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Der Stoppa-Zugang zur Versorgung von Azetabulumfrakturen The Stoppa Approach for Treatment of Acetabular Fractures

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Zielsetzung: Der Stoppa-Zugang in seiner modifizierten Form ist ein intrapelviner Zugang zur Versorgung von Azetabulumfrakturen. Er ist eine Alternative zum ilioinguinalen Zugang. Das Ziel ist dabei die möglichst weichteilschonende Präparation, anatomische Reposition und stabile Osteosynthese. Hier wird der Zugang in allen Details mit Erweiterungsmöglichkeiten beschrieben. Indikation: Der Stoppa-Zugang wird insbesondere zur Versorgung von Frakturen des vorderen Pfeilers mit Verletzung der quadrilateralen Fläche, Querfrakturen, TFrakturen, aber auch 2-Pfeiler-Frakturen verwendet, wenn die Hauptdislokation in den vorderen Anteilen des Azetabulums liegt. Methode: Dieser intrapelvine Zugang erlaubt die direkte Sicht auf die quadrilaterale Fläche und die direkte Reposition dieser Fragmente. Dabei wird im Gegensatz zum ilioinguinalen Zugang auf die Präparation des 2. Fensters mit Darstellung der Gefäße verzichtet. Der Zugang erfolgt über einen Pfannenstiel-Zugang und mediane Durchtrennung der Linea alba. Die weitere Präparation erfolgt entlang des vorderen Schambeinasts und der Linea terminalis bis zur Iliosakralfuge. Schlussfolgerung: Der modifizierte Stoppa-Zugang ist ein weichteilschonender Zugang zur Versorgung von Azetabulumfrakturen, der mit entsprechenden Erweiterungen über das erste ilioinguinale Fenster ggf. mit Osteotomie der Spina iliaca anterior superior die Versorgung aller Frakturformen des Azetabulums erlaubt, deren Hauptpathologie ventral liegt.

Einleitung !

Der Stoppa-Zugang, der in seiner modifizierten Form heute für die Versorgung von Azetabulumfrakturen verwendet wird, wurde ursprünglich 1989 von Stoppa beschrieben [1]. Es handelt sich jedoch

eher um eine Hernienchirurgietechnik, der sog. „Stoppa procedure“ oder „Giant Prosthetic Reinforcement of the Visceral Sac“ (GPRVS), der bilateralen präperitonealen Netzplastik und weniger um einen eigentlichen Zugang [2]. Cole und Bolhofner [3] und später Hirvensalo [4] haben unabhängig voneinander diesen Zugang dann für die Versorgung von Azetabulumfrakturen erweitert und beschrieben. Der modifizierte Stoppa-Zugang erfolgt etwa 2 Querfinger oberhalb der Symphyse im Sinne einer erweiterten Pfannenstiel-Inzision mit Längsspaltung der Linea alba, während Stoppa et al. ursprünglich eine mediane Inzision beschrieben hatten. Der wesentliche Unterschied zum klassischen ilioinguinalen Zugang besteht darin, dass auf die Präparation des Leistenkanals und die Darstellung der Gefäße verzichtet wird. Der erweiterte Zugang erlaubt eine sehr gute Übersicht über die Symphyse, den gesamten vorderen Schambeinast, das Os ilium bis dorsal zur Iliosakralfuge und die quadrilaterale Fläche. Die meisten der Frakturen, die über einen ilioinguinalen Zugang versorgt werden und eine Exposition der vorderen Anteile des Azetabulums brauchen, können auch über diesen Zugang operiert werden [5]. Einige Autoren sehen in dem Stoppa-Zugang nach prospektiven Studien Vorteile für die Patienten durch eine weniger invasive Exposition des Azetabulums [6, 7].

Falldarstellung !

Die Darstellung des Zugangs erfolgt an einem Kadaverpräparat, um eine präzise Betrachtung der anatomischen Strukturen zu gewährleisten. Dargestellt sind auch die Möglichkeiten zur Anlage der Plattenosteosynthese auf dem vorderen Pfeiler bzw. als Abstützplatte zur Stabilisierung der quadrilateralen Fläche.

Operationsverfahren !

Der Operateur steht auf der Gegenseite des verletzten Azetabulums des Patienten. Der Patient wird in Rückenlage gelagert und das Bein der verletzten Seite frei beweglich mit abgewaschen. Um Zug auf den Hüftkopf aufzubringen, kann diese Lagerung auch auf einem Extensionstisch erfolgen. Nach Hautinzision etwa 2 Querfinger über der Symphyse wird die Linea alba zwischen den Bäuchen des M. rectus abdominis gespalten. Die Hautinzision kann dabei auch in Längsrichtung erfolgen, wenn beispielsweise bei gleichzeitig vorliegender intraabdomineller Verletzung oder bei ausgedehnter retroperitonealer Blutung eine Laparotomie vorangegangen ist. Als Erweiterung kann der Ansatz des M. rectus abdominis auf der verletzten Seite abgelöst werden. Nach Aufsuchen der Symphyse wird der prävesikale Raum (Spatium Retzii) dargestellt und die Blase mit einem breiten Spatel vorsichtig nach dorsal verdrängt. Entlang des oberen Schambeinasts wird das Periost abgeschoben und die Corona mortis aufgesucht und ligiert. Anschließend werden der N. obturatorius und die Vasa obturatoria entlang der quadrilateralen Fläche dargestellt [2]. Dann wird das Periost inzidiert und subperiostal mit dem CobbRaspatorium entlang der Linea terminalis nach dorsal präpariert. Entscheidend ist die richtige Position der Retraktoren. Dabei können Hohmann-Haken über den R. superior und in die Fossa iliaca gesetzt werden. Damit werden die Vasa iliaca externa nach kranial-lateral gehalten. Ein weiterer Hohmann-Haken oder spezielle Retraktoren, die mittlerweile für diesen Zugang zur Verfügung stehen, können dann nach kaudal vor oder auch hinter die Spina ischiadica platziert werden. Auf der Innenseite wird der M. obturatorius internus mit dem Periost zur vollständigen Exposition der quadrilateralen Fläche kaudal bis zur Spina ischiadica abgelöst, wobei die Retraktion der Vasa obturatoria und des N. obturatorius vorsichtig erfol-

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Zusammenfassung

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Abb. 1 Darstellung der Linea terminalis. Die Corona mortis ist bereits ligiert und es erfolgt die weitere Präparation und das Setzen der Retraktoren.

" Abb. 1). Hirvensalo et al. gen muss [2] (l [4] beschrieben den Zugang in Kombination mit dem 1. Fenster des ilioinguinalen Zugangs sowohl zur Versorgung von Beckenringverletzungen, wie auch von Azetabulumfrakturen. Die Reposition der

Abstract !

Objective: The Stoppa approach in its modified form is an intrapelvine approach for the treatment of acetabular fractures. It is an alternative to the ilioinguinal approach. Goals are the gentle soft-tissue preparation, anatomic reduction and stable internal fixation. Here, the approach is described in detail together with possible expansion possibilities. Indications: The Stoppa approach in particular is used for the treatment of fractures of the anterior column with participation of the quadrilateral surface, transverse fractures, T-type fractures, but also 2-column fractures when the main pathology is located in anterior portions of the acetabulum. Method: This intrapelvic approach allows a direct view of the quadrilateral

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Abb. 2 Korrekte Plattenlage entlang des oberen Schambeinasts bis zur Iliosakralfuge und als Abstützplatte für die quadrilaterale Fläche.

quadrilateralen Fläche kann über Zug des Femurkopfs entweder über einen subtrochantären Pin oder aber auf einem Extensionstisch durchgeführt werden. Die anatomische Reposition kann dann über einen Kugelspieß erfolgen und mit tem-

surface and the direct reduction of these fragments. In contrast to the ilioinguinal access the Stoppa approach dispenses with the preparation of the 2nd window with exposure of the vessels. The preparation is carried out via a Pfannenstiel access following transection of the median line alba. The further dissection is performed along the anterior pubic ramus, on the pelvic rim, towards the ipsilateral sacroiliac joint. Conclusion: The modified Stoppa approach is a soft-tissue-friendly approach for the treatment of acetabular fractures. With its options for expansion, possibility for osteotomy of the anterior superior iliac spine and the use of the first ilioinguinal window, almost all types of fractures of the acetabulum whose primary pathology is on the anterior side can be treated.

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porären K-Drähten gehalten werden. Zur Reposition des hinteren Pfeilers kann eine koaxiale Zange entweder über den eigentlichen Zugang oder nach Erweiterung über das 1. ilioinguinale Fenster platziert werden. Die Platten werden dann auf dem vorderen Pfeiler bzw. als ButtressPlatte intrapelvin zur Abstützung der qua" Abb. 2) [8]. drilateralen Fläche platziert (l Der Zugang kann auch durch eine Osteotomie der Spina iliaca anterior superior bis zur Linea terminalis noch erweitert werden. Damit gelingt es, insbesondere Impaktionen des Azetabulumdoms zu reponieren. Diese zeigen sich als „Seagull Sign“ [9] und können wesentlich für ein schlechtes Ergebnis nach Versorgung von Azetabulumfrakturen verantwortlich sein [10]. Nach Setzen der Schrauben und Einlage von Redon-Drainagen erfolgt der schichtweise Wundverschluss, wobei sorgfältig auf den Verschluss der Linea alba zu achten ist, um Hernien zu vermeiden.

Fazit !

Der Stoppa-Zugang ist eine geeignete Alternative zum ilioinguinalen Zugang, der eine weichteilschonende, schnelle Präparation zur Versorgung von Azetabulum-

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Der Link zum Video: http://tiny.cc/ zfou_video_5_2014 6

Interessenkonflikt: Nein W. Lehmann, F. Fensky, M. Hoffmann, J. M. Rueger Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

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Literatur 1 Stoppa RE. The treatment of complicated groin and incisional hernias. World J Surg 1989; 13: 545–554 2 Keel MJ, Bastian JD, Buchler L et al. [Anterior approaches to the acetabulum]. Unfallchirurg 2013; 116: 213–220 3 Cole JD, Bolhofner BR. Acetabular fracture fixation via a modified Stoppa limited intrapel-

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vic approach. Description of operative technique and preliminary treatment results. Clin Orthop Relat Res 1994: 112–123 Hirvensalo E, Lindahl J, Kiljunen V. Modified and new approaches for pelvic and acetabular surgery. Injury 2007; 38: 431–441 Isaacson MJ, Taylor BC, French BG et al. Treatment of acetabulum fractures through the modified stoppa approach: strategies and outcomes. Clin Orthop Relat Res 2014; Jan 14 [Epub ahead of print] Shazar N, Eshed I, Ackshota N et al. Comparison of acetabular fracture reduction quality by the ilioinguinal or the anterior intra-pelvic (modified Rives-Stoppa) surgical approaches. J Orthop Trauma 2014; 28: 313– 319 Ma K, Luan F, Wang X et al. Randomized, controlled trial of the modified Stoppa versus the ilioinguinal approach for acetabular fractures. Orthopedics 2013; 36: e1307–e1315 Schäffler A, Döbele S, Stuby F et al. [A new anatomical wing plate for osteoporotic acetabular fractures: biomechanical testing and first clinical experience]. Z Orthop Unfall 2014; 152: 26–32 Park MS, Yoon SJ, Park JH et al. The management of the displaced medial wall in complex acetabular fractures using plates and additional cerclage. Hip Int 2013; 23: 323– 329

10 Casstevens C, Archdeacon MT, dʼHeurle A et al. Intrapelvic reduction and buttress screw stabilization of dome impaction of the acetabulum: a technical trick. J Orthop Trauma 2014; 28: e133–e137

Bibliografie DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-1368601 Z Orthop Unfall 2014; 152: 435–437 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 1864‑6697 Korrespondenzadresse Prof. Wolfgang Lehmann Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Martinistraße 52 20253 Hamburg Tel.: 0 40/7 41 05 66 91 Fax: 0 40/7 41 04 01 06 [email protected] Kontaktadresse Mediathek Aesculap Akademie GmbH Am Aesculap Platz 78532 Tuttlingen Tel.: 0 74 61/95-11 32 Fax: 0 74 61/95-20 50 [email protected]

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[The stoppa approach for treatment of acetabular fractures].

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