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Wie werden Schilddrüsenknoten therapiert? Matthias Schott

Jodmangel | Hauptursache für ein Vergrößerung und Knotenbildung der Schilddrüse in Deutschland ist der Jodmangel. Von einer Struma spricht man dann, wenn die Schilddrüse – alters- und ­geschlechtsabhängig – vergrößert ist: Als obere Grenze einer gesunden Schilddrüse bei Erwachsenen gilt ein Gesamtvolumen von 18 ml bei Frauen und 25 ml bei Männern. Bei den meisten Schilddrüsenknoten handelt es sich um benigne Befunde ohne autonome Produktion von Schilddrüsen­ hormonen – „autonome“ Knoten, die Schilddrüsenhormone produzieren, kommen seltener vor. Malignomverdacht | Auch wenn benigne Befunde deutlich häufiger sind – man muss sich immer fragen, ob ein maligner Prozess vorliegt. Insbesondere echoarme Knoten mit möglichen Verkalkungen und unregelmäßigem Randsaum (und ggf. verstärkter Durchblutung) sind Malignomverdächtig und müssen zwingend weiter abgeklärt werden (▶ Abb. 1). Die Europäischen Schilddrüsengesellschaft (ETA) [1] und anderer Fach­ gesellschaften [2] haben Praxisempfehlungen dazu herausgegeben.

Therapie der euthyreoten Struma

mangel die wichtigste Ursache für die Entstehung einer Struma ist, ist der Ausgleich dieses Mangels das wichtigste Therapieziel. Seit 2004 gehört Deutschland nicht mehr zu den Jodmangelgebieten [4, 5]. Andererseits hat die Jodversorgung in Deutschland in den vergangenen Jahren erneut abgenommen [6]. Nach den WHO-Empfehlungen beträgt der Jodbedarf in Abhängigkeit vom Lebensalter ▶▶ 90–150 µg pro Tag, ▶▶ bei Schwangeren 250 µg pro Tag (▶ Tab. 1). Bei einer Struma diffusa wird in Abhängigkeit vom Alter bei Kindern und Jugendlichen eine JodidSupplementation von 90–150 µg Jodid / Tag empfohlen [4]. Erwachsene erhalten meist 150–200 µg / Tag.

Abb. 1  (A) Typisches sonografisches Bild eines autonomen Adenoms mit einer kreis-runden, verstärkten Durchblutung (Typ II). (B)  Typisches sonografisches

Bild eines Schilddüsenkarzinoms mit diffuser Echoarmut, unregelmäßiger Begrenzung und intranodaler verstärkter Durchblutung (Typ IV).

Vor der Therapie | Wurde ein Malignom ausgeschlossen, ist in Abhängigkeit von der Schild­ drüsen- bzw. Knotengröße eine medikamentöse Therapie zu erwägen. Vor Beginn einer JodidSupplementation muss man auch eine kompensierte Autonomie ausschließen, d. h. eine Autonomie bei euthyreoter (normaler) Stoffwechsellage. Gleiches gilt für eine Jodkontamination mit Kontrastmittel bzw. Amiodaron. Das Risiko für eine Dekompensation nach Jodkontamination bei initialer euthyreoter Stoffwechsellage lag in einer Studie bei 31 % [3]. Euthyreote Struma diffusa | Bei einer Struma diffusa handelt es sich um eine gleichmäßige Vergrößerung der Schilddrüse. Zur medikamentösen Therapie der euthyreoten Struma diffusa existieren nur wenige evidenzbasierte Daten. Da der JodSchott M. Wie werden Schilddrüsenknoten therapiert?  Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 573–577

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Schilddrüsenknoten sind ein häufiger Befund: In Deutschland ist etwa jeder Vierte betroffen. In den meisten Fällen handelt es sich um gutartige Knoten. Welche Rolle die medikamentöse, die operative und die Radiojodtherapie im Behandlungskonzept von Schilddrüsenknoten spielen und was Sie bei Euthyreose und Hyperthyreose beachten müssen, beschreibt der folgende Beitrag.

Dossier Tab. 1  Täglicher Jodbedarf (WHO-Empfehlung).

Alter

Jodbedarf

0–5 Jahre

90 µg

6–12 Jahre

120 µg

ab dem 12. Lebensjahr

150 µg

Schwangerschaft

250 µg

Stillzeit

250 µg

Die Evidenzlage bzgl. einer Kombinationstherapie bestehend aus Jodid und Schilddrüsenhormon ist bei bestehender Struma diffusa sehr spärlich. Sie kann jedoch zu einer Volumenreduktion der Schilddrüse führen. Eine TSH-suppressive The­ rapie ist zu vermeiden – insbesondere aufgrund eines erhöhten Risikos von Herzrhythmusstö­ rungen (v. a. absolute Arrhythmie bei Vorhof­ flimmern) und einer Knochendichteminderung [7, 8]. Auch eine reine Monotherapie aus Schilddrüsenhormon muss man vermeiden, da es hie­ run­ ter zu einer Jodverarmung kommt. In den meisten Fällen ist eine Jodid-Supplementation ­indiziert. Euthyreote Struma nodosa | Bei einer Struma nodosa handelt es sich um eine knotige Vergrößerung der Schilddrüse. Zur medikamentösen Therapie der Struma nodosa existiert eine Vielzahl an Studien [9–19]. Es konnte gezeigt werden, dass eine Jodid-Supplementation die Knotengröße und das Gesamtschilddrüsenvolumen reduziert. Vergleichbare Ergebnisse fanden sich auch unter einer Schilddrüsen-Hormontherapie. Aufgrund der häufig limitierten Patientenzahlen und teilweise fehlender Randomisierungen sind diese ­Daten jedoch nur begrenzt aussagekräftig. Kombinationstherapie überlegen | 2012 wurde eine Studie zur Wirksamkeit einer Jodid-Supplementation vs. einer Schilddrüsen-Hormonthe­ rapie vs. einer Kombinationstherapie (vs. einer Placebo-Therapie) publiziert [20]. Insgesamt wurden 1024 Patienten in die Studien aufgenommen und prospektiv untersucht. Nach einem dreimonatigem Behandlungsintervall passten die Forscher die L-Thyroxin-Dosis der Schilddrüsenhormon-therapierten Patienten mit einem TSH-Ziel-Wert von 0,2–0,8 mU / l an. Unter der Kombinationstherapie mit Schilddrüsen­ hormon und Jodid reduzierte sich das Knoten­ volumen um 41,6 % – verglichen mit 1,5 % in der Placebogruppe. Diese Therapie war der reinen Levothyroxin-Therapie als auch der Jodid-Monotherapie überlegen. Auch das Schilddrüsenvolumen änderte sich: Unter der Kombinationstherapie nahm das Volumen um 10 % ab, in der Placebogruppe um 1,9 %. Damit ließ sich erstmals nachweisen, dass eine Kombinationstherapie bestehend aus Jodid und Levothyroxin – auch ohne TSH-Suppression – zu einer Abnahme sowohl des Knotenvolumens als auch des Schilddrüsenvolumens führt. Schott M. Wie werden Schilddrüsenknoten therapiert?  Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 573–577

Die Kombinationstherapie ist erfolgreicher als eine reine Levothyroxin-Therapie oder eine reine Jodid-Supplementation.

Ein Kritikpunkt an dieser Studie ist jedoch, dass eine Aussage zum Langzeitverlauf nach Absetzen der Therapie fehlt. Es ist somit unklar, ob längerfristig eine Umstellung auf ein reines Jodpräparat und eine Absenkung des TSH-Werts in den unteren Normbereich sinnvoll wäre. Chirurgische Therapie | Ab welchem Schilddrüsenvolumen eine Operation absolut indiziert ist – dafür gibt es keine Grenzwerte. Im Regelfall sind dies individuelle Entscheidungen. Indikationen für eine Operation sind ein ­Malignitätsverdacht und eine deutliche Vergrößerung der Schilddrüse mit und ohne retrosternale Anteile.

Eine uni- / multifokale Autonomie kann ebenfalls eine Indikation zur Operation darstellen (s. u.). Im Jahr 2011 veröffentlichte die Chirurgische Arbeitsgemeinschaft Endokrinologie (CAEK) eine neue Praxisempfehlung für die chirurgische Therapie der benignen Struma ohne Malignitäts­ verdacht [21]. Zudem existiert eine CAEK-Leit­ linie für die chirurgische Therapie der Struma mit ­Malignitätsverdacht [22]. Die Indikationen zu einer Hemithyreoidektomie vs. einer subtotalen vs. einer nahezu kompletten („near total“) und einer totalen Thyreoidektomie sind unterschiedlich: ▶▶ Bei einseitigem Knotenbefall ist eine Hemithyreoidektomie indiziert, ▶▶ bei multinodös umgebauter Struma sollten beide Schilddrüsenlappen operiert werden. ▶▶ Ob eine komplette Thyreoidektomie oder eine „near total“-Thyreoidektomie vorgenommen werden sollte, ist eine individuelle Entscheidung. Komplikationen der chirurgischen Therapie | Potenzielle Komplikationen sind insbesondere [21]: ▶▶ Recurrensparese ▶▶ postoperativer Hypoparathyreoidismus In der aktuellen Literatur wird die Häufigkeit einer transienten Recurrensparese mit ~2,9 % und die der permanenten Recurrensparese mit ~0,7 % angegeben. Diese Zahlen beziehen sich jedoch auf Zentren mit entsprechend hoher chirurgischer Erfahrung. Ein weiteres mögliches Problem ist der permanente postoperative Hypoparathyreoidismus: Klinische Zeichen sind insbesondere Kribbelparästhesien und mögliche hypokalzämische Krisen. Die Inzidenz dieser Komplikation liegt bei 0,5 %–6,6 % [21, 22]. In Zentren mit hoher Erfahrung auf dem Gebiet liegt die Wahrscheinlichkeit eines permanenten Hypoparthyreoidismus unter 1–2 %.

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Eine Radiojodtherapie ist einer medikamentösen Therapie überlegen und stellt eine exzellente Alternative zur Operation dar. Vorab muss man jedoch einen malignen Prozess ausschließen.

Das Ausmaß der Volumenreduktion hängt von verschiedenen Faktoren ab, z. B.: ▶▶ Schilddrüsengröße ▶▶ Dauer der Schilddrüsenvergrößerung ▶▶ Patientenalter Die Radiojodtherapie ist insbesondere für ältere Menschen mit entsprechenden Komorbiditäten eine geeignete Alternative. Absolute Kontraindikation für eine Radiojodtherapie sind ▶▶ Gravidität, ▶▶ Laktation und ▶▶ Kinderwunsch innerhalb der nächsten 4–6 Monate Cave  Kinderwunsch in den nächsten 4–6 Monaten ist auch bei männlichen Patienten eine absolute Kontraindikation für eine Radiojod­ therapie.

Relative Kontraindikationen sind

▶▶ eine ausgeprägte Trachealeinengung, ▶▶ eine Tracheomalazie und

▶▶ ein kalter Knoten mit Malignomverdacht. Eine Nebenwirkung ist u. a. die substitutions­ bedürftige Hypothyreose, die in ca. 22–58 % der Fälle binnen 5–8 Jahren auftritt [26]. In sehr seltenen Fällen kann es zu einer Immunthyreopathie kommen. Der Nachteil einer Radiojodtherapie – insbesondere bei großer Schilddrüse – ist ein längerer stationärer Aufenthalt. Zudem kann es zu einer passageren Schwellung der Schilddrüse kommen, selten wird eine Strahlenthyreoiditis beobachtet.

Bewertung der Behandlungsoptionen | Bei Malignomverdacht ist immer eine Operation indiziert. In den überwiegenden Fällen bei Struma nodosa handelt es sich jedoch um benigne Befunde. Prinzipiell stellt sich immer die Frage, ob eine medikamentöse Therapie möglich ist. Die LISA-Studie [20] konnte zeigen, dass eine Kombinationstherapie aus Jodid und Schilddrüsenhormon anderen Therapieoptionen überlegen ist. Andererseits muss man betonen, dass bei optimalen Schilddrüsenwerten – besonders bei jüngeren Patienten – häufig eine reine Jodid-Supplementation aus-

reicht. Eine Kombinationstherapie sollte man besonders bei höheren Schilddrüsenvolumina ­ bzw. vielen Knoten in Erwägung ziehen. Langzeitdaten nach Aussetzen der Therapie existieren diesbezüglich jedoch nicht. Eine Operation sollte man bei sehr großer Schilddrüse (besonders mit retrosternalen Anteilen) oder auch bei multinodös umgebauter Schilddrüse bei jüngeren Patienten vorziehen. Auch eine Radiojodtherapie kann eine Verkleinerung erreichen. Diese Therapie ist besonders für ältere / multimorbide Patienten geeignet, bei denen eine Operation ausscheidet. Häufig sind Therapieempfehlungen individuelle Entscheidungen.

Therapie der hyperthyreoten Struma Indikation zur Therapie | Eine Hyperthyreose ist neben der Schilddrüsen- / Knotengröße eine Therapieindikation. Wichtige Begleiterkrankungen einer Hyperthyreose sind insbesondere ▶▶ Herzrhythmusstörungen (absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern) und ▶▶ eine Knochendichteminderung. Auch bei latenter Hyperthyreose kommt es gehäuft zu Vorhofflimmern. Daher besteht in diesen Fällen eine relative Indikation zu einer ablativen Therapie, die bei älteren Patienten jedoch großzügig gestellt werden sollte. Eine manifeste Hyperthyreose ist eine Indikation für eine medikamentöse und – im Regelfall nach Erreichen einer euthyreoten Stoffwechsellage – eine ablative Therapie.

Insbesondere die manifeste Hyperthyreose geht mit erhöhtem Risiko einer Knochendichteminderung i. S. einer Osteoporose einher. Medikamentöse Therapie der hyperthyreoten Struma nodosa | Es gibt zwei verschiedene Medikamentengruppen mit thyreostatischer Wirkung: ▶▶ antithyreoidale Substanzen vom ThionamidTyp: Thiamazol oder Carbimazol ▶▶ Propylthiouracil (PTU) Diese hemmen dosisabhängig die Jodination des Tyrosins, die durch die Schilddrüsenperoxidase katalysiert wird. Damit wird der Jodeinbau in Thyreoglobulin gehemmt und die Schilddrüsenhormonsynthese inhibiert. Im Fall einer Jod-Kontamination ist die erforderliche ThyreostatikaDosis deutlich erhöht. Carbimazol ist ein Vorläufer-Molekül und wird hepatisch in Thiamazol umgewandelt. Thiamazol wird frei und vollständig resorbiert, reichert sich in der Schilddrüse, der Leber und den Nieren an und ist ca. 24 Stunden pharmakologisch wirksam. Aus diesem Grund reicht eine einmalige Gabe pro Tag aus. Demgegenüber hat PTU eine kürzere Halbwertzeit (12–24 h) und muss deshalb zweimal täglich verabreicht werden. Schott M. Wie werden Schilddrüsenknoten therapiert?  Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 573–577

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Radiojodtherapie | Die Radiojodtherapie ist eine schonende Methode zur Behandlung der Struma. Sie ist besonders effektiv bei kleiner und mittelgroßer Struma (

[Therapy of thyroid nodules].

Thyroid nodules are frequent in Germany. In about every fourth person thyroid nodules can be detected. Most of them are benign. Signs for malignancy a...
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