2025
Redaktion: Prof. Dr. H. Hornbostel, Hamburg Prof. Dr. W. Kaufmann, Köln Prof. Dr, W. Siegenthaler, Zürich
Aktuelle Therapie
Dtsch. med. Wschr. 103 (1978), 2025-2027
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart
Therapie der renalen Osteopathie W. Schulz 4. MedizinIsche Klinik und Institut file Nephrologle (Vorstan d Prof. Dr. U. Gessier), Kilnikum Nürnberg
Eine ursächliche Behandlung der renalen Osteopathle setzt eine umfassende Diagnostik und Differentialdiagnose einschließlich der Komplikationen der renalen Osteopathic voraus. Grundregeln
Die Grundsätze der Behandlung (Tabelle 1) beruhen auf der Pathophysiologie
der Erkrankung. Eine Prävention des sekundären
Hyperparathyreoldismus
mit Phosphatbindern (Alumlnlumhydroxid, Aiudrox; Antiphos®) (3, 10) sollte bel dem Grad der Niereninsuffizlenz beginnen, der mit Hyperphosphatämle einhergeht. Im Erwachsenenalter konnte unter hochdosierter AludroxEinnahme (8) keine Zunahme der Osteomalazie Im Vergleich zu mangelnder Al(OH)3-Elnnahme festgestellt werden, trotzdem sollte auf Normophosphat-
ämie geachtet werden. Eine Suppression des sekundären Hyperparathyreo-
Tab. 1. Grundsätze der Behandlung der renalen Osteopathie Prävention des sekundären Hyperparathyreoidismus Suppression des sekundären Hyperparathyreoidismus Besserung der Osteoidose
Behandlung des sekundären Hyperparathyreoidismus und des Mischtyps aus Hyperparathyreoidismus und Osteoidose (deutlich bis fortgeschritten) ausgeprägte Fibroosteokiasie
0012-0472/78
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-+ Al(OH)3 mit Normophosphatämie (ab Hyperphosphatämie, früher?) -+ individuelles Dialysat-Calcium Dialysat-Magnesium? Mineralisationshormon» 24,25-Dihydroxycholecalciferol 5,6-trans-25-Hydroxycholecalciferol positive Calcium-Bilanz herstellen (1 g elementares Calcium pro Tag)
-*
1,25-Dihydroxycholecalciferol
-
totale Parathyreoidektomie (Autotransplantation von Nebenschilddrüsengewebe)
idismus wird bel Dialysebeginn durch den Caiciumgehalt des Dialysates (10, 15) ermöglicht. Der notwendige Cale!umgehalt des Waschwassers ergibt sich aus der individuellen Knochensituation des einzelnen Patienten. Ob Magnesium 1m Dialysat günstig Ist oder nicht, muß derzeit offenbleiben. Orale Calciumzugabe In der Prädialyse kann die Osteo-
kiasie und Endostfibrose nicht beeinflussen.
Eine Besserung oder gar Heilung dçs Hyperparathyreoldismus kann mit dem aktiven Vitamin-D-Metaboliten 1,25-Dlhydroxycholecalciferol möglich sein (1, 12, 13). Bel alleiniger Minerallsationsstörung Ist die Verbindung wirkungslos, früh tritt bei geringster Dosis bereits eine Hypercalcmie (1, 12, 13) auf. Eine Besserung der Minralisatlonsstörung (Osteoidose nach Delling) tritt durch eine positive Calciumbilanz (1 g elementares Calcium oral pro Tag) nur selten ein. Dagegen verbessert das Vitamln-D-Analogon 5,6-trans-25Hydroxycholecalciferol über eine aktive intestinale und ossäre Caiciumaufnahme (6) die Mlneralisatlonsstörung (9). Auch bei Höchstdosierung dieser V&r10000 EId) ist ene HyperbIndung
sekundren
caicämle seiten, eine Stimulation des Knochenumbaus jedoch möglich (9). Das Minerailsatlonshormon 24,25-Dihydroxycholecalciferol (7) wird neben 1 ,25-Dihydroxychoiecalciferol als zwei-
$ 03.00 © 1978 Georg Thieme Publishers
ter Vitamin-D-Metaboiit in der Niere Behandlungsergebnisse synthetisiert. beim Menschen stehen wegen Substanzmangels noch aus. Eine Heilung der re-
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Praxis-Forum
Nr. 51, 22. Dezember 1978, 103. Ja.
Sthulz: Therapie der renalen Osteopathic
nalen Osteopathic Ist aus der kombinierten Behandlung mit beiden Verbindungen zu erhoffen.
In der Behandlung schwerer Formen der renalen Osteopathie (ausgeprägter Mischtyp aus sekundärem Hyperparathyreoidismus und Mineralisationsstörung) stellt 1,25-Dihydroxycholecalciferol einen wesentlichen Fortschritt dar. Innerhalb eines halben bis eines Jahres verschwindet die Fibroosteokiasie (13), es kommt zur »chemischen Parathyreoidektomie«. Weniger Nebenwirkungen und eine bessere Steuerbarkeit
Deutsche Medizinische Wochesdsrift
Tab. 2.
Differenzierte
Histologie Typ I a, I b
calcämie 1,25-Dlhydroxycholecalciferol nicht eingesetzt werden.
Typ II a, II b, III a
dismus variiert. Frühbehandlung und rechtzeitiger Beginn der Dialyse haben ausgeprägte Osteokiasie und Endostfibrose abnehmen lassèn. Die Suppression des Hyperparathyreoldismus steht daher nicht mehr so im Vordergrund wie frü-
Aluminiumhydroxid,
Typ Ill b
Typ Ill
C
Osteopenie
Alu miniumhydroxid, 1,75*_1,9 mmol/l Dialysat-Calcium und orales Calcium, 1 ,25-Dihydroxycholecalciferol (niedrig dosiert)
Aluminium hydroxid, 1,9-2.0 mmol/I Dialysat-Calcium, 1 ,25-Dihydroxycholecalciferol (hoch dosiert), Parathyreoidektomie [persistierende Hypercalcämie, klinischer Verlauf (Calcitonin?)] 1,4*_1,5_1,65 mmol/l
Dialysat-Calcium. Natriumfluorid, Vitam in-D-A n a log e
bzw. -Metabolite
* individuelles Bad-Calcium (Histologie), eventuell Nachkorrektur nach 3-6 Monaten
Vitamin-D-Metaboliten 1,25-Dihydroxycholecalciferoi (Ro 21-5535, Calcitrlol®) unterschieden werden.
schwerer Osteopathic mit histologisch
mit 1,9-2,0 mmol/i Dialysat-Calcium begonnen werden. Nach einem halben
Jahr muß eine knochenhistologische
Untersuchung vorgenommen werden, um das Dialysat-Calcium einer dann wahrscheinlich gebesserten Situation anzupassen. Bei rückgebildetem Hyperparathyreoidismus kann nämlich ein
kungslos. Hypercaicamlen treten bereits nach wenigen Behandlungswochen und bei geringster Dosis (zwischen 0,1 und caicämle auf. Deswegen ist 5,6-trans-25Hydroxycholecalciferol bei Mineralisa-
geworden. Ein Dialysat-Calcium von
erwarteter Progredienz des Leidens kann die Dialysebehandiung ausnahmsweise
darauf, daß die Verbindung jetzt auf eine prophylaktische Dosis (zwischen 0,1 und 0,5 ig/d) beschränkt werden muß. Bei Osteoldose (Typ II a und II b nach Delling) Ist das Mittel meist wir-
0,5 tg/d) als sogenannte frühe Hyper-
hohes Bad-Calcium Ist dagegen häufiger
Hyperparathyreoidismus indiziert. Bei
handlung stark erhöhten alkalischen Phosphatase dient als wichtiger Hinweis
Dialysat-Calcium und orales Calcium, Vitamin-D-Analoge
her. Die Gefahr einer Knochenstoffwechselinaktivierung durch relativ zu 1,65 mmol/l dürfte oft genügen, ein angehobener Calciumgehalt von 1,75-1,9 mmol/l Ist nur noch bei ausgeprägtem
Monaten eine »späte« Hypercalcamle auf. Die Normalisierung einer vor Be-
1,65*_1,75 mmol/l
(24,25-Di hydroxy-
Jeder Knochentyp erhält seine spezielle Therapleanweisung (Tabelle 2). Das Grad des sekundären Hyperparathyreoi-
Aluminiumhydroxid,
cholecalciferol)
Differenzierter Therapieplan
Dialysat-Calcium wird je nach dem
Therapie
Dialysat-Calcium (orales Calcium)
minierender Mineralisationsstörung soll-
te wegen Nebenwirkungen wie Hyper-
der
1,65*_1,75 mmol/l
(kurze Halbwertszeit) als bel hochdosier-
ter Vltamin-D-Therapie (14) sind vorteilhaft. Die Indikation zur operativen totalen Parathyreoidektomie mit Autotransplantation von Nebenschilddrüsenteilgewebe am Unterarm (5) ist eingeschränkt. Bei geringgradigem sekundärem Hyperparathyreoidlsmus sowie do-
Behandlung
renalen Osteopathie (nach der histologischen Klassifikation von Delling)
Behandlung mit 1,25-Dihydroxycholecalciferol Neben häufigen Serum-Caiciumkontrollen (Ca0 und zunächst in wöchentlichen, später vierwöchentlichen Abständen) Ist auf eine exakte Aluminiumhydroxid-Einnahme zu den Mahlzei-
ten zu achten. Sonst überschreitet das
tIonsstörung besser geeignet; mittlere tägliche Dosen liegen zwischen 4000 und 10000 E/d. Komplikationen der renalen Osteopathie
Wir unterscheiden zwischen parathormonabhängigen (primärer Hyperparathyreoidismus mit NiereninsuffizIenz, sekundärer bis tertlärer [autonomen Hyperparathyreoidismus) und parathormonunabhängigen Ursachen. Wegen
der Häufigkeit medikamentöser Ursachen Ist immer eine erschöpfende Mcdi-
kamentenanamnese notwendig. Neben Vitamin D, seinen Analogen und Mcta-
boliten Ist auf Muitivitamine mit VItamin-A-Zusatz zu achten. Vitamin A kumuliert bei Niereninsuffizienz, über eine osteozytäre Osteoiyse kommt es zur Hypercalcämie (11). Antiacidotlka, Ketoanaioge und Kationenaustauscher können durch ihren Calciumgehalt eine Hypercalcämie auslösen. Ein Hartwasser-Syndrom (4, 10) Ist dialyse-induziert und kann durch Beseitigung der Ursachen (Defekte oder Wartungsfehler an der Wasseraufbereitungsanlage) behoben werden. Die Calciumphosphat-Gicht (3, 10) kann neben mangelnder Phosphatbinder-Einnahme auf Dialysatfehiern und einer »Calciphylaxle« beruhen. Strenge Diät (wenig Milch und Käseprodukte) und regelmäßige Einnahme von Aiuminiumhydro-
xid zum Essen lassen die Calciumphosphat-Ablagerungen abnehmen, selten ist eine Parathyreoidektomie indiziert.
Der Knochenschwund (Osteopenie) (10) kann auf Uberbehandlung (Knochenstoffwechseiinaktivierung durch zu
vorherrschenden Knochentyp sollte zwi-
Calcium-Phosphat-Produkt die kritische Grenze von 600 mg/i, und es entwickelt sich ein Hypercalcamie-Syndrom. Zwei Drittel aller Hypercaicämien, die durch 1 ,25-Dihydroxycholecalciferol ausgelöst
schen einer Behandlung mit den Vit-
werden, verlaufen stumm. Bei ausge-
amin-D-Analogen 5,6-trans-25-Hydroxychoiecalciferol (Delakmin®) und Dihydrotachysterol (AT lO®) sowie dem
prägter Fibroosteokiasie tritt unter hochdosierter 1,25-DihydroxycholecalciferolBehandlung (bis 2,5 1ig/d) erst nach
triumfluorid (2), gegebenenfalls in Kombination mit Vitamin-D-Analogen bzw.
weiterhin relativ hartes Dialysat über eine Knochenstoffwechselinaktivierung
eine Osteopenie auslösen. Nach dem
hohes Dialysat-Calcium), seltener aúf Corticolden
und
Ernährungsfaktoren
beruhen. Neben der Erniedrigung des Calciumgehaltes Im Dialysat kann Na-Metaboliten, wie bei Osteoporose eingesetzt werden.
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JI I'raxis-F'orum
Nr. 51, 22. Dezember1978, 103. Jg.
kation der renalen Osteopathic. Häufigkeit, Verlauf und Therapleansätze. Verh. dtsch. Ges. inn. Med. 82 (1976),
Durch die Transplantation kann ein sekundärer Hyperparathyreoldismus zum autonomen Hyperparathyreoldismus aktiviert werden, oder Folgen einer, organerhaltenden Corticoid-Therapie wirken sich aus (Osteopenie, Epiphysiolysis). Die Behandlung dieser Störung (5, 10) unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der bei chronischer Dauerdialyse. Eine Normalisierung der Nierenfunk-
1549.
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Privatdozent Dr. W. Schulz 3. MedizinIsche Klinik (Schwerpunkt Nephrologle) Allgemeines Krankenhaus 8600 Bamberg, Untere Sandstr. 32
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