Langenbecks Arch. Chir. 344, 141-155 (1977)

t.angent s ks a irurgie © by Springer-Verlag1977

Ubersicht Das Stressuicus V. Schumpelick, K. Horatz und H. W. Schreiber Chirurgische Klinik und -Poliklinik der Universit~itHamburg, Abteilung fiir Allgemeinchirurgie (Direktor: Prof. Dr. H. W. Schreiber) und Abteilung fiir Anaesthesiologie (Direktor: Prof. Dr. K. Horatz), Martinistr. 52, D-2000 Hamburg 20, Bundesrepublik Deutschland

Stress Ulcera Summary. Stress ulcer means an acute mucosal lesion of the upper gastrointestinal tract in sick patients, who have not had gastroduodenal ulcer before. Most often stress ulcers follow big operations, burns and different types of shock. Complications as respiratory insufficiency, paralytic ileus or infections favor the ulcer formation. The average age is 53 years, males are more often affected. The main localisation is the proximal stomach, less frequently the lesions are located in the duodenum and terminal oesophagus. The macroscopic type is an erosion or a superficial ulceration, a solitary ulcer is typically situated in the duodenum. From the view of pathogenesis three factors are mainly involved: hydrochlorid acid, a disturbance of microcirculation due to shock and a duodenogastric reflux of bile acids and lysolecithin. Most frequent symptom is upper gastrointestinal bleeding, but more than 50% are symptomless. Medical treatment is successful in 60-70%. The surgical treatment of choise is vagotomy in combination with circular sature or resection. Prevention of shock or respiratory insufficiency, permanent gastric suction, early food administration and intragastral application of antacids and cholestyramin are the essentials of stress ulcer prophylaxis. Key words: Stress ulcer - Acute gastric mucosal lesion (AGML) - Gastric mucosal barrier-shock.

Zusammenfassung. Das Stressulcus ist die akute Schleimhautl~ision des oberen Intestinaltraktes, die im Rahmen einer Erkrankung oder deren Behandlung innerhalb von wenigen Tagen bei vorher magengesunden Patienten auftreten kann. Gef/ihrdet sind Patienten mit grol3en Operationen, Verbrennungen und verschiedenen Formen des Schocks. Begiinstigend wirken Komplikationen, wie respiratorische Insuffizienz, paralytischer Ileus und Infektionen. Das Durchschnittsalter betrfigt 53 Jahre, M~inner sind hfiufiger betroffen. Hfiufigster Manifestationsort ist der proximale Magen; seltener sind Duodenum und terminaler Oesophagus beteiligt. Makroskopisch finden sich meist multiple Erosionen und flfichenhafte

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V. Schumpelicket al. Ulcerationen, im Duodenum iiberwiegen die solit~iren Ulcera. Pathogenetisch sind im wesentlichen drei Faktoren beteiligt, die Salzs~iure, eine schockbedingte St6rung der Schleimhautmikrozirkulation und ein duodeno-gastraler Reflux von Gallens~iuren und Lysolecithin. H~iufigstes Symptom ist die Blutung, doch fiber 50% der Stressulcera verlaufen inapparent. 60-70% der Stressulcera kommen unter konservativen Maf3nahmen zur Ausheilung. Unter den operativen Verfahren dominiert die Vagotomie in Kombination mit Umstechung oder Resektion. Zur Prophylaxe dienen eine Vermeidung von Schockzust/inden und respiratorischer Insuffizienz, Magensaftdauerableitung, friihe orale Ern~ihrung und intragastrale Applikation yon Antacida und Cholestyramin.

Kaum ein Krankheitsbild bietet eine derart verwirrende Anzahl von Synonymen, kaum eines ist weniger eindeutig definiert als das des Stressulcus. Begriffe wie erosive bzw. h~morrhagische Gastritis oder Duodenitis, akutes Magen-Darm-Geschw~ir, Cushing-Ulcus, Curling-Ulcus, akute Magenschleimhautsch~idigung (ASS), acute gastric mucosal lesion (AGML) [39] u.~i.m, linden Verwendung zur Bezeichnung des gleichen Ph/inomens der sekund~ir auftretenden, akuten Schleimhautblutung des oberen Magen-Darm-Traktes im Rahmen einer anderen Prim/irerkrankung. Aus pathogenetischer Sicht l~il3tsich das Spektrum dieser Blutungen in mehrere distinkte Gruppen einteilen [38]: 1. Reaktivierte, latente chronische Magen-Darm-GeschwiJre; 2. pharmakologisch induzierte Magen-Darm-Geschwiire (Steroide, Acetylsalicyls/iure, Indomethazin, Butazolidin, Reserpin, Alkohol u.a.); 3. neurogene Magen-Darm-Geschwiire bei Tumoren, Traumen oder Operationen im Bereich des Stammhirns mit zentraler Sekretionssteigerung [12, 46]. Diese Ulcera werden nach ihrem Erstbeschreiber als Cushing-Ulcus bezeichnet [5]; 4. Magen-Darm-Geschwiire in der Sp/itphase ausgedehnter Verbrennungen, die mit gastraler Hypersekretion einhergehen und von ihrer Pathogenese und Lokalisation her Beziehungen zum chronischen Ulcus duodeni aufweisen [28]. Sie soUten weiterhin als Curling-Ulcus bezeichnet werden [4]. Begriffliche l]berschneidungen dieser Gruppe sind m/Sglich mit dem eigentlichen 5. Stressulcus, das nach verschiedenen Schockzust~inden unterschiedlicher Ursache auftreten kann. Definition

Unter dem Begriff Stressulcus versteht man eine akute Schleimhautliision des oberen Intestinaltraktes, die innerhalb weniger Stunden bis Tage nach einem adiiquaten Ereignis auftritt, so z. B. nach Traumen, Operationen, Verbrennungen, Erfrierungen, Allergien, Sepsen, Eklampsien, Myokardinfarkt u.ii.m. (s. Tabelle 1) [16,38]. Pathophysiologisch ist weniger ein ,,Stress" [13] - was auch immer man darunter versteht - als ein iiberlebter Schockzustand, gleich welcher Atiologie, das tertium comparationis der heterogenen Ursachen [10]. Die Schleimhautliisionen sind am hiiufigsten im proximalen Magen lokalisiert, selten in Oesophagus, Antrum und Duodenum. Sie treten meist multipel auf, sind eher oberfliichlich als tief, perforieren selten und bluten fast immer. Histologisch iiberwiegen Erosionen und fl~ichenhafte

Das Stressulcus Tabelle 1. Stressulcus-gef~ihrdeteSituationen

143 ausgedehnte Operationen Polytraumen Verbrennungen Erfrierungen Ertrinken cardialer Schock allergischer Schock hfimorrhagischerSchock septischer Schock hepatisches Korea Ur~imie Ekklampsie Malignome Cytostatica Immunsuppressiva-Therapie

Ulcerationen, tiefe Geschwfire sind selten. Die Bezeichnung "Stressulcus" ist damit in zweifacher Hinsicht unpr/izise, weder ein Stress noeh das histologische Bild eines Uleus ist den akuten Sehleimhautuleerationen gemeinsam. Pathophysiologisch treffender ware die Bezeiehnung Schockuleeration oder rein deskriptiv der angloamerikanisehe Begriff acute gastric mueosal lesion (AGML) oder akute Schleimhautsch~idigung (ASS) [39[. Historisches

Erste Berichte fiber Magenschleimhautgeschwfire nach Kriegsverletzungen finden sich bei A.C. Celsus (1.Jh. n.Chr.) in ,,de medicina". In der Neuzeit beschrieb J. Hunter 1792 [ 17] autoptisehe Magenm alacien als Folge intravitaler Erkrankungen. Beziehungen zwischen Verbrennungen und Magengesehwiiren wurden erstmals von J. Swan 1823, S. Cooper 1839 und schliel31ich von T. B. Curling 1842 [4] festgestellt. Hierbei handelte es sich fiberwiegend um tiefe Duodenalgeschwiire, die in der Sp~itphase von Verbrennungen auftraten und naeh heutiger Definition weniger als Stressulcus, denn als Curling-Uleus aufzufassen w~iren. Die Erstbesehreibung eines neurogenen Ulcus stammt von Rokitansky 1855, die Begriffspr~igung geht auf Cushing 1932 [5] zurfick. Eigentliche Stressulcera beschreibt erstmals 1832 Dupuytren bei einer Magd, die vor dem Feuer eingesehlafen war, ihren Verbrennungen erlag und bereits nach 48 Std multiple blutende gastrale Ulcerationen aufwies. Die Erstbeschreibung postoperativer Stressuleera stammt von Billroth 1867 [1], tier bei einem Patienten im Anschlul3 an eine Strumaoperation mehrere Magengeschwfire beobaehten konnte. V. Eiselsberg stellte 1899 [8] 8 Patienten mit einem postoperativen Ulcus vor. Diese Geschwfire waren wenige Tage nach abdominal-chirurgisehen Eingriffen aufgetreten, lagen racist multipel im Magen, bluteten stark und fiihrten bei einem Patienten unmittelbar zum Tode. Pathogenetiseh wurde von v. Eiselsberg bereits eine St6rung der Magensehleimhautdurehblutung mit Mikroembolisation tier Gefiil3e und konsekutiver Selbstverdauung dutch den Magensaft angeschuldigt. Die Begriffspr~igung "Stressulcus" basiert auf den von Selye aufgestellten Stresstheorien [33].

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Pathologische Anatomie Makroskopisch linden sich bereits wenige Stunden nach einem ad~iquaten Schockerlebnis im proximalen Magen runde, gelegentlich auch l~ingliche Abblassungen. Wenig sp~iter treten in diesem Bereich punktf/Srmige Blutungen oder Petechien auf, [21]. Nach 24 Std lassen sich bis zu 3 mm groBe Erosionen und petechiale Gewebseinblutungen nachweisen. Weitere 24 Std sp~iter linden sich bereits tiefere Defekte mit angeschwollenem Randwall. Gleichzeitig k6nnen sich die Schleimhautver~inderungen fiber Antrum, Duodenum und terminale Speiser6hre ausdehnen. Nach einigen Tagen erreichen die Schleimhautdefekte bis zu 2 cm Durchmesser, h~iufig ist die Konfluation kleinerer L~isionen zu gr6Beren Ulcerationen. Der lJbergang flacher Erosionen in Ulcera konnte verschiedentlich gastroskopisch dokumentiert werden [21, 46]. Offensichtlich korreliert die Zeitdauer des Einwirkens ulcerogener Noxen mit der Ausdehnung der Schleimhautl~ision. Durch systematische Anwendung postoperativer Gastroskopie ist es m6glich geworden, Schleimhautl~isionen bereits in Frtihphasen zu erkennen und zu behandeln, so dab die klinische H~iufigkeit tiefer Stressulcera zugunsten oberfl~ichlicher L~isionen deutlich abgenommen hat. Nicht selten ist die Kombination verschiedener Stadien der Schleimhautdefekte an unterschiedlichen Lokalisationen, so z.B. Erosionen des Magens bei gleichzeitigem Zw61ffingerdarmgeschwtir. Dabei finden sich multiple Ulcerationen eher im Magen, solitaire h~iufiger im Duodenum. Bei ~ilteren Patienten mit Insuffizienz des unteren Oesophagussphincters und/oder Hiatushernie ist die Quelle der Stressblutung h~iufig eine h~imorrhagische Oesophagitis. Histologisch lassen sich in der Initialphase ein umschriebenes Schleimhautoedem mit defektem Oberfl~ichenepithel und Erythrodiapedesis nachweisen [21]. Die Ver~inderungen reichen meistens nur bis zur Tela muscularis mucosae, d. h. iiberwiegend liegen Erosionen vor. Eine Beteiligung tieferer Wandschichten ist bei l~ingerem Verlauf m6glich, Uberschreitung der Serosa mit Perforationen werden selten und dann vor allem im Duodenum oder noch seltener im terminalen Oesophagus beobachtet [5]. Begleitbefunde sind entztindliche Ver~inderungen, gestaute Blutgef~iBe und Granulocytose. Eine Fibroblastenproliferation fehlt in der Regel, sie tritt gelegentlich in Sp~itphasen hinzu. Schleimhautl~isionen verschiedenen Alters liegen h~iufig dicht nebeneinander.

Pathogenese Die pathogenetischen Zusammenh~inge der Stressulcusentstehung sind bis heute nur unvollst~indig bekannt. Als hypothetischer Mechanismus wird, wie auch bei anderen Formen der Ulcerogenese, eine Imbalanz zwischen aggressiven und defensiven Faktoren der Schleimhaut angenommen: Unter bestimmten Umst~inden kann es so in der Region des K6rpers mit der h6chsten Konzentration eiweiBspaltender Fermente zum Zusammenbruch der Schutzmechanismen mit konsekutiver Autodigestion der Schleimhaut kommen. Wenngleich unser Wissen liickenhaft ist, lassen sich doch die wesentlichen Zusammenh~inge aufgrund zahlreicher experimenteller und klinischer Untersuchungen heute klarer darstellen [12,15,26,37,42] (s. Abb. 1). Als aggressiver Faktor par excellence gelten seit altersher Salzs~iure und Pepsin. Lange Zeit wurde vermutet, dab Stressulcerationen mit einer Hypersekretion ein-

Das Stressulcus

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J I ¢~L,.,~ .... ;-, I I .............. I

"STRESS"

L

JPylorusinsuffizienz J I Duodenater Reflux I

JSt6rung der I I Mikr°zirkutati°nl

Pankreasfermente Zerst6rung der Schteimhautbarriere I J H+-R(Jckdiffusion [ I

JSchleimhautsch~digung

Abb. 1. Pathogenese des Stressulcus

hergehen. Prospektive Untersuchungen der letzten Jahre lassen darauf schlieBen, dab das Sekretionsverhalten Stressulcus-gefiihrdeter Patienten eher norm- bis hypacid ist [40, 46]. Sekretionssteigerungen treten regelhaft nur beim neurogenen CushingUlcus oder beim Curling-Ulcus auf [22,43]. Fiir das Stressulcus stellt die Salzs/iure zwar einen obligaten, nicht aber ausschlief31ichen Faktor dar [38]. So gilt auch ffir die StressulcusoGenese das Schwartzsche Axiom,,Ohne S~iure kein Ulcus", Stressulcera bei gesicherter Anacidit~it wurden unseres Wissens bislang nicht mitgeteilt. Die pathogene Funktion der Salzs~iure beruht auf der aktiv aufrecht erhaltenen Potentialdifferenz zwischen intralumin~irer und interstitieller WasserstoffionenKonzentration des Magens. Dieser Konzentrationsunterschied yon fiber 6 ZehnerPotenzen wird normalerweise dutch die hochkomplizierte, energetisch anspruchsvolle Schleimhautbarriere aufrechterhalten [7]. Ihr Zusammenbruch fiihrt zum Konzentrationsausgleich mit Riickdiffusion von Wasserstoffionen in die Magenwand. Folge ist eine Mastzelldegranulation mit Histaminfreisetzung, Schleimhautfdem und Nekrobiose der Mucosa. Ausreichende Durchblutung, hoher cell turnover (500 000 Zellen/min) und intakter Mucinschutz gew~ihrleisten die Integrit~it der Schleimhaut [39]. Ein entscheidendes Moment fiir die Zerst6rung der Magensehleimhautbarriere ist daher die Minderdurehblutung. Galt bisher der Magen wegen des Fehlens funktioneller Endarterien als Organ mit geradezu unbegrenzter Durchblutungsreserve, so weig man aufgrund neuerer Untersuchungen, dab auch diese Kapazit~it begrenzt ist [26]. Im h~imorrhagisehen Schock lassen sieh am Versuehstier iseh~imische

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Schleimhautareale mit nachfolgender Nekrose unschwer reproduzieren. Experimentell konnten Seufert u. Mitarb. [35] eine Reduktion der Magenschleimhautdurchblutung im Schock yon bis zu 90% messen. Urs~ichlich ist eine Vasoconstriction infolge erh6hten Sympathotonus [35] und Ausschiittung vasoaktiver Amine [30] bei gleichzeitiger Offnung submuk6ser Shunts. Die Folge ist eine Minderdurchblutung der apikalen Schleimhautareale mit Amputation der DrfisenhSlse. Im weiteren Verlauf kommt es durch einen reaktiven Vagotonus zu Einblutungen und H~imorrhagien der Schleimhaut. Zusiitzlich l~iStsich eine Mikrothrombosierung der Gef~iBperipherie unter Schockbedingungen nachweisen, m6glicherweise handelt es sich hierbei um ein sekund~res Ph~inomen der Mikrozirkulationsst6rung. Den Untersuchungen Menguys [26] zufolge bedingt der Sauerstoffmangel eine Verarmung an energiereichen Phosphaten bis hin zum Zusammenbruch des gesamten Schleimhaut-Energiehaushaltes. Folge sind Verlust der Barrierenfunktion mit R/ickdiffusion von Wasserstoffionen und azidotischer Gewebesch~idigung. Unbeschadet der noch offenen Diskussion um den Stellenwert dieser Riickdiffusionstheorie herrscht fiber die Tatsache eines pathogenen Synergismus von Wasserstoffionen und Minderdurchblutung Einigkeit [10, 25]. Der Schock kann hierbei dem Stressulcus um Tage vorausgehen. Gelegentlichist die Zerst6rung der Schleimhautbarriere schon geschehen, bevor der Patient in iirztliche Behandlung gelangt [21]. AusmaB und Lokalisation der Isch~imisierung sind durch Gefiit3architektur und -status vorgegeben. Die Bevorzugung proximaler Magenareale und hier besonders die der kleinen Kurvatur, wird auf deren spezielle GefiiBarchitektur mit Fehlen submuk6ser Shunts zuriickgef/ihrt. Die Seltenheit eines Stressulcus bei Kindern und Jugendlichen [28] diirfte u.a. auch in der guten Durchblutungsreserve elastischer Gef~iBe ihre Ursache haben. - Die Tatsache, dab nicht alle Patienten, die nach 24 Std endoskopisch nachweisbare Schleimhautdefekte aufweisen, auch Stressulcera entwickeln, demonstriert die Regenerationskraft der Schleimhaut des oberen Verdauungstraktes. Die in der Folge des Schocks gesetzte isch~imische L~ision der Schleimhaut wird durch Insuffizienz defensiver Faktoren oder l]bergewicht agressiver Komponenten perpetuiert und ggf. sogar verst~irkt. Hierzu geh6rt eine mangelhafte Zellmauserung bei Katabolie, Immunsuppression oder Cytostatica-Behandlung, eine Mucusinsuffizienz, z. B. durch Vitamin A-Mangel und St6rungen der Polysaccharid-Synthese oder eine protrahierte Mangeldurehblutung. An aggressiven Faktoren unterhalten u.a. Salzs~iure und Pepsin die Ulcerogenese. GroBe Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang auch dem Reflux von Duodeninhalt in den Magen zu [2,13,31,42]. Aus klinischer Erfahrung ist bekannt, dab der Stressblutung h~iufig Erbrechen galligen Magensaftes vorausgeht. Bereits Cushing [5] besehrieb das gallige Erbrechen als Vorboten der Stressblutung. Wir selbst konnten unl~ingst an Stressulcus-gefiihrdeten Patienten einen um das Mehrfache der Norm gesteigerten duodeno-gastralen Reflux nachweisen [44]. Die fiberragende Bedeutung dieses Refluxes fiir die Stressulcus-Entstehung zeichnet sich zunehmend ab. Das macht es verst/indlich, dab Stressulcera h/iufig mit paralytischem Ileus verbunden sind (s. Tabelle 2). Im Tierexperiment l~iBt sich demonstrieren, dab eine Unterbindung des Ductus choledoehus oder des Pylorus weitgehend vor Stressulcera schiitzt [ 18]. Unter diesen Bedingungen werden nur kleine Faltenspitzen-Erosionen beobachtet, die spontan wieder abheilen. Appliziert man in diesem Modell aber intragastral Gallens~iuren, so lassen sich wiederum Stressulcera ausl6sen.

Das Stressulcus Tabelle 2. Stressulcus-gefiihrdendeKomplikationen

147 Respiratorische Insuffizienz paralytischer Ileus Niereninsuffizienz Peritonitis Hypalbuminiimie An~-nie Platzbauch Ikterus Abscesse Wundeiterungen

Die ulcerogene Wirkung der Gallens~iuren auf die Schleimhaut des oberen Intestinaltraktes ist gut untersucht [ 13,15, 20, 37]. Als starke Detergentien zerst6ren sie, ahnlich wie Aspirin oder Alkohol, die schiJtzende Schleimhautbarriere [34]. Ein Synergismus mit der Salzs~iure ergibt sich aus der Tatsache, dab das Wirkungsmaximum der Gallens~iuren aufgrund ihres pK-Wertes bei einem pH-Wert unter 5 liegt. Eine noch st~rkere ulcerogene Wirkung als die reinen Gallens~iuren hat das duodenale Gesamtsekret. Dies l~il3tdie Beteiligung anderer Faktoren des Duodenalsaftes diskutieren. In jiingster Zeit wird einem Spaltprodukt des Lecithins, dem Lysolecithin, vermehrt Beachtung geschenkt. Diese hochcytotoxische, als h~imolysierender Bestandteil des Schlangengiftes bekannte Substanz entsteht aus dem Lecithin durch Einwirkung der Pankreas-Phospholipase A. Die Reaktion wird durch Gallens~iuren und Trypsin katalysiert. Eine Zerst6rung der Magenschleimhautbarriere durch Lysolecithin konnte Davenport [7] nachweisen. Unter bestimmten Umst~inden, so auch unter Stressbedingungen, lassen sich hohe intragastrale Lysolecithinwerte beobachten [18]. Wir selbst konnten unl~ingst bei Stressulcus-gef~ihrdeten Patienten auf das Mehrfache der Norm gesteigerte Lysolecithinwerteim Magensaft-Aspirat finden. Die Ulcerogenit~it des duodeno-gastralen Refluxes diirfte daher nicht unwesentlich auf dem cytotoxischen Spaltprodukt Lysolecithin beruhen. Als weitere ulcerogene Faktoren werden Pepsin [38], 13-Glucuronidase [41] und andere Fermente des Duodenalsaftes diskutiert. Klinik

Stressulcus-gef~ihrdet sind alle Patienten, die im Rahmen ihrer Erkrankung oder deren Behandlung einen Schock erleben. Schellerer [40] konnte anhand einer prospektiven Studie nachweisen, dab ein erh6hter Schockindex und niedrige Hb-, HKT-, Albumin- und Calciumwerte zur Stressulcusentwicklung disponieren. Geh~iuft finden sich Stressblutungen nach groBen Operationen, vor allem nach Zweih/Shleneingriffen, Transplantationen, wie auch nach Polytraumen, starken Blutungen, Myokardinfarkt, Eklampsie, bei terminaler Niereninsuffizienz und u.~i.m. (s. Tabelle 1). Auch in Friihphasen von Verbrennungen und Erfrierungen, beim Ertrinken, nach Bestrahlungen, septischem und allergischem Schock, werden Stressulcera beobachtet. Als pathogenetisches Kuriosum berichtete Menguy iiber ein Stressulcus, das nach Blutung aus einem chronischen Ulcus duodeni auf der Basis des h~morrhagischen Schocks entstand [27].

148 "l'abelle 3. Stressulcus-Prim~irerkrankung

V. Schumpelicket al. traumatologisch allgemein chirurgisch kardiochirurgisch urologisch neurochirurgisch internistisch sonstige

20 15 8 5 4 4 3 59 Patienten

Doch auch kleinere Eingriffe und Traumen k6nnen mit Stressulcera einhergehen, so sie nicht komplikationslos verlaufen. Stressulcus-gef~ihrdende Komplikationen sind in erster Linie eine respiratorische Insuffizienz, septische Krankheitsbilder und der paralytische Ileus. St6rungen der Mikrozirkulation und spontaner duodeno-gastraler Reflux diirften die ulcerogenen Ursachen dieser Komplikationen sein. Als gef/ihrdet miJssen aul3erdem Patienten angesehen werden, deren Heilungsverlauf durch Niereninsuffizienz, Peritonitis, Abscesse, Wundeiterungen, Hypalbuminamie, An~imie, Platzbauch, Ikterus kompliziert ist (s. Tabelle 2). Dementsprechend ist das Krankengut wenig einheitlich, Stressulcus-gef~ihrdet sind letztlich alle schwerkranken Patienten unterschiedlicher klinischer Bereiche. Das Durchschnittsalter liegt um das 5. Dezennium, M~inner sind h/iufiger als Frauen betroffen. Im Erfahrungsgut unserer Klinik bei Notfall-Endoskopien wegen oberer gastrointestinaler Blutung vom 1.7.1973 bis 31.6.1976 linden sich 59 Stressblutungen, davon 35 Manner und 24 Frauen. Das Durchschnittsalter betr~igt 53,5 Jahre (8 bis 80 Jahre). Am h~iufigsten vertreten waren Patienten mit traumatologischen Erkrankungen (20real), gefolgt von allgemeinchirurgischen (15mal), kardiochirurgischen (8mal) und urologischen (5mal) (s. TabeUe 3). - Angaben zur H~iufigkeit des Stressulcus schwanken in der Literatur in Abh~ingigkeit von dem jeweiligen Patientenkollektiv und den diagnostischen Kriterien betr~ichtlich zwischen 0,2 und 25 % [16]. Bezogen auf die Patienten einer Intensivstation d~irften die Zahlen bei 5 bis 20% liegen [9, 38]. Hierbei ist jeweils davon auszugehen, dab nur 25 bis 50% aller Stressulcera klinisch apparent werden, d.h. bis zu 3/4 klinisch stumm bleiben. Die Symptomatik des nicht blutenden Stressulcus ist h~iufig uncharakteristisch. Schmerzen im Epigastrium, l~belkeit und V611egefiJhl finden allzuleicht andere Erkl~irungen. Dies gilt insbesondere fiJr Patienten mit abdominalchirurgischen Eingriffen, wo Wundschmerz und postoperative Magenatonie die Symptomatik vollst~indig iiberlagern k6nnen. Vorzeichen einer drohenden Blutung sind eine Zunahme der Magensaftmenge durch duodeno-gastralen Reflux mit Erbrechen galligen Sekretes. In der Friihphase der Blutung finden Sich h~iufig schwarze Blutbeimengungen, sog. ,,black flack" [21]. Klinisch besteht h/iufig ein paralytisches Ileus. In der Phase der Blutung finden sich die charakteristischen Symptome der oberen gastrpintestinalen H~imorrhagie mit Blutdruckabfall, Pulsanstieg, Absinken des Venendruckes, Hb-, Hkt-Abfall, Hypoxie u. ~i.m. Das diagnostische Mittel der Wahl ist die Endoskopie. Bedingung ist eine gute Ubersicht, Voraussetzung ist die Spiilung des Magens mit einer weitlumigen Sonde und mehreren Litern Eiswasser. Die Tatsache, dal3 die meisten Stressblutungen aus

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Das Stressulcus Tabeile 4 Stressulcus-Blutungsquelle (eigenes Krankengut)

erosive Gastritis 20 erosive Oesophagitis 10 Ulcus ventrikuli 9 Ulcus duodeni 5 erosive Gastritis u. Oesophagitis 5 erosive Gastritis u. Duodenitis 3 andere Kombinationen 7 59 Patienten

Tabelle 5. Stressulcus-Durchschnittsalter (eigenes Krankengut)

erosive Gastritis Ulcus ventrikuli Ulcus duodeni erosive Oesophagitis

46,7 49,0 49,8 63,3

(n = (n = (n= (n

20) 9) ~I} 1 (P < 0,01)

Erosionen und flachen Ulcerationen stammen, erkl~irt die unzureichende Aussagekraft der R6ntgenologie. Bei starkeren Blutungen kann gelegentlich die Angiographie weiterfiJhren. Haufigste Blutungsquelle sind Erosionen oder flache Ulcerationen der kleinen Kurvatur des proximalen Magens. Im eigenen Krankengut fand sich bei einem Viertel der Patienten eine Kombination verschiedener Lokalisationen (s. Tabelle 4). In 4/5 der F~ille war der Magen beteiligt. Haufigste Manifestationsform waren blutende gastrale Erosionen. Interessant war die hohe Zahl erosiver Oesophagitiden vor allem unter den traumatologischen Patienten, wobei es sich meist um ~iltere, bettl~igerige Patienten handelte. Als Ursache diJrfte ein insuffizienter unterer Oesophagussphincter mit Reflux von Duodenalinhalt bis in den terminalen Oesophagus angenommen werden. Das Durchschnittsalter dieser Patienten lag signifikant fiber dem derjenigen mit anderen Blutungsquellen (s. Tabelle 5). Wieweit es sich hi'erbei nur um altersspezifische Lokalisationsunterschiede des an sich gleichen Krankheitsbildes handelt, oder aber um ein eigenes Syndrom, l~il3t sich aufgrund unserer Untersuchungen nicht mit Sicherheit sagen. Vieles spricht fiir die erste Annahme, so nicht zuletzt die generelle Beobachtung einer Wanderung des Ulcusmanifestationsortes mit dem Alter nach oral. Therapie

a) Allgemein Die nicht blutende, nicht perforierte Stressl~ision sollte nach den allgemeinen Erfahrungen der konservativen Ulcustherapie behandelt werden. Wichtig ist die kurzfristige gastroskopische Verlaufsbeobachtung zur rechtzeitigen Erkennung einer Blutung. Eine gastroskopisch gesicherte Stressblutung bedarf der sofortigen Behandlung. Zun~ichst sollte ein Versuch mit konservativen MaSnahmen unternommen werden,

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da erfahrungsgem~iB 60-70~ aller Stressl~isionen hiermit zu beherrschen sind [9, 21]. Operative Interventionen sind somit in der Regel das Verfahren der zweiten Wahl, es sei denn, dab das Ausmag der Blutung oder eine Perforation das sofortige Eingreifen erforderlich machen. b) Konservativ Neben allgemeinen MaBnahmen, wie Blutersatz, gem~iB den Parametern des Kreislaufes und des roten Blutbildes, ausreichende Oxygenation und Magensaftableitung fiber eine Magensonde, stellt die Spiilung mit Eiswasser die wichtigste Magnahme dar. Lokale Vasoconstriction mit Thrombosierung arrodierter Gef~ige ist das intendierte Ziel. Gleichzeitig hat eine Kontrolle und ggf. Substitution von Gerinnungsfaktoren zu erfolgen. Zus~itzlich sollten Antacida zur Bindung der freien Wasserstoffionen gegeben werden.Wenngleich ausTierexperimenten bekannt ist, dab Antacida schockbedingte Schleimhautl~isionen kaum verhiiten k6nnen [35], schiitzen sie doch durch Bindung der Salzs~iure vor der Perpetuierung der Ulcerogenese. Simonian [36] konnte im klinischen Versuch bei blutenden Ulcera eine Senkung der Letalit~it durch hochdosierte Antacida-Gabe (bis zu einem gastralen pH-Wert yon 7) erreichen. Die S/iurereduktion scheint die Abheilung bei bereits bestehenden Ulcera giinstig zu beeinflussen. - Ein ~ihnliches Ziel wird mit der therapeutischen Gabe yon H2-Blockern (Cimetidine) angestrebt. Neben der Salzs~iuredepression um etwa 40% dfirfte sich die konkomittierende Steigerung der Schleimhautdurchblutung unter diesen Medikamenten, insbesondere in der Prophylaxe des Stressulcus als giinstig erweisen [35]. Eine erste klinische prospektive Studie von McDonald [23] zur Anwendung von Cimetidine bei blutenden Stressl~isionen scheint die in dieses Medikament gesteckten Erwartungen zu best~itigen. Eine weitere M6glichkeit der konservativen Behandlung Stress-bedingter Schleimhautblutungen besteht in der von Winawer [48] erstmals eingefiJhrten Behandlung mit Wachstumshormon. Als Wirkungsmechanismus wird eine Steigerung des cell turnover und des Anabolismus angenommen. Tabelle 6. Stressulcus-Therapie

a) konservativ: Eiswassersp/ilung Antacida Schockbehandlung Blutersatz O2-Insufflation (ggf. Intubation) (Anticholinergica, Cimetidine, STH evtl.) endoskopische Ver6dung oder Verschorfung Laserkoagulation Behandlung der gef~ihrdendenKomplikationen b) operativ: SPV mit Umstechung oder l]bern~ihung STV mit Hemigastrektomie evtl. TV mit 1]bern~ihung proximale Magenresektion Gastrektomie

Das Stressulcus

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Endoskopisch besteht die M/Sglichkeit, lokalisierte Blutungsquellen durch Unterspritzung mit sklerosierenden Substanzen zu veriSden oder elektrisch zu koagulieren. In jiingster Zeit werden erste erfolgversprechende Erfahrungen mit der Laser-Koagulation berichtet [11]. Kommt unter dieser Behandlung die Biutung nicht zum Stehen, hat der Patient z'ur Substitution mehr als 4 Blutkonserven in 24 Std verbraucht, ist eine Weiterfiihrung der konservativen Therapie nach allgemeinen Erfahrungen risikoreicher als der Versuch einer operativen Blutstillung.

c) Operativ Bei der Wahl des definitiven chirurgischen Vorgehens sollte man sich yon der Tatsache leiten lassen, dal3 die Blutung zwar lebensbedrohlich, ihre Ursachen aber von zeitlich begrenzter Dauer sind. Damit ist die Stillung der Blutung das oberste Ziel, die Beseitigung der ulcerogenen Faktoren nur insofern indiziert, als sie den Patienten unmittelbar durch ein Rezidiv-Ulcus gef~ihrden. Unter den operativen Verfahren kommt der Vagotomie hervorragende Bedeutung zu [9, 27, 39]. Neben der S~iuredepression gelingt hierdurch eine Senkung der Magenschleimhautdurchblutung/iber eine Offnung der submuk6sen Shunts. M6glicherweise liegt hier gleichzeitig die Ursache fiir die schlechten Ergebnisse der Vagotomie zur Prophylaxe des Stressulcus [32]. Die initiale Schleimhautisch~imie l~il3t sich durch Vagotomie- unter Einschlul3 einer Skelettierung der ohnehin gefiihrdeten A r e a l e - nicht verhindern. Hingegen ist die Ulcusabheilung bei vagotomierten Tieren deutlich beschleunigt [35]. Fiir die akute Blutung sollte die Vagotomie wegen ihrer durchblutungsdrosselnden Wirkung Bestandteil der operativen Therapie sein. Zur Zeit ist die Diskussion offen dariiber, ob eine zus~itzliche Hemigastrektomie, Ulcusiibern~ihung oder nur, wenn iiberhaupt, eine Pyloroplastik angefiigt werden sollte [9, 27, 39]. Wir haben die Erfahrung gemacht, dab die alleinige Vagotomie in der Regel nicht zur dauerhaften Blutstillung fiihrt und kombinieren sie daher entweder mit einer Ulcusumstechung oder - wenn n6tig - Resektion des betroffenen Magenabschnittes. Subkardiale Geschwiire k6nnen eine hohe Stufenresektion erforderlich machen. Der seltene Fall einer totalen, konservativ nicht beeinflu6baren erosiven Gastritis lal3t gelegentlich die Gastrektomie mit Jejunuminterposition zum letzten Ausweg werden. Wir selbst haben bei 18 wegen eines Stressulcus operierten Patienten nur in einem Fall eine Gastrektomie durchf/ihren m/issen. Bei unklarer Blutungsquelle sollte vor Festlegung der definitiven Therapie durch Gastro- bzw. Duodenotomie die Diagnose gesichert werden. Prognostische Angaben zum Stressulcus sind aul3erordentlich problematisch, da verl~il31icherandomisierte Studien fehlen und aus ethischen Griinden kaum zu verantworten sind. Die Angaben zur Operationsletalit~it, Gesamtmortalit~t und Quote der Rezidivblutungen schwanken zwischen 15 und 90% je nach Grundkrankheit, Blutungsquelle, Operationszeitpunkt, Verfahrenswahl und Patientenalter [16, 27, 39]. Wir selbst verloren 18 von 59 Patienten mit einem Stressulcus, davon allein 6 an einer rezidivierenden Blutung.

Prophylaxe Aufgrund der unbefriedigenden therapeutischen Ergebnisse ist eine wirkungsvolle Stressulcus-Prophylaxe unerl~iBliche Voraussetzung jeder Intensivbehandlung. All-

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V. Schumpelicket al.

Tabelle 7. Stressulcus-Prophylaxe

a) allgemein: Vermeidung und Behandlung von Stressulcus-gefiihrdendenKomplikationen (s. Tabelle 2) Magensaftableitung friihe orale Ern~ihrung friihe Mobilisation b) spezielL" Kombinationvon Antacida (z. B. Solu-Gastril®1 EB1./Std)und Cholestyramin(z. B. Quantalan 50® 1 g/Std) evtl. Vitamin-A (bis 400000 IE/Tag) Cimetidine Somatostatin Sekretin gemeinmal3nahmen zur Verhiitung des Stressulcus sind im wesentlichen (s. Tabelle 7) die Vermeidung und rechtzeitige Behandlung von Anfimien, Schockzustfinden, respiratorischer renaler Insuffizienz, Hypalbumin~imie, Ileuszust~inden, Infektionen und St6rungen des S~iure-Basen-Haushaltes. Wichtig ist auch die Magensaft-Dauerableitung, die friihe orale Emahrung und Mobilisation. An weiteren speziellen Mal3nahmen zur Verhiitung von Stressulcera wurden Medikamente mit unterschiedlichen Wirkungsmechanismen erprobt. Am bekanntesten ist der Versuch der Salzs~iurebindung durch intragastrale Applikation von Antacida. Wenn auch bekannt ist, dab nur ein Bruchteil der Salzs~iure wirklich neutralisiert wird, beruht die Wirksamkeit der Antacida-Gabe wom6glich auf einer Hebung des pH-Wertes in einen weniger ulcerogenen Bereich. )~hnlich wie in der Therapie des Stressulcus ergibt sich bei der Prophylaxe wom6glich auch ein Anwendungsfeld fiir H2-Antagonisten. Allerdings liegen derzeit noch keine klinischen Befunde vor, die die guten Ergebnisse der Tierexperimente best~itigten [19, 30, 41]. Die ulcerogene Wirkung des duodeno-gastralen Refluxes l~il3tsich dutch Gallens~iurebindende Pharmaka beeinflussen. Hierzu findet das aus der Therapie der Hypercholesterin~imie her bekannte Anionen-Kunststoffaustauscherharz Cholestyramin Verwendung. Dutch Bindung der Gallens~iuren wird hiermit ein zweifaches Ziel veffolgt, 1. Elimination der direkten ulcerogenen Wirkung [29] und 2. F6rderung der Metabolisierung des Lysolecithins in unsch~idliche Spaltprodukte [22]. Zur Begiinstigung der Gallens~iurenbindung empfiehlt sich eine Hebung des pH-Wertes durch gleichzeitige Antacida-Gabe. Wir haben mit dieser Kombinationsbehandlung bei insgesamt 60 Patienten bislang ausgezeichnete Erfahrungen gemacht [45]. An weiteren vorbeugenden Mal3nahmen wurde eine Stabilisierung der Magenschleimhautbarriere durch hochdosierte Behandlung mit Vitamin A-Pr~iparaten yon Chernov [3] empfohlen. Die Literatur zu d'iesem Thema ist wenig einheitlieh [35, 43, 47]. )~hnlich verh~ilt es sich mit den Erfahrungen mit Glucagon zur StressulcusProphylaxe. Die von Meeroff [ 14] am Modell der Ratte gemachten guten Ergebnisse konnten bislang klinisch nicht best~itigt werden, fSberdies macht die dem Glucagon eigene Senkung der Schleimhautdnrchblutung einen iiberzeugenden prophylaktischen Effekt nicht sehr wahrscheinlich. - Auch Somatostatin wurde versehiedentlich zur Stressulcus-Prophylaxe vorgeschlagen [24]. Der Wirkungsmechanismus soil auf

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einer S~iuredepression beruhen. Kontrollierte klinische Studien liegen unseres Wissens bis zur Z e i t noch nicht vor. A n weiteren P h a r m a k a wurden Serotoninantagonisten, Heparin, Alpha-Receptorenblocker, Sekretin u. ~i. m. mit recht unterschiedlichen Erfolgen erprobt. Die stabilsten Erfahrungen liegen u . E . mit dem erw~ihnten allgemeinen Mal3n a h m e n und der A n t a c i d a - G a b e vor. Eine zus~itzliche Gallens~iurenbindung durch Cholestyramin scheint die Ergebnisse eindrucksvoll zu verbessern. Mit Cimetidine zeichnet sich ein erfolgversprechendes neues Prinzip ab. U n b e s c h a d e t hiervon gilt, dab a m wenigsten Stressulcus-gef~ihrdet sicher der friihmobilisierte und ausreichend oral ern~ihrte Patient mit einem komplikationsfreien Heilungsverlauf ist. Zwischen ihm und dem schwerkranken Patienten unserer heutigen Intensivstation liegt ein grol3es Feld zahlloser St6rfaktoren, die die im streng definierten Tierexperiment gewonnenen Effahrungen zur Stressulcus-Prophylaxe nur allzuleicht relativieren k6nnen.

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