Arztrecht in der Praxis Rechtsprechung . Aktuelle Mitteilungen . Problemf"alle Redaktion: Rechtsanwalt Dr. Hans-Jiirgen Rieger. Karlsruhe 41

Gesetzliche Krankenkassen fordern immer wieder Krankenhausentlassungsberichte von Arzten in Krankenhausern oder Praxen an. Sie wollen sich nicht mit der Angabe der Befunde oder anderer Informationen zufriedengeben, auch wenn diese fur die ijberprufung der Leistungspflicht ausreichen wurden (1). Sie stutzen sich auf die Bestimmungen des Sozialgesetzbuches V, das durch das Gesundheitsreformgesetz zustande kam (2). Als Rechtsgrundlage fur die Herausgabepflicht wird § 2 7 6 SGB V herangezogen, wonach die Krankenkassen verpflichtet sind, dem Medizinischen Dienst vdie fur die Beratung und Begutachtung erforderlichen Unterlagen vorzulegen und Auskiinfte zu erteilencc. Der Streit entzundet sich an den Worten >>erforderlicheUnterlagen und Auskunftecc. Was ist fur den Medizinischen Dienst erforderlich? Die Aufgaben des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen sind in 8 275 SGB V geregelt. An dieser Aufgabenstellung ist zu messen, welche Unterlagen und Auskunfte erforderlich sind, um diese erfullen zu konnen. An keiner Stelle ist gesagt, daB die Krankenkassen fur die Vorlage der Krankenhausentlassungsberichte a n den Medizinischen Dienst zu sorgen haben. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung in einem Bundesland hat einem Arzt gegenuber die Auffassung vertreten, er habe einen Anspruch auf Kenntnisnahme des Krankenhausentlassungsberichtes, der entweder beim Hausarzt oder im Krankenhaus angefordert werden musse. Er begrundet dies damit, daB der Gesetzgeber in 5 2 7 5 SGB V die Krankenkasse verpflichtet habe, dem Medizinischen Dienst die erforderlichen Unterlagen fur eine Beratung oder Begutachtung vorzulegen. Wenn der Medizinische Dienst der Krankenversicherung es im Einzelfall im Rahmen seines Begutachtungsauftrages fur notwendig erachte, musse der

Dtsch. med. Wschr. 116 (1991). 674-675 O Georg Thieme Verlag Stuttgart . New York

Krankenhausentlassungsbericht herbeigezogen werden. Demgegeniiber hat der Landesbeauftragte fur den Datenschutz Nordrhein-Westfalen in einem Schreiben am 1 5 . 5. 1 9 9 0 die Auffassung vertreten, daB das Anfordern von arztlichen Entlassungsberichten bei Krankenhausern durch Krankenkassen einen Eingriff in das aus Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes hergeleitete Recht des betroffenen Patienten auf informationelle Selbstbestimmung darstelle und, sofern nicht der Betroffene im Einzelfall schriftlich eingewilligt habe, einer gesetzlichen Grundlage bedurfe. Eine solche ist im Sozialgesetzbuch V nicht gegeben. Er weist darauf hin, daB nach § 2 9 4 SGB V die an der kassen- und vertragsarztlichen Versorgung teilnehmenden Arzte und die ubrigen Leistungserbringer lediglich befugt sind, die fur die Erfullung der Aufgaben der Krankenkasse notwendigen Angaben, die aus der Erbringung, der Verordnung sowie der Abgabe von Versicherungsleistungen entstehen, aufzuzeichnen und diese gemaB den nachstehenden Bestimmungen mitzuteilen. Er weist weiter auf 5 301 Abs. 1 SGB V hin, wo abschlieBend aufgezahlt ist, welche Angaben von Krankenhausern den Krankenkassen zu ubermitteln sind. Die Krankenhausentlassungsberichte sind hierin nicht enthalten, so dal3 keine Verpflichtung und auch keine Berechtigung zur Weiterleitung besteht. Der Niedersachsische Datenschutzbeauftragte hat sich mit Schreiben vom 5 . 9 . 1 9 9 0 ausdrucklich dieser Auffassung angeschlossen (3). Damit ist aus berufenem Munde bestatigt, daB die Herausgabe von Krankenhausentlassungsberichten an die Krankenkasse nicht verlangt werden kann, da diese Informationen enthalten, die iiber die fur den Medizinischen Dienst notwendigen Unterlagen und Auskunfte hinausgehen. Es bleibt dem Medizinischen Dienst unbenommen, die entsprechenden Fragen zu stellen und Befunde anzufordern, soweit die Erforderlichkeit fur die Begutachtung nachgewiesen wird.

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Herausgabe von Krankenhausentlassungsberichten an den Medizinischen Dienst

Arztrecht in der Praxis

DMW1991. 116. Jg.. Nr. 17

Es bleibt zu hoffen, daB Krankenkassen und Medizinischer Dienst sich bei der Anforderung von arztlichen Informationen auf das beschranken, was sie unbedingt brauchen.

Anmerkungen Hollmann, A.: Herausgabe von Krankenhausentlassungsberichten an Krankenkassen. Dtsch. med. Wschr. 114 (1989). 398. 2 Sozialgesetzbuch. funfter Band (V). Cesetzliche Krankenversicherung (SGB V) vom 20.12.1988 (BGBI. 1. S. 2477). 3 Niedersachsisches Arzteblatt. 64 (1991). 20. 4 siehe ~Empfehlungenzur Beachtung der arztlichen Schweigepflicht bei der Verarbeitung personenbezogener Daten in der arztlichen Berufsausubungcc. Dtsch. Arztebl. 79 (1982). 20. 1

Dr. jur. Angela Hollmann Berliner Allee 2 0 W-3000 Hannover

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DaB Mitarbeiter der Krankenkasse und des Medizinischen Dienstes einer besonderen Verschwiegenheitspflicht unterliegen, reicht fiir die Anforderung dieser patientenbezogenen Informationen nicht aus. Es handelt sich um verschiedene Rechtsbereiche, so daR auch zwischen den Personen und Institutionen die Schweigepflicht gilt und Weitergabe von Informationen nur mit besonderer Rechtfertigung erfolgen darf (4).

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[The transfer of hospital discharge reports to the Medical Service].

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