Der seltene Fall multipler intraossärer Hämangiome

Fallvorstellung !

Bei einer 74-jährigen Patientin war in einem auswärtigen Krankenhaus aufgrund einer Arthrose eine Knie-TEP implantiert worden. Im Rahmen der präoperativen Vorbereitungen fielen im Röntgen des Thorax pathologische Veränderungen in Form scharf begrenzter, von einem sklerotischen, bizarren Randsaum umgebene Osteolyseherde an der 11. Rippe links, dem rechten Humeruskopf und im 9. Brustwirbelkörper auf. An Vorerkrankungen sind u. a. ein Diabetes mellitus Typ II, eine KHK, ein arterieller Hypertonus sowie zerebrale Ischämien bekannt, eine Tumorerkrankung war nicht bekannt. Aufgrund postoperativer Komplikationen wurde die Patientin zur weiteren Versorgung in unser Haus verlegt, sodass die Abklärung der genannten Befunde ebenfalls bei uns erfolgte. Eine Computertomografie des Thorax zeigte in der 11. Rippe links sowie im 9. Brustwirbel und im rechten Humeruskopf jeweils eine irregulär begrenzte und mehrsklerosierte Raumforderung, die bei zusätzlich auffälligem Mammabefund links und unspezifischen, etwas vergrößerten Lymphknoten axillär zunächst als osteoplastische Filiae bei V. a. Mammakarzinom gewertet wurden, differenzialdiagnostisch wurde auch ein knocheneigener Tumor, z. B. eine fibröse Dysplasie, in Betracht gezogen. Zur weiteren Abklärung erfolgten eine Mammografie und eine CT-gesteuerte Biopsie der Rippenläsion. Die Mammografie erbrachte einen unauffälligen Befund ohne Tumornachweis. Die histologische Aufbereitung des Biopsiegewebes aus der Rippe ergab leider keinen wegweisenden Befund, sodass zur endgültigen Diagnosesicherung eine Thorakotomie mit partieller Resektion der 11. Rippe links erfolgte. Das Rippenteilresektat ergab den Befund eines intraossären kavernösen Hämangioms ohne Atypien.

tom handelt, sondern dass diese auf dem Boden einer venösen Stase entstehen (Freyschmidt J. Knochentumoren, 2. Aufl. 2003, Springer, Berlin). Demnach entsprechen asymptomatische Hämangiome Ektasien ortsständiger Gefäße, die durch eine Rarefizierung der dort befindlichen Spongiosa entstehen. Anders verhält es sich selbstverständlich mit symptomatischen Hämangiomen, die Knochen destruieren und umgebende Weichteile infiltrieren. Histologisch wird zwischen kapillären und kavernösen Hämangiomen unterschieden, venöse Hämangiome sind aus-

nehmend selten, ebenso Fälle mit multilokulär auftretenden Skeletthämangiomen wie in unserem Fall. Bereits in 1927 konnte Schmorl (Freyschmidt J. Knochentumoren, 2. Aufl. 2003, Springer, Berlin) nach insgesamt 3829 Autopsien in 10 % der Fälle asymptomatische Wirbelkörperhämangiome vorwiegend an Brust- und Lendenwirbelsäule nachweisen, bei Töpfer (Zur Kenntnis der Wirbelangiome, Frankfurt. Z Path 1927; 36: 337ff) in 1928 waren es sogar 11,9 % in insgesamt 2154 Autopsien. Bei Dahlin (Dahlin DC. Bone tumors, 3 rd ed. Thomas, Springfield) fand sich bei histologisch gesicherten Hämangiomen neben der Wirbelsäule eine Häufung in der Schädelkalotte, seltener an den Rippen und im Humerus sowie an der unteren Extremität. Überwiegend kommen ossäre Hämangiome entweder metaphysär oder meta-/dia-

Abb. 1 Konventionelle Röntgenaufnahme der Schulter in 2 Ebenen: scharf begrenzte Osteolyseherde, umgeben von einem sklerotischen, bizarren Randsaum mit einer Größe von ca. 4,0 × 4,5 cm.

Diskussion !

Beim asymptomatischen Hämangiom wird angenommen, dass es sich nicht um eine echte Knochengeschwulst oder ein Hamar-

Abb. 2 Kontrastmittelunterstützte Computertomografie des Thorax: Die 11. Rippe links ist deutlich aufgetrieben, die Kortikalis ausgedünnt und deformiert, zystisch imponierende irreguläre Destruktion der Spongiosa. Honigwabenartige Deformierung mit randständigen Sklerosierungen.

Jungwirth S et al. Der seltene Fall … Fortschr Röntgenstr 2014; 186: 77–78 · DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0033-1350344

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Der interessante Fall

Der interessante Fall

Abb. 3 Computertomografie des Thorax, sagittale und transversale Rekonstruktionen im Knochenfenster: Netzartige Spongiosaverdickungen von BWK 9, die feinen Spongiosabälkchen sind verschwunden, die Veränderun-

physär vor. Frauen sind im Verhältnis 2:1 etwas öfter betroffen als Männer, ein relativer Altersgipfel von ca. 32 % liegt in der 5. Lebensdekade. Bei Kindern können z. B. im Rahmen einer Skolioseabklärung im Röntgen Hämangiome als Zufallsbefunde erkannt werden. Klinisch sind Hämangiome meist asymptomatisch, manchmal kann eine lokale Schwellung, z. B. an der Schädelkalotte, auffallen. In seltenen Fällen sind intraossäre Hämangiome mit kutanen oder subkutanen Hämangiomen vergesellschaftet, manchmal kann ein intraossäres Hämangiom auch durch eine Fraktur symptomatisch werden. An den Röhrenknochen stellen sich Hämangiome überwiegend in Form von scharf begrenzten Osteolyseherden dar, häufig von einem sklerotischen, z. T. auch „bizarren“ Randsaum umgeben, entsprechend einem Lodwick-Grad I A und B. Manchmal kann auch ein osteolytisch imponierender Defekt überwiegen, meist lassen sich aber innerhalb dieses Areals irreguläre Streifen, z. T. auch wabige Verdichtungen nachweisen. Periostale Begleitreaktionen treten

gen betreffen auch die Wirbelbögen. Deutlich vermehrte Sklerosierung und Volumenzunahme des Wirbelkörpers, ausgeprägte knöcherne Spinalkanalstenose durch expansives Wachstum des Wirbelkörperbefunds.

nur selten auf, gelegentlich allerdings können Röhrenknochenhämangiome auch extreme reaktiv-reparative Knochenneubildungen auslösen. Die Rippen, wie in unserem Fall, können ein spezielles Problem darstellen. Meist sind die betroffenen Rippen aufgetrieben, die Kortikalis ausgedünnt und deformiert, und oft finden sich Destruktionen, die eher an ein malignes Geschehen denken lassen. Die Prognose der Hämangiome ist an sich gut, Spontanremissionen sind beobachtet worden. Bei Beschwerdefreiheit ist eine Behandlung nicht erforderlich, bei eindeutigem bildmorphologischem Aspekt ist keine Biopsie notwendig. In unserem Fall war die Histologiegewinnung notwendig, da die Diagnose eines Hämangioms nicht sicher war und mehrere maligne Differenzialdiagosen ausgeschlossen werden mussten. Die Diagnose aktiver und symptomatischer Hämangiome erfolgt mittels MRT und CT. Diese Untersuchungen sollten insbesondere zur exakten Bestimmung der Ausdehnung, z. B. bei Beteiligung des Spinalkanals, erfolgen.

Sollte eine operative Versorgung nötig sein, kann präoperativ zur Minderung der Blutungsgefahr eine Embolisationsbehandlung durchgeführt werden, allerdings sind hier Rezidive häufig, da es oft nicht gelingt, alle versorgenden Arterien zu verschließen. Je nach Lokalisation, Patientenalter bzw. -anamnese und Bildmorphologie müssen mehrere Differenzialdiagnosen in Betracht gezogen werden. An der Schädelkalotte sind dies ein eosinophiles Granulom oder eine Dermoidzyste, an den Röhrenknochen ossäre Filiae, ein Plasmozytom, die fibröse Dysplasie, ein Lymphom, eine chronische Osteomyelitis, ein maligner Gefäßtumor oder ein nicht ossifizierendes Knochenfibrom. Das Röntgenbild des sog. Hämangiomwirbels ist so typisch, dass bez. der differenzialdiagnostischen Einordnung meist keine Probleme auftreten, im Zweifelsfall muss an einen Morbus Paget, eine Filia, ein Plasmozytom oder an einen Riesenzelltumor gedacht werden. S. Jungwirth, N. Zorger, R. Theurer, Regensburg

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[The rare case of multiple intraosseous hemangioma].

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