Die Nahrung 36 (1992) 3,279 -286

Der Einflufl von Schilddrusen- und Sexualhormonen auf die Triglyceridsekretion der Rattenleber W. HAUDEund C.-E. VOLCKER Institut fur Pathologische und Klinische Biochemie, Ernst-Moritz-Arndt-Universitat Greifswald, Greifswald, Bundesrepublik Deutschland

Zusammenfassung

Im akuten Versuch wurde nach subkutaner Injektion der EinfluD von Thyroxin, Oestradiol und Testosteron auf die TG-Sekretionsrate aus der Leber in das Blut sowie die Konzentrationen der FFS, der TG und der Glucose im Serum gemessen. Alle Versuche wurden ohne vorangehende Fastenperiode der Tiere bzw. nach 10- und 16-stundigem Fasten durchgefiihrt. Entsprechend wurden drei Kontrollgruppen gebildet, mit denen die Ergebnisse nach Hormonapplikation verglichen wurden. Innerhalb der Kontrollen hatte das Fasten ausschlieDlich einen kraftigen, mit der Fastendauer zunehmenden Anstieg der FFS zur Folge, die TG-Sektionsrate und die weiteren Parameter wurden durch das Fasten nicht beeinflul3t. Bei allen Hormonen wurden Effekte auf die Lipidparameter beobachtet. Besonders auffallend war die Reduktion der FFS-Konzentrationen gegeniiber den Werten der Kontrollgruppen beim 16-stundigen Fasten. In diesen Fallen wurden gleichzeitig stets die TG-Sekretionsrate und die TG-Konzentration im Serum vermindert ; diese beiden Veranderungen werden als Folge der eingeschrankten FFS-Mobilisation im Fettgewebe gesehen. Steigerungen der FFS-Konzentration im Serum nach Hormongabe gegeniiber den entsprechenden Kontrollen wurden nur beim Thyroxin und Testosteron gefunden, sie wurden fast nicht von Veranderungen der TG-Sekretionsrate oder der TG-Konzentration im Serum begleitet. Zum AbschluD der Diskussion werden allgemeine SchluDfolgerungen uber den akuten EinfluB von Hormonen auf die untersuchten Parameter, insbesondere die TG-Sekretionsrate gezogen; dabei werden auch die Ergebnisse einer vorhergehenden Arbeit einbezogen, in der Katecholamine, Insulin und Prednisolon unter den gleichen Bedingungen getestet worden waren.

Summary

The influence of thyroid and sex hormones on the triglyceride secretion rate out of the rat liver The influence of thyroxine, estradiol and testosterone on the triacylglycerol (TG) secretion rate out of the liver into the blood as well as on concentrations of FFA, triglycerides, and glucose in serum was determined. All of these experiments were carried out under different nutritional conditions (non-fasting, and 10 or 16 h fasting, respectively). Accordingly the results after hormone application were compared with three groups of controls. Within these control groups increasing time of fasting caused exclusively an enhancement of FFA concentrations, while the TG secretion rate and other parameters were not influenced. Concerning all hormones effects on several lipid parameters have been observed. In particular, a decrease of FFA concentrations in comparison with controls after 16 h fasting was evident. In these cases, the TG secretion rate and TG concentration in serum were simultaneously lowered. Both alterations may be a consequence of a diminished mobilization of FFA in adipose tissue. Increases of FFA concentrations in serum after hormone application, compared with the correponding controls, only occurred after administration of thyroxine and testosterone, while changes of the TG secretion rate and the TG concentration in serum were scarcely observed. Final remarks about the actual influence of hormones on the investigated parameters, especially TG secretion rate were drawn including results of a previous paper, where catecholamines, insulin, and prednisolone had been tested under the same conditions.

0VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1992

0027-769X/92/0306-0279$3.50

+ .25/0

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Einleitung Untersuchungen zur endokrinen Beeinflussung des Lipidstoffwechsels wurden bereits in zahlreichen Publikationen vorgestellt. Spezielle Untersuchungen uber die Wirkung auf die Sekretion von VLDL-TG aus der Leber heraus in das Blutplasma sind dagegen schon bedeutend seltener und fuhrten zu verschiedenen Ergebnissen. Anliegen der vorliegenden Studie war es, erstens den Effekt einer Hormongabe im akuten Experiment bei verschiedenen Hormonen in vivo zu testen und dabei fur alle vergleichbare Bedingungen zu gewahrleisten sowie zweitens die Auswirkungen unterschiedlich langer Fastenperioden zu priifen. In einer vorhergehenden Untersuchung wurden die Ergebnisse nach Applikation von Adrenalin, Noradrenalin, Insulin und Cortisol demonstriert ; unter Einbeziehung der Parameter FFS, TG- und Glucosekonzentrationen im Serum wurden vielfaltige Effekte ermittelt, die stark von den angewandten Fastenperioden vor Versuchsbeginn abhingen [ 11. In Weiterfuhrung dieser Arbeit wurden nunmehr die Hormone Thyroxin, Thyreotropin, Oestradiol und Testosteron getestet. Friihere Untersuchungen an thyreoidektomierten Ratten ergaben eine Verringerung der TG-Konzentration im Serum und eine starke Reduktion der katabolischen Rate fur TG, woraus sowohl auf eine verminderte Clearance, aber auch auf eine Reduktion der TG-Zufuhr aus der Leber geschlossen wurde [2]. Bei experimenteller Hyperthyreose wurde ein Anstieg der TG-Synthese und Freisetzung in der Leber gefunden [3]. In perfundierten Rattenlebern hyperthyreoter Tiere wurde dagegen eine Verringerung der Synthese und Sekretion von TG gegenuber euthyreoten Tieren festgestellt [4]. Ebenfalls bei hypothyreoten Ratten wurden Verringerungen der TG, der VLDL- und der Apo B-Konzentrationen im Serum beobachtet, die zunachst auch eine Verringerung der Sekretion von VLDL aus der Leber vermuten lassen [5]. In einer Arbeit jungeren Datums fuhrte der experimentelle Hypothyreoidismus der Ratte zur Reduktion aller Bestandteile der VLDL-Partikel [6]. Bei der direkten Bestimmung der TG-Sekretionsrate an hypothyreoten Ratten wurden von DAVIDSON u. a. eine Reduktion urn 50% gefunden [7]. Von den Sexualhormonen sind in Verbindung mit dem Lipidstoffwechsel die Oestrogene am besten untersucht. Bekanntlich kommt es bei Graviditat und vor allem nach der Menopause zu Anstiegen der TG- und Cholesterolkonzentrationen im Serum. Auch bei der Ratte gibt es Geschlechtsunterschiede; Oestrogene fiihren ebenfalls zu einem Anstieg der TG-, aber nicht der Cholesterolkonzentrationen im Serum. Bei graviden Ratten wurde nachgewiesen, daI3 der Anstieg der TG im Serum offenbar durch eine erhohte Sekretion dieser Lipidfraktion aus der Leber zustande kommt [S]. Untersuchungen der TG-Abgabe aus perfundierten Lebern ovarektomierter Ratten zeigten eine Reduktion der TG-Abgabe, die durch Oestrogenapplikation wieder normalisiert werden konnte [9]. Schon fruher war von KALKHOFF u. a. [lo] mit Hilfe der Tritonmethode beobachtet worden, daI3 Oestradiol die TG-Sekretion steigert und in Zusammenhang damit auch ein Anstieg der TGKonzentration im Serum zu verzeichnen ist. Implantationen von Oestradiol fuhrten bei weiblichen Ratten zu einem Anstieg der TG-Freisetzung aus der Leber [ll].

Material und Methode Mannliche Wistarratten der Versuchstierproduktion Schonwalde/Berlin mit einer durchschnittlichen Korpermasse von 250 g und freiem Zugang zu kommerziellen Pellets (VTD-I, Versuchstierproduktion FFS = Freie Fettsauren; TG = Triglyceride

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Schonwalde/Berlin) und Wasser wurden in drei Gruppen geteilt, um unter verschiedenen Ernahrungsbedingungen (ohne Fasten, 10- und 16-stiindiges Fasten vor Versuchsbeginn) die Wirkung der Hormone auf die TG-Sekretionsrate aus der Leber, die Konzentrationen der FFS, der T G und der Glucose im Serum zu testen. Die Hormone wurden subkutan mit folgenden Praparaten und in folgender Dosierung 2 und 24 h (Ausnahme Oestradiol: 1 Inj. 2 h vorher) vor dem Versuch, d. h. vor der 1. Blutentnahme rnit anschlieBender Tritonapplikation, injiziert : Thyroxin - 2 x 20 pg/loO g Korpermasse (Reanal, Ungarn) Thyrotropin - 2 x 0,5 IE/100 g Korpermasse (THYRATROP, Ferring Kiel) Oestradiol - 1 x 5 Fg/lOO g Korpermasse (Jenapharm) Testosteron - 2 x 2 mg/100 g Korpermasse (Jenapharm) Die angegebenen Intervalle zwischen Hormoninjektion und dem Versuchsbeginn uberschneiden sich also mit den Fastenperioden. Die Hormondosen wurden in 2,O -2,5 ml physiol. NaC1-Losung/kg Korpermasse gelost ; bei Oestradiol und Testosteron wurde zur besseren Loslichkeit ein Athanolanteil zugesetzt. Bei den Kontrolltieren wurde einmal 1 h vor dem Versuch 1 ml physiol. NaC1-Losung injiziert. In Ieichter khernarkose wurde zu Versuchsbeginn eine 1. Blutprobe durch Coupierung des Schwanzendes gewonnen. Danach wurden iiber eine Schwanzvene 0,5 ml/kg Korpermasse einer 12,5% Losung von Triton WR 1339 (SERVA, Heidelberg) in physiologischer NaCI-Losung langsam injiziert. Eine Stunde spater wurde eine 2. Blutprobe iiber die V. cava inf. entnommen. In der 1. Probe erfolgten die Bestimmung der FFS nach DUNCOMBE [I21 und ITAYA [13], die Bestimmung der TG mit kommerziellen Testbestecken von Boehringer, Mannheim, und die Bestimmung der Glucose im Blut enzymatisch mit Glucoseoxydase und elektrochemischer Messung des Hydrogenperoxyds [14, 151. In der 2. Blutprobe wurde ausschlieBlich TG bestimmt. Aus der Differenz der beiden TG-Bestimmungen wurde die TG-Akkumulation pro Stunde kalkuliert. Diese Akkumulation ergibt sich daraus, da13 durch die Tritoninjektion die Lipoproteinlipase vollstandig gehemmt und dadurch der Efflux von TG aus dem Serumraum unterbrochen wird, wahrend der Influx von T G anhalt. Die ermittelte Akkumulationsrate ist also ein MaB fur die TG-Sekretion aus der Leber, sofern der ChylomikronenzufluB vernachlassigt werden kann. Danach ist die Sekretionsrate =

(TG,

- TGo) x Plasmavolumen 60

bmoI/(min . kgll ,

wobei ein Plasmavolumen von 5% der Korpermasse angenommen wurde 1161. Zur statistischen Berechnung wurde der t-Test nach Student herangezogen, als signifikant wurden Irrtumswahrscheinlichkeiten von p 2 5% bezeichnet.

Ergebnisse Alle Ergebnisse wurden in Tab. 1 zusammengestellt. Entsprechend den verschiedenen Fastenbedingungen wurden drei Kontrollgruppen untersucht, mit denen dann auch die adaquaten Vergleiche durchgefuhrt wurden. Zwischen den Kontrollgruppen ergeben sich signifikante Unterschiede ausschlieDlich bei den FFS; rnit der Dauer der Fastenzeit entwickelte sich ein starker Anstieg ihrer Konzentrationen im Serum. Es sol1 betont werden, daB bei allen anderen Parametern eine solche Abhangigkeit von der Ernahrungssituation nicht zu verzeichnen war; insbesondere unterschieden sich die TG-Sekretionsraten voneinander. Nach Thyroxinapplikation wurden bei allen untersuchten Parametern signifikante Veranderungen der gemessenen Konzentrationen und TG-Sekretionsraten beobachtet. Sie waren stark von den Ernahrungsbedingungen abhangig. Ohne eine Fastenperiode und bei 10-stundigem Fasten kam es zu einem mittleren bis starken Anstieg der FFS-Konzentration im Serum. Bei Erweiterung der Fastendauer auf 16 h wurde dagegen gegenuber der Kontrollgruppe ein Abfall der Konzentration ermittelt. Bei der TG-Sekretionsrate fuhrte das Thyroxin, lediglich in Verbindung rnit dem 16-stundigen

10

16

10

16 0

'

6 3 5 k 0,874 6,42 f 0,604 5,07 k 0,750 1,23 0,480

1,41 f 0,850 1,14 0,434 1,60 f 0,381 1,15 f 0,325 1,64 f 0,394++ 0,893 k 0,234' 1,30 0,410 0,661 0,142+++ 1,02 f 0,320 1,12 0,352 0,575 f 0,227'' 1,70 f 0,852 1,30 k 0,554 0,953 5 0,390''

+

6,22 k 0,416 5,86 f 0,544+' 6,83 f 0,835 5,32 k 0,779 6,51 k 0,560 6,28 0,668 6.06 f 0,940' 6,72 f 0,671 6,68 k 0,744 6,05 & 1,220+

+

Glucose [mmolPl

TG {mmol/l]

Mittelwerte :.* Standardabweichungen; N = Anzahl der Untersuchungen; + p 5 0,OS; + + p 5 0,Ol; + + + p 5 0,001 verglichen mit den entsprechenden Kontrollen

Testosteron (2 x 2 mgjl00 g)

Oestradiol (5 Pd1W g)

Th yrotropin (2 x 0,slE/lOO g)

12 12 12 14 12 10 15 13 10

12

10 16

0 10 16 0

2,83 0,814 3,08 f 0,480 2,99 f 0,482 3,11 IfI 0,502 3,51 2 0,389 2,35 f 0,580" 3,96 f 0,760 2,11 0,747' 3,24 f 0,538 3,84 4 1,070 1,78 f 0,565+ 3,31 f 0,801 2,95 f 0,383 2,30 f 0,541

0,251 k 0,101 0,572 & 0,196 0,916 f 0,188 0,354 & O,W2+' 0,879 & O,10OLc+ 0,712 k 0,189+ 0,712 f 0,117+ 0,979 f 0,199 0,298 f 0,105 0,633 4 0,182 0,583 0,193+++ 0,421 k 0,145'++ 0,778 f 0,170+ 0,653 f 0,127+++

15 12 11 14

0 10 16 0

Kontrollen

Thyroxin (2 x 20 pg/1009)

TG-Sekretionsrate [pmol TG/(min . kg KM)

FFS [mmolPI

N

+

Fastenzeit [hl

+

+

+

Hormon

Tabelle 1 Effekte von lhyroxin, Thyrotropin, Oestradiol und Testosteron auf die Konzentrdtionen der Glucose, der Freicn Fettsiuren und der Tnglywride im Serum sowie der Triglyceridsekretionsratenaus der Leber unter Berucksichtigung verschiedener Fastenzeiten

+

+ +

e a tm

t.~

hJ 0.J

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Fasten, zu einer Verminderung der Rate. Die TG-Konzentration im Serum zeigte bei 10 h Fasten einen Anstieg und bei 16 h Fasten einen Abfall. Die Glucosekonzentration war nur bei 16 h Fasten verandert und zwar erhoht. Durch Applikation des Thyrotropins tr&en vor allem die Effekte des 16 h Fastens in gleicher Weise wie beim Thyroxin auf. Die Oestradioleffekte waren in besonderer Weise von der Ernahrungssituation abhangig. Signifikante Veranderungen waren nur bei den Tieren festzustellen, die 16 h gefastet hatten; die Sekretionsrate, die FFS- und die TG-Konzentrationen waren stark vermindert, die Glucosekonzentration dagegen leicht erhoht. Auch das Testosteron rief in der angewandten Dosierung verschiedene akute Effekte hervor, die besonders in der Fraktion der FFS sichtbar wurden. Gegenuber den Kontrollgruppen wurden ohne Fasten und bei 10-stundigemFasten Erhohungen der Konzentrationen und beim 16-stundigen Fasten Verminderungen beobachtet. Die Sekretionsrate war nur beim 16-stundigenFasten verandert und zwar vermindert. Gleiches gilt fur die TG-Konzentration im Serum. Beim 16 h Fasten ist die Glucosekonzentration im Blut erhoht. Insgesamt fallt auf, daB Thyroxin, Oestradiol und Testosteron beim 16-stundigen Fasten die gleichen Veranderungen hervorrufen.

Diskussion Die Untersuchung von drei Kontrollgruppen erwies sich als notwendig, weil Auswirkungen der verschiedenen Fastenzeiten auf einzelne Parameter zu erwarten waren. Diese Annahme bestatigte sich aber nur bei der Fraktion der FFS im Serum. Nach 10 h Fasten liegt bereits eine Verdoppelung der Werte vor und nach 16 h werden schon maximale Konzentrationen erreicht. Bekanntlich ist dieser Anstieg eine Folge der verstarkten Mobilisation von FFS im Fettgewebe und bedarf keiner weiteren Diskussion. Auffalliger ist dagegen das Ausbleiben von Erhohungen der TG-Sekretionsrate und der TG-Konzentrationen im Serum; denn zumindest wird bei anhaltenden Mobilisationssteigerungen der FFS davon ausgegangen, da5 die Leber mehr FFS uber den gesteigerten Influx erhalt als sie oxydieren kann. Vermutlich wird es in der Leber zunachst zu einer Anreicherung von TG kommen, bevor dann der Efflux uber die VLDL-TG gesteigert werden muB. Die Ergebnisse bei den Sekretionsraten haben jedoch noch eine andere Bedeutung. Sie betrifft die Anwendung der Tritonmethode fur die Bestimmung der Sekretionsrate selbst. Wie in dem Abschnitt ,,Material und Methoden" erwahnt, muate bei der Ausschaltung der Lipoproteinlipase auch mit einem Zuflu5 der Chylomikronen-TG gerechnet werden. Im Verhaltnis zu den VLDL-TG wird ihre Menge pro Zeit jedoch nur als gering angesehen und gelegentlich mit 15% beziffert. Aus diesem Grunde wird auch gefordert, daB bei den Tieren zu Versuchsbeginn eine Fastenperiode bestanden hat, die den ChylomikronenzufluB unmoglich macht. Wie aus unseren Untersuchungen hervorgeht, birgt dies die Gefahr in sich, durch den Anstieg der FFS-Konzentrationen einen eventuell unenviinschten Eingriff in den Stoffwechsel zu riskieren. Fur die Untersuchung der hormonalen Effekte ist es als gunstig anzusehen, daO die fastenbedingten Auswirkungen die TG-Sekretionsraten nicht betreffen. Die Applikation von Thyroxin fuhrte in unseren Versuchen ohne Fasten und bei 10-stundigem Fasten zu recht kraftigen Stimulationen der FFS-Mobilisation uber den Hungereffekt hinaus. Damit wird die Rolle der Schilddriisenhormone fur die Bereitstellung von Fettsaiuren aus dern Fettgewebe als Brennstoffe unterstrichen. Auffillig ist die Umkehr der Wirkung beim 16-stundigen Fasten. Prinzipiell das gleiche Verhalten wurde bereits

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beim Adrenalin und Prednisolon beobachtet [11. Mit 0,746 mmol/l beim Adrenalin und 0,753 mmol/l beim Prednisolon entsprechen die FFS-Konzentrationen im Serum auffillig dem beim Thyroxin gemessenen Mittelwert von 0,712 mmol/l, und man konnte hier auch gleich das Ergebnis bei EinfluB des Testosterons auf die FFS mit in die Diskussion einbeziehen. In jedem Fall liegt nach Hormongabe und 16-stundigem Fasten die FFSKonzentration im Serum signifikant bis hochsignifikant um ca. 20% niedriger als nach 16-stundigem Fasten ohne Hormongabe. Wenn man die Konzentrationsanderung als Ergebnis der Zufliisse und/oder der Abflusse des Metaboliten sieht, dann miiDte aus der Hormongabe eine Reduktion der FFS-Mobilisation im Fettgewebe resultieren, obwohl jedes Hormon in der Lage ist, die Mobilisation zu steigern, wie es auch aus den FFS-Konzentrationssteigerungen hervorgeht, die in der Gruppe ohne Fasten ermittelt wurden. Fur den Feinmechanismus gabe es sicher mehrere Ansatzpunkte, z. B. am CAMP. Andererseits wurde eine Steigerung der FFS-Entfernung aus dem Serum einen gleichen Effekt hervorrufen. Bisher wird davon ausgegangen, daD die Konzentrationsgradienten zwischen Blutplasma und dem Intrazellularraum fur die GroDe des Effluxes aus dem Blut verantwortlich sind. Spezielle Wirkungen von Regulationsfaktoren sind an dieser Stelle nicht bekannt. Naturlich mussen auch erhohte Mobilisationen von FFS im Fettgewebe den Konzentrationsgradienten in der Peripherie erhohen. Die unter diesen Bedingungen anhaltend hohen FFS-Konzentrationen weisen darauf hin, daD sich ein steady state auf einem hoheren Niveau der FFS-Konzentration im Plasma eingestellt hat. Es bleibt unklar, wie es auf der Seite des Outputs durch alle genannten Hormone verandert werden konnte. Eine wichtige Frage ist, ob Veranderungen der FFS-Konzentrationen im Plasma auch zu Veranderungen der TG-Sekretion und danach eventuell sogar zu solchen der TG-Konzentration im Plasma fiihren. Dieser Zusammenhang wurde bereits umfangreich bei der Untersuchung der Katecholamine, des Insulins und des Prednisolons diskutiert [I]. Im Gegensatz zu diesen Hormonen kommt er beim Thyroxin nicht so stark zum Ausdruck. Beide Parameter werden nur beim 16-stundigen Fasten in gleicher Richtung wie die FFS verandert. Bei diesem Problem konnen wiederum die Ergebnisse beim Oestradiol und beim Testosteron einbezogen werden, da auch hier beim 16-stundigen Fasten alle drei Parameter in gleicher Weise verandert sind. Insgesamt sprechen die Ergebnisse, insbesondere beim Thyroxin und Testosteron, nicht dafur, daO die Erhohungen der FFS-Konzentrationen im Plasma auch Anstiege der TG-Sekretionsraten in der Leber zur Folge haben. Die erhohte Zufuhr der Fettsauren in die Leber hinein kann, vor allem im akuten Versuch, zunachst dazu fuhren, daB eine Speicherung der Fettsauren in Form von TG auftritt. Eine erhohte Abgabe aus der Leber als VLDL-TG konnte erst mit einer zeitlichen Verzogerung einsetzen. Ein Vergleich unserer Ergebnisse mit der Literatur zeigt bezuglich der Sekretionsrate beim Thyroxin, daD weder die Resultate von NIKKILA[3] noch diejenigen von OLUBADEWO [4] oder von WILCOX[5] gefunden wurden. Allerdings handelte es sich in diesen Fallen stets um hyperthyreote Ratten und nicht um Effekte nach Hormonapplikation; vermutlich konnen die Auswirkungen des Hyperthyreoidismus nur durch chronische Hormonapplikation simuliert werden. In einer jungeren Untersuchung von OLUBADEWO u. a. [17] wurde gezeigt, daD bei den hyperthyreoten Ratten die Freisetzung von TG aus der Leber mit der hepatischen Konzentration von Glycerol-3-P korreliert, dieser Parameter wurde aber von uns nicht gemessen. In Einschatzung des Lipidstoffwechsels bei Veranderung der Schilddrusenhormonabgabe kommen BERTHEZENE u. a. [ 181zu der Auffassung, dal3 der Hyperthyreoidismus die VLDL-Synthese in der Leber wegen einer Erhohung der zirkulierenden

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Fettsauren steigert. In unserem akuten Versuch kam es zwar eindeutig zum Anstieg der FFS, dies blieb aber trotz einer moglichen Steigerung der TG-Synthese in der Leber ohne Wirkung auf die TG-Sekretion. Oestradiol fuhrte ohne Fastenperiode oder beim 10stundigen Fasten nicht zu Veranderungen der Lipidparameter. In eingangs envahnten Arbeiten von KALKHOFF u. a. [19] und TKOCZu. a. [ l l ] waren dagegen Anstiege der TG-Freisetzung und auch eine Erhohung der TG-Konzentration im Serum [101 beobachtet worden. Allerdings waren die Applikationsbedingungen unterschiedlich, bei [lo] wurde taglich uber 21 Tage Oestradiolbenzoat i. m. injiziert, und bei [ l l ] wurde eine chronische Implantation von Oestradiol durchgefuhrt. Man konnte also annehmen, daD unsere Dosierung zu gering war, andererseits liel3en sich - wie oben beschrieben beim 16-stundigen Hunger mit der gleichen Dosis bei allen Parametern Effekte nachweisen. Auch das Testosteron fuhrte zu einer Reihe von Wirkungen, leider konnten insbesondere fur die TG-Sekretionsrate aus der Leber in der Literatur keine vergleichbaren Untersuchungen gefunden werden. Auffallig ist der akute Effekt auf die Konzentration der FFS. Insgesamt ist das AusmaD der Veranderungen durchaus mit denen beim Thyroxin vergleichbar. Untersuchungen an kastrierten Ratten fuhrten zu einer Abnahme der TG- und VLDL-Konzentrationen im Serum und nachfolgend zu einer Normalisierung der Werte, wenn Testosteron appliziert wurde [19, 201. Bei spontan hypertensiven Ratten entwickelte sich eine TG-Akkumulation in der Leber, der aber durch Kastration vorgebeugt werden konnte [20]. Prinzipiell konnen derartige Veranderungen auf einer hormonbedingten Steigerung der FFS-Konzentration im Serum und der TG-Sekretionsrate beruhen. Andererseits sind aber auch Veranderungen des TG-Katabolismus im Serum, d. h. vor allem der Lipoproteinlipaseaktivitat denkbar. Letztere Auffassung wird in den zitierten Arbeiten vertreten [ 19, 201. Offenbar sind die Testosteroneffekte sehr stark von der gegebenen Hormonmenge abhangig, denn ELAMu. a. [21] beobachteten, daD niedrige Dosierungen von 75 pg/Tag den Einbau der Fettsauren in TG und andere komplexe Lipide reduzieren. Wenn man an dieser Stelle die Ergebnisse aller durchgefiihrten Untersuchungen [ 11 zum EinfluD von Hormonen auf die TG-Sekretionsrate und die anderen Lipidparameter zusammenfasssen wurde, dann konnten folgende Feststellungen getroffen werden: 1. Es scheint, daD die wesentlichen Wirkungen der untersuchten Hormone auf die TG-Sekretionsrate in der Leber uber die Beeinflussung der Lipolyse im Fettgewebe realisiert werden. Es gibt jedoch zahlreiche Falle (Adrenalin, Prednisolon, Thyroxin und Testosteron), in denen Veranderungen der FFS-Konzentrationen - meist Anstiege nicht von entsprechenden der TG-Sekretion begleitet werden. Offensichtlich kommen hier intrazellulare Mechanismen hinzu - wie die Verteilung der vermehrt einstromenden Fettsauren in Richtung Oxydation oder Phospholipidsynthese; aul3erdem sind vorubergehende Deponierungen der TG sehr wahrscheinlich.

2. Bei allen Hormonen treten auch Veranderungen der TG-Konzentrationen im Serum auf. In vielen Fallen, aber nicht immer, konnten sie durch adaquate Veranderungen der TG-Sekretion erklart werden. Nicht selten scheinen aber die untersuchten Hormone auch die TG-Clearance zu beeinflussen. Wir danken Frau MONIKAANDRAEund Frau HANKADURFELDfur die ausgezeichnete technische Assistenz.

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[The effect of thyroid- and sex hormones on triglyceride secretion in rat liver].

The influence of thyroxine, estradiol and testosterone on the triacylglycerol (TG) secretion rate out of the liver into the blood as well as on concen...
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