Baedeker: Therapie des kardiogenen Schocks

Aktuelle Therapie

Deutsche Medizinische Wochenschrift

Redaktion: Prof. Dr. H. Hornbostel, Hamburg Prof. Dr. W. Kaufmann, Köln Prof. Dr. W. Siegenthaler, Zürich

Dtsch. med. Wschr. 103 (1978), 848-849 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Therapie des kardiogenen Schocks W. Baedeker I.

Medizinische Klinik rechts der Isar der Technischen Universität München (Direktor: Prof. Dr. BlOmer)

Der kardiogenë Schock entsteht durch eine Verminderung der mechanischen Herzleistung, die drei Ursachen haben kann: Herzrhythmusstörungen, mechanische Behinderung der Herztätigkeit, Verminderung der myokardialen Kontraktilität (zum Beispiel ais Folge eines Myokardinfarktes). Eine oder mehrere dieser Ursachen führen zu einer Verminderung des Herzzeitvolumens oft auf ein Drittel seines Ausgangswertes, zu einer durch Katecholaminausschüttung hervorgerufenen maximalen Kontraktion der Arte0012-0472/78

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rioien mit Gewebshypoxie und Acidose, die ihrerseits wieder zu einer maximalen Kapiliarerweiterung und Strömungsverlangsamung mit Separation von Plasma und korpuskulären Blutbestandteiien führt (4). kardiogenen Die Prognose des Schocks Ist günstig, wenn es gelingt, seine Ursache zu beseitigen, Das Ist bei einer mechanischen Behinderung der Herztätigkeit, zum Beispiel infolge eines Perikardergusses oder eines Hämoperikards, möglich, die durch Punktion oder Drainage beseitigt werden kann. Auch wenn der Schock durch eine Herzrhythmusstörung allein verursacht wird, Ist 1978 Georg Thieme Publishers

bei rechtzeitigem Eingreifen die Prognose günstig. ist eine kausale Therapie nicht möglich, wie beim Myokardinfarkt, so versucht man, an möglichst vielen Punkten in das pathophysiologi-

sche Geschehen einzugreifen.

Herzmassage Sie Ist die erste notwendige Maßnahme bei einem Kreisiaufstiiistand. Aber auch dann, wenn noch ein Minimaikreislauf vorhanden ist, der aber nicht zu meßbaren Blutdruckwerten führt, kann man durch eine asslstierende Herzmassage das Auswurfvoiumen und den Blutdruck steigern. Hierzu eignen sich am besten mit Druckluft oder Sauerstoff betriebene Geräte, die gleichzeitig die künstliche Beatmung übernehmen.

02-Zufuhr und künstliche Beatmung Eine zusätzliche 02-Zufuhr durch Nasensonde oder Maske ist in allen Fällen

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19. Mai 1978, 103.

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Jg.

angezeigt. Eine künstliche Beatmung Ist

meistens notwendig, besonders dann, wenn es zu einer hypoxischen Schädigung des Atemzentrums gekommen Ist oder wenn pulmonale Komplikationen zu einer respiratorischen Insuffizienz geführt haben. Die Untersuchung der Biutgase, die hierüber und über eine eventuell vorhandene Acidose Aufschiuß geben, Ist die wichtigste und sofort notwendige Untersuchungsmethode. Von verschiedenen Autoren wird die künstliche Beatmung ais generelle und in auen Fällen notwendige Behandiungsmethode empfohlen (2).

Ausgleich der Acidose Das nächste Ziel der Therapie sollte der Ausgleich der fast immer vorhandenen Acidose sein, da sie Rhythmusstörungen und die intravasale Gerinnung begünstigt und die Gefäßreaktion auf Katecholamine vermindert. Die benötigte Menge Bicarbonat richtet sich nach der Höhe des Basendefizits und beträgt im Mittel 250 ml einer 8,4%igen Lösung (x mmol Bicarbonat = Körpergewicht in kg 0,2 Basendefizit in mmol/l).

Stimulation der a- und -Rezeptoren Die Stimulation der a-Rezeptoren führt zu einer Biutdruckstelgerung, die der f3Rezeptoren zu einer Zunahme der Kontraktilität und zum Anstieg des Herzzeitvolumens sowie zu einer Dilatation der Gefäße. Dopamin besitzt beide Eigenschaften und Ist heute das Mittel der Wahl zur Behandlung des kardiogenen Schocks. Bei normaler Dosierung (150-250 tg/min) steht die f3-stimulIerende Wirkung im Vordergrund; es kommt zu einer Steigerung des Herzzeitvoiumens und der Koronardurchblutung sowie zu einer seiektiven Erweiterung der Nierengefäße mit Steigerung der Diurese, während die Muskeldurchblutung eher gedrosseit wird (5). Dagegen Ist die Wirkung auf die Erregbarkeit des Herzens und die Herzfrequenz gering. Bei höherer Dosierung (300 p.g/ min und mehr) wird die Stimulation der a-Rezeptoren mit Gefäßkonstriktion und Zunahme des peripheren Widerstandes, Steigerung des Biutdrucks und der Herzfrequenz wirksamer (2, 6). Ob das neuere Dobutamin bei der Behandlung des kardiogenen Schocks einen Fortschritt gegenüber dem Dopamin darstelit, Ist heute noch nicht zu übersehen. Im Gegensatz zu Dopamin fehlt beim Dobutamin die Erweiterung der Nierengeth.ße, das Herzzeitvoiumen steigt, während der Puimonalkapiiiardruck etwas abnimmt (3). Orciprenailn, das nur f3-stimulierende Eigenschaften ohne die selektive Wirkung auf Nieren-

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und Muskeidurchbiutung besitzt, wird verwandt, wenn eine gleichzeitige Steigerung der Herzfrequenz und der Erregbarkeit des Herzens gewünscht wird oder wenn die Situation so bedrohlich ist, daß ein Therapieeffekt innerhalb weniger Minuten erforderlich Ist.

nare Perfusionsdruck erhöht, andererseits die Nachbelastung des Ventrikels vermindert. Diese Methode kann in geeigneten Fällen die Prognose des kardiogenen Schocks entscheidend verbessern, erfordert aber einen beträchtlichen personellen und technischen Aufwand.

Voiumenzufuhr

Glykoside beim kardiogenen Schock einen günstigen Effekt haben, wird unterschiedlich beurteilt; die meisten Untersucher sahen keine Besserung der hamodynamischen Situation. Wahrscheinlich sind Glykoside um so wirkungsloser, je schwerer die Myokardschädigung ist. Von Steroiden in herkömmlicher Dosierung Ist kein Erfolg zu erwarten. In hohen Dosen (30 mg/kg Körpergewicht) haben Steroide einen starken vasodllatatorischen Effekt, der sich auf die Konstriktion der Arteriolen günstig auswirken kann. Im allgemeinen Ist aber der Dopamin-Effekt günstiger, so daß sich diese Therapie nicht durchgesetzt hat. Unklar ist heute noch, ob eine Besserung des schweren kardlogenen Schocks durch eine fibrinoiytische Therapie möglich ist, die theoretisch die intravasaie Gerinnung und die Blutviskosität herabsetzen könnte. Glucagon, das vor einigen Jahren als erfolgversprechende Substanz galt, hat die Prognose des kardlogenen Schocks nicht entscheidend verbessern können. Seit vielen Jahren werden auch Glucose-InsulinKalium-Infusionen zu Behandlung der schweren Myokardinsuffizienz empfoh-

Das Herzzeitvolumen hängt nicht nur von der Kontraktilität, sondern auch vom venösen Rückfluß ab, der auch beim kardiogenen Schock (allerdings nicht so häufig wie bei anderen Schockformen) durch Versacken des Blutes in den Kapillaren vermindert sein kann. In solchen Fällen findet man einen verminderten linksventrikuiären Füliungsdruck und einen verminderten Pulmonaikapillardruck. Der Puimonalkapiilardruck und der zentrale Venendruck stimmen beim kardiogenen Schock nicht immer überein, so daß der zentrale Venenkatheter zur Messung des Fuilungsdrucks nicht ausreichend Ist. Findet man also einen erniedrigten Puimonalkapillardruck, so kann die Volumenzufuhr die Schocksituation entscheidend verbessern. Es Ist jedoch Vorsicht geboten, weil man nicht voraussagen kann, wie das geschädigte Myokard auf das angebotene Volumen reagiert. Fortlaufende Kontrollen des Puimonalkapiliardrucks sind daher notwendig. Meistens Ist jedoch der Puimonaikaplilardruck beim kardiogenen Schock durch die verminderte Herzieistung erhöht und damit die Zufuhr größerer FlüssIgkeitsmengen kontraindiziert.

Nitrate Die intravenöse Zufuhr von Nitroglycerin zur Verminderung des linksventrikulären Füliungsdrucks Ist beim kardlogenen Schock im allgemeinen nicht günstig, da man während einer solchen Therapie mit einem weiteren Abfall des arteriellen Drucks rechnen muß. Es gibt jedoch protrahiert verlaufende Schockformen, bel denen Nitrogiycerin in kleinen Dosen zu keiner Anderung des arteriellen Drucks führt. In diesen Fällen ittßt sich manchmal eine günstige Beeinflussung erzielen.

Assistlerte Zirkulation

Unter den verschiedenen Methoden der mechanischen Krelslaufunterstützung (1) hat bis heute nur die intraaortale Bailonpulsation klinische Bedeutung erlangt. Durch Aufbiasen eines im thorakalen Abschnitt der Aorta descendens liegenden Ballons in der Diastole und Entleeren in der Systole wird der diastoilsche Aortendruck und damit der koro-

Maßnahmen von fraglichem Wert. Ob

len.

Trotz aller dieser Maßnahmen hat der schwere kardiogene Schock mit einem Herzindex unter 2 1/min x m2 und einem erhöhten linksventrikuiärn Füliungsdruck auch heute noch eine Letalltät von 90-100%. Bei höherem Herzindex oder normalem Füliungsdruck wird die Prognose günstiger. Literatur Bleifeld, W.: (1975), 77.

Assistierte Zirkulation. Med. Kiln. 70

Enenkel, W.: Fortschritte in der Therapie des kardiogeneo Schocks. Wien. kiln. Wschr. 88 (1976), 631. GIllespie, T. A., H. D. Ambos, B. E. Sobel, R. Roberts: Effects of dobutamine in patients with acute myocardial infarction. Amer. j. Cardiol. 39 (1977), 588. Neuhof, H., H. G. Lasch: Pathomechanismen der MIkrozirkulatlon im Schock. Med. Welt (Stuttgart) 23 N. F. (1972), 1057.

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Prof. Dr. W. Baedeker

Medizinische Klinik Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität 8000 München 80, Ismaninger Str. 22 I.

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[Therapy of cardiogenic shock].

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