Arch. Oto-Rhino-Laryng. 219, 311-312 (KongreBbericht 1978) 9 Springer-Verlag 1978

J. Helms (Mainz): Die Gefdfle der hinteren Seh~idelgrube. Anatomie, Pathophysiologle, Kllnlk -- eine Ubersieht (Erl~uterungen zum Referat) The Blood Vessels of the Posterior Cranial Fossa Anatomy, Pathophysiology, Clinic - a Survey Als Erg/inzung zu meinem Ubersichtsreferat fiber die Gef'~iBe der hinteren Sch/idelgrube mSchte ich auf die Friihdiagnostik und die Differentialdiagnose der Glomustumoren im Felsenbein etwas n~iher eingehen. Diese gutartigen Tumoren treten gelegentfich famili~ir gehiiuft in Erscheinung, wie Mulder u. Mitarb. w/ihrend des Symposiums fiir experimentelle Tumorforschung in der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde in Dfisseldorf im April diesen Jahres vorgetragen haben. Ihnen schien deshalb die Entwicklung eines Suchtestes gerechtfertigt, mit dem einseitige DurchblutungsvergrSBerungen im Kopf- und Halsbereich mit nuklearmedizinischen Techniken nachgewiesen werden kSnnen. Es gelang ihnen auf diese Weise, klinisch inapparente Glomustumoren bei scheinbar gesunden Familienmitgliedern nachzuweisen. Da die angewandte aufwendige Untersuchungsanlage nicht allerorts zur Verfiigung steht, soll hier nochmals auf die Vorteile der routinem/iBigen Untersuchung auch normaler Trommelfelle bei gesunden Ohren mit dem Operationsmikroskop hingewiesen werden. In der Plesterschen Schule wurden seit 1967 49 Glomustumoren des Felsenbeins operiert und weitere sechs Tumoren dieser Art diagnostiziert. 47 der genannten Operationen wurden in der T/ibinger Universit~its-Hals-Nasen-Ohrenklinik vorgenommen. Wegen cler routinem/if3igen Inspektion aller Ohren durch ctas Operationsmikroskop gelang es, auch den unseres Wissens kleinsten Glomustumor in der Pauke zu diagnostizieren und zu operieren. Die Ver/inderung hatte zu keinerlei subjektiven Beschwerden gef/ihrt und war lediglich als roter Punkt hinter dem Trommelfell sichtbar. Es handelte sich um einen typischen Glomus tympanicum-Tumor yon etwa 1,5 mm Durchmesser. Anfang diesen Jahres wurde uns eine 29fiihrige Patientin vorgestellt, die seit 1976 eine langsam zunehmende Schwerh6rigkeit und ein pulssynchrones Ohrensausen bemerkte. Das Trommelfell wies im mittleren Bereich eine r6tlich-livide Verf/irbung auf. Die R~inder des Trommelfells erschienen grau und regelrecht. Es handelte sich also um einen Glomustumor des Glomus tympanicum. Obwohl die Pauke nicht vollst~indig ausgeffillt schien und insbesondere der Paukenboden nicht vom Tumor befallen war, wurde eine Carotisangiographie durchgeffihrt, um die GrSBe des Glomustumors zu bestimmen. Es stellte sich eine regelrechte Carotis dar, ohne Anf/irbung eines Tumors. s

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Bei der Operation zeigte sich ein r6tlich-livides Gebilde im unteren Teil des Promontoriums, das einem Glomustumor im Aspekt glich. Anders als bei Glomusturnoren war jedoch der angrenzende Knoehen nach aul3en aufgebogen und an den R/indern sehr stark verdfinnt. Beim Betasten erwies sich das Tumorgebilde als au13ergew6hnlich weich. Beim Abheben des Trommelfells im oberen Anteil rig die Ver~inderung ein und blutete stark, aber nicht st/irker als ein Glomustumor. Die Operation wurde abgebrochen, um durch eine Tomographie n~iheren Aufschlul3 fiber die Tiefenausdehnung zu bekommen und um die Beziehung zur A. carotis interna abzukl/iren. Intraoperationem entstand der Verdacht, dab es sich um ein Aneurysma der Carotis interna im Promontorium handeln k6nnte. Dieser pathologische Gefiil3prozel3 ist etwa 19mal in der Weltliteratur verzeichnet und stellt somit eine aul3ergew6hnliche Rarit/it dar. Bei der nochmaligen Analyse des Carotisangiogramms aus der Neuroradiologischen Abteilung Mainz, das Herr Prof. Wende uns freundlicherweise zur Verffigung stellte, ergaben sich doch einige ungew6hnliche Befunde. Die laterale Carotisschlinge lag mehr als 1~ cm lateral des/iblichen Verlaufs. Jetzt wurden auch Kaliberveriinderungen in diesem lateralen Verlaufsteil diagnostiziert. In der Tomographie zeigte sich, dab der Kanal der A. carotis interna in das H y p o t y m p a n u m hineinzog und im Bereich des Promontoriums seine am weitesten nach lateral weisende Kontur hatte. Somit war das Vorliegen eines Aneurysmas der Carotis interna im Mittelohr nachgewiesen. Die Patientin wurde yon uns nachoperiert, das inzwischen weitgehend thrombosierte Aneurysma wurde abgedeckt. Die Entlassung erfolgte vor etwa 4 Wochen bei bester Gesundheit. Ausgedehnte Tumoren des Felsenbeins sind nur in Zusammenarbeit zwischen Hals-Nasen-Ohrenchirurg und Neurochirurg mit guter Aussicht auf Erfolg zu operieren. Menzel und Denecke haben darauf in der letzten Ausgabe der Zeitschrift*fiir Laryngologie erneut hingewiesen. Die Frfihdiagnose dieser Veriinderungen ist unter routinem/il3iger Verwendung des Operationsmikroskops bei der Ohrinspektion sicherlich oft m6glich. Als seltene, dann aber problematische Differentialdiagnose ffir den tympanalen Glomustumor sollte an das Vorliegen eines Aneurysmas der A. carotis interna gedacht werden.

Literatur Anderson, R. D. et al.: Aneurysms of the internal carotid artery in the carotid canal of the petrous temporal bone. Radiology 102, 639-642 (1972) Denecke, H. J.: Die Chirurgie ausgedehnter Tumoren des Felsenbeins und der Otobasis. Laryng. Rhinol. 57, 287-290 (1978) Menzel, J.: Neurochirurgische Therapie extensiverGlomus jugulare-Tumoren. Laryngol. Rhinol. Otol. (Stuttg.) 57, 281--286 (1978) Mulder, P. H. M., Veldman, J. E., Sedee, G. A.: Fahndung und Fr/Jhdiagnostik von Tumoren des Glomus jugulare mit Hinweisen auf genetische Faktoren bei ihrer Entstehung. Symposion Experimentelle Tumorforschung in der HNO-Heilkunde, D/isseldorf, 6.-8. 4. 1978 Ruggles, R. L., Reed, R. C.: Treatment of aberrrant carotid arteries in the middle ear: A report of two eases. Laryngoscope 82, 1199-1205 (1972) Saito, H. et al.: Aberrant carotid artery in the middle ear. Arch. Oto-Rhino-Laryng. 209, 83--87 (1975) Stallings, J. O., McCabe, B. F.: Congenital middle ear aneurysm of internal carotid. Arch. Otolaryng. 90, 39-43 (1969)

[The blood vessels of the posterior cranial fossa anatomy, pathophysiology, clinic--a survey (author's transl)].

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