Theoretical and Applied Genetics 42, 357-- 362 (1972) | by Springer-Verlag t972

Der EinfluB mutierter Gene auf die frfihesten Stadien der Ontogenese von Pisum sativum H. D. QUEDNAU I n s t i t u t ftir G e n e t i k der Universit~it B o n n (BRD)

T h e Effect of Mutated Genes on the Earliest Stages of D e v e l o p m e n t of Pisum sativum Summary. Fifteen radiation-induced m u t a n t s of Pisum sativum with different characteristics were tested immediately after germination to determine whether genetically caused deviaticns frcm the Farent line could be found. I n 12 of these genotypes statistically significant differences in the speed of development were observed, two of the m u t a n t s showed a change in the number of secondary roots as well. I n two cases in which the m n t a t e d gene has reduced penetrance, its influence on the speed of development was also restricted to part of the plants. -- I n those m u t a n t s which show superior growth at later stages of ontogeny, the first visible effect of the m u t a t e d gene is a strong retardation of growth, which changes into a sudden acceleration some days later. The most probable explanation of this reaction is that the m u t a n t s produce such a high concentration of growth substances that during the earliest and most sensitive stages of ontogeny their development is delayed.

Einleitung Der m o d e r n e n M u t a t i o n s z i i c h t u n g ist es g e l u n g e n , y o n v e r s c h i e d e n e n S a m e n p f l a n z e n u m f a n g r e i c h e Mut a n t e n s o r t i m e n t e a u f z u b a u e n . E i n e n/ihere U n t e r s u c h u n g der E i g e n s c h a f t e n dieser M u t a n t e n ergab, d a b sie n u r i n A u s n a h m e f ~ l l e n i n einer e i n z i g e n E i g e n s c h a f t y o n ihrer S t a m m f o r m a b w e i c h e n ; i n der Mehrzahl aller FAlle e n t f a l t e t das m u t i e r t e G e n ein m e h r oder w e n i g e r b r e i t e s pleiotropes W i r k u n g s s p e k t r u m . So k a n n u n s die M e r k m a l s a n a l y s e einer M u t a n t e wertvolle Aufschltisse fiber stoffwechsel- u n d e n t w i c k l u n g s p h y s i o l o g i s c h e Zusammenh~inge v e r m i t teln, b e s o n d e r s d a n n , w e n n I n f o r m a t i o n e n tiber die W i ~ k u n g des m u t i e r t e n Gens w/ihrend der g e s a m t e n O n t o g e n e s e vorliegen. Aus diesem G r u n d e u n t e r s u c h t e n wir bei einer A n z a h l v e r s c h i e d e n a r t i g e r Pisum-Mutanten, ob sich u n m i t t e l b a r n a c h der Keim u n g s t a t i s t i s c h fal3bare A b w e i c h u n g e n y o n der Ausg a n g s f o r m feststellen lassen. Es war erforderlich, y o n jeder F o r m r e l a t i v viele P f l a n z e n a u s z u w e r t e n ; d a h e r w u r d e n die U n t e r s u c h u n g e n auf morphologische M e r k m a l e beschr~inkt, die einfach u n d r e p r o d u z i e r b a r zu messen sind.

Material u n d M e t h o d e Bei unseren Untersuchungen wurden 15 Mutanten yon Pisum saIivum, Sorte 'Dippes gelbe Viktoria', w~hrend der friihesten Entwicklungsstadien nach der Keimung mit der Ausgangsform verglichen. Die Mutanten waren tells durch Neutronen- (Mutantennummern fiber 2000), tells durch R6ntgenstrahlen (Mutantennummern unter 2000) induziert worden. Die Genotypen lassen sich in 3 Gruppen aufteilen: 1. Mutanten mit gestauchten Internodien t 50B 2669A 2294A

2. Mutanten mit langen Internodien oder starkem Wuchs 489C oberes Stengelende verb/indert 999 lange Internodien 3032B lange Internodien 3040 starkwiichsig 3. Mutanten mit anderen Charakteristika 29 Chlorophylldefekt (chlorina) 39 abweichende Form der Fiedern 68C h6here Anzahl Samen pro Fruchtknoten 142B degenerativer Verfall von Blattbezirken t76 schmale Fiedern und Nebenbl/~tter, kleine Samen 2128A lange Hiilsen, groBe Nebenbliitter 157A SproB gegabelt, unvollst/~ndige Penetranz 2927 Fruchtknoten often, unvollst/~ndige Penetranz und Expressivit/it. Die Samen wurden einzeln in geschlossene Petrischalen gelegt und in einem Brutschrank bei 20 ~ angekeimt. Um die verschiedenartigen Umwelteinfliisse, die in einem ]3rutschrank merkliche \u "hervorrufen (Weiling 1962), bei der statistischen Analyse weitgehend eliminieren zu k6nnen, wurde die Gesamtheit der Samen in 360 Sechserblocks unterteilt, von denen jeder die Ausgangsform und 5 Mutanten je einmal enthielt. Bei jeder Wiederholung wurden 40 solcher Blocks gleichzeitig bearbeitet, so dab jede Mutante 120real vertreten war. Sieben Tage nach Versuchsbeginn wurden die Pflanzen gleichzeitig abget6tet, und es wurden L~tnge u n d Trockengewicht yon Sprol3 und Wurzel gemessen sowie die Anzahl der Nebenwurzeln festgestellt. Mit 5 unserer Mutanten (39, 68C, 157A, 179 und 489C) wurde ein weiterer Versuch durchgefiihrt ; die Versuehsbedingungen entsprachen den soeben beschriebenen, die Temperatur schwankte jedoch in einem 24-Stundenrhythmus zwischen 0 ~ und 20 ~ Bei diesem Versuch wurden die Pflanzen erst nach 14 Tagen abgesetzt. Die Versuchsanordnung legte die Auswertung durch eine Varianzanalyse (Vierwegkreuzklassifikation mit einfacher Besetzung) und eine Covarianzanalyse (zum Vergleich der Regressionslinien) nahe. Es ergab sich jedoch, dab die Voraussetzungen dieser Verfahren (Normalit~tt, Streuungsgleichheit, LinearitXt) durch unser Daten-

358

Theoret. Appl. Genetics

H. D. Q u e d n a u :

m a t e r i a l n i c h t erftillt w a r e n u n d sich a u c h d u r c h T r a n s f o r m a t i o n n i c h t e r r e i c h e n lieBen. E s m u g t e n d a h e r ver-

schiedenartige, z.T. verteilungsfreie Verfahren angewandt werden, die im einzelnen bei Quednau (197o) beschrieben sind. Die fiir die Arbeit notwendigen Rechnungen wurden auf einer IBM 7090 der Gesellschaft fiir Mathematik und Datenverarbeitung (GMD), Sitz Birlinghoven, durchge-

ZO - - - ~

~..----o 157A ~ _ _ _ ~ - ~ - t ~ _

',!

489c, /

....

\

[turn1-

/

120

140

........

ffihrt.

Ergebnisse 20

a. Charakterisiemng der empirischen Verteilungs/unktionen Die meisten Mutanten unterschieden sich in der Struktur ihrerVerteilungsfunktionen nicht wesentlich yon der Ausgangsform: Die gegl~itteten H~iufigkeitspolygone nach Weber (t967) zeigten einen etwas schiefen, eingipfligen Aufbau, der bei den verschiedenen Merkmalen variierte. Zwei Gruppen von Genotypen zeichneten sich jedoch durch ein abweichendes Verhalten aus und zwar die beiden Mutanten, deren Merkmalsauspr~igung mit verminderter Penetranz auftritt (157A und 2927) und diejenigen Mutanten, die sich durch ein gef6rdertes Wachstum auszeichnen (489C, 999, 3032B, 3040). Im ersten Fall zeigten einige H~iufigkeitspolygone einen zweigipfligen Aufbau, wobei die beiden Maxima ann~ihernd gleiche H6he erreichten. Dabei handelte es sich bei 2927 nur um die Verteilungsfunktion der SproBl~inge. Die Mutante 157A dagegen wies diese Besonderheit, mit Ausnahme der Anzahl der Nebenwurzeln, bei allen untersuchten Merkmalen auf, wenn der Versuch bei einer konstanten Temperatur yon 20 ~ durchgefiihrt wurde. Die H~iufigkeitspolygone der zweiten Gruppe fallen auf : durch einen besonders niedrigen Mittelwert, durch eine stark erh6hte Variabilitiit, durch einen deutlich vom Normaltyp abweichenden, extrem schiefen Verteilungstyp : Die H~iufigkeitskurven haben nahe beim Abszissenwert 0 ein starkes Maximum und laufen dann nach rechts langsam aus, wobei es meist zur Ausbildung eines Nebengipfels kommt. Diese Besonderheiten treten bei den Merkmalen Wurzelgewicht und Anzahl der Nebenwurzeln z. T. nur undeutlich in Erscheinung, bei der Mutante 999 sind sie auf L~inge und Gewicht des Sprosses beschr~inkt. Da die Mutanten dieser Gruppe sich auf sp~iteren Entwicklungsstadien durch einen besonders krMtigen SproBaufbau auszeichnen, miissen wir annehmen, dab ihre anf~inglich starke Unterlegenheit sp~tter iiberkompensiert wird. Der eigentiimliche Aufbau der H~iufigkeitspolygone legt die Vermutung nahe, dab die Kompensation nicht allm~ihlich eintritt, sondern dab auf einem sehr friihen Entwicklungsstadium eine Umstimmung der Pflanzen erfolgt, die eine pl6tzliche Beschleunigung des Wachstums bewirkt. Da diese Umstimmung nicht bei allen Pflanzen dieser Geno-

40

60

80

100

I\

i

25

~~ t

~

5

I ~

10

15

,/

20 25

30

35

; ~

z,O z,5 50

55

50 65

Abb. . H~ufigkeitspolygone der Mutanten 157A und 489C und der Ausgangsform bei konstanter Temperatur (20 ~

typen gleichzeitig erfolgt, war das Material bei Versuchsende in dieser Beziehung nicht homogen. Die Inhomogenit~it kommt im abweichenden Kurvenverlauf der H~iufigkeitspolygone zum Ausdruck. Beispiele ftir beide Verteilungstypen sind in Abb. 1 dargestellt.

b. Unterschiede zwischen Ausgangs/orm und Mutanten bez#glich der Lag~ der Mittelwerte und der Regressionslinien In den Tab. t - - 4 ist zusammengefaBt, in welchen Merkmalen die einzelnen Mutanten der Ausgangsform signifikant tiber- bzw. unterlegen waren und bei welchen Regressionslinien signifikante Unterschiede auftraten. Aus diesen Tabellen geht hervor, dab bei 12 Mutanten mindestens je zwei signifikante Unterschiede in den Mittelwerten gefunden wurden, die durch entsprechende fixnderungen der Regressionslinien best~itigt werden. Das isolierte Auftreten von jeweils nur einer Abweichung bei 2927 und 2128A hat bei der groBen Anzahl der durchgefiihrten Vergleiche ftir sich allein genommen keine Beweiskraft; der zweigipflige Aufbau der Verteilungsfunktion der SproBl~inge macht jedoch bei Mutante 2927 einen EinfluB des mutierten Gens auf die Entwicklung wahrscheinlich. Wenn sich bei einer Mutante das Verh~iltnis Wurzelgewicht zu Wurzell~tnge ~indert, so muB sich auch das Verh~iltnis der Anzahl der Nebenwurzeln zum Wurzelgewicht oder zur Wurzell~inge ~indern. Von einem direkten EinfluB des mutierten Gens auf die Ausbildung der Nebenwurzeln k6nnen wir also nur in den F~illen sprechen, in denen sich diese beiden Beziehungen in gleicher Richtung verschoben haben. Das trifft for die Mutanten i 50B und t76 zu.

Einflul3 mutierter Gene auf die friihesten Stadien der Ontogenese

Vol. 42, No. 8

Tabelle 1. Signifikante Unterschiede zwischen Ausgangsform und Mutante in der Lage der Mittelwerte. Versuch mit konstanter Temperatur von 20 ~ MrL 29

SL

WG

SO

N~'A

+++

+++

+++

++

Tabelle 3. Signifikante Unterschiede zwischen Ausgangsform und Mutanten in der Lage der Regressionslinien. Versuch mit konstanter Temperatur yon 2o ~

29

39 + +

39

142B

68C

15oB

+ +

14213

68C

+

359

I50B

157A

WG (WL)

SG (SL)

+++

+++

+++

+

SL (WL)

SG (WG)

NWA (WL)

NWA (WG)

++

++

++

+++

-

-

157A

176

-

-

-

-

176

489C

--

489C

999 2128A

999

2294A

2128A

2669A

2294A

2927

2669A

+ + --

--

+

3032B

(--)

2927

304O

--

3032B- Z

+++

3O4O

++

WL = Wurzell~tnge; WG = Wurzelgewieht; NWA = Anzahl der Nebenwurzeln; SL = Sprol31gnge; SG = Sprol3gewicht Bedeutung der Symbole: + : Mutante der Stammform fiberlegen -- : Mutante der Stammform unterlegen

AbkiXrzungen siehe Tab. 1 : die jeweils unabhgngige Variable steht in Klammern. Bedeutung der Symbole: + : Regressionslinie der Mutante liegt h6her : Regressionslinie der Mutante liegt niedriger -

Tabelle 2. Signifikante Unterschiede zwischen Ausgangsform und Mutante in der Lage der Mittelwerte. Versuch mit periodisch schwankender Temperatur zwischen o und 20 ~ WL

SL

WG

SG

NWA

-

Tabelle 4. Signifikante Unterschiede zwischen Ausgangsform und Mutanten in der Lage tier Regressionslinien. Versuch mit periodisch schwankender Temperatur zwischen o und 20 ~ WG (WL)

39 68C

+ +

SL (WL)

SG (WG)

N~VA ] (WL)

NWA (WG)

+

++

39

157A 176

SG (SL)

+ +

4s9c Abkfirzungen und Bedeutung der Symbole siehe Tab. 1.

68C 157A 176 489C

c. E i n / l u f l des Temperaturrhythmus D e r Versuch, d e r b e i p e r i o d i s c h e r T e m p e r a t u r e r n i e d r i g u n g d u r c h g e f f i h r t w u r d e , b r a c h t e folgende Ergebnisse : Die V a r i a b i l i t ~ t aller M e r k m a l e v e r g r 6 g e r t e sich e r h e b l i c h , a u g e r b e i den M u t a n t e n t 5 7 A u n d 489C. Bei allen G e n o t y p e n e r h 6 h t e sich d a s V e r h ~ l t n i s Gew i c h t zu L~inge b e i d e r W u r z e l u n d b e s o n d e r s auff a l l e n d b e i m Sprog. Diese E r g e b n i s s e s t e h e n i m E i n k l a n g m i t B e f u n d e n v o n W e n t (t953), B r o u w e r 0 9 6 7 ) sowie B e a u c h a m p u n d L a t h w e l l (t967). W e n t k o n n t e b e i E r b s e n k e i m l i n g e n n a c h w e i s e n , d a b bei T e m p e r a t u r e n u n t e r 15,5 ~ die V a r i a b i l i t i i t ftir b e s t i m m t e MeBgr6gen

Definition der Kopfzeile und der Symbole siehe Tab. 3. d e r O r g a n e s t a r k a n s t i e g (als S p e z i a l f a l l d e r Regel, d a b die V a r i a b i l i t ~ t u m so gr6fler ist, je w e l t e r sich die U m w e l t b e d i n g u n g e n y o r e O p t i m u m e n t f e r n e n ) . B r o u w e r zeigte, d a b M a i s p f l a n z e n b e i n i e d r i g e n T e m p e r a t u r e n dicke, w e n i g v e r z w e i g t e W u r z e l n a u s b i l d e n , u n d B e a u c h a m p u n d L a t h w e l l wiesen, e b e n f a l l s b e i m Mais, n a c h , d a b eine E r h 6 h u n g tier B o d e n t e m p e r a t u r eine V e r r i n g e r u n g des T r o c k e n g e w i c h t s sowohl d e r W u r z e l als a u c h des Sprosses z u r F o l g e h a t , o b g l e i c h die L~tnge d e r O r g a n e z u n i m m t . Dal3 die p e r i o d i s c h e T e m p e r a t u r e r n i e d r i g u n g bei den M u t a n t e n t 57A u n d 489C k e i n e n E i n f l u g auf die

H. D. Quednau:

360

Variabilit~tt der einzelnen Merkmale hatte, erkl~irt sich aus Besonderheiten ihrer Verteilungsfunktionen : Bei konstanter Temperatur yon 20 ~ zeigten die H~iufigkeitspolygone von 157A einen deutlich zwei9 gipfligen Aufbau und bei 489C einen st~irker ausgepr~igten Nebengipfel (siehe Absatz a). Die gr6Bere Variabilit~it der Merkmale bei dem Versuch mit periodischer Temperaturerniedrigung liefert auch einen Hinweis darauf, warum wir hier wesentlich weniger signifikante Unterschiede zwischen Mutanten und Ausgangsform nachweisen konnten als bei konstanter Temperatur. Dies braucht nicht in jedem Fall daran zu liegen, dab die mutierten Gene einen geringeren Einflul3 auf die frtihe Ontogenese haben, sondern es mug auch die M6gliehkeit in Betracht gezogen werden, dab unsere Tests durch die erh6hte Variabilit~tt der Merkmale so unscharf geworden sind, dab sich eventuell vorhandene Unterschiede dem Nachweis entziehen. Tabelle 5. Signifikanle ~'nderungen der Unterschiede zwischen Ausgangsform und Mutanten durch verschiedene Temperaturbedingungen

VCL SL

WG

SG

NWA

39 68C 157A

-

-

+ 4-

(4-)

176 489C

Abkt~rzungen siehe Tab. 1 ]3edeutung der Symbole: + : Unterlegenheit der Mutante bei schwankender Temperatur st~trker --: Unterlegenheit der Mutante bei konstanter Temperatur stS.rker Aus diesem Grund wurde untersucht, ob die Unterschiede zwischen Ausgangsform und Mutante sich durch die ver~nderten Umweltbedingungen signifikant ge~indert haben. Das Ergebnis dieser Analyse ist in Tab. 5 dargestellt. Bei den Mutanten t57A und 176 tritt die entwicklungshemmende Wirkung des mutierten Gens bei konstanter Temperatur yon 20 ~ wesentlich deutlicher in Erscheinung als bei schwankender Temperatur. Die verb/inderte Mutante 489C verh~ilt sich umgekehrt. Man k6nnte dies wie folgt interpretieren: Die H~iufigkeitspolygone yon 489C zeigen bei konstanter Temperatur einen deutlichen Nebengipfel, der bei wechselnder Temperatur nur schwach oder gar nicht ausgepr~igt ist. Daraus folgt, dab die ftir diese Mutante charakteristische Wachstumsbeschleunigung im ersten Fall bis zum Absetzen des Versuchs bei einem gr613eren Prozentsatz der Pflanzen eingetreten war als im zweiten. So erhielten wir h6here Durchschnittswerte und gleichzeitig eine relativ erh6hte Variabilit/it.

Theoret. Appl. Genetics Diskussion

Wir haben durch unsere Untersuchungen bei 12 yon t5 Mutanten statistisch nachgewiesen, dab sie sieh schon in den frtihesten Stadien der Ontogenese in der Entwicklung der Wurzel und des Sprosses yon der Ausgangsform unterscheiden. Bei einer weiteren Mutante (2927) sind solche Unterschiede wegen ihres zweigipfligen H~tufigkeitspolygons ebenfalls wahrscheinlich. Die Mutante t 50B ist der Stammform in der Entwicklung der Wurzel iiberlegen, in der Entwicklung des Sprosses jedoch unterlegen. Bei den tibrigen Genotypen wurden entweder nur positive oder negative Abweichungen nachgewiesen. Dariiber hinaus 1Mgt sich bei diesen Formen eine einheitliche Regel ftir die Lage der Regressionslinien angeben: Dort, wo sich das Verh~dtnis yon SproB zu Wurzel bzw. Gewicht zu L~inge im Vergleich zur Ausgangsform ver~indert hat, ist es bei den zu diesem Zeitpunkt unterlegenen Mutanten erniedrigt, bei den tiberlegenen erh6ht. Aus den Befunden kann geschlossen werden, dab sich die Pflanzen beim Absetzen des Versuchs in einer Entwicklungsphase befunden haben, in der sich der Sprog gegentiber der Wurzel und das Gewicht gegentiber der L~inge tiberproportional entwickelte. Die )~nderung der Regressionslinien kann also, auger bei der Mutante 150B, befriedigend durch die Annahme erkl~irt werden, dab das mutierte Gen eine allgemeine Beschleunigung bzw. Verz6gerung der Entwicklung bewirkt hat. Aus unseren Ergebnissen l~iBt sich folgern, dab bei P i s u m die tiberwiegende Zahl der Mutationen die Entwicklungsgeschwindigkeit in den ersten Tagen nach der Keimung beeinfluBt. Das trifft aueh ftir solche Mutationen zu, deren charakteristischer Effekt erst zu einem viel sp~teren Zeitpunkt der Ontogenese sichtbar wird. Bei zwei der yon uns untersuchten Mutanten tritt das charakteristisehe Merkmal mit verminderter Penetranz auf (Sprol3gabelung bei t 57A bzw. oftener Fruchtknoten bei 2927). Da wir gerade bei diesen Formen zweigipflige H/iufigkeitsverteilungen gefunden haben, k6nnen wir schliegen, dab das Gen auch im Hinblick auf seinen EinfluB auf die friihesten Stadien der ontogenetischen Entwicklung eine unvollst~tndige Penetranz besitzt. In zwei F~illen haben wir eine genetiscti bedingte Anderung im Aufbau des Wurzelsystems festgestellt, und zwar einmal eine Hemmung (t50B) und einmal eine F6rderung (176) der Bildung yon Nebenwurzeln. Bei t76 liegt die Mutation in einem Chromosomenbereich, der eine besonders hohe Mutationsbereitschaft aufzuweisen scheint (Gottschalk t967, t968). Wir mtissen also mit der M6glichkeit rechnen, dab in diesem Fall ein anderer Mechanismus als Pleiotropie vorliegt. Es handelt sich entweder um ~tuBerst eng gekoppelte Gene oder eine kleine Deletion, vielleicht auch um einen genetisch bedingten Abbruch der Transcription innerhalb eines Operons (Gottschalk t968, Heslot t968).

Vol. 42 , No. 8

Einflul3 mutierter Gene auf die friihesten Stadien der Ontogenese

Die von uns untersuchten gestauchten Mutanten 150B, 2669A und 2294A bleiben in der Entwicklung des Sprosses, Mutante 2669A dariiber hinaus auch in der Entwicklung der Wurzel von Anfang an hinter der Ausgangsform zuriick. Diejenigen Genotypen, die sich in sp~teren Stadien der Ontogenese durch einen besonders kriiftigen SproBaufbau auszeichnen (489C, 999~ 3032B, 3040), zeigen u n m i t t e l b a r nach der Keimung ein unerwartetes Verhalten, das sich nicht ohne weiteres mit der hohen Vitalit~it dieser Pflanzen in Einklang bringen l~tBt. Als Wirkung der mutierten Gene wird zuniiehst eine starke H e m m u n g erkennbar, die sich bet der Mutante 999 auf den SproB beschr~tnkt, bet den anderen Mutanten jedoch auch in der Wurzelentwicklung ~tuBert. Bereits nach wenigen Tagen schl~igt diese H e m m u n g jedoch in eine E n t wicklungsf6rderung urn, die bis zum AbschluB der Ontogenese bestehen bleibt. Am deutlichsten t r i t t dieses Verhalten bet der verb~tnderten' Mutante 489C zu Tage. Ober verh~tltnism~iBig friihe Entwicklungsstadien verb~tnderter Erbsen liegen morphologische und physiologische Untersuchungen vor, die wir zur Interpretation dieses P M n o m e n s heranziehen k6nnen. Die Fasciation t r i t t als morphogenetische Stengelanomalie bei P i s u m erst an h6her gelegenen Internodien auf ; im Material von Scheibe (1954) und Grupe (t956) wird sie etwa vom 12. Stengelglied an erkennbar. Schon vorher ist der Wuchsstoffspiegel bei den verb~inderten F o r m e n gegeniiber der Ausgangsform erh6ht, am deutliehsten zwischen der Ausbildung des 7. und 13. I n t e r n o d i u m s (Scheibe und W 6 h r m a n n - H i l l m a n n t957a). Es wurden vier Wuchsstoffe naehgewiesen und drei davon identifiziert: fi-Indolyl-Essigs~ure, fl-Indolacetonitril und fi-Indolaldehyd. Auch bei der Ausgangsform l~tBt sich durch Zugabe von/5-IndolylEssigsiiure und ~-Naphthyl-Essigs~ture Verb~nderung hervorrufen; die Fasciation ist demnach Folge, nieht Ursache der erh6hten Wuchsstoffkonzentration. Als Prim~reffekt des mutierten Gens scheint eine Beeinflussung des Tryptophan-Stoffwechsels vorzuliegen (Scheibe und W S h r m a n n - H i l l m a n n t957b, c). Eine zu hohe Wuchsstoffkonzentration ftihrt in vielen F~llen zu einer W a c h s t u m s h e m m u n g , tiber deren Ursaehen noch keine einheitliche Meinung besteht (vgl. etwa die Auxin-Befunde von Foster et al. 1952, Pohl und Ochs 1953, Cleland t967). Rietselna et al. (1953) behandelten D a t u r a - E m b r y o n e n mit Auxin und b e o b a c h t e t e n im allgemeinen eine hemmende Wirkung, wobei junge E m b r y o n e n empfindlicher waren als ~tltere. Nur bei sehr geringen Konzentrationen wurde eine FSrderung des Wurzelwachstums gefunden. Diese Befunde kSnnen ftir die I n t e r p r e t a t i o n der Ergebnisse an unserer verNinderten Mutante 489C verwendet werden. U n m i t t e l b a r nach der Keimung ist die Empfindlichkeit des Keirnlings gegen erh6hte Wuchsstoffkonzentration, wie sie bei diesem Genotyp zu erwarten ist, noch so grog, dab das W a e h s t u m zuniichst g e h e m m t wird. Nach

361

einigen Tagen sinkt entweder die Wuchsstoffempfindlichkeit des Plasmas, oder ein gentigend groBer Teil des tiberschtissigen Wuchsstoffs 15st sich im neugebildeten Vakuom, so dab die zunlichst beobachtete H e m m u n g in eine Wachstumsf6rderung umsehlS.gt. Interessanterweise ist diese Reaktion nicht auf die verNinderte Mutante beschrlinkt, sie t r i t t vielmehr bei einer ganzen Gruppe besonders vitaler Genotypen in Erscheinung. Es ist daher anzunehmen, dab im Hinblick auf den Wuchsstoffspiegel bei diesen Formen ~ihnliche Verhiiltnisse vorliegen, wie sie ftir die verb~tnderte Mutante bereits nachgewiesen wurden. Physiologische Untersuchungen dariiber sind im Gange.

Zusammenfassung Es wurden t 5 strahleninduzierte Mutanten von P i s u m s a t i v u m daraufhin untersucht, ob u n m i t t e l b a r nach Beginn der Keimung genetisch bedingte Abweichungen v o n d e r Ausgangsform auftreten. Bei 12 Genotypen liel3en sich statistisch signifikante Unterschiede in der Entwieklungsgeschwindigkeit nachweisen; bei zwei dieser Mutanten wurde auBerdem eine Anderung in der Anzahl der Nebenwurzeln gefunden. In zwei FAllen, in denen das Gen eine verminderte Penetranz hat, tritt sein EinfluB auf die Entwicklungsgesehwindigkeit ebenfalls nut bei einem Teil der Pflanzen auf. Bei denjenigen Mutanten, die sich in sp~iteren Stadien der Ontogenese durch einen besonders kr~iftigen SproBaufbau auszeichnen, zeigt sich zun~ichst eine starke W a c h s t u m s h e m m u n g , die einige Tage nach der Keimung in eine pl6tzliche F6rderung umsehl~gt. Als n~ichstliegende Erkl~irung fiir dieses Verhalten kann angenommen werden, dab die Wuchsstoffkonzentration dieser Genotypen so groB ist, dab die besonders empfindlichen frtihesten Jugendstadien in ihrer Entwicklung gehemmt werden.

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H. D. Q u e d n a u : Einflul3 m u t i e r t e r Gene auf die friihesten Stadien der Ontogenese

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E i n g e g a n g e n a m 22. F e b r u a r 1972 A n g e n o m m e n durch H. S t u b b e

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Dr. H.-D. Quednau I n s t i t u t ftir Genetik der U n i v e r s i t ~ t B o n n Kurfiirstenstr. 74 D-53 B o n n ( G e r m a n y / B R D )

[The effect of mutated genes on the earliest stages of development of Pisum sativum].

Fifteen radiation-induced mutants of Pisum sativum with different characteristics were tested immediately after germination to determine whether genet...
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