inactivated by heating at 56 degrees C, we explored what time was necessary to reach 65 degrees C as a centra...
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