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Pharmazie in unserer Zeit Klaus Rehse

Die medikamentose Beeinflussung der Blutgerinnung

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einem in sich geschlossenen Kreislauf. In diesem System wird das Transportmittel Blut umgewalzt, wobei das Herz als Pumpe fungiert. Die Anatomie des Kreislaufs zeigt schematisch die Abbildung 1.

Lunge

Lungenarterie

Lungenvene

rechtes

linkes

wGehirn

G Arterien

Venen

Niederdrucksystem

Hochdrucksystem Kapillarsystem

Abb. 1. Blutkreislauf (schematisch). Linke und rechte Herzhalfte sind hier getrennt dargestellt.

Das Blut dient bekanntlich im Korper als Transport- und Versorgungsmittel. So wird vom Blut in der Lunge Sauerstoff aufgenommen und in der erforderlichen Weise auf den Organismus verteilt. Die vom Darm resorbierten Substanzen werden den verarbeitenden Organen zugeleitet. Abbauprodukte werden der Niere zugefuhrt und uber dieses Organ ausgeschieden. Ein ausgeglichener Warmehaushalt des Korpers wird gewahrleistet. Die in dem Blut enthaltenen Leukocyten sind an der Abwehr korperfremder Substanzen - z.B. im Falle bakterieller Infekte - beteiligt. Die Aufzahlung dieser Aufgaben allein zeigt, daR das Leben schlechthin von einem geordneten Funktionieren dieses Systems abhangt. Normalerweise befindet sich das Blut in

Pharmazie in unserer Zeit 1 4. Jahrg. 1975 / Nr. 1

Sauerstoffreiches Blut wird von der Lunge durch die Lungenvene dem linken Teil des Herzens zugeleitet. Vom linken Teil des Herzens wird das Blut uber die Hauptschlagader (Aorta) in die Korperarterien gepumpt. Durch Verzweigungen erreicht es Herzkranz- und Gehirngefafle. In diesem Teil des Rohrensystems herrscht ein Druck von ungefahr 100 mm Hg. Es wird daher als Hochdrucksystem bezeichnet und ist durch rasche Stromung des Blutes charakterisiert. Nach Verteilung uber das Kapillarsystem stromt das Blut uber die Venen dem rechten Herzen zu. In diesem Teil des Kreislaufs herrscht ein Druck von etwa 10 mm Hg. Dies ist rnit geringeren Stromungsgeschwindigkeiten verbunden. Vom rechten Herzen wird das Blut nun wieder in die Lunge gepumpt. Dort wird es mit Sauerstoff beladen und gelangt dann wieder in die Lungenvene, womit der Kreislauf geschlossen ist. Normalerweise ist das Blut in der Lage, auch die GefaRe kleinsten Querschnitts zu passieren. Wird jedoch das Gerinnungssystem gestort, so kann es z.B. zur Bildung von Blutgerinnseln, den sogenannten Thromben kommen. Verstopfen diese das Gefaflsystem am Ort ihrer Bildung, so spricht man von Thrombosen. Werden sie jedoch in Gefaflen mit groi3em Querschnitt gebildet, so konnen sie mit dem Blutstrom in GefaRe kieinerer Querschnitte hineingespult werden. Man spricht dann von Embolie. Thrombotisch besonders gefahrdete Bereiche sind im arteriellen System die HerzkranzgefaRe und die Gehirnarterien, in denen Thrombusbildung zum Herzinfarkt bzw. zum Schlaganfall (Gehirnschlag) fuhren kann.

1

Ferner ist die Thrombusbildung in den Beinarterien gefiirchtet, da sie zur Nekrotisierung der betroffenen Gliedmaflen fiihren kann und damit haufig deren Amputation notig macht. Bilden sich im Bereich der Beinvenen Thromben aus, so konnen diese iiber das rechte Herz in die Lungenarterie gelangen und so zur Lungenembolie fiihren (10% Todesfalle). Diese Beispiele zeigen, dafl Dysfunktion des Gerinnungssystems im Sinne unerwiinschter Thrombenbildung fatale Folgen haben kann. Es ist daher verstandlich, dafl seit langem versucht wird, die Ursache dieser Gerinnungsstorungen zu erkennen und Mittel zu finden, u m sie zu beseitigen. Schon Virchow erkannte, dafl im wesentlichen 3 Noxen fur die Thrombusbildung ursachlich sind (Abbildung 2). In erster Linie vermogen Schadigungen der Gefaflwand die Gerinnung des Blutes auszulosen. Ferner wird die Thrombusbildung durch niedrige Stromungsgeschwindigkeiten besonders im Bereich funktionsuntiichtiger Venen sowie durch erhohte Eigengerinnbarkeit des Blutes gefordert. Eine kausale Therapie der Thrombose hatte also in der Behandlung und Besserung von Gefaflwandveranderungen und Rehabilitation geschadigter Venen zu bestehen. Trotz intensiver Forschung stehen bislang wirksame Pharmaka zur Bekampfung bereits eingetretener Gefaflschaden nicht zurverfiigung. Es bleiben daher nur die folgenden Moglichkeiten : Man kann versuchen, durch Vermeidung von Risikofaktoren (Abbildung 3) und rechtzeitige Behebung von Stoffwechselstorungen eine Gefaflschadigung a priori zu verhindern. 1st diese bereits eingetreten, so ist eine Behandlung und Prophylaxe nur iiber das schwachste Glied der Ursachenkette, namlich die Beeinflussung der intravasalen Blutgerinnung moglich. Abbildung 4 zeigt in der Obersicht, wie dabei vorgegangen werden kann. An der normalen Blutgerinnung sind korpuskulare Blutbestandteile, die Blutblattchen oder Thrombocyten, beteiligt. Physiologischerweise fiihrt ihre Aggregation bei der Verletzung eines Gefafles zur Abdichtung der Riflstellen. Verkleben die Blutpiattchen miteinander in unphysiologischer Weise, d. h. irreversibel, so kommt es zur Abschei-

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dung eines farblosen Thrombus an der Stelle der Gefaflschadigung.

der Erythrocyten dem Gerinnungsthrombus seine Festigkeit verleiht.

Auflerdem sind jedoch am Gerinnungsvorgang Bestandteile des Blutplasmas beteiligt. Sie bilden beim Gerinnungsvorgang unter Einschlufl von Erythrocyten die roten Thromben. Beide Vorgange sind, wie wir noch sehen werden, miteinander verkniipft und laufen oft gleichzeitig ab, so dafl haufig gemischte Thromben gesehen werden.

1st nicht die Gefaflinnenwand geschadigt, sondern das ganze Blutgefai3 durch Verwundung beispielsweise angerissen, so wird ein zweiter Gerinnungsmechanismus eingeleitet. Aus dem umliegenden Gewebe dringt Gewebethromboplastin ein, aktiviert die Gerinnungsfaktoren V, VII, X, die dann zusammen mit Calcium-Ionen die Gewebsthrombokinase bilden, welche dann auf nunmehr gleichem Wege wie die Blutthrombokinase die Plasmagerinnung bewirkt.

Bis heute existieren '3 Gruppen von Pharmaka, die diese Vorgange beeinflussen konnen : 1. Die Antikoagulantien; sie greifen in den Mechanismus der plasmatischen Gerinnung inhibierend ein.

Wir sehen ferner, dafl iiber den Plattchenfaktor 3 das thrombocytare mit dem plasmatischen Gerinnungssystem verknupft ist.

2. Die Thrombocytenaggregationshemmer; sie verhindern das Zusammenklumpen der Blutplattchen.

Im Zuge der Wundheilung wird das gebildete Fibrin, wenn es seine Aufgabe als Wundverschlufl erfiillt hat, durch das korpereigene fibrinolytische System wieder abgebaut.

3. Die Thrombolytica; sie sind unter bestimmten Voraussetzungen in der Lage, bereits gebildete Thromben aufzulosen.

Wir konnen zunachst folgendes Fazit ziehen:

Wir wollen nun die in diesen 3 Gruppen zur Verfiigung stehenden Pharmaka in der vorgegebenen Reihenfolge behandeln. 1. Antikoagulantien

U m die Wirkungsweise der Antikoagulantien auf das plasmatische Gerinnungsgeschehen verstehen zu konnen, mug man zunachst naheren Einblick in die Gerinnungsphysiologie;: gewinnen. Wie aus Abbildung 5 ersichtlich ist, konnen plasmatische Gerinnungsvorgange auf zweierlei Weise ausgelost werden. Bei Schadigung der Gefaflwand werden bestimmte Plasmaproteine - hier die Kontaktfaktoren XI1 und XI - in eine aktive Form umgewandelt. Zusammen mit anderen im Blutplasma vorhandenen Substanzen, die chronologisch mit romischen Ziffern belegt wurden, sowie einem aus denThrombocyten stammenden Plattchenfaktor und CalciumIonen kann nunmehr Prothrombin in Thrombin umgewandelt werden. Dieses bewirkt die Umwandlung von Fibrinogen in das polymere Fibrin, das unter Einschlufl

Das thrombocytare, plasrnatische und fibrinolytische System diirfen nicht isoliert betrachtet werden, sondern sie bilden eine Einheit. Im gesunden Organismus besteht ein ausgewogenes Gleichgewicht in der Funktion der einzelnen Komponenten. Wird dieses Gleichgewicht unphysiologisch gestort, so kommt es bei Oberfunktion der Gerinnungsvorgange zur Thrombusbildung, bei Unterfunktion des Gerinnungssystems hingegen zu unerwiinschten Blutungen. Die Antikoagulantien konnen den plasmatischen Gerinnungsvorgang iiber zwei verschiedene Mechanismen hemmen :

COOH -0

5. auch H. Schroer und E. Zimmermann,

0-SO3H

HN-SO3H

diese Ztschr. 2, 78 (1973).

P h a n a z i e in unserer Zeit / 4. Jahrg. 1975 / Nr. 1

Es handelt sich um ein Polysaccharidderivat vom ungefahren Molgewicht 17000. Es ist aus den von der Glucose abgeleiteten Untereinheiten Glucuronsaure bzw. Glucosamin aufgebaut. Beide Untereinheiten tragen jeweils ein Molekul Schwefelsaure in Form des Esters bzw. Amids. Die Anwesenheit dieser Schwefelsaurereste ist fur die Wirkung des Heparins essentiell. Die Schwefelsauregruppen treten namlich mit den basischen Teilen von Gerinnungsproteinen in Wechselwirkung und fiihren so zu deren Inaktivierung.

Abb. 2. Ursachen der Thrombusbildung (Virchowsche Trias) [Nach R. Gross 11.

Abb. 3. Risikofaktoren, die zur Schadigung der Gefaflwand fiihren konnen.

Damit der Leser den Stellenwert dieses Pharmakons in der Antikoagulantien-Therapie richtig einschatzen kann, sol1 nun etwas uber seine Vor- und Nachteile gesagt werden. Von Nachteil ist zunachst, dai3 Heparin

@

Abb. 4. Ansatzpunkte z u r Beeinflussung der Blutgerinnung. Lipidsenker

-

II

Thrombocyten I

Blutplasma I

I

-4 Aggregationshemmer

I

weilder Thrombus

roter Tirombus

gemischter Thrombus

Abb. 5. Plasmatisches Gerinnungssystem.

@

Plasmatisches Gerinnungssystem endogene Aktivierung Kontaktfaktoren XII,

exogene Aktivierung

@)

FaktorenV, Calcium-Ionen

I

Plattchenfaktor 3

1 -- - - - - -/- - -r

Gewebethromboplastin

Fl

FaktorenV,

Calcium-Ionen

/

,

\ / -- .. --.

CPWChCBlu.tthrombokinase

I

I

mlFI

Fibrinogen ( I )

Pharmazie in unserer Zeit / 4. Jahrg. 1975 / Nr. 1

~----------l

i Fibrinolytisches

I

I L

System Plasmin

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _J I

/

'

= Fibrin

c Abbauprodulite

parenteral appiiziert werden mu& da es oral nicht resorbiert wird. Dies geschieht je nach Anwendungszweck intravenos, intramuskular oder subcutan. Von grofiem Vorteil ist dann, dai3 die Gerinnungshemmung sofort einsetzt. Wichtig ist die Kenntnis der plasmatischen Halbwertszeit. Sie betragt etwa45 Min. Das hat zur Folge, dafi dieses Pharmakon besonders gut gesteuert werden kann. I m Falle einer Uberdosierung beispielsweise wird der Normalzustand des Gerinnungssystems rasch wieder erreicht. Dieser Vorteil wird allerdings durch die Notwendigkeit haufiger und zwar parenteraler Applikation beeintrachtigt. Der Indikationsschwerpunkt liegt daher in der Behandlung von Notfallsituationen wie Infarkt oder Schock. Heparin ist fur eine Dauertherapie nicht geeignet. Von Nachteil ist ferner, dai3 iiber die Inaktivierung des Thrombins sowohl der endogen wie auch der exogen aktivierte Teil des Gerinnungssystems inhibiert wird. Man befindet sich daher bei der Thromboseprophylaxe mit Heparin immer in bedrohlicher Nahe der Blutungsneigung. In dieser Situation ist dann von Vorteil, dai3 mit dem Protamin, einem stark basischen Protein, ein sofort wirksames Antidot zur Verfiigung steht. Wichtig ist weiter, dai3 Heparin in geringer Menge auch im menschlichen Korper produziert wird und als korpereigene Substanz keine Antigeneigenschaften besitzt. Seine Toxizitat ist mit 2,s g/kg Maus aufierordentlich gering im Vergleich zu halbsynthetischen Derivaten. Die Heparindosis betragt 10 mg/kg alle 6 Stunden.

lantien liegt in der Synthesehemmung bestimmter Gerinnungsfaktoren. Die Synthese der Faktoren IX, X, XI, VII erfolgt in der Leber und ist an die Anwesenheit von Vitamin K (2) gebunden. Die indirekten Antikoagulantien sind samtlich Substanzen, welche die Vitamin K-Wirkung antagonisieren. Diese Fahigkeit wird bei Betrachtung der chemischen Strukturen der zur Verfiigung stehenden Pharmaka, der 1,3-Indandione (allgem. Formel 3)und der 4-Hydroxycumarine (allgem. Formel 4) verstandlich. Sie sind den Naphthochinonen strukturell sehr ahnlich. Man stellt sich daher vor, da8 diese Substanzen bei der Synthese der Gerinnungsproteine die Stelle des Vitamin K einnehmen, ohne jedoch dessen synthesefordernde Wirkung zu entfalten. Die Indandione verursachen eine Reihe schwerwiegender Nebenwirkungen wie Hautnekrosen und Zerstorung weii3er Blutkorperchen (Leukopenie, Agranulocytose). In der Therapie gelangen daher ausschliei3lich Derivate des 4-Hydroxycumarins zur Anwendung.

Heparin ist ferner in vielen Salben zur Behandlung der Venenthrombose enthalten und zwar meist rnit 500 mg pro 100 g Salbe (z.B. Thrombophob@', Ditaven@, Venostasin@). Angesichts der schlechten cutanen Resorption des Heparins und der geringen Dosierung ist diese Anwendung umstritten. b) Die Wirkung der indirekten Antikoagu-

4

Die Synthese dieser Pharmaka kann in zwei Abschnitten durchgefuhrt werden. Zunachst wird der Methyl- oder Athylester der Acetylsalicylsaure (9) in Gegenwart von metallischem Natrium zum 4-Hydroxycumarin (10) cyclisiert; dieses wird dann durch Alkylierung oder Michaeladdition in 3-Stellung zum gewiinschten Endprodukt urngesetzt (s. rechts). Die Vitamin K-Antagonisten konnen ihre gerinnungshemmende Wirkung erst dann entfalten, wenn der physiologischerweise vorhandene Vorrat der genannten Faktoren abgebaut ist. Tabelle 1 zeigt die plasmatischen Halbwertszeiten der beteiligten Faktoren; sie variieren zwischen 5 und 60 Stunden.

Tabelle 1. Plasmatische Halbwertszeit von Gerinnungsfa ktoren.

Vit K und Analoga

c

Die therapeutische Breite ist also ebenfalls sehr grog. Sie kann jedoch wegen der auftretenden Blutungsneigung nicht ausgenutzt werden. Da synthetische oder halbsynthetische Praparate gegeniiber dem Heparin mit Ausnahme des Preises nur Nachteile aufweisen, ist man auch heute noch auf die relativ teure Praparation des Heparins aus Ochsenlunge angewiesen. Das gebrauchlichste Handelspraparat ist das Liquemino.

Es sind dies ein Bis-4-hydroxycumarinylessigester, das Tromexana (5) sowie drei einfacher gebaute Substanzen mit den Handelsnamen Sintrom (6), Coumadin (7) und Marcumar (8). Vom pharmakodynamischen Effekt her wirken alle vier Substanzen gleich. Sie unterscheiden sich jedoch in ihrem pharmakokinetischen Verhalten, wie noch gezeigt wird.

5 TromexanQ

A

Gerinnungsfaktor

I1

VII

IX

X

Halbwertszeit [Std.]

60

5

30

40

Eine wirksame Gerinnungshemmung ist daher erst nach einer gewissen Latenzzeit zu erwarten, die in Abhangigkeit von pharmakokinetischen GroGen von Praparat zu Praparat variiert, wie dies in Abbildung 11 gezeigt ist. Die Latenzzeiten schwanken zwischen 24 und 60 Stunden und sind wohl hauptsachlich durch den unterschiedlichen Grad der unspezifischen Eiweisbindung bedingt. Parallel dazu andert sich die Wirkungsdauer. Sie betragt zwischen 48 und 144 Stunden.

mNo2 OH

6 SintromQ

7 CoumadinQ

OH

/

Infolge der lang anhaltenden Wirkung und der Moglichkeit oraler Applikation eignen sich die Vitamin K-Antagonisten besonders fiir die Langzeit-Prophylaxe thrombotischer Ereignisse.

8 MarcumarQ

Andererseits ist die Gerinnung durch die langanhaltende Wirkung schlecht steuerbar. In vielen Kliniken wird daher ein Praparat

Pharmazie in unserer Zeit / 4. Jahrg. 1975 / Nr. 1

die Thrombose-Inhibierung von einer wachsenden Blutungsneigung begleitet. Diese Tatsache mufi im Zusammenhang mit der langen Wirkungsdauer der genannten Pharmaka gesehen werden. Es ist daher verstandlich, da8 im Rahmen einer Langzeitanwendung der oralen Antikoagulantien eine haufige Kontrolle der Gerinnungsfahigkeit des Blutes erfolgen mu8. Wie Abbildung 6 zeigt, kann diese z. B. durch die Bestimmung der Quickzeit (Prothrombinzeit, PTZ) erfolgen.

A Alkylierung Michaeladdition

M a r c u m a r Q (8)

C o u m a d i n B (7)

Tabelle 2. Parameter einiger indirekt wirkender Antikoagulantien.

Praparat

Plasmahalbwertszeit [Std.]

Wirkungsmaximum (Einzeldosis)

Wirkungsdauer [Std.]

Initial[mgl

Dosis Dauer[mgl

Tromexan

2

24

-48

2000

600

Coumadin

44

32

48-120

40

7

Marcumar

150

60

120-144

25

3

mittlerer Wirkungsdauer, also etwa Coumadin oder Sinaom, verabreicht. Beim Auftreten von Blutungen, sei es spontan oder bei Verletzungen, kann Vitamin K 1 (Konakion@)verabreicht werden. Unter seiner Wirkung werden die Gerinnungsfaktoren neu synthetisiert. Dabei mul3 allerdings mit einer Latenzzeit gerechnet werden. Sie

3 extrinsic

betragt bei parenteraler Applikation 3-5 Stunden. Einen weiteren Nachteil der indirekten Antikoagulantien lafit die erneute Betrachtung der Abbildung 5 erkennen. Man sieht, dad durch die Synthesehemmung der Faktoren XI, X und I1 das endogen aktivierte System, durch Hemmung der Faktoren VII, X und I1 auch das exogene System beeinflufit wird. Daher wird, wie auch beim Heparin,

Abb. 6. Methoden der Gerinnungskontrolle (nach Schondorf [2]).

Hierbei wird die Gerinnung des entcalcificierten Plasmas durch Zugabe von Cal. . ciumionen und Gewebe-Thromboplastin induziert und die Gerinnungszeit gemessen. Die Verlangerung der Gerinnungszeit gegenuber normalem Plasma ist dann ein Mafi fur den Gerinnungsstatus des Blutes. Die Bestimmung der partiellen Thromboplastinzeit (PTT) durch kunstliche Aktivierung des endogenen Gerinnungssystems kann ebenso benutzt werden. Die Bestimmung der Thrombinzeit ist ein Mad fur die heparinartige Wirkung eines Pharmakons. Der Indikationsschwerpunkt der oralen Antikoagulantien liegt in der Verhiitung von Venenthrombosen, weil hier immer Gerinnungs- oder gemischte Thromben beobachtet werden. Abbildung 7 zeigt, dai3 in diesem Bereich die Zahl der postoperativ auftretenden Thrombosen sowie Embolien vermindert wird und auch die Letalitat signifikant abnimmt. O b auch im arteriellen Bereich eine Antikoagulantienprophylaxe etwa zur Verhutung von Herzinfarktrezidiven angebracht ist, wird auch nach nunmehr 3Ojahriger Anwendung dieser Substanzen strittig diskutiert. Die Ursache wird durch Abbildung 8 deutlich. Wie insbesondere Loeliger zeigen konnte, ist zur effektiven Infarktprophylaxe eine Absenkung der Gerinnungsfahigkeit des Plasmas auf etwa 10% des Ausgangswertes erforderlich.

X

partiellc Thromboplastinzeit (PTT)

I

v

I

Thromboplastin Zcit (Quick)

I1

I

I

Thrombinzeit L

l’harmazie in unserer Zert / 4.Jahrg. 1975 / Nr. 1

Eine Absenkung auf nur 20 o/c bleibt ohne Effekt. Abbildung 9 macht die Gefahr einer so starken Absenkung deutlich: Die Zahl der Blutungskomplikationen nimmt stark zu. Bei a priori vorhandener Blutungsneigung infolge von Hypertonie, Magengeschwuren oder Hamorrhoiden ist ein solches Vorgehen kontraindiziert. Auch bei Leberschaden ist

5

Abb. 7. Vergleich von je 150 chirurgischen Patienten mit und ohne Antikoagulantienprophylaxe (nach Sevitt [3]).

Abb. 8. Haufigkeit von Infarktrezidiven unter Antikoagulantientherapie in 70der Rezidive von Kontrollgruppen bei verschiedenen Studien in Abhangigkeit zur Intensitat der Gerinnungshemmung (nach Loeliger [4]).

Abb. 9. Beziehung zwischen Haufigkeit von Blutungskoiiiplikationen und Thrombotestwert bei groflen Patientenzahlen. (Nach Loeliger e t al. [4])

Abb. 10. Blutspiegel von Aspirin" und Colfarit " [ 5 ] .

-

Colfarit

00

20 A '

6

I

I

2

4

I

6 Zeit [Std.]

I

I

8

10

Pharmazie in unserer Zeit / 4. Jahrg. 19715 / Nr. 1

Tabelle 3. Intera-ktionenv o n Arzneimitteln mit Antikoagulantien

Wirkungssteigerung

Ursache

Minderung

Ursache

Salicylsaurederivate Clofibrat Butazolidin Sulfonamide

Plasma Eiweiflbindung vermindert

Breitbandantibiotica

Schadigung der Darmflora p i t . K-Mangel)

Paraffin01

Behinderung der Vit. K-Resorption

Cabral

Contraceptiva

Vermehrung von Gerinnungs faktoren

Chinin

Der fur den Offizin-Apotheker wichtigste Aspekt der Antikoagulantien liegt sicher in der Vielfalt ihrer Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln. Diese sind in Tabelle 3 zusammengefagt. Meistens wird die Wirkung der Antikoagulantien durch andere Pharmaka verstarkt. Dies geschieht teilweise durch Verdrangung der Antikoagulantien aus der plasmatischen Eiweiflbindung, aber auch durch Beeinflussung der enteralen Vitamin-K-Synthese bzw. seiner Resorption. Hier sind viele Pharmaka zu berucksichtigen, die vom Indikationsgebiet her eine Thrombosetherapie unterstutzen sollen wie z. B. Lipidsenker (Clofibrat%) zur Vermeidung von Gefagwandschaden, das Antiphlogisticum Butazolidinm (Thrombophlebitis) oder das Analgeticum CabraP. Wahrend diese

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Die wirksame Tagesdosis liegt bei 1,O bis 1,5 g und ist damit nur halb so hoch wie bei der Therapie der rheumatoiden Arthritis. Dennoch wird zur Vermeidung der bei hohen Dosierungen bisweilen auftretenden Magenblutungen eine besondere galenische Zubereitungsform, das Colfarita, empfohlen. Bei dieser Spezialitat ist die Acetylsalicylsaure in eine magensaftresistente Matrix aus Athylcellulose eingebettet, die fur Wasser und geloste Acetylsalicylsaure durchlassig ist. Auf diese Weise kommt Acetylsalicylsaure nur in geringeren Konzentrationen mit der Magenschleimhaut in Beruhrung, wodurch die Zahl der beobachteten Blutungen stark reduziert wird. Der gleichzeitig erzielte Retardeffekt ist nicht sehr eindrucksvoll und fur die Langzeittherapie ohne Bedeutung (siehe Abbildung 10). Die aggregationshemmende Therapie rnit Acetylsalicylsaure ist noch relativ neu. Die klinische Beurteilung des Erfolges ist daher zur Zeit noch Gegenstand ausgedehnter Untersuchungen. Als Beispiel ist eine jungst publizierte multizentrische Studie mit uber 1000 Patienten in Tabelle 4 zusammengefagt.

Enzyminhibierung

infolge verminderter Synthese von Gerinnungsfaktoren besondere Vorsicht geboten. Da die oralen Antikoagulantien die Plazentaschranke uberwinden, sind sie bei Schwangerschaften kontraindiziert.

aggregation zusammenhangende Plasmaproteine zu acetylieren und damit unwirksam zu machen. Die Wirkung ist somit an das Vorhandensein der Acetylgruppe gebunden. Salicylsaure selbst ist wirkungslos.

Substanzen jedoch der Rezeptpflicht unterliegen und somit der Arzt die Verantwortung fur eine kombinierte Anwendung tragt, kann im Falle rezeptfreier Pharmaka wie Aspirin, Salicylsaurederivate, Paraffinum subliquidum oder Chinin der Apotheker bei entsprechender Sachkenntnis Ungluck verhuten. Ein weiterer Ansatzpunkt zur Beinflussung der Blutgerinnung ist die Hemmung der Thrombocytenaggregation, die als Initialzundung der Bildung von Abscheidungsthromben erkannt worden ist und uber die Freisetzung des Plattchenfaktors 3 auch Einflufl auf das plasmatische Gerinnungssystem nimmt. Es ist bisher eine Reihe von Substanzen bekannt geworden, die diese Zusammenballung in vitro zu hemmen vermogen. Bislang gibt es jedoch nur ein Pharmakon, das auch in vivo eine genugende Aggregationshemmung bewirkt, namlich die lange bekannte Acetylsalicylsaure. Diese Substanz vermag mit der Thrombocyten-

Man sieht, dafl das Auftreten postoperativer Komplikationen wie Thrombophlebitis oder Lungenembolie unter dem Einflufl von Acetylsalicylsaure auf 1 % gesenkt werden kann. Die Blutungsneigung unter Acetylsalicylsaure ist geringer als bei der Anwendung der Antikoagulantien, da das plasmatische Gerinnungssystem nicht so stark beeinfluflt

Tabelle 4. Postoperative thromboembolische Komplikationen mit u n d ohne Acetylsalicylsaure (Loew u. a. [6]).

AcetylPlacebo salicylsaure (N = 527)

Thrombophlebitis

Lungenembolie

1 7‘0

0,s 70

3 70

3,2 %

7

wird. Allerdings ist bislang auch kein Antidot bekannt.

Abb. 11. Chancen der Thrombolyse in Abhangigkeit vom Alter des Thrombus r71.

Antikoagulantien und Aggregationshemmer werden zur Thromboseprophylaxe bzw. im akuten Fall zur Verhutung von Rezidiven respektive fortschreitender Thrombusbildung eingesetzt. Bereits gebildete Thromben konnen unter bestimmten Bedingungen mit Hilfe der Fibrinolytica zur Auflosung gebracht werden. Im Handel befindet sich zur Zeit nur eine Substanz, die Streptokinase, die unter dem Namen Streptase bzw. Kabikinase verkauft wird. Es handelt sich dabei um ein aus bestimmten Streptokokkenstammen gewonnenes Enzym. Seine Wirkung fallt mit zunehmendem Alter des Thrombus stark ab, so daB mit der Therapie moglichst rasch begonnen werden mug (Abbildung 11).

Abb. 12. Vergleich der Letalitat zwischen Streptokinase- und Antikoagulantientherapie bei Behandlungsbeginn innerhalb 12 Std. nach Infarkteintritt (nach Schmutzler [9]).

Liegt die Thrombusbildung weniger als 24 Stunden zuriick, so kann nach den in Tabelle 5 zusammengefaaten Untersuchungen der European Working Party beim Herzinfarkt die Mortalitat signifikant von 26 70 auf 19 70gesenkt werden. Dies gilt nicht nur gegenuber unbehandelten Kontrollgruppen. Schmutzler (Abbildung 12) konnte zeigen, dafl eine Kombinationsbehandlung mit Streptokinase und Antikoagulantien gegenuber der reinen Antikoagulantienbehandlung Vorteile bringt. Die Quote der Spatmortalitaten wurde in seinem Kollektiv von 22 7'0auf 15 7'0gesenkt. Eine gewisse Schwierigkeit der Streptoki-

Abb. 13. Fibrinolytisches System.

Komplex

Pla\matisches

Gerinnungssystem

8

-

-

Tranexamsaure Trasylol

Fibrin

1 Antiaktivatoren

Fibrin-produlcte Abbau-

Pharmazie in unserer Zeit f 4. Jahrg. 1975 f Nr. I

~

~~~

Tabelle 5. Streptokinasebehandlung beim Herzinfarkt [S].

Patienten

730

Alter des Infarkts

[The medicinal influence on blood coagulation].

0 . Pharmazie in unserer Zeit Klaus Rehse Die medikamentose Beeinflussung der Blutgerinnung 9 einem in sich geschlossenen Kreislauf. In diesem Sy...
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