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Zerebrale Marklagerhyperintensitäten in der Magnetresonanztomografie und deren klinische Relevanz The Clinical Implication of Cerebral White Matter Hyperintensities on Magnetic Resonance Imaging T. Gattringer, F. Fazekas Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Graz/Österreich

!

Dieser Fortbildungsartikel soll einen Überblick über die Definition, die Differentialdiagnose und vor allem die klinische Bedeutung von Marklagerhyperintensitäten (White Matter Hyperintensities, WMH) in der zerebralen Magnetresonanztomografie geben. Diese Veränderungen sind in unterschiedlichem Ausmaß und altersabhängig bei einer Vielzahl von Personen bzw. Patienten zu finden und werden daher häufig in neuroradiologischen Befunden beschrieben. Demzufolge ist ein Grundverständnis von WMH nicht nur für Ärzte aus dem Bereich der Neurowissenschaften, sondern auch für Allgemeinmediziner und Ärzte aus verschiedenen anderen Fachbereichen von Relevanz. Es soll vor allem auf die klinische Bedeutung dieser Signalveränderungen eingegangen sowie deren Prognose und therapeutische Aspekte diskutiert werden.

Einleitung !

Mit der Einführung der Magnetresonanztomografie (MRT) hat sich gezeigt, dass bei Untersuchungen des Gehirns vornehmlich älterer Personen relativ häufig punkt- bis fleckförmige, teilweise aber auch konfluierende Veränderungen der weißen Substanz des Gehirns zu sehen sind [1]. Sie erscheinen typischerweise in Protonen- und T2gewichteten Sequenzen heller als das Marklager, weshalb sie auch als White Matter Hyperintensities (WMH) bezeichnet werden [2]. In konventionellen T1-gewichteten Aufnahmen sind sie demgegenüber nicht zu erkennen und zeigen auch " Abb. 1) [3]. keine Kontrastmittelaufnahme (● Diese Signalveränderungen werden oft zufällig entdeckt und häufig ist ihnen keine spezielle Bedeutung zuzuordnen. WMH können aber auch Ausdruck von Begleit- oder Folgeveränderungen im Rahmen unterschiedlichster Krankheitspro-

zesse sein, was ihre Einschätzung erschwert. Zum überwiegenden Teil scheinen WMH aber vor allem den Alterungsprozess des Gehirns zu reflektieren, insbesondere, soweit er im Zusammenhang mit einer Schädigung der kleinen perforierenden Hirnarterien, -arteriolen und -kapillaren (= Mikroangiopathie) steht. Histopathologische Untersuchungen in Korrelation zu WMH ergaben zum Teil eine Rarefizierung der weißen Substanz [4, 5], weshalb zumindest für konfluierende Marklagerhyperintensitäten auch eine gewisse Parallelität zum Begriff der Leukoaraiose gegeben ist, der für diffuse Hypodensitäten des Marklagers in der zerebralen Computertomografie (CT) Verwendung findet [6]. Pathogenetisch diskutierte zugrunde liegende Mechanismen umfassen u. a. fokale Gewebsschädigung durch Alteration der Gefäßwände bis hin zur Ischämie [7], eine chronische Hypoperfusion und auch Störungen der Blut-Hirn-Schranke mit chronischer Leckage von Plasma in die weiße Hirnsubstanz [8]. Diese unterschiedlichen Zusammenhänge bei insgesamt im Einzelnen letztlich meist unklarer Entstehungsgeschichte haben zur Verwendung vieler verschiedener Begriffsbezeichnungen für hyperintense subkortikale MRT-Signalveränderungen " Tab. 1 aufgelistet sind und zugeführt, die in ● künftig konsistent durch den Begriff WMH ersetzt werden sollten [2]. Neben einer gewissen Ursachenklärung haben Langzeitstudien in den letzten Jahren vermehrt

VNR 2760512014144211306 Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1366703 Fortschr Neurol Psychiatr 2014; 82: 471–482 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0720-4299 Korrespondenzadresse Prof. Franz Fazekas Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Graz Auenbruggerplatz 22 8036 Graz Österreich [email protected]

Tab. 1 Heterogene Begriffsverwendung für WMH und die Häufigkeit ihrer Verwendung in der Literatur [2].

Begriff

Anteil von Publikationen,

Leukoaraiose

31 %

White Matter Lesions (WML)

24 %

die diesen Begriff verwenden

White Matter Hyperintensities (WMH)

19 %

White Matter Changes (WMC)

12 %

Leukenzephalopathie

7%

White Matter Disease (WMD)

4%

verschiedene andere Begriffe

2%

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Lernziele

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Abb. 1 Kleinfleckförmige bis konfluierende WMH im tiefen Marklager und periventrikulär auf FLAIR- a und T2-gewichteter b Sequenz. Bei T1-Gewichtung c ist keine wesentliche Signalabnormität zu erkennen. In der kranialen Compu-

tertomografie d entsprechen die WMH einer leichten, unscharf begrenzten Hypodensität.

Hinweise auf eine durchaus reale Bedeutung der WMH gebracht. Sie wurden dabei zwar nicht als eigenes Krankheitsbild, wohl aber als Hinweis für eine bestehende vaskuläre Schädigung des Gehirns oder zumindest eine höhere Empfindlichkeit gegenüber derartiger Schädigung mit entsprechenden Konsequenzen identifiziert. Wie bereits ausgeführt, werden WMH nach derzeitigem Wissensstand vor allem mit einer Schädigung der kleinen Hirngefäße bzw. einer zerebralen Kleingefäßerkrankung (Small Vessel Disease) in Verbindung gebracht [9]. Die Herstellung dieses Zusammenhangs ist in vivo insofern erschwert, als die kleinsten Hirngefäße (Arteriolen, Kapillaren) im Gegensatz zu den größeren hirnversorgenden Arterien bis dato nicht direkt abgebildet werden können. Neben histopathologischer Evidenz beruht die vermutete Assoziation also vor allem auf indirekten Hinweisen wie dem Zusammenhang des Schweregrads von WMH mit vaskulären Risikofaktoren und begleitenden anderen morphologischen Veränderungen, wie kleinen subkortikalen Infarkten und alten Mikroblutungen, die ebenfalls als Ausdruck einer zerebralen Kleingefäßerkrankung gesehen werden [2]. Umgekehrt bieten WMH und ihr Schweregrad damit aber auch die Möglichkeit, einen indirekten Hinweis auf das Ausmaß der Schädigung der kleinen Hirngefäße zu erhalten, die einer Beurteilung

sonst nicht zugänglich sind, aber eine wesentliche Rolle in Bezug auf die Erhaltung der Integrität des Gehirnparenchyms spielen. Nach einer Darstellung der morphologischen Charakteristika der WMH und ihrer differentialdiagnostischen Abgrenzung soll deshalb im Weiteren ihre klinische Relevanz in Bezug auf verschiedene Funktionsebenen des Gehirns sowie bezüglich der Langzeitprognose dargelegt werden. Davon abgeleitet werden mögliche therapeutische Konsequenzen angesprochen, wiewohl es derzeit keine Evidenzen für Möglichkeiten der Verhinderung der Entwicklung von WMH oder gar ihrer Behandlung gibt. Abschließend soll noch die Bedeutung von WMH in klinisch-neurologischen Spezialbehandlungssituationen (systemische Thrombolysetherapie des akuten Schlaganfalls sowie der oralen Antikoagulationstherapie bei Vorhofflimmern) kritisch beleuchtet werden.

MRT-Charakteristika und Differentialdiagnose !

Da WMH einen häufigen MRT-Befund darstellen, besteht die natürliche Tendenz, sie kausal mit vermuteten Erkrankungen oder Zuweisungsdiagnosen in Zusammenhang zu bringen. Eindeutige normative Daten über das Vorkommen von WMH in

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der Allgemeinbevölkerung liegen nicht vor und sind auch schwer zu erstellen, da die Beobachtung von WMH stark von der Untersuchungstechnik (Sequenz, Schichtdicke, MR-Feldstärke etc.) sowie der Definition einer „Normalbevölkerung“ (z. B. mit oder ohne vorhandene vaskuläre Risikofaktoren) abhängt. Ganz vereinfacht ist anzunehmen, dass WMH bereits bei etwa der Hälfte 50-jähriger Normalpersonen zu beobachten sind und ihre Häufigkeit mit steigendem Alter weiter zunimmt [1, 9]. Gleichzeitig mit der altersbedingten Zunahme ihrer Prävalenz nimmt auch die Ausprägung von WMH altersbezogen zu. Dabei spielen genetische Faktoren offensichtlich eine große Rolle [10, 11]. Unter den vaskulären Risikofaktoren ist vor allem das Ausmaß und die Dauer einer arteriellen Hypertonie von Bedeutung [12]. WMH sind vom Signalverhalten her sehr unspezifisch und diesbezüglich nicht von unterschiedlichsten pathologischen Prozessen der weißen Gehirnsubstanz abzugrenzen. Dementsprechend können histopathologische Vergleichsuntersuchungen für Einzelläsionen ganz unterschiedliche und oft unerwartete Befunde erbringen [13, 14]. Die Differenzierung zwischen WMH und anderen Ursachen von Marklagerveränderungen bzw. Läsionen der weißen Substanz basiert deshalb neben der klinischen Beurteilung der Patienten vor allem auf unterschiedlichen Verteilungsmustern [15]. Die klinisch wichtigste Differenzierung ist zumeist jene von demyelinisierenden Erkrankun" Tab. 2 gen wie der Multiplen Sklerose (MS) [16].●

WMH (ischämisch)

MS-Läsionen

Form

schlecht abgrenzbar

rundlich, ovoid

Größe

oft nur punktförmig, (allerdings auch kleinfleckig bis konfluierend)

oft > 5 mm im Durchmesser

Lage

subkortikale U-Fasern und Kleinhirn ausgespart

periventrikulär, juxtakortikal, infratentoriell inkl. Myelon

Verteilung

symmetrisch

asymmetrisch

Kontrastmittel (KM)

keine KM-Aufnahme

häufig KM-Aufnahme

T1-Gewichtung

keine wesentlichen Veränderungen

„Black Holes“ (Axonverlust, neuronale Destruktion)

listet die wesentlichen morphologischen Charakteristika von (ischämischen) WMH gegenüber MS-Läsionen auf. In ausgeprägten Fällen kann eine Differenzierung allerdings durchaus schwer " Abb. 2). Dann kann bei unbis unmöglich sein (● klarer Klinik eine MRT der Wirbelsäule hilfreich sein, da bei MS im Rückenmark sehr häufig auch klinisch stumme Läsionen zu beobachten sind, während es praktisch keine „zufälligen“ WMH des Myelons gibt [17]. Natürlich können auch infektiöse, toxisch-demyelinisierende, traumatische, dysmyelinisierende, metabolische und andere Erkrankungen zu Signaländerungen der weißen Substanz führen. Diese sind allerdings meist ebenfalls durch entsprechende Muster charakterisiert und durch den Zusammenhang mit spezifischen klinischen und sonstigen Befunden in der Regel gut von WMH zu unterscheiden.

Tab. 2 Differenzierung von altersassoziierten, ischämischen WMH im Vergleich zu entzündlich demyelinisierenden Marklagerläsionen in der zerebralen Magnetresonanztomografie.

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Abb. 2 Die obere Reihe a FLAIR-gewichteter Aufnahmen zeigt typische Lokalisationen (tiefes Marklager, Aussparen der subkortikalen U-Fasern) und Verteilungsmuster (relativ symmetrisch) von WMH. Demgegenüber zeigt die untere Reihe b die Läsionsverteilung bei MS mit teils periventrikulärer und juxtakortikaler Anordnung (Pfeile).

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Abb. 3 Ausgedehnte WMH sind von anderen Ursachen der Marklagerveränderungen oft schwer zu unterscheiden. Hilfreich ist das Vorliegen anderer bildgebender Marker der zerebralen Kleingefäßerkrankung wie z. B. einer alten lakunären Läsion vermutlich vaskulärer Genese (a, obere Reihe FLAIR-

gewichteter Aufnahmen, Pfeil) oder zahlreicher Hämosiderindepositate/Signalauslöschungen (b, untere Reihe, T2*-gewichtete Gradienten-Echo-Sequenz) als Zeichen stattgehabter Mikroblutungen.

Bei detaillierter Betrachtung zeigt auch die Verteilung von WMH in der Normalbevölkerung oft individuell starke Unterschiede. So sind etwa manchmal besonders der subkortikale Bereich, das frontale Marklager oder die weiße Substanz um die Hinterhörner besonders bevorzugte Lokalisationsorte. Bisher ist es allerdings nicht gelungen, diese unterschiedlichen WMH-Verteilungen klar mit speziellen auslösenden Ursachen oder besonderen klinischen Charakteristika zu assoziieren. Allein die besondere Anhäufung von WMH im temporopolaren Marklager und in der Capsula externa, wo sie als vorwiegend altersbezogene Veränderungen sonst üblicherweise nicht zu finden sind, kann als Hinweis auf das mögliche Vorliegen des CADASIL-Syndroms (Cerebral Autosomal Dominant Arteriopathy with Subcortical Infarcts and Leukoencephalopathy, CADASIL) gewertet werden [18]. Diese Erkrankung wird in den letzten Jahren vielfach als Modell für zerebrale Kleingefäßerkrankung angesehen [19] und weist neben ausgedehnten WMH auch alle anderen Zeichen mikroangiopathischer Gewebsschädigung auf, wie kleine subkortikale Infarkte, alte Mikroblutungen und teils stark erweiterte peri" Abb. 3 – 5). vaskuläre Räume (●

WMH und zerebrale Funktionseinbußen !

Da WMH meist zufällig entdeckt werden, ist grundsätzlich nicht anzunehmen, dass von ihnen besonders starke bzw. akut auffallende klinische Effekte ausgehen. Es wurde deshalb lange diskutiert, ob WMH überhaupt eine klinische Bedeutung haben. Erste Hinweise für das Vorliegen einer deutlichen klinischen Relevanz ergaben sich aus Querschnittsuntersuchungen, die einen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß von WMH mit zerebralen Funktionseinbußen herstellten. Beobachtet wurden in erster Linie kognitive Störungen, wobei insbesondere die zerebrale Verarbeitungsgeschwindigkeit, exekutive Funktionsleistungen und Aufmerksamkeit betroffen waren. WMH waren aber auch mit Gangstörung, Depression, Miktionsstörung (Harninkontinenz), Schluckstörung, dysarthrischer Sprechstörung und Affektlabilität mit pathologischem Weinen und Lachen (= Pseudobulbärparalyse) assoziiert. Mittlerweile haben auch longitudinale Studien diese Zusammenhänge bestätigt und vertieft. Die bisher umfassendste Untersuchung in diese Richtung war die Leukoaraiosis and Disability (LADIS)-Studie. Sie untersuchte an mehr als 600 Personen die Auswirkung auf die Entwicklung von Behinderung im Allgemeinen sowie bezüg-

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Abb. 4 Ähnlich fortgeschrittene Veränderungen der weißen Substanz wie in " Abb. 3 auf FLAIR-gewichteten Aufnahmen bei einer Patientin mit langjähriger Multipler Sklerose. Die untere Reihe zeigt als mögliche Differenzierungshil-



fen fleckig diffuse Signalveränderungen des Hirnstamms a, ausgedehnte „Black Holes“ bei T1-Gewichtung (Pfeile in b, c) und eine deutliche Atrophie des gesamten Hirns mit Signalveränderungen besonders im Balken d.

Abb. 5 WMH im Temporalpol sowie im Bereich der Capsula externa sind ein möglicher Hinweis auf CADASIL (Pfeile).

lich spezieller Funktionseinbußen [20]. Eine Besonderheit der LADIS-Studie war die Überlegung, Vergleiche zwischen unterschiedlichen Schweregraden von WMH in Bezug auf ihre klinische Auswirkung herzustellen und zu diesem Zweck Personen mit ausgeprägteren WMH selektiv in der Studienpopulation anzureichern. Eingeschlossen wurden außerdem nur Personen, die noch keine klinisch manifeste Behinderung gemäß der International Activity of Daily Living (IADL)-Skala aufwiesen, während es gleichgültig

war, aus welchen Gründen die Signalveränderungen der weißen Substanz entdeckt worden waren. Etwas unerwartet war die Zahl jener Personen, die eine Behinderung entwickelt hatten: Sie war bereits nach einem Jahr in der Gruppe von Patienten mit mäßig bis deutlich ausgeprägten WMH signifikant höher als bei Personen mit nur geringfügigen (d. h. punktförmigen) WMH [21]. Die gesamte 3-jährige Verlaufsbeobachtung der Kohorte bestätigte eindrucksvoll diese Ergebnisse [22]. Gleichzeitig konnten „dosisabhängig“,

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Abb. 6 Modifizierte FazekasSkala zur semiquantitativen Beurteilung der Ausprägung von zerebralen WMH [22, 23].

d. h. mit Ausprägung der WMH zunehmend, die verstärkte Entwicklung von kognitiven Leistungseinbußen, Gangstörungen und Stürzen, Miktionsstörungen sowie die Entwicklung depressiver Symptome beobachtet werden [20]. Für die Umsetzbarkeit in der täglichen Praxis ist relevant, dass die semiquantitative Bewertung des Ausmaßes der WMH nach einer einfachen Ratingskala " Abb. 6) dabei im Wesentlichen die gleichen (● Zusammenhänge zeigte wie der Versuch einer absoluten Quantifizierung des Ausmaßes der WMH über volumetrische Ausmessung der von Signalveränderungen betroffenen weißen Substanz. " Abb. 6 ist die modifizierte Fazekas-Skala zur In ● semiquantitativen Beurteilung von WMH dargestellt [22, 23].

Prognostische Implikationen von WMH !

Neben der LADIS-Studie hat auch eine Reihe anderer longitudinaler Untersuchungen die prognostische Bedeutung von WMH in Bezug auf zerebrale Funktionseinbußen, spezielle Krankheitsentwicklungen und Mortalität untersucht. Diese Ergebnisse wurden 2010 in einer Metaanalyse (bestehend aus 22 longitudinalen Studien) zusammengefasst, die für alle untersuchten Endpunkte eine negative Auswirkung von WMH zeigte [24]. So war das Vorliegen von WMH signifikant mit der Entwicklung eines klinisch manifesten Schlaganfalls (Hazard Ratio (HR) 3,3), einer Demenz (HR 1,9) und auch mit Tod (HR 2,0) assoziiert. Diese Ergebnisse implizieren, dass bei Vorliegen von WMH besonders intensiv zerebrovaskuläre Risikofaktoren gesucht und diese einer

entsprechenden Behandlung zugeführt werden sollten.

Vermutete Mechanismen für die klinische Auswirkung von WMH !

Es gibt verschiedene Überlegungen und Hinweise, wie und auf welche Art WMH die Funktionsfähigkeit unseres Gehirns beeinträchtigen können. Zum einen ist anzunehmen, dass sie trotz jeweils fokal nur sehr gering ausgeprägter Gewebsschädigung bei entsprechendem Ausmaß und strategisch bedeutsamer Verteilung global doch zu einer Beeinträchtigung unterschiedlichster Bahnsysteme führen, die in ihrer Gesamtheit letztlich für die Qualität und vor allem auch die Geschwindigkeit zerebraler Verarbeitungsprozesse zuständig sind. Diese Überlegung wird einerseits durch den vorbeschriebenen Dosiseffekt, d. h. eine Zunahme der Wahrscheinlichkeit negativer klinischer Auswirkungen mit größerer Ausprägung von WMH, unterstützt. Zum anderen konnten regionale Zusammenhänge gezeigt werden, d. h., exekutive Dysfunktionen waren besonders mit der Ausprägung von WMH im frontalen Marklager assoziiert, während sich Gangstörungen insbesondere bei periventrikulär lokalisierten WMH fanden. Detailliertere morphologische Untersuchungen konnten auch nachweisen, dass WMH vermutlich nur die „Spitze des Eisbergs“ entsprechender Veränderungen der weißen Substanz sind. So zeigen Techniken zur Darstellung mikrostruktureller Gewebeveränderungen wie die Diffusions-Tensor-Bildgebung oder das Magnetization-Transfer-

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Abb. 7 Spektrum zerebraler Kleingefäßerkrankungen, bestehend aus WMH a, lakunären Läsionen b, Mikroblutungen c und erweiterten perivaskulären (= Virchow Robin’schen) Räumen d.

vaskuläre Risikofaktoren

Kleingefäß-Erkrankung lakunäre Infarkte Mikroblutungen

Stenose/Verschluss kleiner Hirngefäße

Alter Bildung Genetik

Symptome kognitive Beeinträchtigung

Verlust der Autoregulation Blut-HirnSchrankenstörung/ Permeabilitätsstörung

modulierende Faktoren

WMH

Gangstörung/Stürze Miktionsstörung Depression

Gehirn-Atrophie genetische Faktoren

prägung und dem Ausmaß der begleitenden anderen morphologischen Veränderungen wahrscheinlich auch von der zugrunde liegenden Quantität und Qualität der synaptischen Vernetzung sowie der Fähigkeit zur Plastizität und Reparation des Nervensystems ab [31]. In dieser Hinsicht hat zuletzt auch das Konzept von zerebraler und kognitiver Reserve zunehmend Akzeptanz gefunden. So konnte bspw. gezeigt werden, dass Personen mit einem größeren Kopfumfang und einem höheren Ausbildungsgrad WMH besser klinisch kompensieren können, als wenn diese Faktoren jeweils geringer ausgeprägt sind. Parallel dazu konnten funktionelle MRT-Untersuchungen nachweisen, dass bei gleicher motorischer Leistung, z. B. bei Fuß- und Fingerbewegungen, Personen mit ausgeprägten WMH ausgedehntere Gehirnareale aktivieren, was in erster Linie als Kompensation zum Leistungserhalt zu verstehen sein dürfte [32].

Abb. 8 Zusammenhang, Auslöser und Folgen verschiedener Formen der zerebralen Kleingefäßerkrankung.

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Imaging eine subtile Schädigung der gesamten auch normal erscheinenden weißen Substanz in Korrelation mit der Ausprägung von WMH und klinischen Symptomen wie insbesondere kognitiver Dysfunktion [25, 26]. Derartige quantitative MRT-Untersuchungen bestätigen auch, dass zumindest ausgedehntere WMH durchaus eine substanzielle Schädigung des Gehirnparenchyms bedeuten. Gleichzeitig zeigen sie auch eine stärkere Tendenz zum Größenwachstum bzw. zur weiteren Ausdehnung und sind auch in Regionen mit intensiverer Gewebsdestruktion bis hin zur Entwicklung lakunärer Läsionen bevorzugt zu finden [27, 28]. Ausgedehnte WMH sind meist nicht der einzige Ausdruck morphologischer Schädigung durch Mikroangiopathie. Begleitet werden sie in unterschiedlichem Maße meist auch von alten lakunären Läsionen, die als Residuen kleinerer subkortikaler Infarkte zurückbleiben und deren negativer Einfluss auf die zerebrale Leistungsfähigkeit ebenfalls sowohl in Querschnittsuntersuchungen als auch in longitudinalen Studien gezeigt worden ist [29, 30]. Zerebrale Volumenminderung, d. h. Atrophie, ist eine weitere Konsequenz der Mikroangiopathie, die zum Teil direkt als Folge einer Mangeldurchblutung, jedoch wahrscheinlich vor allem indirekt über Gewebsschädigung durch morphologische Veränderung wie WMH und Lakunen mediiert wird. Andere morphologische Befunde wie kleine fokale Hämosiderinablagerungen nach Mikroblutungen und eine über die Norm hinausgehende Erweiterung der perivaskulären oder Virchow-Robin’schen-Räume sind ebenfalls Charakteristika der Kleingefäßerkrankung und oft mit WMH assoziiert. Der Zusammenhang dieser Befunde mit zerebralen Funktionseinbußen konnte bisher allerdings weniger klar darge" Abb. 7 zeigt die legt werden als für WMH. Die ● wesentlichsten Marker einer zerebralen Kleingefäßerkrankung, die mit unterschiedlichen MRTSequenzen dargestellt werden können. Untersuchungen zu Auswirkungen von WMH auf die zerebrale Leistungsfähigkeit sollten für koexistierende Veränderungen korrigiert werden um den Beitrag von Marklagerläsionen isoliert darzustellen. Darüber hinaus erscheint es jedoch bedeutsam, gerade die Interaktion der verschiedenen Schädigungsmechanismen im Rahmen einer Kleingefäßerkrankung darzustellen, um die Auswirkungen eines derartigen Krankheitsprozesses ausreichend zu erfassen. Eine globale Betrachtung der Konsequenz von Kleingefäßerkrankungen muss deshalb auf die Abbildung der vermutlich zumindest additiven Verstärkung unterschiedlicher Schädigungs" Abb. 8 stellt schematisch das prozesse abzielen. ● Zusammenwirken unterschiedlicher Schädigungsmechanismen bei Kleingefäßerkrankung sowie deren vermutete Ursachen und Konsequenzen dar. Welche Auswirkungen WMH auf verschiedene Funktionsebenen haben, hängt neben ihrer Aus-

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Therapeutische Überlegungen !

Aufgrund der nachgewiesenen Zusammenhänge zwischen der Ausprägung von WMH und auch deren Progression mit verschiedenen zerebralen Funktionseinbußen erscheint es sinnvoll, ihre Entwicklung zu verhindern oder zumindest zu verlangsamen. Ein Problem dabei ist zweifellos das noch mangelnde Wissen über die genauen auslösenden Ursachen, außer dem globalen Zusammenhang mit Alter, vaskulären Risikofaktoren und einer Schädigung der kleinen Hirngefäße. WMH selbst stellen auch keine Erkrankung dar, sondern sind derzeit nur als direkter Ausdruck bzw. Hinweis auf das Vorliegen einer zerebralen Mikroangiopathie zu verstehen. Einige groß angelegte Studien zur Effizienz der Kontrolle verschiedener Risikofaktoren wie etwa des Hypertonus haben bereits Untergruppen von Personen begleitend mittels MRT untersucht, um die Auswirkung entsprechender Behandlungen auch auf WMH zu verfolgen. Bisher konnte auf diese Weise allerdings keine maßgebliche Beeinflussung oder Beeinflussbarkeit nachgewiesen werden. Aufgrund des nachgewiesenen Zusammenhangs zwischen Entwicklung von WMH und kognitiven Leistungseinbußen gibt es auch Überlegungen, die WMH-Progression als Marker für die durch Mikroangiopathie beeinflussten kognitiven Störungen einzusetzen. Derartige Studien würden allerdings Patientenpopulationen von mehreren 100 Betroffenen benötigen und es ist bisher auch noch nicht gezeigt, dass eine Verhinderung der WMH-Progression tatsächlich die gewünschte Verhinderung kognitiver Leistungseinbußen mit sich bringen könnte. Unabhängig von derartigen Möglichkeiten sind WMH zweifellos ein Marker für eine sich entwickelnde zerebrale Schädigung. Da eine Beeinflussung des Alterns per se nicht möglich ist, sollte das Vorliegen von WMH deshalb zumindest zu einer besonders strikten Kontrolle vaskulärer Risikofaktoren Anlass geben. Einerseits, weil sie beim Betreffenden eventuell besonders ausgeprägt sind, oder andererseits, da vielleicht auch eine besonders hohe Suszeptibilität gegenüber der negativen Auswirkung derartiger Faktoren besteht. Dies gilt insbesondere für die Hypertonie. Neuere Studien haben auch gezeigt, dass WMH und lakunäre zerebrale Läsionen auch mit Kleingefäßveränderungen im Bereich der Retina [33] und möglicherweise auch der Niere [34] assoziiert sind. Diese Umstände deuten auf das Vorliegen einer offensichtlich oft multisystemischen (generalisierten) Kleingefäßerkrankung hin, weshalb die Erfassung paralleler Organmanifestationen zu WMH mit einfachen Mitteln wie Funduskopie oder Harnanalyse auf Proteinurie sinnvoll und wichtig erscheint. In eine andere Richtung gehen Überlegungen, wie den schädigenden Einflüssen von WMH Grenzen gesetzt werden können bzw. auf welche Wei-

se zerebrale Kompensationsmechanismen unterstützt werden könnten. In diesem Zusammenhang sind Hinweise interessant, die verstärkte körperliche Aktivität und komplexe geistige Betätigung als mitigierend auf den negativen Einfluss von WMH haben nachweisen können. Wahrscheinlich wirken diese Maßnahmen letztlich über eine Steigerung der kognitiven Reserve und die verstärkte Anregung zerebraler Plastizität.

Die Bedeutung von WMH für Therapieentscheidungen !

Neben möglichen Maßnahmen zur Vermeidung von WMH oder zumindest deren Progression wird auch immer wieder die Einbeziehung des Vorliegens derartiger Veränderungen in therapeutische Entscheidungen diskutiert. Dabei handelt es sich vor allem um die Nutzen-Risiko-Abwägung bei der systemischen Thrombolysetherapie des akuten ischämischen Schlaganfalls und die Behandlung von Patienten mit oralen Antikoagulantien bei Vorliegen einer Vorhofflimmerarrhythmie. In beiden Fällen scheint das Vorliegen von WMH ein erhöhtes Blutungsrisiko anzuzeigen.

Systemische Thrombolysetherapie Die intravenöse Thrombolysetherapie stellt bekanntlich den Goldstandard in der Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls im Zeitfenster von unter 4,5 Stunden dar [35]. Bei der bedeutendsten Nebenwirkung dieser Behandlung handelt es sich um die intrakranielle (v. a. intraparenchymatöse) Blutung. Neben den bekannten Risikofaktoren (Alter, Hyperglykämie und stark erhöhter Blutdruck [36]) konnte auch gezeigt werden, dass das Vorhandensein von Marklagerläsionen von moderater und schwerer Ausprägung mit einem erhöhten Risiko einer symptomatischen intrazerebralen Blutung nach intravenöser Thrombolysetherapie assoziiert ist. Dies wurde sowohl für den Befund der Leukoaraiose im akuten zerebralen CT [37] als auch für WMH in der akuten MRT vor Thrombolyse unabhängig von Alter oder Schlaganfallschweregrad berichtet [38]. So konnte etwa gezeigt werden, dass bei im Zeitfenster thrombolysierten Schlaganfallpatienten mit mittel- bis höhergradigen WMH (Fazekas-Skala 2 und 3) in 10,5 % der Fälle eine symptomatische intrakranielle Blutung auftrat, während diese Komplikation nur bei 3,8 % der Patienten ohne bzw. mit leichten WMH (FazekasSkala 0 und 1) zu beobachten war (OR 2,9, 95 %Konfidenzintervall 1,29 – 6,59) [38]. Diese Ergebnisse wurden auch in einem rezenten systematischen Review [39] bestätigt und legen nahe, dass bei Patienten mit höhergradigen Formen von WMH eine besonders strenge Nutzen-Risiko-Abwägung notwendig ist. Parallel dazu wurde kürzlich selbst bei mechanischer Thrombektomie das Ausmaß von WMH mit einem erhöhten Risiko einer hämorrhagischen

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Orale Antikoagulation und WMH Mit steigender Lebenserwartung sowie verbesserter kardialer (rhythmologischer) Diagnostik ist Vorhofflimmern in den letzten Jahren immer mehr in den Mittelpunkt der Schlaganfallprävention gerückt. Eine gewisse Einschränkung bildet auch dabei das zerebrale Einblutungsrisiko durch orale Antikoagulationstherapie mit Vitamin-K-Antagonisten oder (etwas vermindert) durch die neuen oralen Antikoagulantien aus der Gruppe der direkten Thrombininhibitoren oder Faktor-Xa-Antagonisten. Auch in diesem Zusammenhang sind Veränderungen der weißen Hirnsubstanz als Risikofaktoren für eine intrakranielle Hämorrhagie diskutiert worden. Es gibt jedoch deutlich weniger wissenschaftliche Berichte und eine widersprüchlichere Datenlage als im Thrombolysesetting. Darüber hinaus sind diese Studien schon älter bzw. hauptsächlich auf den CT-Befund der Leukoaraiose beschränkt. Zwei Arbeiten aus 1999 und 2002 konnten zeigen, dass eine Leukoraraiose einen unabhängigen Risikofaktor für das Auftreten einer Vitamin-K-Antagonisten(Warfarin)-assoziierten Hirnblutung darstellt [43, 44]. Eine jüngere MRTbasierte Arbeit konnte keinen direkten Zusammenhang zwischen der WMH-Last (nach Korrektur für das gleichzeitige Vorhandensein von Mikroblutungen) und der Häufigkeit des Auftretens einer intrazerebralen Blutung bei Patienten mit einer oralen Antikoagulationstherapie finden [45]. Für neue orale Antikoagulantien existieren bis dato keine derartigen Untersuchungen.

Zusammenfassung !

WMH sind ein häufiger zufälliger Befund in der Normalbevölkerung, der mit zunehmendem Alter und dem Vorliegen von vaskulären Risikofaktoren an Häufigkeit und Ausprägung zunimmt. Als Ursache ist ein Zusammenhang mit einer Störung der kleinen Hirngefäße anzunehmen. Spezielle Verteilungsmuster können dementsprechend auf definierte Formen der Mikroangiopathie, wie das CADASIL-Syndrom, hinweisen. Ausgedehntere WMH tragen zur Entwicklung neuropsychiatrischer Störungen und früher Behinderung bei und weisen auf das Vorliegen einer vaskulären Risikosituation hin. Damit unterstreichen sie die Notwendigkeit einer gezielten und intensiven Behandlung vaskulärer Risikofaktoren und könnten zukünftig auch als Marker für den Versuch der therapeutischen Beeinflussung dieser Veränderungen als Auslöser vaskulärer zerebraler Leistungseinbußen herangezogen werden. Des Weiteren dürften höhergradige Formen von WMH nach aktuellem Wissensstand insbesondere bei begleitenden Erscheinungsformen der zerebralen Kleingefäßerkrankung (z. B. Mikroblutungen) mit einem erhöhten intrazerebralen Blutungsrisiko im Zusammenhang mit einer systemischen Thrombolysetherapie oder einer Behandlung mit oralen Antikoagulantien assoziiert sein und verlangen jeweils eine genaue NutzenRisiko-Abwägung. Interessenkonflikt: Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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Infarkttransformation und einer intrakraniellen Blutung in Verbindung gebracht [40]. Diese Beobachtungen implizieren, dass bei Patienten mit höhergradigen WMH-Formen, die für eine akute Rekanalisationsbehandlung evaluiert werden, besonders auf die mögliche Kombination mit anderen etablierten Risikofaktoren für eine zerebrale Einblutung geachtet werden sollte. Insbesondere auch der gleichzeitige Hinweis auf eine hohe Last an alten zerebralen Mikroblutungen sollte besondere Vorsicht nach sich ziehen. In diesem Zusammenhang muss jedoch relativierend angemerkt werden, dass eine kürzlich publizierte Studie [41] im Vergleich zu anderen Arbeiten [42] keinen Zusammenhang zwischen der Lokalisation und dem Ausmaß von zerebralen Mikroblutungen im MRT vor Thrombolyse/mechanischer Thrombektomie und symptomatischen intrazerebalen Einblutungen nach den jeweiligen Rekanalisationsbehandlungen fand. Lediglich die Rate an intrazerebralen Hämatomen außerhalb des ischämischen Infarktareals war leicht erhöht, was jedoch keinen Einfluss auf die Prognose der Patienten nahm. Einschränkend muss angemerkt werden, dass das zusätzliche Vorhandensein von WMH nicht untersucht wurde und die Last an Mikroblutungen in dieser Kohorte generell niedrig war.

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Fort- und Weiterbildung

10 Fornage M, Debette S, Bis JC et al. Genome-wide association studies of cerebral white matter lesion burden: the CHARGE consortium. Ann Neurol 2011; 69: 928 – 939 11 Atwood L, Wolf P, Heard-Costa N et al. Genetic variation in white matter hyperintensity volume in the Framingham Study. Stroke 2004; 35: 1609 – 1613 12 Wardlaw JM, Allerhand M, Doubal FN et al. Vascular risk factors, large-artery atheroma, and brain white matter hyperintensities. Neurology 2014; 82: 1331 – 1338 13 Fazekas F, Kleinert R, Offenbacher H et al. The morphologic correlate of incidental punctate white matter hyperintensities on MR images. AJNR Am J Neuroradiol 1991; 12: 915 – 921 14 Gouw AA, Seewann A, van der Flier WM et al. Heterogeneity of small vessel disease: a systematic review of MRI and histopathology correlations. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2011; 82: 126 – 135 15 Enzinger C, Smith S, Fazekas F et al. Lesion probability maps of white matter hyperintensities in elderly individuals: results of the Austrian stroke prevention study. J Neurol 2006; 253: 1064 – 1070 16 Fazekas F, Barkhof F, Filippi M et al. The contribution of magnetic resonance imaging to the diagnosis of multiple sclerosis. Neurology 1999; 53: 448 – 456 17 Charil A, Yousry T, Rovaris M et al. MRI and the diagnosis of multiple sclerosis: expanding the concept of “no better explanation”. Lancet Neurol 2006; 5: 841 – 852 18 Auer DP, Putz B, Gossl C et al. Differential lesion patterns in CADASIL and sporadic subcortical arteriosclerotic encephalopathy: MR imaging study with statistical parametric group comparison. Radiology 2001; 218: 443 – 451 19 Chabriat H, Joutel A, Dichgans M et al. Cadasil. Lancet Neurol 2009; 8: 643 – 653 20 Poggesi A, Pantoni L, Inzitari D et al. 2001–2011: A Decade of the LADIS (Leukoaraiosis And DISability) Study: What Have We Learned about White Matter Changes and Small-Vessel Disease? Cerebrovasc Dis 2011; 32: 577 – 588 21 Inzitari D, Simoni M, Pracucci G et al. Risk of rapid global functional decline in elderly patients with severe cerebral age-related white matter changes: the LADIS study. Arch Intern Med 2007; 167: 81 – 88 22 Inzitari D, Pracucci G, Poggesi A et al. Changes in white matter as determinant of global functional decline in older independent outpatients: three year followup of LADIS (leukoaraiosis and disability) study cohort. BMJ 2009; 339: b2477 23 Fazekas F, Chawluk JB, Alavi A et al. MR signal abnormalities at 1.5 T in Alzheimer's dementia and normal aging. Am J Roentgenol Am J Roentgenol 1987; 149: 351 – 356 24 Debette S, Markus HS. The clinical importance of white matter hyperintensities on brain magnetic resonance imaging: systematic review and meta-analysis. BMJ 2010; 341: c3666 25 Schmidt R, Ropele S, Ferro J et al. Diffusion-weighted imaging and cognition in the leukoariosis and disability in the elderly study. Stroke 2010; 41: e402 – e408 26 Ropele S, Seewann A, Gouw A et al. Quantitation of brain tissue changes associated with white matter hyperintensities by diffusion-weighted and magnetization transfer imaging: the LADIS (Leukoaraiosis and Disability in the Elderly) Study. J Magn Reson Imaging 2008; 29: 268 – 274

27 Gouw AA, van der Flier WM, Fazekas F et al. Progression of white matter hyperintensities and incidence of new lacunes over a 3-year period: the Leukoaraiosis and Disability study. Stroke 2008; 39: 1414 – 1420 28 Maillard P, Carmichael O, Harvey D et al. FLAIR and Diffusion MRI Signals Are Independent Predictors of White Matter Hyperintensities. AJNR Am J Neuroradiol 2013; 34: 54 – 61 29 Benisty S, Gouw AA, Porcher R et al. Location of lacunar infarcts correlates with cognition in a sample of non-disabled subjects with age-related white-matter changes: the LADIS study. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2009; 80: 478 – 483 30 Jokinen H, Gouw AA, Madureira S et al. Incident lacunes influence cognitive decline: the LADIS study. Neurology 2011; 76: 1872 – 1878 31 Schmidt R, Grazer A, Enzinger C et al. MRI-detected white matter lesions: do they really matter? J Neural Transm 2011; 118: 673 – 681 32 Linortner P, Fazekas F, Schmidt R et al. White matter hyperintensities alter functional organization of the motor system. Neurobiol Aging 2012; 197: e1 – e9 33 Lindley RI, Wang JJ, Wong MC et al. Retinal microvasculature in acute lacunar stroke: a cross-sectional study. Lancet Neurol 2009; 8: 628 – 634 34 Ikram MA, Vernooij MW, Hofman A et al. Kidney function is related to cerebral small vessel disease. Stroke 2008; 39: 55 – 61 35 Hacke W, Kaste M, Bluhmki E et al. Thrombolysis with alteplase 3 to 4.5 hours after acute ischemic stroke. N Engl J Med 2008; 359: 1317 – 1329 36 Álvarez-Sabín J, Maisterra O, Santamarina E et al. Factors influencing haemorrhagic transformation in ischaemic stroke. Lancet Neurol 2013; 12: 689 – 705 37 Palumbo V, Boulanger JM, Hill MD et al. Leukoaraiosis and intracerebral hemorrhage after thrombolysis in acute stroke. Neurology 2007; 68: 1020 – 1024 38 Neumann-Haefelin T, Hoelig S, Berkefeld J et al. Leukoaraiosis is a risk factor for symptomatic intracerebral hemorrhage after thrombolysis for acute stroke. Stroke 2006; 37: 2463 – 2466 39 Pantoni L, Fierini F, Poggesi A. Thrombolysis in acute stroke patients with cerebral small vessel disease. Cerebrovasc Dis 2014; 37: 5 – 13 40 Shi ZS, Loh Y, Liebeskind DS et al. Leukoaraiosis predicts parenchymal hematoma after mechanical thrombectomy in acute ischemic stroke. Stroke 2012; 43: 1806 – 1811 41 Gratz PP, El-Koussy M, Hsieh K et al. Preexisting Cerebral Microbleeds on Susceptibility-Weighted Magnetic Resonance Imaging and Post-Thrombolysis Bleeding Risk in 392 Patients. Stroke 2014, [Epub ahead of print] 42 Shoamanesh A, Kwok CS, Lim PA et al. Postthrombolysis intracranial hemorrhage risk of cerebral microbleeds in acute stroke patients: a systematic review and meta-analysis. Int J Stroke 2013; 8: 348 – 356 43 Gorter JW. Major bleeding during anticoagulation after cerebral ischemia: patterns and risk factors. Stroke Prevention In Reversible Ischemia Trial (SPIRIT). European Atrial Fibrillation Trial (EAFT) study groups. Neurology 1999; 53: 1319 – 1327 44 Smith EE, Rosand J, Knudsen KA et al. Leukoaraiosis is associated with warfarin-related hemorrhage following ischemic stroke. Neurology 2002; 59: 193 – 197 45 Lee SH, Ryu WS, Roh JK. Cerebral microbleeds are a risk factor for warfarin-related intracerebral hemorrhage. Neurology 2009; 72: 171 – 176

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CME-Fragen Zerebrale Marklagerhyperintensitäten in der Magnetresonanztomografie und deren klinische Relevanz A B C D E

sind in T1-gewichteten Sequenzen sichtbar. gehen mit einer Kontrastmittelaufnahme einher. sind ebenso in der Computertomografie klar abgrenzbar. erscheinen in FLAIR-gewichteten Sequenzen dunkel (hypointens). werden in der Literatur heterogen bezeichnet.

0 Welche Aussage zu WMH ist nicht zutreffend? 2 █ A B C D E

0 Ein 80-jähriger Patient, Ex-Raucher und Hypertoniker mit 6 einer positiven Familienanamnese für Schlaganfall sowie █

Sie finden sich oft inzidentell im MRT. Sie zeigen eine Altersabhängigkeit. Sie stehen mit vaskulären Risikofaktoren in Verbindung. Sie verursachen fokal neurologische Defizite. Für konfluierende Ausprägungen besteht ein enger Zusammenhang mit dem bekannten Begriff der Leukoaraiose aus der Computertomografie.

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WMH in der Magnetresonanztomografie …

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sind bei ca. einem Viertel aller Normalpersonen > 60 Jahre zu finden. erfordern die weiterführende angiografische Abklärung der kleinen Hirngefäße. sind vor allem mit arteriellem Hypertonus assoziiert. finden sich häufig juxtakortikal. stellen ein klar definiertes Krankheitsbild dar.

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0 Ein Allgemeinmediziner betreut einen 45-jährigen Patien4 ten, den er aufgrund von rezidivierenden Gefühlsstörun█

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gen zum MRT zugewiesen hat. Seine Verdachtsdiagnose lautet Multiple Sklerose (MS). Nun bittet er Sie, gemeinsam die MRT-Bilder und den schriftlichen neuroradiologischen Befund durchzusehen. Welche der nachfolgenden Befundbeschreibungen würde gegen die Diagnose MS sprechen und auf (ischämische) WMH hinweisen? rundlich-ovoide Marklagerläsionen Kleinhirnläsionen schlecht abgrenzbare, symmetrische Läsionsverteilung im Marklager zusätzliche Veränderungen im Rückenmark Nachweis von „Black Holes“ als Hinweis auf Gewebsdestruktion

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Demenz, stellt sich in Ihrer Sprechstunde vor. Sein LDLWert beträgt 160 mg/dl. Ein mitgebrachter MRT-Befund beschreibt „höhergradige, über die Altersnorm hinausgehende Marklagerhyperintensitäten in beiden Großhirnhemisphären“. Nun fragt Sie der Patient nach der Therapie und Prognose dieser Veränderungen. Welche der nachfolgenden Aussagen/Ratschläge ist falsch? Ich rate Ihnen zu regelmäßigen Blutdruckkontrollen, einer salzarmen/fettreduzierten Kost und einer regelmäßigen körperlichen Ausdaueraktivität. Laut neuesten Untersuchungen haben Sie im Vergleich zu Personen, die keine derartigen Veränderungen im Gehirn aufweisen, ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle und Demenz. Sie sollten sich einer internistischen Basisuntersuchung inklusive Erhebung eines Laborstatus unterziehen. Da bereits Ihr Vater einen Schlaganfall hatte und eine Demenz entwickelte, sollten wir eine genetische Testung überlegen. Der stattgehabte langjährige Nikotinkonsum könnte diese Marklagerveränderungen mit begünstigt haben.

0 WMH sind häufig mit anderen bildgebenden Markern 7 der zerebralen Kleingefäßerkrankung zu finden. Welche █ A B C D E

Auffälligkeit im MRT gehört nicht zu diesem Spektrum? lakunäre Infarkte Mikroblutungen erweiterte perivaskuläre Räume Gehirnatrophie Stenosierungen der Arteria cerebri media

0 Welche Aussage bezüglich der Pathophysiologie von WMH 8 ist richtig? █ A

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Störungen der Wand der kleinen Gefäße einschließlich ihrer Permeabilität werden als Hauptursache angenommen. Genetische Faktoren spielen keine entscheidende Rolle. WMH sind definitionsgemäß Ausdruck einer degenerativen Hirnveränderung. WMH haben eine völlig uniforme Ätiologie. Eine chronische Hyperperfusion der subkortikalen Areale wird vermutet.

0 Welche klinischen Auswirkungen können von konfluieren5 den WMH nicht erwartet werden? █ A B C D E

akuter Drehschwindel Gangstörungen kognitive Einbußen (insbesondere exekutive Dysfunktion) Aufmerksamkeitsstörungen Miktions- und Schluckstörungen

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0 WMH in der zerebralen Magnetresonanztomografie … 1 █

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0 Sie sind behandelnder Neurologie eines 73-jährigen Pa0 Auch bei der oralen Antikoagulationstherapie (oAK), z. B. 9 tienten mit der Grunderkrankung einer diabetischen Poly- █ 10 im Rahmen von Vorhofflimmern, sind WMH als Risikofak█

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tor für eine intrakranielle Hämorrhagie in Diskussion. Welche Aussage ist dabei zutreffend? Neue Antikoagulantien haben speziell in dieser Situation einen Vorteil gegenüber Vitamin-K-Antagonisten. Eine oAK ist bei Vorhandensein von WMH kontraindiziert. Bei einem 85-jährigen Patienten mit Vorhofflimmern und WMH Grad 3 (gemessen an der Fazekas-Skala) sollte ASS verabreicht werden. Vor dem Start einer oAK sollte bei Patienten über 60 Jahre eine zerebrale MRT veranlasst werden. In 2 älteren Studien zeigte sich das Vorhandensein einer Leukoaraiose im CT als unabhängiger Risikofaktor für eine Hirnblutung unter Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten.

CME-Teilnahme ▶ Viel Erfolg bei Ihrer CME-Teilnahme unter http://cme.thieme.de ▶ Diese Fortbildungseinheit ist 12 Monate online für eine CME-Teilnahme verfügbar. ▶ Sollten Sie Fragen zur Online-Teilnahme haben, unter http://cme.thieme.de/hilfe finden Sie eine ausführliche Anleitung.

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neuropathie. Aus Vorbefunden wissen Sie, dass er auch konfluierende zerebrale WMH hat. Nun stellt er sich mit einer akut vor 3 Stunden aufgetretenen hochgradigen Hemiparese rechts sowie einer Sprachstörung in der Notaufnahme Ihrer Klinik vor. Welche Aussage zur intravenösen Thrombolysetherapie bei WMH ist nicht zutreffend? Neben Alter, Blutzucker und Infarktgröße stellen ausgedehntere Formen von WMH einen Risikofaktor für intrazerebrale Einblutungen nach Thrombolyse dar. Es sollte eine strenge Nutzen-Risiko-Abwägung getroffen werden. Da bei obigem Patienten auch eine alte lakunäre Ponsläsion in der MRT vorbeschrieben ist, ist eine Lysetherapie in diesem Fall kontraindiziert. Das gleichzeitige Vorhandensein von zerebralen Mikroblutungen sollte eine besondere Vorsicht in diesem Setting nach sich ziehen. Auch bei mechanischer Thrombektomie dürfte das Vorhandensein von ausgeprägteren WMH das zerebrale Blutungsrisiko erhöhen.

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