1 6 3 6 Aktuelle

Diagnostik

&

Therapie

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115. Jg., Nr. 43

Therapie des Barrett-Ösophagus R. Ottenjann undH. Auer

Konservative Therapie Der Barrett-Ösophagus ohne Beschwerden oder Läsionen einer aktiven Refluxkrankheit und ohne Komplikationen wie Ulcus, Striktur oder Perforation muß nicht behandelt werden (27). Die konservative Therapie des BarrettÖsophagus mit Refluxkrankheit entspricht bezüglich der allgemeinen Maßnahmen und der Medikation derjenigen ohne Barrett-Ösophagus. Die allgemeinen Maßnahmen umfassen vornehmlich eine Hochlagerung des Oberkörpers um etwa 15 cm (30°), Gewichtsreduktion bei Übergewicht und das Vermeiden später Mahlzeiten; dadurch können Beschwerden gelindert und Medikamente gespart werden (14). Medikamente der ersten Wahl waren bisher die H Rezeptor-Antagonisten, die in derselben Dosierung wie bei der Ulcustherapie eingesetzt wurden: täglich 800 mg Cimetidin, 300 mg Ranitidin oder Nizatidin, 150 mg Roxatidin oder 40 mg Famotidin. Nicht in allen Fällen reichen diese Dosen aus, häufig müssen sie verdoppelt werden (6, 20, 31). Selten bleiben Barrett-Ulcera oder Nekrosen an der Epithelgrenze trotz Erhöhung der Dosis bestehen. Bei gering ausgeprägter Refluxkrankheit (Stadium I und II) kann auch das neuerdings verfügbare Prokinetikum Cisaprid (täglich viermal 10 mg) eingesetzt werden. Bei Kombination mit H -Rezeptor-Antagonisten kann deren Dosis reduziert werden (2, 10). Omeprazol, das die HCl-Sekretion der Parietalzelle wesentlich stärker hemmt als die H -Rezeptor-Antagonisten, beseitigt schneller und häufiger Refluxläsionen und ist selbst im Stadium III der Refluxkrankheit (zirkuläre Nekrose) wirksam; die übliche Dosis beträgt 2 0 - 4 0 mg und wird morgens verabreicht. Die im Tierversuch (Ratten) durch diese Substanz ausgelöste Hypergastrinämie und Hyperplasie der ECL-Zellen (»enterochromaffin-like cells«) der Magenschleimhaut bis zur Entstehung von Carcinoiden ist 2

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beim Menschen kaum zu befürchten (1). Dennoch sollte bei längerer Gabe die Serum-Gastrinkonzentration in mehrwöchigen Abständen kontrolliert und die Medikation bei Anstieg auf mehr als das Doppelte des Ausgangswertes unterbrochen oder beendet werden.

Rezidivprophylaxe Die medikamentöse Therapie zielt nicht nur darauf ab, die Beschwerden zu beseitigen und die Refluxläsionen zu heilen, sie soll vielmehr auch Rezidive und Komplikationen (Ulcus, Striktur, Perforation) verhindern. Eine Rezidivprophylaxe durch Dauertherapie mit H -Blockern gelingt meist mit der für die Akuttherapie erforderlichen Dosis; gelegentlich muß die Dosis aber erhöht werden. Das gilt auch für Omeprazol (17, 18, 22). Ob die Komplikationsrate durch die konservative Therapie gesenkt werden kann, ist noch unklar. Da die Refluxösophagitis in mehr als 80% nach Absetzen der Medikamente (H -Rezeptor-Antagonisten und Omeprazol) zu Rezidiven neigt, sollte die Frage der medikamentösen Rezidivprophylaxe in jedem Fall mit dem Patienten besprochen werden. 2

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Bei Strikturen wird die medikamentöse Behandlung durch Bougierungen ergänzt, die in Abständen von einigen Monaten wiederholt werden müssen. Am besten wirken nach bisherigen Erfahrungen konische Bougies (Maloney- und Savary-Bougies); spindelförmige Bougies erscheinen weniger wirksam (4, 15, 29). Neuerdings steht auch eine Bipolarsonde zur Elektrokoagulation bei Striktur zur Verfügung (16). Die akzessorische Behandlung bedeutet zweifellos für die Betroffenen eine erhebliche Belästigung, zumal sie meist in Abständen von Monaten wiederholt werden muß. Eine hochdosierte Medikation kann aber auch die Bougierungs-Intervalle verlängern (2).

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1. Medizinische Abteilung des Städtischen Krankenhauses München-Neuperlach

115. Jg., Nr. 43

Operative Therapie Die operativen Maßnahmen zielen auf eine weitgehende Reduktion des gastroösophagealen Refluxes (Fundoplicatio nach Nissen, Ösophagogastroplastik nach Belsey und posteriore Gastropexie nach Hill). Studien dazu lassen bezüglich des Therapieerfolges und der Letalität nicht so günstige Ergebnisse erkennen, wie sie für die operative Antirefluxtherapie bei Refluxkrankheit ohne Barrett-Ösophagus aufgezeigt wurden (5, 19). In einer der am besten dokumentierten und größten Studien der letzten Jahre von Skinner und Mitarbeitern (26) wurden anhand einer Reihe subjektiver und objektiver Kriterien in 84% gute Ergebnisse erzielt; die Autoren hatten keine postoperative Letalität zu beklagen. Bisher gibt es keine überzeugenden Ergebnisse, die annehmen lassen, daß Komplikationen des BarrettÖsophagus (Ulcus, Striktur, Perforation) durch operative Antirefluxtherapie verhindert oder die Komplikationsrate gesenkt werden kann (27). Wenngleich mehrere Autoren die Antirefluxoperation zur Karzinomprophylaxe empfohlen haben, so sind diese Empfehlungen doch kaum belegt. In einer Reihe von Publikationen wurde über das Auftreten eines Barrett-Karzinoms Jahre nach der operativen Antirefluxtherapie berichtet (3, 11, 13, 27), auch wenn die Kontrolle des pH-Wertes einen Erfolg der Antirefluxtherapie aufgezeigt hatte (13). Die Indikation zur operativen Antirefluxtherapie bei Patienten mit Barrett-Ösophagus ohne assoziierte Refluxläsionen und ohne Komplikationen bleibt daher fraglich. Verfechter der Möglichkeit einer Karzinomprophylaxe bei Barrett-Ösophagus vertreten die These, daß eine Therapie, die zur Regression der Zylinderepithel-Metaplasie führt, auch die Neigung zur Karzinomentwicklung reduzieren müßte. Ob die medikamentöse Therapie eine Regression der Zylinderepithel-Metaplasie bewirkt, ist fraglich; in entsprechenden Studien konnte die Regression nicht hinlänglich nachgewiesen werden. Neuere Berichte über eine Regression unter der Behandlung mit Omeprazol (8, 23) sollten in einer multizentrischen Studie überprüft werden. Die Berichte über eine Regression der Zylinderepithel-Metaplasie nach operativer Antirefluxtherapie sind widersprüchlich (7, 19, 24, 28). Brand und Mitarbeiter (3) sahen eine Regression bei vier von zehn Patienten mit Barrett-Ösophagus 1-11 Jahre nach Fundoplicatio. Pope (24) kommt nach eingehendem Studium bisher vorgelegter Publikationen zu dieser Frage zu dem Schluß, daß der BarrettÖsophagus nach einer Antirefluxoperation zurückgehen kann, daß aber eindeutige Belege dafür bisher nicht publiziert wurden. Die in den verschiedenen Studien vorgelegten Indizien sind methodisch häufig nicht beweiskräftig (zu wenige Gewebeproben vor und nach der Operation, ungenaue Lokalisation der Biopsien) oder sind möglicherweise eine mechani-

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sche Wirkung der Antirefluxoperation aufgrund der Verlagerung der Zylinder-Plattenepithel-Grenze nach distal.

Allgemeine Empfehlungen Patienten mit Barrett-Ösophagus ohne assoziierte Reflux-Ösophagitis und ohne Komplikationen wie Ulcus, Striktur und Perforation benötigen keine Therapie, solange nicht bewiesen ist, daß eine medikamentöse oder operative Therapie eine Regression der Zylinderepithel-Metaplasie bewirken kann. Diese Patienten sollten vielmehr jährlich endoskopisch kontrolliert werden; dabei sind jeweils mehrere Biopsien (in Abständen von 2 cm, 2—4 Biopsien) erforderlich (12, 30). Dysplasien und Karzinom sollten so erfaßt werden. Ist der Barrett-Ösophagus mit einer Reflux-Ösophagitis verbunden (potentiell progressiver Barrett), so ist eine intensive konservative Therapie (mit H -Rezeptor-Antagonisten oder in ausgeprägten Stadien mit Omeprazol) zwingend. Bei Strikturen muß zusätzlich bougiert werden. Eine operative Therapie (Antirefluxoperation) ist selten indiziert, kann aber in Betracht gezogen werden, wenn die konservative Therapie versagt oder Komplikationen auftreten, die nicht beherrscht werden können. Das ist aber bei Einsatz von Omeprazol selten der Fall. Werden beim Follow-up oder bei der initialen Untersuchung Dysplasien gefunden, die von zwei Pathologen unabhängig voneinander festgestellt wurden (25), so sind auf jeden Fall Kontrollen in Abständen von einem Jahr erforderlich. Bei einer schweren Dysplasie (»high-grade dysplasia«), die bei Kontrollen bestätigt wurde, empfehlen einige Autoren, vor allem bei multifokalem Auftreten, eine Operation mit der Entfernung des Teiles des Ösophagus, der vom Barrett-Epithel bedeckt ist (7, 27). 2

Im Hinblick auf die relativ hohe Operationsletalität und die Möglichkeit, daß eine schwere Dysplasie über Jahre bestehenbleibt, ohne daß ein Karzinom entsteht (12, 30), sind andere Autoren mit der Indikation zu einem operativen Eingriff in diesen Fällen zurückhaltend, besonders bei älteren Patienten (über 70 Jahre). Bei Barrett-Karzinom sollten vor der Entscheidung zur Operation alle diagnostischen Methoden eingesetzt werden (Endosonographie, Computertomographie). Bei zu weit fortgeschrittenem Tumorstadium kann ein operativer Eingriff vermieden werden. In diesen Fällen bleiben palliative Maßnahmen, wie Laser-Koagulation und TubusImplantation, Abtragung von Tumormassen mit der Elektroschlinge und Elektrokoagulation mit der Bipolarsonde. Eine Chemotherapie ist in diesen Fällen bei Barrett-Karzinom nicht indiziert, weil eine Wirksamkeit nicht zweifelsfrei aufgezeigt werden konnte.

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Barrett-Ösophagus

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24 Pope, C. E. II: Regression of Barrett's epithelium. In Spechler, S. J., R. K. Goyal (Ed.): Barrett's Esophagus. Pathophysiology, Diagnosis and Management (Elsevier: New York 1985), 224. 25 Reid, B. J., R. C. Haggitt, C. E. Rubin: Observer variation in the diagnosis of dysplasia in Barrett's esophagus. Hum. Path. 19 (1988),166. 26 Skinner, D. B., B. C. Walther, A. G. Little: Surgical treatment of Barrett's esophagus. In Spechler, S. J., R. K. Goyal (Ed.): Barrett's Esophagus. Pathophysiology, Diagnosis and Management (Elsevier: New York 1985), 211. 27 Spechler, S. J., R. K. Goyal: Barrett's esophagus. New Engl. J. Med. 315 (1986), 362. 28 Starnes, V. A., R. B. Adkins, J. F. Baiinger, J. L. Sawyers: Barrett's esophagus. A surgical entity. Arch. Surg. 119 (1984), 563. 29 Starck, E., V. Paolucci, M. Onneken, M. Herzer, J. McDermott: Konservative Behandlung von Ösophagusstenosen mit Ballonkatheter. Dtsch. med. Wschr. 110 (1985), 1025. 30 Tytgat, G. N. J., W. Hameeteman, R. Onstenk,, R. Schotborg: The spectrum of columnar-lined esophagus - Barrett's esophagus. Endoscopy 21 (1989), 177. 31 Wesdorp, I. C. E., J. Bartelsman, M. E. I. Schipper: Effect of long-term treatment with Cimetidine and antacids in Barrett's oesophagus. Gut 22 (1981), 724.

Prof. Dr. R. Ottenjann, Dr. H. Auer 1. Medizinische Abteilung Städtisches Krankenhaus Neuperlach Oskar-Maria-Graf-Ring 51 W-8000 München 83

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[Therapy of Barrett esophagus].

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