Kommentare Unfallchirurg 2014 · 117:560–561 DOI 10.1007/s00113-014-2582-7 Online publiziert: 6. Juni 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

M. Perl1, 3 · M. Münzberg2, 3 1 Unfallchirurgie, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau 2 Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen, 3 Junges Forum der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V., Berlin

Die Position des Funktionsoberarztes an deutschen Universitätskliniken Zum Beitrag Zum Beitrag: Histing T, Burkhardt M,   Rollmann M et al (2014) Funktionsoberarzt –   Pseudotitel oder sinnvolle Position?   Unfallchirurg 117:557–559

Die Ausführungen von Histing et al. beschäftigen sich mit der Fragestellung, inwieweit die Position des Funktionsoberarztes an deutschen Universitätskliniken sinnhaft ist oder nicht. Auch wenn offen bleibt, ob durch Studium der Internetseiten der deutschen Universitätskliniken die tatsächliche Anzahl der Funktionsoberärzte und damit die Bedeutung dieses neumodischen Konstruktes korrekt ermittelt werden kann, handelt es sich zumindest berufspolitisch gesehen um eine relevante Problematik. Richtigerweise wird angeführt, dass es sich bei einem Funktionsoberarzt weder hinsichtlich der klinischen Tätig- und Verantwortlichkeit noch mit Blick auf die gängigen Tarifverträge um eine wohldefinierte Position handelt. Die Definition des Oberarztes hingegen ist zunächst einmal im Tarifvertrag (§ 12 TV-Ärzte) geregelt: 1. „Oberarzt ist derjenige Arzt, dem die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik beziehungsweise Abteilung vom Arbeitgeber übertragen worden ist.“; 2. „Oberarzt ist ferner der Facharzt in einer durch den Arbeitgeber übertragenen Spezialfunktion, für die dieser eine erfolgreich abgeschlossene Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung fordert.“

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Der Bundesgerichtshof liefert mit seinem Urteil (BAG, Urteil vom 09.12.2009, 4 AZR 841/08) diesbezüglich noch weitere Ausführungen, so z. B. ein Aufsichts - und (teilweise eingeschränktes) Weisungsrecht hinsichtlich medizinischen Personals, inklusive eines Facharztes. Auch wenn diese Kriterien sehr verwaltungslastig definiert sind, so ergibt sich doch zumindest, dass bei Zutreffen eines dieser Kriterien eine Bestellung als „Funktionsoberarzt“ dem Tarifrecht widerspricht und eine Oberarztstelle zu gewähren ist. Interessanterweise widerspricht diese Definition der von Histing et al. zitierten (Fritsche [1]) entscheidend. So setzt das Kriterium 1 aus dem Tarifvertrag strenggenommen den Facharzt nicht als Oberarztkriterium voraus. Im alltäglichen Klinikbetrieb werden gängigerweise andere Begrifflichkeiten zur Abgrenzung zwischen Funktions­ oberarzt und Oberarzt herangezogen. His­ ting et al. sprechen bei einem Funktionsoberarzt von einem Facharzt, der selbstverantwortlich arbeitet und an die Tätigkeit eines Oberarztes herangeführt wird. Da man sicher auch Fachärzten selbstverantwortliches Handeln nicht absprechen kann, verbleibt jedoch als Begründung zur Beschäftigung von Seiten des Arbeitgebers letztendlich hier nur noch die Willensbekundung des Heranführens an die Oberarzttätigkeit, was gemäß oben genannter tariflicher Definition die Übertragung von Spezialfunktionen oder Verantwortung für Teilbereiche in Zukunft in Aussicht stellen würde. Inwiefern hierzu jedoch das Prädikat „Funktionsoberarzt“

notwendig oder hilfreich ist, bleibt zu diskutieren. Die zweite inhaltliche Beschreibung des Funktionsoberarztes als „Oberarzt ohne Planstelle“ hingegen ist richtigerweise inakzeptabel, da sie verwaltungstechnische Aspekte über klinische und arbeitsrechtliche stellt und somit nicht nur der persönlichen Karriere sondern v. a. der chirurgischen Eigenverantwortung widerspricht. Das versteckte Argument, dass ein Facharzt deswegen Funktionsoberarzt wird, damit er bei komplexen Eingriffen noch Hilfestellung von Seiten der Oberärzte erhalten kann (was er als Oberarzt nicht mehr könnte) entbehrt dem Selbstverständnis einer permanenten medizinischen Weiterentwicklung auf ­allen Funktionsebenen sowie dem kollegialen Teamapproach zur Optimierung der Patientenversorgung. In einer Klinik mit komplexem Versorgungsauftrag sind alle Funktionsebenen, auch die der erfahrenen Oberärzte, gut beraten, die Möglichkeit zur gegenseitigen Konsultation und Unterstützung wahrzunehmen, um das klinische Ergebnis stets zu optimieren. Somit ist auch diese Begriffsbestimmung nicht allein dem Funktionsoberarzt eigen. Unterm Strich bedeutet ab einem bestimmten Ausbildungsstand nur die Ernennung zum Oberarzt karriere- und arbeitstechnisch eine positive Bewertung der Arbeitsleistung durch den Klinikdirektor und eröffnet, neben größerem finanziellem Spielraum, die Option zur Weiterentwicklung der Karriere. ­Sollte diese Ernennung im Rahmen des persönlich gesteckten Zeitrahmens nicht er-

Lesetipp © Klaus Rüschhoff, Springer Medizin

folgen, so müssen hierfür die Gründe erörtert werden und eventuelle Alternativen in Betracht gezogen werden. Voraussetzung ist eine offene Kommunikation zwischen beiden Seiten. Die Ernennung zum Funktionsoberarzt scheint für keine der oben genannten Szenarien hilfreich zu sein. Sollten die Beteiligten dennoch diese Variante in Betracht ziehen, so bedarf sie, um nicht als personaltaktische Entscheidung missbraucht und verstanden zu werden, einer schriftlich fixierten Zielvereinbarung mit terminierter Option zur Oberarzternennung. Der Zeitrahmen sollte diesbezüglich sehr eng gesteckt werden.

Korrespondenzadressen Prof. Dr. M. Perl Unfallchirurgie, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau Prof.-Küntscher-Straße 8, 82418 Murnau [email protected] Dr. M. Münzberg Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen Ludwig-Guttmann-Straße 13, 67071 Ludwigshafen [email protected] Interessenkonflikt.  M. Perl und M. Münzberg geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur 1. Fritsche L (2007) Oberarzt-Einstufung: Kriterien erstmals klar geregelt. Dtsch Ärztebl 104(17): A1127/B-1007/C-959

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