65 Thoraxchirurgie 26 (1978) 65-69 © Georg Thieme Verlag Stuttgart Das karzinoembryonale Antigen (CEA) vor und nach Operationen von Bronchialkarzinomen The Carcinoembryonic Antigen (CEA) in Bronchial Carcinoma before and after Operation

Chirurgische Klinik (Ltd. Arzt: Prof. Dr. med. R.M. Konrad) der Städtischen Kliniken Duisburg, Institut für Hygiene und Silikoseforschung (Direktor: Prof. Dr. med. H.W. Schlipköter) der Universität Düsseldorf und Nuklearmedizinische Abteilung (Chefarzt Prof. Dr. med. H.A.E. Schmidt) des Bethesda-Krankenhauses Duisburg

Zusammenfassung

Summary

Von 175 Patienten mit Bronchialkarzinomen war das karzinoembryonale Antigen (CEA) zum Zeitpunkt der Diagnosestellung in 53% erhöht. Patienten mit kleinen, begrenzten Tumoren (T1/2) wiesen in 31%, Patienten mit Fernmetastasen in 80% pathologische CEA-Werte auf. Bei radikaler Tumorexstirpation (36 Pat.) sanken erhöhte CEA-Werte innerhalb von 5 Wochen in den Normbereich ab. Kein Abfall des CEA-Titers zeigte sich nach palliativer Operation (16 Pat.). Bei Fernmetastasierung stiegen postoperativ normale CEA-Werte an. Dieser Anstieg erfolgte bis zu 10 Wochen vor Metastasensicherung durch andere Verfahren. Die CEA-Messung ist beim Bronchialkarzinom zur Beurteilung von Operationserfolg und Verlaufskontrolle wertvoll und sollte grundsätzlich bei den Patienten durchgeführt werden, die zur operativen Therapie vorgesehen sind.

In 53 p.c. of 175 patients with bronchial carcinoma the carcinoembryonic antigen (CEA) was elevated at the time of diagnosis. In patients with small well bordered tumors (T 1/2) 31 p.c. proved pathological CEA-values in comparison to 80 p.c. in patients with haematogenic metastases. After radical tumor resection (36 patients) elevated CEA-levels returned to normal ranges within 5 weeks. No decrease could be observed after palliative operations (16 patients). If there existed haematogenic metastases normal CEAvalues increased postoperative. Such an increase occured up to ten weeks before metastases could be found by other methods. In cases of bronchial carcinoma CEA-measurements are usefull to evaluate the effect of operation and in the follow up time. It should be carried out on principle in those patients which can be considered for a surgical therapy.

Key-Words: CEA-titers in bronchial carcinoma — Relation to metastases - CEA-titers in the follow up course. Das karzinoembryonale Antigen (CEA) wurde erstmals von Gold und Freedman (5) in Kolonkarzinomen gefunden. Durch die Entdeckung des CEA in Tumoren des gesamten Gastrointestinaltraktes, des Bronchialsystems, der Mamma und anderer Organe (1, 7, 10, 11) hat die CEA-Messung an klinischer Bedeutung gewonnen; auch im Serum Gesunder wurde in geringer Konzentration CEA gefunden, ebenso im Serum von Rauchern (7, 13) und bei entzündlichen Krankheiten des Gastrointestinalund Bronchialtraktes (11, 12). Wir konnten zusätzlich einen erhöhten CEA-Titer bei Diabetikern nachweisen. Am genauesten ist das CEA bei Kolonkarzinomen untersucht. Hier wurde der Zusammenhang zwischen Höhe des CEA-Wertes und der Tumorausbreitung, operativer und konservati-

ver Therapie beschrieben (8, 11, 14). Weniger Untersuchungen liegen über CEA und Bronchialkarzinome vor. Über den Wert der CEA-Messung bei Chemo- und Strahlentherapie berichteten Gropp und Mitarb. (6). In dieser Arbeit soll im wesentlichen die Bedeutung der CEA-Messung für die Therapiekontrolle operierter Patienten mit Bronchialkarzinomen untersucht werden. Vergleichbare Arbeiten liegen von Concannon und Mitarb. (2) Vincent und Chu (16) und Vincent und Mitarb. (17) vor. An 175 Patienten mit Bronchialkarzinomen wurden 588 CEA-Messungen durchgeführt. Der CEA-Wert wurde mit der Doppel-Antikörpermethode modifiziert nach Egan und Lautenschläger(3)bestimmt. Als Kontrollgruppe wurden die CEA-Werte von 295 Patienten nicht an malignen Tumoren Erkrankter gemessen. Als

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Normwertgrenze wurde mit 8 ng/ml der Wert gewählt, den 10% CEA-Werte aus der Kontrollgruppe überschritten.

Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung waren die CEA-Werte der Patienten mit Bronchialkarzinomen in 53% erhöht. Die Aufschlüsselung in unterschiedliche Tumorausbreitungsstadien nach dem TNM-System ergab bei kleinen lokal begrenzten Tumoren (T 1 / 2 N 0 M 0 ) nur 31%, bei größeren Tumoren (T 3/4 N 0 M 0 ) 49% und bei allgemeiner Dissemination (T 3 / 4 N 0/1 M1) 80% über die Norm erhöhte CEA-Werte (Abb. 1).

Abb. 1 Prozentualer Anteil erhöhter CEA-Werte (über 8 ng/ml) bei Bronchialkarzinomen verschiedener Tumorausdehnung (Erstmessungen). Fig. 1 Percentage of elevated CEA-values (greater than 8 ng/ml) in bronchial carcinoma with different tumorextension (initial measurements) A = Kontr. Gr. n = 295 nicht berücksichtigt: B = T 12 N 0 M 0 n= 35 T½N1M0 n = 8 C = T34N0M0 n = 35 T½N01M1 n = 5 D = T 34 N 1 M 0 n = 65 T0N0M0 n = 7 E = T 34 N 01 M 1 n= 20

59 von 175 Patienten (34%) wurden operiert. Bei 36 Patienten wurde eine sogen. Radikaloperation vorgenommen, d.h. nach klinischen und pathohistologischen Gesichtspunkten wurde kein Karzinomgewebe mehr zurückgelassen. Bei 16 Patienten konnte nur ein palliativer Eingriff vorgenommen werden. Bei 7 Patienten wurde der CEA-Wert erstmalig nach bereits erfolgter Radikaloperation gemessen.

Abb. 2 CEA-Titer radikal operierter Bronchialkarzinompatienten mit präoperativ erhöhtem CEA-Wert. Fig. 2 CEA-values after radical operation in patients with bronchial carcinoma and preoperatively elevated CEA-titers.

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Ergebnisse

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Abb. 3 Prä- und postoperative CEA-Titer palliativ operierter Bronchialkarzinompatienten mit präoperativ erhöhtem CEA-Wert. Fig. 3 Pre- and postoperative CEA-values in patients with bronchial carcinoma after palliative operation and preoperatively elevated CEA-Titers.

16 der 56 Radikaloperierten (44%) hatten präoperativ erhöhte CEA-Werte. Alle präoperativ erhöhten CEA-Werte fielen nach Radikaloperation ab. Innerhalb der ersten 5 Wochen nach Tumorresektion waren alle Werte bis auf 4 unter die Normgrenze abgesunken (Abb. 2). Auch diese 4 zeigten fallende Tendenz. Im weiteren Verlauf unterschritt hiervon noch ein Wert die Normgrenze. Von den übrigen 3 Patienten konnten keine weiteren Kontrollen durchgeführt werden, da sie postoperativ verstarben.

zeigt Abb. 3. In 4 Fällen sank der CEA-Wert bei der ersten postoperativen Messung ab; jedoch in keinem Fall unterschritt er für längere Zeit die Normgrenze. Präoperativ normale CEA-Werte blieben sowohl nach Radikal- als auch nach Palliativoperation im Normbereich. Bei 9 der 36 radikal operierten Patienten wurden innerhalb des Untersuchungszeitraumes postoperativ hämatogene Metastasen gesichert. In 2 Fällen fand der Anstieg des CEA-Wertes eher statt - in einem Fall 10 Wochen - , als andere Untersuchungsmethoden den Verdacht auf Progredienz des Krebsleidens ergaben.

Der Vergleich der präoperativen CEA-Werte und der jeweils ersten Werte nach RadikaloperaDiskussion tion ergibt, daß die postoperativen Meßwerte signifikant (Irrtumswahrscheinlichkeit p = 0,05) Der Prozentsatz pathologisch erhöhter CEAniedriger sind als die präoperativen (U-Test Werte bei Patienten mit Bronchialkarzinomen nach Wilcoxon, Mann und Withney). wird im internationalen Schrifttum zwischen 50 und 80% angegeben (2, 4, 6, 7, 10, 12, 17). Von den 16 palliativ operierten Patienten hatten 8 einen präoperativ erhöhten CEA-Wert. In der Sammelstatistik über 854 Patienten mit Den postoperativen Verlauf bei diesen8 Patienten Bronchialkarzinomen konnten von Lamerz und

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Mitarb. (9) ein erhöhter CEA-Wert 74% gefunden werden. In dieser Untersuchung lagen 53% der Erstmessungen über der Normgrenze. Die Differenz der angegebenen Werte beruht im wesentlichen auf dem Einfluß der Tumorausbreitung. So finden sich pathologisch veränderte CEA-Titer häufiger bei großen Tumoren als bei kleinen. In Untersuchungen mit einem großen Anteil von lokal begrenzten Tumoren ist demnach ein geringerer Prozentsatz erhöhter CEA-Werte zu erwarten. Da bei kleinen, lokal begrenzten Karzinomen (T1/2 N 0 M 0 ) nur in 31% erhöhte Werte gefunden wurden und somit der Anteil falsch negativer Werte sehr hoch ist, kann die CEA-Messung nicht als Methode zur Früherkennung von Bronchialkarzinomen verwertet werden. Desgleichen spricht ein normaler CEA-Wert nicht gegen das Vorliegen eines Bronchialkarzinoms. Auch Fernmetastasen dürfen aufgrund eines normalen Wertes nicht ausgeschlossen werden, da noch 20% der Metastasenträger einen normalen CEAWert hatten. Laurence und Mitarb. (10) sowie Concannon und Mitarb. (2) berichteten zuerst über den Zusammenhang zwischen CEA-Wert und Tumorausbreitung bei Bronchialkarzinomen; durch Gropp und Mitarb. (6) wurde das Ergebnis kürzlich erneut bestätigt. Gropp und Mitarb. kamen außerdem anhand von längerfristigen Kontrollen bei Strahlen- und Chemotherapie zu dem Ergebnis, daß die CEAMessung als Parameter für das Ansprechen des Bronchialkarzinoms auf die Therapie sinnvoll ist. Desgleichen scheint die CEA-Messung auch zur Beurteüung des Operationserfolges bei Bronchialkarzinomen wertvoll zu sein. Das postoperative Absinken eines erhöhten CEAWertes spricht für Radikalität der Operation. Ein postoperativ weiter hoher CEA-Wert spricht dagegen. Präoperativ normale CEA-Werte bleiben nach radikaler und palliativer Operation gleichermaßen unverändert. Somit ist hier kein Schluß auf den Operationserfolg möglich. Der Abfall des CEA-Titers nach Radikaloperation erfolgte ohne zwischenzeitlichen postoperativen Anstieg, der in Arbeiten von Vincent und Mitarb. (16, 17) beobachtet worden war. Bereits eine oder zwei Wochen nach Radikaloperation (Abb. 2) waren erhöhte Werte zur Norm abgesunken.

CEA-Kontrollen nach Tumoroperation sind zur Erfassung erneuten Tumorwachstums sinnvoll. Wenn auch anhand eines normalen CEAWertes kein Ausschluß von Metastasen zulässig ist, so ist andererseits bei einem CEA-Anstieg immer mit Progredienz des Krebsleidens zu rechnen. In keinem Fall kam es zu einer CEAErhöhung, ohne daß zum Zeitpunkt der Messung oder später Fernmetastasen diagnostiziert wurden. Vierwöchige CEA-Kontrollen im postoperativen Krankheitsverlauf von Patienten mit Bronchialkarzinomen sind demnach anzustreben, um den Patienten bei ansteigendem CEAWert einer entsprechenden Therapie zuzuführen. Aus den hier vorgelegten Ergebnissen leitet sich die Forderung ab, bei Patienten mit Bronchialkarzinomen eine CEA-Messung vorzunehmen, wenn eine Therapie (operativ, Strahlen, Chemo-) vorgesehen ist, und bei den Patienten, welche zur regelmäßigen Tumornachsorge erscheinen. Literatur 1 Chu, T.M., T. Nemoto: Evaluation of carcinoembryonic antigen in human mammary carcinoma. j. Natl. Cancer Inst. 51 (1973) 1119 2 Concannon, J.P., M.H. Dalbow, G.A. Liebler, K.E. Blake, CS. Weil, J.W. Cooper: The carcinoembryonic antigen assay in bronchogenic carcinoma. Cancer 34 (1974) 184 3 Egan, M.J., J.T. Lautenschleger, J.E. Coligan, C.W. Todd: Radioimmunoassay of carcinoembryonic antigen. Immuno chemistry 9 (1972) 289 4 Franchimont, P., P.F. Zangerle, J. Nogarede, J. Bury, F. Molter, A. Reuter, J.C. Hendrick, J. Colette: Simultaneous assays of cancer-associated antigens in various neoplastic disorders. Cancer 38 (1976) 2287 5 Gold, P., S.O. Freedman: Demonstration of tumorspecific antigens in human colonic carcinomata by immunologic tolerance and absorption techniques. J.Exp. Med. 121(1965)439 6 Gropp, C., F.G.Lehmann, K. Havemann: Carcinoembryonales Antigen (CEA) im Serum von Patienten mit Bronchialkarzinom. Dtsch. Med. Wschr. 30 (1977) 1079 7 Hansen, H.J.,J.J. Snyder, E. Miller, J.P. Vandevoorde, O.N. Miller, L.R. Hines, J.J. Burns: Carcinoembryonic antigen (CEA) assay. A laboratory adjunct in the diagnosis and management of cancer. Hum. Path. 5 (1974) 139 8 Holyoke, E.D., T.M. Chu, G.P. Murphy: CEA as a monitor of gastrointestinal malignancy. Cancer 35 (1975) 830

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9 Lamerz, R., A. Fateh-Moghadam: Carcinofetale Antigene IL Carcinoembryonales Antigen (CEA). Klin.Wschr. 5 3 ( 1 9 7 5 ) 1 9 3 10 Laurence, D.J.R., U. Stevens, R. Bettelheim, D. Darcy, C. Leese, C. Turberville, P. Alexander, E.W. Johns, Murno, A. Neville: Role of plasma carcinoembryonic antigen in diagnosis of gastrointestinal, mammary and bronchial carcinoma. Br. Med. J. 3 (1972) 605 11 Mach, J.P., P. Jaeger, M.M. Bertholet, C.H. Ruegsegger, R.M. Loosli, J. Pettavel: Detection of recurrence of largebowel carcinoma by radioimmunoassay of circulating carcinoembryonic antigen (CEA). Lancet 2 (1984) 535 12 Pauwels, R., M. van der Straaten: Plasma levels of CEA in bronchial carcinoma and chronic bronchitis. Thorax 30 (1975) 560 13 Schlipköter, H. W., B. Baginski: CEA-Werte bei der Bevölkerung in Industriegebieten. Zbl. Bakt. Hyg.

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Prof. Dr. R.M. Konradt, Chirurgische Klinik der Städtischen Kliniken, Zu den Rehwiesen 9, 4100 Duisburg

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Das karzinoembryonale Antigen (CEA) vor und nach Operationen von Bronchialkarzinomen

[The carcinoembryonic antigen (CEA) in bronchial carcinoma before and after operation (author's transl)].

65 Thoraxchirurgie 26 (1978) 65-69 © Georg Thieme Verlag Stuttgart Das karzinoembryonale Antigen (CEA) vor und nach Operationen von Bronchialkarzinome...
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