Deutsche Medizinische Wochenschrift

Knoop, Ewerbeck: Behandlung asphyktischer Früh- und Neugeborener

Redaktion: Prof. Dr. H. Hornbostel, Hamburg Prof. Dr. W. Kaufmann, Köln Prof. Dr. W. Siegenthaler, Zürich

Aktuelle Therapie

Dtsch. med. Wschr. 104 (1979), 1396-1398

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Behandlung asphyktischer Früh- und

kret angeschlossen, da bei einer Intubation Magensekret in den Rachen laulen

Neu geborener

und aspiriert werden kann. Gewarnt werden muß vor dem Auftreten einer

U. Knoop und H. Ewerbeck

reflektorischen Bradykardie und Atemdepression bis hin zur Apnoe, die bei jedem Absaugvorgang provoziert werden

Kinderkrankenhaus der Stadt Köln (Arzilicher Direktor Prof. Dr. Il. Ewerbeck)

können (5). Deshalb sollte das Absaugen nicht unnötig lange ausgedehnt werden.

Trotz aller Fortschritte in der Schwangerenvorsorge und modernen Geburtshilfe muß mit der Geburt asphyktischer Neugeborener gerechnet werden, wobei man unter Asphyxie einen schockartigen, le-

bensgefährlichen Zustand versteht, der durch einen Sauerstoffmangel des Neugeborenen im Verlauf der Geburt ausgelöst wird. Innerhalb weniger Sekunden muß dann notfallmäßig nur mit Hilfe Von Inspektion und Auskultation ein Überblick über das klinische Bild ge-

wonnen werden, wobei das BeurtelIungsschema nach Apgar (I) eine Minu-

te, fünf und zehn Minuten postpartal Hilfestellung leistet und zur Dokumentation und Beurteilung der Prognose geeignet ist. Je nach Schwere der Asphyxie kommen verschiedene Maßnahmen in Betracht.

Schutz vor Auskühlung Die Versorgung des Neugeborenen post partum erfolgt am besten in einem zugfreien Raum auf einem von zwei Seiten 0012-0472/79

1005 - 1396

zugänglichen

Versorgungstisch,

der

durch einen bereits vor der Geburt angeschalteten Wärmestrahler angeheizt wird. Da der Wärmeverlust des Neugeborenen durch Verdunstung des Fruchtwassers anfangs die größte Rolle spielt, wird das Neugeborene sofort mit der sterilen Unterlage zugedeckt und dieses Tuch nach Durchfeuchtung bald durch ein trockenes ersetzt.

Kommt die Spontanatmung danach nicht oder nicht ausreichend in Gang und wird eine künstliche Beatmung erwogen, sollte auch die Trachea abgesaugt werden, um nicht Schleim und Fruchtwasser in die Bronchien hineinzupressen. Die Schwierigkeit liegt darin, daß zunächst laryngoskopiert, dann ein

Trachealtubus eingeführt werden muß,

durch den dann der Absaugkatheter hindurchgeschoben wird, was je nach

Absaugen der Luftwege

Geschicklichkeit

des

Neonatologen

mehr oder weniger zeitaufwendig ist.

Um die oberen Luftwege von Fruchtwasser und Schleim zu befreien, wird unmittelbar nach der Geburt, noch auf dem Entbindungstisch, vor dem ersten Schrei des Neugeborenen der Mundraum mit einem Einmal-Mundabsauggerät abgesaugt, was gleichzeitig mit dem Abklemmen und Abtrennen der Nabelschnur erfolgen kann. Auf dem Versorgungstisch wird dann zusätzlich

Deshalb

auch der Rachen und dann die Nase abgesaugt. Bei asphyktischen Neugeborenen wird das Absaugen von Magense-

konsequentes tracheales Absaugen er-

$ 02.00 © 1979 Geor9 Thieme Publishers

wird bei ausgeprägter und (oder) bereits länger bestehender Bradykardie meist zunächst darauf Verzichtet, um möglichst ohne weiteren Zeitverlust

rasch Sauerstoff zuführen zu können. Wenn allerdings stark mekoniumhaltiblutiges oder gar eingedicktes Fruchtwasser vorliegt und das Neugeborene irgendeine Form der Atemstörung ges,

zeigt,

¡st in jedem Fall ein sofortiges

forderlich. Die beste Wirkung wird dann erzielt, wenn der Trachealtubus

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1396

[fl7 Praxis-Forum

selbst als Absaugkatheter verwandt wird und nach Intubation unter Sog sogleich wieder herausgezogen wird (4), was mitunter mehrfach wiederholt werden muß.

Sauerstoffbehandlung

ist postpartal die Spontanatmung zwar vorhanden, die Hautfarbe des Neugeborenen jedoch noch blaß und die Herzfrequenz noch unter 100/mm, so reicht häufig zur Behandlung eine Anreicherung der Atemluft mit Sauerstoff aus, etwa über eine offene Maske als Trichter. Optimal wäre es, auch bei der Primärversorgung den Sauerstoff anzu-

mungsdruck gewählt, so besteht die Gefahr von Alveolarrupturen oder gar eines Pneumothorax. Außerdem wird bei jeder Maskenbeatmung gleichzeitig der Magen aufgebläht, das Zwerchfell kann

hochgedrängt und die Lungenventilation erheblich, mitunter sogar entscheidend behindert werden. Deshalb ist es erforderlich, bei oder nach jeder Maskenbeatmung eine Magensonde zu legen, um Luft absaugen zu können oder bei geöffneter Sonde abfließen zu las-

zentrale Kinderabteilung, wird die mit Atemluft Sauerstoff angereicherte zweckmäßigerweise über eine Kopfhau-

be aus Plexiglas zugeführt. Besser ist es jedoch, das Neugeborene in einen zeitig

vorgewärmten Inkubator zu legen, da das Kind In entkleldetem Zustand besser zu beobachten ist und Veränderungen der Hautfarbe und der Atmung früher erkannt werden können.

Ausatemphase der Beatmung einen positiven Atemwegsdruck aufrechtzuer-

bei Inspiration + 15 bis + 25 cm H20, die Beatmungsfrequenz wird auf 40-60 pro Minute eingestellt. Eine exakt dosierbare PEEP-Beatmung ist selbst bei der Beatmung über einen Beatmungsbeutel möglich, wenn gleichzeitig ein spezielles PEEP-Ventil aufgesetzt wird.

Zugang gegenüber dem oralen der Vorzug gegeben werden sollte. Die sofortige Intubation ohne Beatmungsversuch

stofibehandlung notwendig, etwa bis zum Zeitpunkt des Abtransports in eine

wiederholen und erst dann mit einer rhythmischen Beatmung zu beginnen (7). Es hat sich außerdem bewährt, möglichst von Beginn an auch in der

muß intubiert werden, wobei einem

mem Durchmesser und dem nasalen

ist bei ausreichender Spontanatmung des Neugeborenen eine längere Sauer-

kunden lang, konstant aufrechtzuerhalten, diesen Vorgang gegebenenfalls zu

Respiratoren heute eingestellt werden kann. Die Beatmungsdrücke betragen bei Exspiration +2 bis +4cm H2O und

Austrocknen der Atemwege mit Schädi-

plasie (6).

mehrere Sekunden, etwa 5 bis 15 Se-

halten (PEEP), was bei den meisten

gung des Zillarepithels zu vermeiden. Reiner Sauerstoff ist nur bei Zyanose

konzentrationen auskommen können. Wird dann trotzdem noch reiner Sauerstoff verabreicht, droht eine Augenschadigung bis hin zur retrolentalen Fibro-

entfalten, erscheint es sinnvoll, den Druck des ersten Beatmungsstoßes über

Erst wenn die Maskenbeätmung einige Beatmungsstöße lang nicht zu ausreichender Spontanatmung geführt hat, röntgendichten Plastiktubus mit unifor-

Neugeborenen notwendig, nach Verschwinden der Blauverfärbung wird man meist mit reduzierten Sauerstoff-

ders des Frühgeborenen postpartal zu

sen.

feuchten und zu erwärmen, um das

des

'397

über die Gesichtsmaske Ist geboten, wenn der Zustand des Neugeborenen unmittelbar nach der Geburt extrem schlecht ist und die Symptome Apnoe oder seltenes Schreien oder Schnapp-

Parenterale Therapie

Wenn das Hautkolorit des Neugebore-

blaßgrau und der Muskeltonus

atemzüge, blaue oder blaßgraue Hautfarbe, fraglich vorhandene oder sehr langsame Herzaktion, Schiaffheit und Reaktionslosigkeit zusammentreffen. Nach erfolgreicher Intubation wird

nen

ein auf Trachealtubus und Beutel passender Adapter eingesetzt und zunächst über einen Beatmungsbeutel mit Sauer-

die Atmung zu überprüfen und eine

stoff beatmet. Eine Beatmungsmaschine

wird erst dann nötig, wenn die Beatmung über längere Zeit fortgesetzt werden muß. Um die primär atelektatische

Lunge des Neugeborenen und beson-

schlaff bleibt, obwohl die Herzfrequenz eindeutig über 100/min liegt, muß meist die

Diagnose eines Kreislauf-

schocks gestellt werden. Dann ist zuerst gleichzeitig

bestehende

Ateminsuffi-

zienz durch Sauerstoff oder Beatmung zu behandeln. Die nächste Maßnahme besteht darin, einen sicheren Zugang zum Kreislaufsystem zu erhalten, was mit dem Legen eines Nabelvenenkatheters meist rasch gelingt. Die Schnellig-

Tab. 1. Medikamente zur Versorgung asphyktischer Früh- und Neugeborener

Beatmung

Freiname

Randeisname

Dosierung

Applikationsweg

Weist das Neugeborene post partum

Albuminlösung

1-lumanalbumin

Einzeldosis 5-10 mI/kg

Nabelvenen-

Einzeidosis 1-3 ml/kg zusammen mit 5°/o Glucose

periphere Vene, Nabelvenenkatheter

80-120 ml/kg pro Tag

periphere Vene, Nabelvenenkatheter

keine Spontanatmung oder nur seltenes Schreien oder Schnappen auf, so Ist eine künstliche Beatmung mit Sauerstoff angezeigt. Man beginnt meist die Beatmung mit Hilfe einer Gesichtsmaske und eines Beatmungsbeutels, der mit einem Sauerstoffschlauch verbunden ist. Voraussetzung

für eine

erfolgreiche

Maskenbeatmung Ist, daß der Kopf des Neugeborenen mäßig stark zurückgedreht und der Unterkiefer leicht angehoben wird. Bei zu starker Reklination

Biotest 5°/o saizarm 50 ml

Natriumbicarbonat

Braun 8,4°/o 20 ml

Glucose-Lösung

Glucose-Läsung Braun 100/o 250 ml

Naloxon

Narcanti® neonatal 0,5 mI/kg, nach 2-3 min 1 Amp. = 2 ml = 0.04 mg Wiederholung

intramuskulär, Nabelvenenkatheter, periphere Vene

Vitamin K1

Konakion® 1 Amp. = 0,5 ml = 1,0 mg

Einzeldosis 0,25-0,5 mg/kg

intramuskulär

Orciprenalin

Alupent®

0,1 mg mit 8,4°/o

Nabelvenenkatheter intrakardial

des Kopfes droht ein Atemwegsverschluß (3). Die Beatmungsfrequenz beträgt 40-60 Atemstöße pro MJnute. Der auf den Beutel und somit auch auf die Lunge des Neugeborenen ausgeübte Druck sollte so bemessen sein, daß sich der Thorax leicht hebt. Wird im Streß einer Reanimation ein zu hoher Beat-

Natriumhydrogencarbonat

katheter, periphere Vene

I Amp. = 1 ml = 0,5 mg

Natriumbicarbonat auf 2 ml aufziehen

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Nr. 40, 5. Oktober 1979, 104. Jg.

Steuerrecht in der Praxis

keit des Vorgehens darf freilich dabei nicht auf Kosten der Sterilität gehen. Keineswegs immer läßt sich der Katheter über den Ductus venosus hinaus in die untere Hohivene schieben, sondern die Katheterspitze bleibt häufig im Bereich der Leberpforte hängen, wodurch bei Anwendung hochosmolarer Lösungen Thrombophiebitis, Lebernekrosen und portaler Hochdruck in späteren Lebensabschnitten drohen. Zur Bekämpfung eines Kreislaufschocks eignen sich

bei Neu- und Frühgeborenen salzarme Humanalbuminlösungen, 5%ig (Tabelle 1). Da meist noch keine pl-1-Werte und Blutgasanalysen im Entbindungszimmer zur Verfügung stehen, kann im Falle einer schweren und (oder) langdauernden

Asphyxie davon ausgegangen werden, daß eine Acidose vorliegt. Um die Gefahr einer Hlrnblutung durch Pufferung möglichst gering zu halten, empfiehlt

sich die Anwendung möglichst verdünnter Pufferlösungen über eine Kurz-

infusion, etwa mit Hilfe einer elektrischen Infusionspumpe. Wenn eine Dauertropfinfuslon fortgesetzt werden soll, wird am besten eine 10%ige Glucoselö-

sung verwandt, wodurch gleichzeitig

Deutsche Medizinische Wocheoschrift

allen asphyktischen Neugeborenen sowie allen Frühgeborenen und Kindern nach instrumentellen Entbindungen oder Sectio verabreicht.

Ein Notfalitransport ist immer dann nötig, wenn ein Neugeborenes eine so erhebliche Atemstörung aufweist, daß

eine künstliche Beatmung droht bzw.

Herzmassage

bereits erfolgt oder wenn ein Kreislauf-

Bei einer Bradykardie (< 100/mm) bei befriedigender

Pädiatrischer Notfalitransport

Belüftung der

Lunge

durch künstliche Beatmung über einen Trachealtubus und Verabreichung von 100% Sauerstoff wird eine äußere Herzmassage begonnen. Mittel- und Zeige-

finger einer Hand komprimieren das mittlere Sternum mit einer Frequenz von 100/min. Nach jeweils drei Kompressionen erfolgt ein Beatmungsstoß

schock vorlag bzw. vorliegt. Bis zum Eintreffen des Pädiaters sollten ein bereits gelegter Nabelvenenkatheter oder Trachealtubus zunächst liegen bleiben.

Wenn die Mutter Trägerin des RhMerkmals »d« ist, werden bei der Verlegung des Neugeborenen 10 ml mütterli-

ches Blut mitgegeben. Vor der Verlegung des Kindes ist die Identität des Neugeborenen zu überprüfen (2).

über den Atembeutel mit Sauerstoff, was nur mit Hilfe einer zweiten Person möglich ist. Wenn die Herzmassage

Literatur

nicht zu einem prompten Erfolg führt, wird ein Sympathomimetikum (Tabelle 1) über einen Nabelvenenkatheter oder

(I) Apgar, V., D. A. Holaday, L. S. James, I. M. Weisbrot, C. Berrien: Evaluation of the newborn infant. Second report.

auch intrakardial appliziert.

commendations for Hospital Cam of Newborn Infants

Asepsis

Dick, W.. F. W. Ahnefeld: Prim8re Neugeborenenreanimation (Springer: Berlin-Heidelberg-New York 1975).

Um die Gefahr einer frühzeitigen Infek-

Ewerbeck, H., R. Elert, V. Friedberg: Prophylaxe und Therapie perinataler Fruchtschäden. III. Symposion zwi-

tion des Neugeborenen zu vermeiden, werden bei der Primarversorgung Einmalkopfhaube, Einmalmundschutz und sterilisierter Kittel getragen. und die

Energie zugeführt und eine Hypoglykamieprophylaxe betrieben werden kann. Bei einer Atemdepression des Neugeborenen durch Morphinpräparate, die 2-4 Stunden vor der Geburt an die Mutter verabreicht wurden, lassen sich mit der Applikation eines Morphinantidots mitunter spektakuläre Erfolge erzielen. Allerdings steht auch hier die künstliche Beatmung im Vordergrund, um keine wertvolle Zeit zu verlieren. Vitamin K1

waschen. Alle benötigten Instrumente kommen nur desinfiziert zum Einsatz. Tuben, Katheter und Adapter sind steru. Nach jedem Gebrauch ist das gesamte Beatmungssystem wie Gesichtsmaske, Atembeutel, Sauerstoffschlauch und Schlauch- und Ventilsystem des Respirators mechanisch zu reinigen, zu

wird zur Blutungsprophylaxe (Tabelle 1)

desinfizieren und zu trocknen.

Hände mit einem Händedesinfizienz ge-

J. Amer. med. Ass. 168 (1958), 1985.

Committee on Fetus and Newborn: Standards and Re(American Academy of Pediatrics: Evanston 1977).

schen Gynäkologen und Pttdlatern 1967 (Thleme: Stuttgart 1967).

Fisher, D., R. E. Behrmann: Reanimation des Neugeborenen. In: Klaus, M. H., A. A. Fanaroff (Hrsg.): Das RisikoNeugeborene (G. Fischer: Stuttgart-New York 1978).

Schmitz-Valckeriberg, P., U. Knoop: Retrolentale Fibroplasle. Dtsch. med. Wschr. 102 (1977), 1303.

Stoll, W.: Die primäre ReanimatIon des Neugeborenen (Enke: Stuttgart 1975).

Dr. U. Knoop, Prof. Dr. H. Ewerbeck Städtisches Kinderkrankenhaus 5000 Köln 60, Amsterdamer Str. 59

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[Therapy of asphyctic premature and newborn infants].

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