Experimentelle Anästhesie Einfiuß einer Halothannarkose auf die pulmonale Kreislaufumstellung bei einseitiger Sauerstoffmangelatmung J. L. Theissen', L. D. Traber> D. N. Herndon2, D. L. TraberZ 'Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (Direktor: Univ.-Prof. Dr. Dr. h. C. P. h i n ) 'Anestheasia Research Laboratory der University of Texas Medical Btanch and Shnners Bums Instimte, Galveston, Texas, USA (Direktor: Prof. D. L Traber, Ph.D.)

Influence of a Halothane Narcosis on Pulmonary Blood Flow Regulation under Unilateral Lung Hypoxia Summary Controversies exist over the influence of inhalation anaesthesia on blood flow regulation in response to local alveolar hypoxia. This study investigates the blood flow diversion from a hypoxic to an oxygenated lung in anaesthetized and ventilated animals in comparison to unanaesthetized anirnals. Chronically instrumented adult ewes (n= 14, 32-45 kg) were intubated one week after surgery with a modified Carlen's tube, allowing separate ventilation of the left and right lung. In the awake state (n=7) or after one hour of constant anaesthetic conditions (n=7, halothane 1.6OIo and 2.4 O/o), cardiac output (thermodilution) and left pulmonary blood flow (ultrasonic transit time) were evaluated. Then, under identical ventilatory conditions, the left or right lung, alternately, was rendered hypoxic for 10 min by ventilation with nitrogen. The controlateral lung was ventilated with oxygen. After 10 min, haemodynamics were again recorded. The changes in left pulmonary blood flow under unilateral lung hypoxia were sirnilar either in the awake or the anaesthetized state. Thus, we conclude that, under these experimental conditions, halothane anaesthesia and mechanical ventilation have no influence on blood flow regulation under unilateral lung hypoxia.

Einleitung Im Jahre 1904 beschrieb Plumier (16) als erster, daß anästhesierte Hunde auf Sauerstoffmangelatmung mit pulmonalarteriellem Hochdruck reagieren. Diese Beobachtung erfuhr erst 1946 durch von Euler und Liliestrand (9) ihre physiologische Deutung. Sie postulierten, daß lokale pulmonale Vasokonstriktion als Antwort auf alveoläre Hypoxie dazu diene, Blut von hypoxischen zu oxygenierten Lungenarealen umzuleiten und damit den physioAnästhesiol. Intensivmed. Notfallmed. Schmenther. 26 (1991) 90-95 8 Georg Thieme Verlag Stuttgart .New York

Zusammenfassung Der Einfld einer Inhalationsnarkose auf die pulmonale Kreislaufregulation bei lokaler alveolärer Hypoxie ist bisher umstritten. Die vorliegende tierexperimentelle Studie quantifiziert die Kreislaufumstellung bei einseitiger Sauerstoffmangelatmung im Wachzustand und unter Halothannarkose. Chronisch instrumentierte Schafe (n=14,32-45 kg) wurden eine Woche post operationem mit einem modifizierten Doppellurnentubus intubiert. Im Wachzustand (n=7) oder nach einstündigen konstanten Anästhesiebedingungen (n=7, Halothan 1,6 Val.% und 2,4 Val.%) wurde das HZV (Kälteverdünnung) und der linkspulmonalarterielle Blutfld (Ultraschallverfahren) bestimmt. Unter gleichen Beatmungsbedingungen wurde dann alternierend jeweils ein Lungenflügel für 10 min mit Nz, der andere mit 0 2 beatmet und die härnodynamischen Parameter erneut registriert. Die Veränderungen des linkspulmonalarteriellen Blutflusses unter einseitiger Sauerstoffmangelatmung waren sowohl im Wachzustand als auch unter den gewählten Halothankonzentrationen vergleichbar. Daher wird geschldfolgert, dai3 Halothannarkose und maschinelle Beaunung unter den gegebenen experimentellen Bedingungen keinen Einfld auf die Kreislaufumstellung bei einseitiger Sauerstoffmangelatmung haben.

logischen Shuntanteil gering zu halten. Diese These wurde seither an unterschiedlichen Modellpräparaten, verschiedenen Tierspezies als auch am Menschen untersucht und ist heute allgemein anerkannt. Somit sichert die hypoxisch pulmonale Vasokonstriktion (HPV) bei Erkrankungen der Lunge die Anpassung der lokalen Perfusion an die alveoläre Ventilation. Kontroverse Meinungen bestehen d a ~ b e r , wie und in welchem Maße eine Inhalationsanästhesie mit Halothan die HPV beeinfiui3t. Einige Autoren, wie Loh, Bjertnaes und Marshall(5,lO- 13) fanden an zum Teil isolierten Lungenpräparaten, daß Halothan die HPV dämpfe. Andere Autoren, wie Augustine, Benurnoff, Mathers und

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Sykes (1, 2, 14, 18) konnten jedoch diesen dämpfenden

Einfluß auf die HPV an intakten Tieren oder Menschen nicht bestätigen. Auch Rogers und Mitarb. (17) konnten eine Verschlechterung des P,O2 unter einseitiger Lungenbeatmung nicht finden, wenn der intravenösen Basisnarkose Halothan hinzugefügt wurde. Im Tierexperiment wurde daher geprüft, ob der am isolierten Lungenpräparat gesicherte dämpfende Einfluß von Halothan auf die pulmonale Kreislaufregulation unter den Bedingungen einer Halothannarkose mit maschineller Beatmung, wie sie täglich in der klinischen Praxis durchgeführt wird, noch nachweisbar ist. Methodik Das vorliegende Versuchsprotokoll wurde von der Tierethikkommission der University of Texas Medical Branch in Galveston, Texas, genehmigt.

Bei intakter HPV führt einseitige Sauerstoffmangelatmung zu einseitiger pulmonaler ~asokonstriktion und damit zur Umleitung des Blutes vom hypoxischen zum oxygenierten Lungenflügel. Diese Umleitung des Blutes sollte vermessen werden. Dazu wurde in stehender Position der Tiere, nach Erhebung der Kontrolldaten, randomisiert entweder der rechte oder linke Schenkel des Doppellumentubus für 10 min an einen Atembeutel mit Stickstoff, der andere an einen Atembeutel mit Sauerstoff angeschlossen. Rückatmung wurde durch Einwegventile verhindert. Nach 10 rnin wurden die hämo- und kardiodynamischen Parameter. insbesondere die Veränderungen des links~ulmonalar" teriellen Blutflusses, gemessen. Nach einer kurzen Pause, in der die Tiere normal atmen konnten. wurden die beiden ~ubusschenkeivertauscht. ~nschließeidwurden erneut die respiratorischen und hämodynamischen Parameter registriert.

Die sieben restlichen Tiere wurden mit 1,6 Val.% Halothan narkotisiert, mit dem DoppellumentuUnter Intubationsnarkose mit Halothan bus intubiert und mit einem Siemens Respirator 900 C (Sie(2,O Val.%) in Sauerstoff wurden 14 Schafe mit einem Kör- mens Elema AB, Sweden) beatmet. Die FiOi wurde auf 0,21 pergewicht zwischen 32 und 45 kg wie folgt chronisch in- eingestellt, die Atemfrequenz betrug 10 Hübe/min, und strumentiert. Femoralarterie und Vene wurden operativ ka- das Hubvolumen wurde so angepdt, daß der PaCO2 zwtheterisiert und ein Thermodilutionskatheter über die rech- schen 35 und 45 rnmHg lag. Halothan wurde über einen te Vena jugularis externa in die Pulrnonalarterie einge- kalibrierten Halothan-Vergaser (Siemens Elema) in das schwemmt. Nach linksseitiger Thorakotomie im fünften In- Beatmungssystem eingebracht. Die Tiere befanden sich terkostalraum wurde die linke Pulmonalarterie auf einer während dieser Untersuchung in stabilisierter Bauchlage. Strecke von 2 cm freigelegt und ein 12-mm-Ultraschallmeß- Der Unterschied in der Position im Vergleich zur ersten kopf zur direkten Messung des pulmonalen Blutflusses pla- Versuchsserie war, daß die Beine der Tiere angewinkelt waziert. Dabei wurde auf eine freie und ungehinderte Lage des ren und der Bauch der Tiere auf der Unterlage auflag. Nach Meßkopfes geachtet. Sodann wurde ein linksatrialer Kathe- einer Stunde wurde unter der eingestellten Halothankonter durch das linke Herzohr eingelegt. Die Eintrittspforte zentration die pulmonale Kreislaufumstellung bei einseitialler Katheter in den Thorax war etwa 5 cm von der Thora- ger Sauerstoffmangelatmung nach der oben beschriebenen kotomiewunde entfernt. Im Anschluß an die O~eration Methode vermessen. Dazu wurden beide Lungenflügel mit wurden die Tiere erweckt, extubiert und zu ihren Käfigen zwei Siemens-Respiratoren getrennt beatmet. Das eine Gezurückgebracht, wo sie sich, unter freiem Zugang zu Wasser rät beatmete mit Halothan (1,6 Val.%) in Sauerstoff, das andere mit Halothan (1,6 Val.%) in Stickstoff. Beide Geräund Futter, von der Operation erholen konnten. Nach funf Tagen wurden die Tiere zu ihren Meßplätzen gebracht und te waren synchronisiert und so eingestellt, daß der gleiche an Monitore angeschlossen. Eine kontinuierliche intravenö- Spitzendruck in beiden Tubusschenkeln und das gleiche se Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution mit 2 ml/kg KG Minutenvolurnen wie vor der seitengetrennten Beatmung Ringer-Laktat wurde gestartet und fiu den Rest des Experi- erreicht wurden. Nach jeweils 10 min wurden die hämodyments aufrecht erhalten. Nach 12 Stunden, in denen sich namischen und respiratorischen Parameter bestimmt. die Tiere der neuen räumlichen Umgebung anpassen konnten, begann die eigentliche pharmakologische Prüfphase. Die einstündige Wartezeit unter konstanten inspiratorischen Halothankonzentrationen arn SiemensSieben Schafe, die als Kontrollgruppe dien- Ventilator wurde als ausreichend betrachtet, um eine stabile ten, wurden unter Ketamin-Narkose (10 mg/kg i. V.) tra- und konstante hämodynamische Situation zu erreichen. cheotomiert und mit einem modifizierten linksläufigen Doppellumen-Carlens-Tubus inhibiert. Beim Schaf entIn einer zweiten Phase wurden die gleichen springt der rechte Oberlappenbronchus etwa 4cm proxi- Messungen unter 2,4 Val.% Halothan wiederholt. Dazu mal der Carina direkt der Trachea. Um eine Verlegung des wurde die inspiratorische Halothankonzentration auf rechten Oberlappens durch den proximalen Cuff zu verhin- 2,4Vol.O/0 festgelegt, eine Stunde gewartet und anschliedern, mußte der Tubus zwischen beiden Cuffs um etwa ßend der gleiche Versuch wie unter 1,6Vol.% Halothan 7 cm verlängert werden. Die richtige Plazierung des Tubus durchgeführt. wurde bronchosko~ischverifiziert. Nach stabiler Fixation des Tubus wurden'die Tiere erweckt. Nach anfänglichen Die Studie unter 2,4 Val.% Halothan wurHustenanfällen tolerierten die Schafe im Wachzustand den de immer nach der unter 1,6 Val.% Halothan durchgefuhrt, Doppellumentubus schon nach 20 Minuten sehr gut. Of- weil ausgeschlossen werden sollte, daß sich Wirkungen unter 1,6 Val.% Halothan zeigten, die eventuell auf vorherige fensichtlich verschwindet der Hustenreiz, ähnlich wie bei einer Trachealkanüle, mit der Zeit. Nach zwei Stunden wur- höhere Halothankonzentrationen zurückzuhhren gewesen de die pulmonale Kreislauhimstellung bei einseitiger Sauer- wären. stoffmangelatmung gemessen.

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Einflußder Halothannarkose

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J. L. Tbeissen und Mitarb.

Tab-l Hämodynamische und respiratorische Parameter unter normaler Atmung, d. h. gleichen Gaskonzentrationen in beiden Tubusschenkeln (NA), sowie unter linksseitiger (LLH) oder rechtsseitiger (RLH) Sauerstoffmangelatmung(X f SEM).W = Wachzustand, H 1,6 und H2,4 = Halothankonzentration 1,6Vol0/0und 2,4Vol%,MAP= mittlerer arterieller Druck, HAI= Herzzeitvolumen. HF = Herzfrequenz. LAP = linksatrialer Druck,

SVR = systemisch vaskulärer Widerstand, SV1 = Schlagvolumenindex,PAP= mittlerer pulrnonalarteneller Druck, PVR = pulmonalvaskulärer Widerstand, lPAF= linkspulmonalarterieller Blutfluß, + =Vergleich zwischen NA von W und H: Mann-Whitney-Test(p

[The effect of halothane anesthesia on pulmonary circulation regulation during unilateral hypoxic ventilation].

Controversies exist over the influence of inhalation anaesthesia on blood flow regulation in response to local alveolar hypoxia. This study investigat...
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