Pharmazie in unserer Zeit HansHess

Tabletten, von ganz nah betrachtet

Zusammenhalt der Stoffe ungeniigend sind. Durch eine Granulierung mit Bindemitteln wie Starkekleisterund Losungenvon Gelatineoder Polyvinylpyrrolidon konnen diese Eigenschaften verbessert werden, was eine gewichtskonstante Matrizenfiillung ermoglicht und auch den Zusammenhalt des PreGlingsfordert .

Abb. la, b. Flachen einer Tablette (:I) und Beobachtungswinkel im Rasterelektronenmikroskop (b).

Einleitung Tabletten bzw. die daraus abgeleiteten Filmund Zuckerdragees sind ohne Zweifel die verbreitetsten Arzneiformen. Tabletten werden aus Pulvermischungen oder Granulaten durch Kompression in einem Druckbereich von etwa 500-2000 kp/cm2 hergestellt. Unter diesen Driicken miissen die Teilchen geniigend fest aneinander haften, damit die Tabletten Verpackungs- und Transportvorgange, aber auch Lackier- und Dragierprozesse unbeschadet uberstehen. Andererseits wird von der groflen Mehrzahl der Tabletten verlangt, dafl sie in biologischen Fliissigkeiten moglichst rasch in die einzelnen Teilchen zerfallen. Zur Charakterisierung dieser beiden gegenlaufigen Eigenschaften - Zusammenhalt und Zerfall - bedient man sich physikalischer Meflmethoden wie Bruch- und Druckfestigkeit (,,Harte”), Abriebfestigkeit (,,Rollverschleif3”, ,,Friabilitat”) und Zerfallszeit (,,Zerfall”). Weitere Priifungen erstrecken sich auf die scheinbare Dichte und die Porositat. Bekanntlich kann die groi3e Mehrzahl der Wirkstoffe nicht ohne Zusatz von Hilfsstoffen und Granulierung verpref3t werden, da entweder die Fliefleigenschaften oder aber der

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Faserformige und ,,mikrokristalline” Cellulosen verbessern ebenfalls den Zusammenhalt der Pulverpartikel. Ein schneller Zerfall der Prefllinge wird durch Sprengmittel wie 2.B. Starke herbeigefiihrt. Schliefllich ist die Gruppe der Schmier- und Antiadhasionsmittel zu erwahnen, welcheden Kontakt zwischenPreflling und Metal1 der Stempel bzw. Matrize ,,neutralisieren”. Diese Stoffe konnen den Zusammenhalt beeintrachtigen und den ZerfalI verschlechtern, sind aber, von wenigen Ausnahmefallen abgesehen, fur die Tablettierung unentbehrlich. Die Erfindung des Rasterelektronenmikroskopes (REM) hat es moglich gemacht, direkten Einblick in das Gefiige einer Tablette zu nehmen (1). Da es nach unseren Erfahrungen mit dieser Technik recht schwierig ist, allgemeine Erkenntnisse aus dem Verhaltefi von Granulaten, welche aus mehreren Komponenten bestehen, zu gewinnen, sol1 anhand einfacher Pulvermischungen dargelegt werden, was bei der Kompression pharmazeutischer Materialien im iiblichen Druckbereich vor sich geht. D a m wurden Substanzen ausgewahlt, welche elektronenoptisch gut erkennbar sind unddie typischenVerhaltensweisen (plastische undelastische Verformung, Bruch)zeigen. Die Aufnahmen sind mit physikalischen Messungen erganzt. Die fur unsere Ausfiihrungen bedeutungsvollen Daten sind der Obersicht halber weitgehend zu Tabellen zusammengefaflt. Beobachtungstechnik Wir unterscheiden bei der mikroskopischen Betrachtung einerTablettezwischenfolgenden

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Flachen (Abbildung 1a): Oberfliiche nennen wir die obere und untere PreGflache, die im Prinzip gleich sind; Seitenflache oder besser Stegfliiche, die durch die Reibung beim Ausstoi3en der Tablette aus der Matrize einer zusatzlichen Beanspruchung unterworfen wurde; Bruchfluche, diewaagrechtodersenkrechtverlaufen kann; in unseren Beispielen bilden wir nur senkrechte Bruchflachen ab. Die Bruchflachen unterscheiden sich haufig starkvon den in Kontakt rnit Metallflachen (Stempel und Matrize) gewesenen Oberflachen. Die Tablettenoberflachen wurden meist unter einem Winkel von etwa 35" aufgenommen. Einige Aufnahmen erfolgten mit XO", bei diesem Winkel 1ai3tsich beobachten, wie stark das Relief einer Tablettenoberflache ist (Abbildung 1 b) . Bekanntlich miissen Proben wie Tabletten fur das REM durch Aufdampfen von Kohle und Gold im Hochvakuum leitend gemacht werden. Die Anwendung von Hochvakuum kann zum Vorwurf fuhren, dai3 es sich bei gewissen Erscheinungen, z. B. bei den auffalligen Graben um die Starkekorner (Abbildung 18), um Artefakte handle. Wir haben deshalb weitere Techniken angewendet, die eine Fixierung des urspriinglichen Zustandes einer Tablette ermoglichen (Abbildung 2). Die direkten Beobachtungen von Oberflachen wurden erganzt durch REM-Bilder von AraldiP-Replikas .BeidieserTechnikwirdvon der Oberflache gewissermaflen ein Abdruck hergestellt ;dabei kann dernoch flussige Kunststoff in die oberflachlichen Poren eindringen. Nach dem Ausharten des AralditO wird die ur-

sprungliche Tablette weggelost, und es bietet sich ein Bild, wie wenn man vom Tabletteninnern an die Oberflache blicken wiirde (Abbildung 19 und andere). Zur Herstellung von Schnitten wird auf diese Kunststoffoberflache Silber aufgedampft und die neue Oberflache wieder mit AralditO ubergossen. Werden diese Kunststoffblocke sehr dunn geschnitten, lafit sich im Lichtmikroskop das Relief der ursprunglichen Tablettenoberflache verfolgen und ausmessen (Abbildung 28). Schliei3lich wurden Tabletten in Technovit@ eingegossen. Auch dieser Kunststoff ist vorerst flussig und dringt dabei bis gegen das Tabletteninnere vor. Nach dem Harten kann die sowohl aui3en als auch im Inneren fixierte Tablette gebrochen werden, ohne dafl Materialien, z. B. Starkekorner, ihre Form andern konnten (Abbildung 22 und 23). Einige physikalische Begriffe Unter mechanischer Beanspruchung verandern Feststoffe, z. B. Kristalle, ihre Gestalt. Dieser Formanderung setzen zwischenmolekulare Krafte Widerstand entgegen. Ein Korper ist elastisch, wenn diese Bindekrafte nach Aufhoren aui3erer Krafteinwirkung den ursprunglichen Zustand des Korpers wieder herzustellen vermogen. Die Ruckbildung zur ursprunglichen Form kann langere Zeit in Anspruch nehmen (elastische Nachwirkung). Uberschreiten die aui3eren Krafte beim elastischen Korper die zwischenmolekularen Krafte, dann geht er in den plastischen Zustand iiber. Der elastische Zustand besteht demnach nur innerhalb bestimmter Grenzen, ein absolut elastisches Verhalten gibt es nicht.

Plastisches Flief3en erfolgt so lange, wie der Korper unter Krafteinwirkung steht. Das Resultat ist besonders deutlich sichtbar, wenn durch Versetzungen im Kristallgitter eine treppenformige Struktur entsteht (Abbildung 8). Solche Verschiebungen erfolgen entlang innerkristalliner Gleitebenen. Die verschobenen Atome oder Molekule bewegen sich auf organisierte Weise von ihren ursprunglichen Nachbarn weg, tragen also gewissermai3en ihren Teil des Kristalls an den neuen Ort, wo sie in der gleichen Symmetrie wie vorher zur Ruhe kommen. Der Kristall hat somit wieder seine ursprungliche innere Struktur und seine Eigenschaften erlangt, geandert hat sich nur die auflere Form. Eine Abscherung ist dann moglich, wenn zwischen gewissen Ebenen im Kristallgitter infolge groi3erer Abstande die Bindungen schwacher sind als zwischen anderen Ebenen. Ein Beispiel dafur ist die Anordnung der Molekule im monoklinen Kristallgitter der Acetylsalicylsaure (Abbildung 11). Dank ihrer hohen Symmetrie haben kubische Kristalle Reihen dicht gepackter Bausteine in vielen Richtungen, was allseitig plastisches Gleiten begunstigt. Die gleichzeitige Verschiebung in mehreren Richtungen gestattet praktisch jede Form, die das gleiche Volumen hat, und somit formschlussige Bindungen zu den benachbarten Kristallen. Die gesamte Kristallmasse 1ai3t sich so in ihrer aui3eren Form verandern, ohne daB Risse oder Hohlraume im Gefiige auftreten. Aus dieser Anschauung la& sich die Tatsache erklaren, dai3 eine Reduktion der Korngroge hartere Tabletten ergibt, treten doch die Gleitebenen

+

Abb. 2. Probenvorbereitung, C Au = Bedampfung im Hochvakuum rnit Kohle und Gold; Ag = Bedampfung mit Silber im Hochvakuum, darauf erneut Araldit gegossen.

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Phamazie in unserer Zeit / 6. Jahrg. 1977 I Nr.

nicht auf das benachbarte Korn uber; gleichzeitig behindern sich jene Gleitebenen, die an den Korngrenzen in verschiedenen Richtungen aufeinandertreffen. Eine Tablette aus kleinen Kristallen wird also einer aufleren Kraft einen grofleren Widerstand entgegensetzen als eine solche aus grofleren Kristallen. Plastische Deformation ist auch bei den wurfelformigen Kristallen von Natrium- und Kaliumchlorid anzutreffen. Bei diesen hochsymmetrischen Ionenkristallen sind viele potentielle Gleitebenen vorhanden, entsprechend den Ebenen, auf denen die positiven bzw. die negativen Ionen liegen (Abbildung 3a). Deren Richtung fuhrt beim Natrium- und Kaliumchlorid jeweils von einer Wurfelkante zur diagonal gegenuberliegenden (Abbildung 3b). Alle Ebenen, welche parallel zu den (110) Ebenen verlaufen, konnen zu Gleitebenen werden. Die (100) Ebenen sind dagegen Spaltflachen, die Salzkristalle zeigen also Spaltbarkeit nach dem Wurfel. Die Verschiebung wird durch Fehlstellen im Kristallgitter erleichtert. Die

Verschiebung setzt in einem solchen ,,Realgitter” praktisch bereits weit vor Erreichung der theoretischen Schubspannung ein, die fur ein ,,Idealgitter” errechnet wird (2). Bei diesen Stoffen lassen sich im Rasterelektronenmikroskop keine Versetzungen beobachten; die Abscherung erfolgt also nicht stapelweise wie bei der Acetylsalicylsaure, sondern mufl sich im submikroskopischen Bereich bewegen. Plastische Deformation kann sich auch durch Zwillingsbildung an einem Kristall bemerkbar machen (2, 3). Plastische Verformungen konnen selbst bei geringen Belastungen von lokal sehr begrenzten Temperaturerhohungen begleitet sein, die aber fur einen Schmelzvorgang ausreichen. Erfaflt der Schmelzprozefl nur Teile des Kristalls, spricht man von Sinterung. Der Bruch eines Kristalls geht von submikroskopischen Gitterstorungen aus. Bei geniigend grofier Krafteinwirkung entwickelt sich daraus ein Spalt und eine Bruchflache; diese pflanzt sich schneller fort als die pla-

Abb. 3a, b. Verhalten von Natrium- und Kaliumchloridkristallen unter mechanischer Beanspruchung; a = Spaltbarkeit (gestrichelte Linie) und mechanische Translation (ausgezogene Linie), nach Kleber [2]; b = die 6 gleichwertigen Translationsebenen im Natrium- und Kaliumchloridgitter.

Abb. 4, 5. Kaliumchloridtabletten, Prei3kraft 1010 kp auf Stempelflache (rund, biplan, Durchmesser 10 mm) (Abbildung 4) und 2150 kp (Abbildung 5). REM-Aufnahme 35”.

stischen Spannungen. In solchen Kristallen treten also plastische Verformungen nur lokal auf. Zudem fehlen solchen Stoffen die geometrischen Voraussetzungen, d. h. dicht gepackte Ebenen, die ohne grofle Behinderung und schon bei geringer Krafteinwirkung aneinander vorbeigleiten. Die Fragmentierung fuhrt nicht nur zu einer Vergroflerung der Oberflache, sondern es kann auch eine gewisse Amorphisierung und damit erhohte Reaktionsbereitschaft auftreten (4). Materialien, die bruchdeformiert werden, bezeichnet man als sprode (englisch ”brittle”). Verhalten pharmazeutischer Materialien Beim Tablettieren wird das in der Matrize vorhandene Gemisch vorerst verdichtet, und zwar durch Verschiebung der einzelnen Teilchen, bis die je nach Kornverteilung und -Form dichteste Packung erreicht ist. Anschlieflend erfolgt die Beanspruchung der individuellen Kristalle oder Granulatkorner. Nach unseren Erfahrungen zeigen die meisten Wirksubstanzen, aber auch Hilfsstoffe wie Lactose und Saccharose beim Verpressen Bruchverhalten. Anorganische Salze (z. B. Kaliumchlorid) und Acetylsalicylsaure werden vorwiegend plastisch deformiert. Das gleiche gilt naturlich auch fur Lipide. Eher elastisch verhalten sich die verschiedenen Starkesorten sowie Cellulosepulver und Cellulosederivate. Bei hoheren Drucken konnen aber vermehrt plastische Deformationen, in einzelnen Fallen sogar Bruche beobachtet werden. Im Starkekorn sind amorphe, ungeordnete neben mehr kristallinen, geordneten Regionen vorhanden. Die Kristallinitat durfte nach eigenen Untersuchungen an Mais- und Reisstarke hochstens 30% betragen. Es ist denkbar, dafl das weiter unten beschriebene Verhalten von Stiirke auf die gleichzeitige Anwesenheit von kristallinen und amorphen Bezirken zuruckzufuhren ist, aber auch dafl mit steigendem PreBdruck eine Umorientierung der Bezirke eintritt. In der vorliegenden Arbeit beschranken wir uns auf die Modellsubstanzen Kaliumchlorid, Acetylsalicylsaure, Lactose sowie auf einige Starkesorten. Besonders aufschluflreiche Beobachtungen sind mit der Kombination eines vorwiegend plastischen Materials wie Kaliumchlorid, aber auch Acetylsalicylsaure mit Starke moglich. Solchen Kombinationen

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gilt der Hauptteil dieser Arbeit. Die angegebenen Pref3krafte beziehen sich immer auf einen Stempel von 10 mm Durchmesser (Flache 78,5 mm'). Tabletten aus Kaliumchlorid u n d Acetylsalicylsaure Es ist schon seit langem bekannt, dai3 anorganische Salze wie Kaliumchlorid ohne weitere Zusatze und bei verhaltnismaflig niederen Driicken verprei3t werden konnen. Die Verdichtung von Kaliumchlorid unter verschiedenen Preflkraften (1000 und 2000 kp) ist in Abbildungen 4 und 5 an den Tablettenoberflachen zu sehen. Die Mefldaten der Tabellen 1, 2 und 4 bestatigen das optische Bild: Die Tabletten aus reinem Kaliumchlorid sind hart, haben einen niederen Rollverschleifl und eine sehr geringe Porositat. Besonders die beim hoheren Druck verpref3ten Tabletten sind in den Randzonen glasig durchscheinend. Die Hohenzunahme der Tabletten nach Druckentlastung ist sehr gering (Tabelle 1). Kaliumchlorid zeigt somit ein fast ideal plastisches Verhalten, was ohne weiteres aus der Kristallstruktur hervorgeht (Abbildung 3). Von Acetylsalicylsaure (ASS) konnen - im Gegensatz zum Kaliumchlorid - ohne Hilfsstoffzusatz nur einige wenige Tabletten geprei3t werden. Die meisten Versuche wurden deshalb mit Starkezusatz durchgefiihrt. Das mikroskopische Bild zeigt deutliche Versetzungen der ASS-Kristalle als Folge der Druckbeanspruchung (Abbildung 7 bei schwacher, Abbildung 8 bei starkerer Vergroflerung; als Vergleich dient die ungepreflte Mischung, Abbildung 6).Wie eingangs erlautert, sind solche Versetzungen ein Anzcichen fur plastische Deformation. Acetylsalicylsaure ist von den untersuchten Stoffen (unter denen sich auch die verwandten Verbindungen Salicylsaure und Benzoesaure befanden) das einzige Material, bei dem Versetzungen sichtbar waren. Die Beanspruchung auflert sich auch in Rekristallisationserscheinungen (Abbildungen 8-10, 31). Der Vergleich zwischen Oberflache und Bruchflache eines mit 2000 kp verpreflten Gemisches von ASS mit 20% Kartoffelstarke macht deutlich, dat3 das Material nicht nur an der Preflflache (Abbildung 9) sondern auch im Tabletteninnern beansprucht wurde (Abbildung 10). Hier erfolgte der Bruch um einen ASS-Kristall herum, und die Starkekorner hinterlieflen deutliche Eindriicke im

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Tabelle 1. Verhalten von Kaliumchloridtabletten ohne und mit Starkezusatz.

Kaliumchlorid und Starke (gesiebt durch 0,5 mm Sieb), wahrend 20 min in Taumelmischer gemischt. Verpressung auf instrumentierter Exzenterpresse (Korsch EK 0),Stempel 10 mm, biplan; Matrizenfullung von Hand, Tabletten einzeln verpreflt. Einstellen der Tablettenhohe mit Metalltablette (Hohe 3,70 mm), Bestimmung der Porositat aus Gewicht und Volumen der Tablette, Dichte mit Helium (Beckman Air Pycnometer). Werte aus je 6 Tabletten.

Substam/ Mischung

Prefldruck kp'" (MNm-')

Gewicht mg

:+pro78,5mm2

Kaliumchlorid (Heliumdichte 1,95)

Kaliumchlorid 5 %Reisstarke (Heliumdichte 1,926)

1052

1947

1048

(131)

(243)

(131)

563

578

559

+

Kaliumchlorid 10% Kartoffelstarke (Heliumdichte 1,899)

2032

1077

(254)

(136)

571

546

+

2210

(276)

566

Zeit der Messung nach Pressung

Hohenzunahme

gemessen

berechnet'

15 s Ih 24 h

0s 0,9 0,9

-

15 s Ih 24 h

04 0,9 03

15 s 1h 24 h

13 2,6 2,6

15 s 1h 24 h

1,7 2,2 2,2

15 s 1h 24 h

1,1 2,7 2 s

15 s 1h 24 h

2,9 33 34

7'0

-

Porositat 7'0

1s

-

0

-

18

2,6

-

-

1,9

0,13

-

1,7

3,75

232

0,98

':.Theoretischer Wert, berechnet aus Hohenzunahme reiner Starketabletten (siehe Tabelle 3) und reiner Kaliumchloridtabletten (0,9 YObei 1000 kp bzw. 0,8 7'0 bei 2000 kp).

verformten Wirkstoff. Die Starkekorner haben im Innern ein anderes Aussehen als an der Oberflache, doch mehr daruber im iibernachsten Abschnitt. Daf3 ASS plastisch deformiert wird, kann auch aus kristallo-

graphischen Untersuchungen abgeleitet werden. Aus Daten einer Rontgenstrukturanalyse (6) wurde die Abbildung 11 konstruiert. Das Molekul kann grob durch 2 Ebenen charakterisiert werden: die Ebene

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Abb. 6. Acetylsalicylsaure (ASS)-Kristall mit anhaftenden Maisstarkekornern (Anteil10 %). REM-Aufnahme 35".

Abb. 7. Oberflache einer ASS-Tablette mit 10 70Maisstarke, Pref3kraft 1005 kp (gleiche Mischung wie fur Abbildung 6). REMAufnahme 35".

Abb. 8. Oberflache einer ASS-Tablette mit 10 70 Maisstarke, PreRkraft ca. 2000 kp. Pfeil deutet auf herausgefallenes Starkekorn. REM-Aufnahme 35".

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Abb. 9. Oberflache einer ASS-Tablette mit 20 9'0 Kartoffelstarke, Preflkraft ca. 2000 kp. REM-Aufnahme 35".

Abb. 10. Bruchflache einer ASS-Tablette mit 20 70 Kartoffelstarke, Pref3kraft ca. 2000 kp. Pfeile deuten auf Deformation an Starkekornern. REM-Aufnahme 35".

Abb. 11. Struktur innerhalb eines ASSKristalls nach Daten von Wheatley [6]. A-D: einzelne ASS-Molekiile (A', D' durch Translation von A und D erreichte Stellen), schraffiert: mogliche Verschiebungsebenen in Richtung der Pfeile. Atomabstande in A.

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durch den Benzolring, in der auch die Carboxylgruppe und der phenolische Sauerstoff liegen, und die Ebene durch die Acetylgruppe. Der Winkel zwischen diesen Ebenen betragt 84". Acetylsalicylsaure kristallisiert in der monoklinen Raumgruppe P 21,c. In Abbildung 11 sind einige Molekule auf eine der Ebenen des Kristalls projiziert. Mit A, B, C und D sind 4 Molekule des Kristalls gekennzeichnet. Jedes andere Molekiil kann durch Translation in Pfeilrichtung in eine der Stellungen A, B, C und D uberfuhrt werden. Je 2 Molekule sind durch Wasserstoffbriicken zu Dimeren verbunden. Die Abstande zwischen den Molekulen A und D bzw. A' und D' sowie B und C sind bedeutend grofler als die Abstande zwischen A und B. Die durch Wasserstoffbrucken (Punkte) verbundenen Dimeren bilden also

auf Ebenen oberhalb bzw. unterhalb der Papierebene Schichten, innerhalb derer die Molekule dicht gepackt sind. Dagegen bestehen von der Schicht links zur Schicht rechts nur schwache zwischenmolekulare Krafte (schraffierte Zonen in Abbildung 1l), die einem von au8en angelegten Druck nicht standhalten, so da8 eine Verschiebung der Schichten gegeneinander erfolgt. Andere als die mit Pfeilen eingezeichneten Verschiebungen sind wegen der verschiedenen Neigung der Benzolringebenen A und B sowie wegen der Lage der Acetylgruppen (bei A nach unten, bei B nach oben) nicht moglich. Wird also ein Kristall in einer anderen Richtung beansprucht, kommt es nicht zu einer plastischen, sondern nur zu einer elastischen Verformung. Das aus den MeBdaten (Hohenzunahme) der Tabelle 4 ersichtliche, teilweise

elastische Verhalten von ASS-Tabletten kann auf diese Weise erklart werden. Die Kraftmessungen an den Tablettenstempeln zeigen einige interessante Unterschiede zwischen Kaliumchlorid und Acetylsalicylsaure (Tabellen 4 und 5). Bei den Kaliumchloridtabletten verbleibt ein bedeutender Anteil des Prefidrucks als Restdruck auf dem Unterstempel. Der Restdruck sol1 ein Mafl fur die elastische Ruckdehnung der Tablette darstellen (5). Die Werte von Tabelle 4 lassen Zweifel an dieser Annahme aufkommen, ist doch der Restdruck beim reinen Kaliumchlorid nicht kleiner als bei den starkehaltigen Tabletten oder gar bei den Acetylsalicylsauretabletten. Die eigentlichen Ausstofldriicke zur Oberwindung des Restdrucks sowie der Reibung zwischen Prefiling

Abb. 12. Oberflache einer Lactosetablette mit 0,5 70Magnesiumstearat. Preflkraft ca. 2000 kp. REM-Aufnahme 35".

Abb. 13. Bruchflache einer Lactosetablette mit 0,5 7'0 Magnesiumstearat. Preflkraft ca. 2000 kp. REM-Aufnahme 35".

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und Matrizenwand sind bedeutend und bei 2100 kp etwa doppelt so grofi wie bei 1050 kp. Trotzdem ist die Tablettierung von reinem Kaliumchlorid unproblematisch. Wird dem Kaliumchlorid eine geringe Menge (0,02%) Magnesiumstearat beigemischt, sinkt der Restdruck von knapp 200 auf etwa 70 kp/78,5 mm’, und auch der Ausstofidruck ist entsprechend erniedrigt. Die Magnesiumstearat-haltigen Tabletten sind sehr weich, und zwar auch die mit hoherem Druck geprefiten. Es macht den Anschein, dafi der hohe Restdruck der Kaliumchloridtabletten auf die starken Bindekrafte und die formschlussige Matrizenfullung, also gewissermafien auf eine Keilwirkung, zuruckzufuhren ist (und nicht etwa auf die elastische Ruckdehnung) und da8 der Restdruck einen erheblichen Teil des Ausstofidrucks darstellt. In den Tabellen 4 und 5 ist neben dem Prefidruck, also dem Oberstempeldruck, auch der auf den Unterstempel ubertragene Anteil angegeben; bekanntlich bleibt der Unterstempel bei Exzenterpressen wahrend des Prefivorganges passiv. Aus dem ubertragenen axialen Anteil der Kraftubertragung sowie dem bei unseren Versuchen nicht gemessenen radialen, also auf die Matrizenwand ubertragenen Anteil kann die Energie abgeschatzt werden, die fur Reibungseffekte zwischen den Kristallen und an der Matrizenwand sowie fur die Materialbeanspruchung, z.B, in Form von plastischer Deformation, aufgebracht werden mu8. In allen Fallen ist der prozentuale Anteil der Kraftubertragung beim hoheren Prefidruck grofler; der Grund fur die bessere Kraftubertragung in axialer Richtung mag im ausgepragteren plastischen Fliefien beim hoheren Druck liegen. Die Zahlen fur die Druckubertragung vom Ober- auf den Unterstempel bei ASSTabletten mit 5 70 Reisstarke sind in Tabelle 4 von denen in Tabelle 5 etwas verschieden; der Unterschied durfte auf die unterschiedliche Art der Herstellung der Mischungen zuruckzufuhren sein. Tabletten aus Lactose Lactose ist ein typischer Vertreter einer grofieren Zahl pharmazeutisch verwendeter Substanzen, die - im Gegensatz zum allein tablettierbaren Kaliumchlorid und zu der rnit Starkezusatz verprefibaren Acetylsalicylsaure - nur mit einem Schmier- bzw. Antiadhasionsmittel wie Magnesiumstearat verprefit werden konnen. Es sind kristalline Stoffe von meist recht komplizierter Struktur,

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deren Gitterbau eine plastische Verformung auf die bei Acetylsalicylsaure geschilderte Weise nicht zulafit. Tabletten aus ungemahlener Lactose mit 0,5% Magnesiumstearat zeigen, ob sie rnit

1000 oder 2000 kp verprefit wurden, ein recht ahnliches Bild. Ein grofierer Unterschied besteht hingegen zwischen der Oberflache (Abbildung 12) und der Bruchflache (Abbildung 13). An der Oberflache sind die Kristalle aufierordentlich stark fragmentiert, und zwar zu Teilchen bis weit unter 1 pm. An den Bruchflachen lassen sich hingegen noch recht viele, praktisch unversehrte Kristalle erkennen. Bei der Komprimierung von Lactose ohne Zusatz (es liei3en sich nur wenige Tabletten herstellen) werden nur 65% der Oberstempelkraft auf den Unterstempel ubertragen, mit Magnesiumstearat aber fast 100%. Dies zeigt, dafi Schmiermittel die Reibung zwischen den Teilchen wahrend der Verdichtung sehr wirksam reduzieren, aber auch, dai3 wenig Energie fur Deformation und Bruch der Kristalle gebraucht wird. Im Gegensatz dazu werden bei ASS mit Zusatz von 5% Reisstarke und 0,5% Magnesiumstearat nur 94% der Prefikraft ubertragen (Tabelle 4), bei Kaliumchlorid mit 0,02% Magnesiumstearat sind es 85-90% (10002000 kp). Auch bei den plastischen Substanzen wird also mit Schmiermittelzusatz die Druckubertragung besser. Ein rascher Zerfall von weniger als 1 Minute lafit sich bei Lactosetabletten nur mit Zusatz von Starke erreichen (es wurden Tabletten rnit je 10% Reis- und Kartoffelstarke hergestellt). In beiden Fallen waren befriedigende Werte von Druckfestigkeit (d. h. mindestens 5 kp) und Abriebfestigkeit (d. h. Gewichtsverlust hochstens 1Yo) nur mit hohen Prefikraften (2000 kp) zu erreichen. Offenbar braucht es solche Krafte, um bei diesem widerstandsfahigen Material genugend neue Flachen zu schaffen, ohne die ein Zusammenhalt nicht moglich ist. Man hat den Eindruck, dafi die ausgepragte Fragmentierung an der Tablettenoberflache weitgehend fur die Festigkeit verantwortlich ist, dies im Gegensatz zu den aus plastischen Materialien geprefiten Tabletten, denen die formschlussigen Bindungen der Kristalle und die zahlreichen Dislokationen auch im Tabletteninneren eine grogere Festigkeit verleihen. In diesem Sinn ist Lactose ,,schlechter” tablettierbar als Kaliumchlorid oder

Acetylsalicylsaure. Die Tablettierbarkeit kann bekanntlich auch nach der Porositat beurteilt werden, die bei bestimmten Drucken erreicht wird. Gut tablettierbar sind Stoffe, die schon bei niedrigen Drucken (also 1000 kp pro cm2 oder weniger) eine geringe Porositat ergeben. Bei Lactose ist die Porositat bei 1000 kp Prefikraft l2,8%, bei 2000 kp immer noch 6,9%. Die Vergleichswerte fur Kaliumchlorid und ASS liegen vie1 tiefer (Tabellen 1, 4 und 5). Das Verhalten von Starke Starke ist nach wie vor das am meisten gebrauchte Sprengmittel und somit einer der wichtigsten Tablettierhilfsstoffe. Ober das Verhalten von Starke finden sich in der Literatur eine Menge von teils widerspruchlichen Angaben (7). So werden der Starke plastische Eigenschaften zugeschrieben, und es wird behauptet, dafl die unter Druck deformierten Starkekorner beim Befeuchten mit Wasser ihre ursprungliche Gestalt nicht wieder annehmen (8). Dieses Phanomen konne deshalb fur den Zerfall einer Tablette keine Rolle spielen. Von Starke wird auch gesagt, dafi sie schlecht komprimierbar ist und weder an sich selbst noch an anderen Stoffen haftet, also nur wenig kohasiv ist. Mit den in Abbildung 2 skizzierten Replika-, Einbettungs- und Schnittverfahren haben wir versucht, folgende Fragen abzuklaren: Verhalt sich bei den ublichen Tablettierdrucken Starke eher plastisch oder elastisch? Wie ist die Starke in einer Tablette verteilt, kommt es zur Ausbildung eines kapillaren Gefuges und wie grofi sind etwa die entsprechenden Poren? Wie verhalt sich Starke in einer Tablette bei Befeuchtung mit Wasser? Verhalten sich die verschiedenen Starkesorten ahnlich? In einer ersten Versuchsreihe wurden verschiedene Starkesorten auf einer instrumentierten Exzenterpresse ohne weiteren Zusatz verpreflt (Tabelle 3). Wie aus der betrachtlichen Hohenzunahme nach Druckentlastung hervorgeht, hat Starke tatsachlich ausgepragte elastische Eigenschaften. Dabei sind Mais- und Reisstarke deutlich elastischer als Kartoffelstarke. Die Tabletten dehnen sich unmittelbar nach Druckentlastung am meisten aus, aber auch nach Stunden ist noch eine elastische Nachwirkung festzustellen. Die Elastizitat ist im untersuchten Bereich praktisch unabhangig vom Druck. Auch in bezug auf die Poro-

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sitat unterscheidet sich Kartoffelstarke von den beiden anderen Starkearten (Abbildung 14); ubqr den gesamten untersuchten Druckbereich wird mit Kartoffelstarke eine wesentlich niedrigere Porositat erreicht. Die sehr kurzen Zerfallszeiten der Kartoffelstarketabletten bei befriedigenden mechanischen Eigenschaften deuten auf ein auch bei niedriger Porositat gut funktionierendes kapillares Netzwerk. Aus der Literatur (3, 8, 9), aber auch aus eigenen Untersuchungen geht hervor, dafi zusammengeprefite Starkekorner fast immer von einem Hohlraum umgeben sind, also nicht miteinander verschmelzen. Dieses Verhalten la& sich auch in den Abbildungen 8-10, 17, 18, 22-24 erkennen, wo zwei oder mehr Korneraneinanderstofien. Zwischen den Starkekornern von Abbildung 10 (rechts unten), aber auch von Abbildung 23 lassen sich Zwischenraume von etwa O,2 ym bis 2 ym erkennen. Bei so geringen Abstanden ist bekanntlich ein Zusammenhalt gewahrleistet. Die verschiedenen Starkesorten verhalten sich in dieser Beziehung prinzipiell gleich. Die grofiere Druckfestigkeit der Reisstarketabletten im Vergleich zu Tabletten aus grofieren Starkekornern (Tabelle 3, Versuche mit hochstem Druck) diirfte auf der eckigen Form und der geringen Grofie der Reisstarkekorner beruhen. Von groflerem Interesse als Tabletten aus Starke allein sind solche, die das Verhalten von Starke zusammen mit anderen Materialien erkennen lassen. Sehen wir uns zuerst das Gefiige solcher Tabletten an. Wahrend die plastischen Kaliumchloridkristalle, aber auch die Acetylsalicylsaure mehr oder weniger stark verschmelzen, erscheinen die Starkekorner auch von diesen Materialien losgelost. Beispiele finden sich auf zahlreichen Abbildungen (7-10, 15-21, 24-26). Dies gilt auch

Tabelle 2. Eiriflui3 von Starkezusatz auf Kaliumchloridtabletten.

Kaliumchlorid und Starke (gesiebt durch 0,8 mm Sieb) wahrend 30 min in Planetenmischer gemischt . Verpressung auf instrumentierter Exzenterpresse (Korsch EK 0),Stempel 10 mm Durchmesser, biplan, Tablettengewicht ca. 600 mg; Matrizenfiillung mit Fiillschuh; Werte aus 6 Tabletten (auger Abrieb).

Substand Mischung

Prefidruck

Zerfall'> WasserD 7

kp/78,5 mmz

Druckfestigkeit:?:: kP

Abrieb;F'.''i

Hohe

70

mm

Kaliumchlorid

1010 2150

2-3 min 2-3 min

17-20 14-16

0,1 0,2

44 329

Kaliumchlorid 5 70Kartoffelstarke

+

960 2030

5s 10 s

8-9 17-20

3,1 092

492 44

Kaliumchlorid 10 70Kartoffelstarke

+

1040 2120

5s 10 s

3-6 13-19

4,1 0,4

4,2 44

Kaliumchlorid 20 70Kartoffelstarke

+

940 1960

5s 15 s

3-4 6-12

27,2 1,o

492 4,1

Kaliumchlorid 5 70Reisstarke

+

960 2150

10 s 1-2 min

7- 8 14-16

5,o 031

4,2 4,o

Kaliumchlorid 10 Reisstarke

94 0 2050

30 s 1 min

3-4 10-11

100 0,7

4,2 4,o

+

USP Zerfallspriifgerat, ohne discs Hartepriifer Fa. Schleuniger, Typ ZE/205 '>'>'> Gewichtsverlust im Roche Friabilator, 10 Tabletten nach 100 Umdrehungen '> '+'>

1

40 30

1

1 Kartoffelstarke i2 1$ ---- 2 Maisstarke \ $ - - Reisstarke Kurven 36 Bestim-

Abb. 14. Porositat von Starketabletten in Abhangigkeit von der Prel3kraft.

3

(je

10

OO

5;o lob0 15b0 2000 mPreSdrlrck [kp/78,5 mm21

1

Pbarmazie in unserer Zeit / 6. Jabrg. 1977 / Nr. li

fur die Kombination von Starke mit Lactose und weiteren Substanzen, vgl. die Abbildungen 5, 20 und 23 in (1) und die Abbildung 8 in (8). Vor allem bei Kaliumchloridtabletten mit Kartoffelstarke kann man immer wieder feststellen, dafi einzelne Korner aus der Oberflache herausgefallen sind (Abbildung 18). Aber auch bei ASSTabletten ist hie und da ein Starkekorn herausgefallen (Abbildung 8, Pfeil). Selbst bei Tabletten mit Reisstarke konnte dieses Phanomen einmal beobachtet werden (Abbildung 20, Bildmitte). Diese Beispiele be-

139

Abb. 15. Oberflache einer Kaliumchloridtablette mit 10 '70 Kartoffelstarke. Preflkraft 2120 kp. REM-Aufnahme 35".

Abb. 16. AralditB-Abdruck (Replika-Technik, vgl. Abbildung 2) der Oberflache von Abbildung 15. REM-Aufnahme 35".

Abb. 17. Bruchflache einer Kaliumchloridtablette mit 10 '70 Kartoffelstarke. Prei3kraft 2120 kp. REM-Aufnahme 35".

140

Pharmazie in unserer Zeit / 6. Jahrg. 1977 / Nr. J

legen, dai3 Starkekorner durchwegs ein ,,Eigenleben" fuhren und demnach als Individuen erhalten bleiben. Diese Feststellung deutet bereits auf die Rolle der Starke als Sprengmittel. Die Untersuchung einer groi3eren Zahl von Bruchflachen von starkehaltigen Kaliumchlorid- und ASS-Tabletten zeigt, dai3 der Bruch teils entlang der Korngrenzen erfolgte (demnach sind Starkekorner oder ihre Abdriicke sichtbar, wie in Abbildung 10 und 17), teils aber auch durch die Kristalle hindurch (Abbildung 23, oben links). Die Bindekrafte zwischen Starkekornern und Kaliumchlorid bzw. ASS sind also nicht vie1 schwacher als zwischen den Kristallen selbst. Wird allerdings bei Kaliumchlorid der Starkeanteil erhoht, tritt eine deutliche Schwachung der Tablette ein (Tabelle 2). Die Schwachung von Kalium-

chloridtabletten durch Starkezusatz geht auch aus den Daten der Tabelle 4 hervor. Der Zerfall wird aber im wesentlichen vom Starkeanteil wenig beeinfluat; dies ist wohl auf die gute Benetzbarkeit bzw. auf die hohe Loslichkeit von Kaliumchlorid zuruckzufuhren. Bei gleichmafiiger Verteilung Yrreicht man auf Acetylsalicylsaure- und Kaliumchloridkristallen rnit 5% Reisstarke cine ahnliche Bedeckung wie mit 10% Maisstarke (Abbildung 6). Die Werte der Tabelle 4 zeigen, dai3 sowoh! beim Kaliumchlorid als auch bei der ASS die Reisstarke eine widerstandsfahigere Tablette ergibt als die Maisstarke. Dies ist ohne Zweifel auf die besseren Kontaktmoglichkeiten der KristalleimFallderkleinerenReisstarkekorner zuruckzufuhren. Der Einflui3 auf die Zerfallszeit ist vor allem bei der Acetylsalicylsaure dra-

matisch. Ein Zusatz von 5 % Reisstarke reicht offenbar nicht mehr zur Bildung eines wirksamen Kapillarsystems aus, d a m sind 10% Reisstarke notig. Bei schwerer loslichen bzw. benetzbaren Wirkstoffen hat demnach der Starkeanteil einen wesentlichen EinfluB auf die Zerfallszeit. Das Kapillarsystem bzw. der dem eindringenden Wasser zur Verfugung stehende Porenraum kann rnit Hilfe der Replika-Technik und der Kunststoffeinbettung sehr schon sichtbar gemacht werden (Abbildungen 16, 19,21-23). Die Abdriicke der Oberflache von Kaliumchloridtabletten mit 10% Kartoffelstarke (Abbildungen 16 und 19) zeigen die Hohlraume um die Starkekorner. Diese setzen sich, vor allem an den Stellen mit angehaufter Starke, nach dem (dem Beobachter zuge-

Abb. 18. Oberflache einer Kaliumchloridtablette rnit 10 70 Kartoffelstarke. Prei3kraft 2120 kp. REM-Aufnahme 35".

Abb. 19. Araldit@-Abdruck,(Replika-Technik) der Oberflache von Abbildung 18. Der Pfeil deutet auf den Graben u m das Starkekorn a n der Kaliumchloridoberflache. REM-Aufnahme 35".

Pharmazie in unserer Zeit / 6. Jahrg. 1977 / Nr. 5

141

wandten) Tabletteninnern fort. Vergleicht man Abbildung 15 mit 16 und Abbildung 18 mit 19, fallt die gute Obereinstimmung der rnit ganz verschiedenen Techniken erhaltenen Bilder auf. So sind selbst die Korngrenzen von Kaliumchlorid auf den Abdriicken zu erkennen. Die Hohlraume um die Starkekorner auf den REM-Aufnahrnen sind demnach keine durch die Praparationstechnik, also durch die Bedampfung mit Kohle und Gold im Hochvakuum entstandenen Artefakte. Bereits an dieser Stelle sei auch auf die um die Starkekorner liegenden breiteren ,,Graben" hingewiesen, auch diese Erscheinung ist auf den Replika-Bildern getreulich reproduziert (der Pfeil auf Abbildung 19 deutet auf die Verbreiterung des Hohlraums an der Grenze zwischen der Kaliumchloridoberflache und dem Starke-

korn). Ein ganz ahnliches Bild bietet die Oberflache von Kaliumchloridtabletten mit 5% Reisstarke (Abbildungen 20 und 21). Auch hier gehen von Ansammlungen von Starkekornern Kapillaren weiter ins Tabletteninnere, wahrend einzelne, zum Teil stark deformierte und teilweise mit der Oberflache verschmolzene Korner ,,blind" enden und somit fur Kapillareffekt und Zerfall nicht in Frage kommen. Mit Hilfe der Einbettungstechnik (Abbildung 2) lassen sich die Kapillaren weiter ins Tabletteninnere verfolgen. Dabei werden sowohl die Starkekorner in ihrer Lage fixiert, als auch die Hohlraume durch das Kunstharz mindestens teilweise gefiillt, sodafi auch im Fall der mit der normalen REM-Technik ab-

gebildeten Bruchflachen der Abbildungen 10 und 17 kein Verdacht auf Artefakte bestehen kann. In den beim geringeren Druck geprefiten Tabletten (Abbildung 22) sind die Kapillaren weiter, entsprechend ist die Kunstharzschicht dicker und konnte besser eindringen als bei den mit hoherem Druck geprefiten Tabletten (Abbildung 23). Bereits an den Vergleichsaufnahmen zwischen Oberflachen und Bruchflachen glaubt man zu erkennen, dai3 die Starkekorner im Innern (Abbildung 10) runder sind als an der Oberflache (Abbildung 9). Andererseits kann aus den Graben urn die oberflachlichen Starkekorner geschlossen werden, dafi sie unter maxirnalem Druck flach geprefit wurden und sich nach Druckentlastung elastisch ausdehnten. Eine solche elastische Ausdehnung wird durch

Abb. 20. Oberflache einer Kaliumchloridtablette mit 5 70 Reisstarke. Prei3kraft 2150 kp. REM-Aufnahme 35".

Abb. 21. Ara1dit"'-Abdruck (Replika-Technik) der Oberflache von Abbildung 20. REM-Aufnahme 35".

142

Pbarmazie in unserer Zeit / 6. Jahrg. 1977 Nu. 5

die bereits erwahnten Elastizitatsmessungen untermauert. Zur Abklarung dieser Widerspruche (plastisches und elastisches Verhalten von Starke) wurden zwei Techniken eingesetzt. Bei der ersten wurden die Oberflachen von starkehaltigen Kaliumchlorid- und ASS-Tabletten im REM rnit einem Winkel von 80°, also gewissermai3en im ,,Streiflicht" abgebildet. Die Abbildungen 25 und 27 zeigen in eindriicklicher Weise, dai3 tatsachlich die Starkekorner durch den Kontakt mit der Stempelflache abgeplattet wurden. (Abbildungen 24 und 26 sind die entsprechenden, mit 35" aufgenommenen Vergleichsaufnahmen). Aufnahmen, die mehrere Monate nach der Tablettenherstellung gemacht wurden, zeigen, dai3 die Verformung irreversibel ist. Auf-

nahmen der Stegflachen erwecken den Eindruck, dai3 hier die Beanspruchung noch etwas grofier war als an den Prefiflachen. Starke wird also unter geniigend starker Beanspruchung, wie sie vor allem im Kontakt mit Stempeln und Matrize vorkommt, bleibend verformt. Plastische Deformationen lassen sich ubrigens auch, wenngleich weniger ausgepragt, an Starkekornern von Bruchflachen erkennen (Pfeile in Abbildung 10). Mit einer zweiten Technik wurden Tabletten eingebettet und geschnitten (Abbildung 2). Die Schnitte wurden sodann mit dem Lichtmikroskop untersucht und auf diese Weise die Profilaufnahmen der Abbildung 28 gewonnen. Die Schnitte zeigen an verschiedenen Stellen (Pfeile) abgeplattete Kartoffel-

starkekorner, die mehr oder weniger stark uber die Oberflache hinausragen, seitlich sind sie von einem Graben begrenzt. Eine Oberschlagsrechnung zeigt, dai3 die Oberhohungen etwa dem Volumen des Grabens entsprechen. Aus der bei 240facher Vergroi3erung gemessenen Breite und Tiefe des Grabens von je 2 mm und einem mittleren Durchmesser des Starkekorns von 18 mm (Abbildung 28) errechnet sich ein Grabenvolumen von rund 75 mm3. Nimmt man an, dai3 sich bei der Druckentlastung das Starkekorn um das Volumen des Grabens ausdehnt, 1ai3t sich eine Hohendifferenz h=V/F=75/201=0,37mm errechnen, was auf den Profilen noch knapp erfaflt werden kann und einer Oberhohung

Abb. 22. Bruchflache einer in Technovita eingebetteten Kaliumchloridtablette mit 20 70 Kartoffelstarke. Preflkraft 940 kp. REM-Aufnahme 3 5 " .

Abb. 23. Bruchflache einer in Technovitm eingebetteten Kaliumchloridtablette mit 20 7'0 Kartoffelstarke, Preflkraft 1690 kp. REM-Aufnahme 35".

Phanazie in unserer Zeit / 6. Jahrg. 1977 / Nr. I

143

von 1,5 pm entspricht. An einigen Stellen sind starkere Oberhohungen festzustellen, z. B. von 1,5 mm = 6 pm. (Die in den Graben verbreiterten Profillinien sind auf die Schnittdicke von 4 pm und die hohe Wahrscheinlichkeit zuriickzufiihren, ein Korn aufierhalb der Mitte anzuschneiden.) Wir wollen nun die aus den Profilschnitten errechnete Ausdehnung der oberflachlichen Starkekorner mit der Volumenzunahme des Starkeanteils einer Kaliumchloridtablette vergleichen. Die Berechnung sei an einer mit 1077 kp gepreken Kaliumchloridtablette mit 10% Kartoffelstarke durchgefiihrt. Unter der vereinfachenden Annahme eines Durchmessers von 27 Fm (dies entspricht dem mit dem Coulter Counter bestimmten Medianwert der Mengenverteilung) und Kugelform fur alle Starkekorner sind in

diesen Tabletten 3,7 . lo6 Starkekorner. Bei einer Ausdehnung von 6 pm pro Starkekorn erhalt man eine Volumenausdehnung des gesamten Starkeanteils der Tablette nach Druckentlastung von 4 mm'. Die gemessene elastische Ausdehnung der Tabletten nach 24 h betragt ca. 7,4 mm', davon entfallen auf den Kaliumchloridanteil 2,5 mm3, auf den Starkeanteil 4,9 mm'. Unter Beriicksichtigung der grofleren Deformation der an der Tablettenoberflache befindlichen Starke ist die Obereinstimmung befriedigend. Daraus ist zu schlieflen, dai3 das elastische Verhalten der Starkekorner in der ganzen Tablette ahnlich ist; die an der Oberflache befindlichen werden aber zusatzlich abgeplattet. Starke zeigt somit unter geringer Belastung vorwiegend elastisches Verhalten. Mit steigender Druckbeanspruchung nimmt die Defor-

mation m, bei hohen Drucken diirfte sie iiberwiegen (8). Die letzte Frage, die uns noch zu beschaftigen hat, ist die nach dem Verhalten der Starke beim Befeuchten mit Wasser. Nach Lowenthal (8) nehmen die deformierten Starkekorner beim Befeuchten mit Wasser die urspriingliche Form nicht wieder an. Die ganze Oberflache von Starketabletten quillt aber auf, und die dichte Packung wird aufgelockert. Wir haben das Verhalten gegenuber Wasser mit der 80"-Aufnahmetechnik im REM untersucht, und zwar mit ASS-Tabletten, die 20% Kartoffelstarke enthielten. Die Befeuchtung wurde auf drei verschiedene Arten durchgefuhrt: durch Aufbewahrung wahrend 48 Stunden bei 100% relativer Feuchtigkeit, durch kurzes Befeuchten mit

Abb. 24. Oberflache einer Kaliumchloridtablette mit 10 % Maisstarke, Prei3kraft 1055 kp. REM-Aufnahme 35".

Abb. 25. Gleiche Oberflache wie Abbildung 24, REM-Aufnahme 80".

Rechts: Abb. 26. Oberflache einer ASS-Tablette mit 20 70Kartoffelstarke, Prei3kraft ca. 2000 kp. REM-Aufnahme 80". Abb. 27. Gleiche Aufnahme wie Abbildung 26, REM-Aufnahme 80". Abb. 28. Profilschnitte durch Kaliumchloridtabletten mit 10 70 Kartoffelstarke, eingebettet in [email protected] 2120 kp. Pfeile deuten auf geschnittene Starkekorner. Lichtmikroskop x 240.

144

Pharmazie in unserer Zeit / 6. Jahrg. 1977 1 Nr. 5

Dampf und durch Uberstreichen rnit einem befeuchteten Finger. Befeuchten rnit Dampf oder mit dem Finger hatte einen ahnlichen Effekt (Abbildung 30, Abbildung 29 diene als Vergleich). Die befeuchteten Starkekorner (die fur die REM-Aufnahme ja wieder einem Hochvakuuum ausgesetzt werden mui3ten) haben wenigstens teilweise ihre ursprungliche, runde Form wieder zuruckerlangt. Sie treten deutlich aus der Oberflache hervor, und das Relief der Tablettenoberflache ist im Vergleich zur nicht befeuchteten Tablette vie1 unruhiger (von bloi3em Auge ist dies als Blasenbildung zu erkennen). Bei hoher Feuchtigkeit gelagerte Tabletten zeigen diese Aufrichtung der Starke nur zum Teil, viele Korner sind hier noch abgeplattet. Dafur ist die ganze Tablette gequollen. Man darf wohl annehmen, dai3 diese fast augenblicklich einsetzende Auflockerung des Oberflachengefuges den Sprengvorgang und damit den Tablettenzerfall einleitet. Nach den Untersuchungen von Huttenrauch und Mitarbeitern (10) ist der Wirkungsmechanismus von Sprengmitteln nicht auf Quellungserscheinungen zuruckzufuhren. Maagebend ist vielmehr, dai3 der als Sprengmittel eingesetzte Hilfsstoff die Kapillaritat der Tablette bestimmt. Zahlreiche Kapillaren mit guter Benetzbarkeit und - dank optimaler Groi3e - hoher Saugkraft fuhren dam, dai3 das Sprengmittel wie ein Docht Wasser in die Tablette saugt. Nach dem Eindringen der Flussigkeit mussen die Bindungskrafte durch Hydratation aufgehoben werden. Die durch Befeuchtung hervorgerufene Formanderung von deformierten Starkekornern konnte durchaus einen weiteren Faktor fur den Tablettenzerfall darstellen. Unbestritten ist die Bedeutung der Kapillaren, auf die bereits hingewiesen wurde. Ausblick fur die Praxis Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen dienen in der pharmazeutischen Technologie vor allem zur Sichtbarmachung von Vorgangen, die sonst nur indirekt durch physikalische Messungen erfai3t werden konnen. Erkenntnisse, die im Zusammenhang mit den Preflversuchen von ASS-Starkemischungen gewonnen wurden, sind aber nur mit Hilfe der REM-Technik moglich. In einem Fall wurde beobachtet, dai3 sich die Tablettenoberflache nach 4-5 monatiger Lagerung verandert hatte: Auf der Oberflache, und zwar sowohl von ASS als auch

Phanazie in unserer Zeit / 6. Jahrg. 1977 / Nr. J

145

Tabelle 3. Verhalten und Eigenschaften von Starketabletten

Instrumentierte Exzenterpresse (Korsch EK 0),Stempel 10 mm Durchmesser, biplan; Matrizenfiillung von Hand, Tabletten einzeln verprefit. Tablettenhohe bei maximalem Prefidruck 3,70 mm (mit Metalltablette eingestellt).

Substanz

Kartoffelstarke (Heliumdichte

Prei3druck Gewicht Zeit der Hohen- Porosi- Zerfall Druck- Abrieb kp pro 78,5 mm2 mg Messung zunahme tat H20/ festigYO (MNrn-') nach Yo Yo 37" keit kp Pressung (n=12) (n=12) (n=2) (n=3) (n=5)

627

(78)

380

990

(124)

17,5

10s

408

15 s 1h 24 h

6,3 7,2 8,l

15 s 1h 24h

992 10,1 10,s

523

(225)

(65)

439

15 s 1h 24 h

12,9 14,5 15,2

357

-

43-5

4,3

-

-

-

10,3

10-12s

6-10

1,4

-

-

-

-

-

-

-

5,s

12-16s

8-9

1,7

-

-

-

-

27,O

30s

0,5-2

21

-

-

-

-

18,s

30s

4-5

53

-

-

-

-

-

12,5

30s

7-10

2,4

-

-

-

-

-

___

.-

1802

_.__

850

1460

360

915

1640

(106)

(182)

(45)

(114)

(205)

391

426

320

400

435

15 s 1h 24 h

11,2 13,4 14,l

15 s 1h 24 h

12,7 14,4 15,2

15 s 1h 24 h

12,2 14,O 14,9

15 s 1h 24h

12,5 14,4 15,5

15 s 1h 24h

14,O 15,5 16,8

von Starkekornern ausgehend, waren bis 10 pm lange ASS-Kristalle festzustellen. Bei diesen Kristallen kann es sich nicht um das Hydrolyseprodukt Salicylsaure handeln, da

146

9,O

Ih 24 h

-

___

-

Reisstarke (Heliumdichte 1,471

-

7,3

-

-

1944)

Maisstarke (Heliumdichte 1,46)

8,5

-

15 s

-

34,O

90-100s 0,5-3

9,l

-

-

-

-

-

-

-

7-11

0,9

-

-

-

13-16

0,4

18,5 100-120s -

-

12,5 110-132s

-

diese wahrend der Probenvorbereitung im Hochvakuum stark sublimiert. Beim Versuch, das Phanomen zu reproduzieren, wurden Tabletten erhalten, die bereits 4 Tage

nach Herstellung solche Kristallisationen zeigten (Abbildung 31). Nach Aufbewahrung dieser Tabletten wahrend 6 Monaten in einem geschlossenen Wageglas bei 23°C waren die grofleren Kristalle verschwunden, und es bot sich ein Bild wie in Abbildung 29 (bei diesen Tabletten handelt es sich um Aufnahmen, die 10 Wochen nach Herstellung gemacht wurden). Aus diesen noch vorlaufigen Resultaten darf geschlossen werden, dai3 sich Tablettenoberflachen wahrend der Lagerung, vielleicht auch als Folge von Temperaturschwankungen, betrachtlich andern konnen. Solche REM-Untersuchungen mussen mit einem Beobachtungswinkel von 80" gemacht werden, da nur so das Relief geniigend stark hervortritt. Interessant an diesen Rekristallisationen (die als ,,Ausbluhen" bezeichnet werden konnen, wenn sie nur in einer Richtung ablaufen) ist die Tatsache, daa sie offenbar reversibel sein konnen. Man kann sich vorstellen, dai3 mit dieser REM-Technik Erscheinungen wie Ausbliihen und Nachharten, aber auch chemischen Veranderungen nachgegangen werden kann, wie sie im Verlauf einer Haltbarkeitspriifung auftreten. Die Prei3versuche von ASS mit verschiedenen Starken in verschiedenen Konzentrationen wurden auf breiterer Basis durchgefuhrt, nachdem wir schon vor Jahren die Versetzungen an der Oberflache von ASS-Tabletten beobachtet hatten. Wir sagten uns, da8 die durch die plastische Deformation in situ entstandenen neuen Flachen fur das starke Kleben an den Prei3flachen verantwortlich sein muaten. Das (damals noch nicht genauer untersuchte) elastische Verhalten von Starke konnte nun d a m beitragen, die Tablette besser von den Stempelflachen zu losen, gleichzeitig ware naturlich durch die Anwesenheit einer genugenden Zahl von Starkekornern die Kontaktflache zwischen Metal1 und ASS stark reduziert. Es gelang in der Tat, durch geeigneten Starkezusatz (z. B. 10% Reisstarke, geniigend lang zugemischt) das Kleben weitgehend zu verhindern und so einen fur die Haltbarkeit von ASS ungunstigen Schmiermittelzusatz in der Form von Magnesiumstearat zu vermeiden. Warum eine bestimmte Starkemenge bezuglich Kleben, Druckfestigkeit und Abrieb sowie Zerfall der Tabletten optimal ist, kann unschwer aus den geschilderten Versuchen abgeleitet werden. Der Zusatz von Starke als Antiadhasionsmittel oder Formentrennmittel brachte auch bei einem weiteren, experimentellen Wirkstoff eine Verbesserung.

Pharmazie in unserer Zeit / 6. Jahrg. 1977 I Nr. 5

~~

~~

Tabelle 4. Verhalten und Eigenschaften von Kaliumchlorid- und Acetylsalicylsaure (ASS) -Tabletten.

Instrumentierte Exzenterpresse (Korsch EK 0),Stempel 10 mm Durchmesser, biplan; AusstoBdruck und Restdruck auf dem Unterstempel nach 300 Tabletten, Matrizenfiillung mit Fiillschuh. Durch je zweimaliges Mischen in Taumelmischer und Sieben (1 mm Maschenweite) wurde moglichst gleichmagigeBedeckung der Knstalle durch die Starkekorner angestrebt (vgl. Abbildung 6). Werte aus 2 Versuchsreihen gemittelt.

Substand Mischung

Prei3druck Druck auf Oberstempel Unterstempel (Mittel) (Mittel) kp/78,5 mm2 7'0 des Pregdruckes

AusstoBdruck

Restdruck auf Unterstempel

Gewicht mg

Hohe mm

Zerfall H20/37"

Abrieb 70

(n=6)

Druckfestigkeit kP (n=6)

kp/78,5 mm2

kp/78,5 mm2

(n= 10)

(n=6)

(n=lO)

1050 2100

70 86

204 114

180 320

539 566

3,68 3,68

12 18

2 min 2-3 min

03

Kaliumchlorid 5 7'0 Reisstarke

1080 1940

65 79

295 362

234 324

552 565

33 33

10 15

1-2 min 2-3 min

290 0,2

Kaliumchlorid 107'0Maisstarke

1040 1953

67 78

250 262

190 227

516 537

3,75 3,65

4 10

5s

10 s

100 1

ASS 5 7'0 Reisstarke

+

1075"" 2093"

77 84

34 44

21 35

396 400

33 3,75

6 7

23 min >30 min

193 0,s

ASS

1005:tx-

76

42

37

396

33

495

15 s

195

(Abb. 7) 1890

83

60

55

397

3,75

7

15s

192

1220"

94

20

6

415

3,95

4

8-14 min

23

Kaliumchlorid

+ +

+

10 7'0 Maisstarke

ASS 5 7'0 Reisstarke 0,5 YOMagnesiumstearat

+ +

x-

190

Schwaches Kleben bzw. Belag auf Matrizenplatte

'M Starkeres Kleben

Wir glauben, daf3 das Rasterelektronenmikroskop mit den geschilderten Techniken nicht nur wissenschaftliihe Fragen - 2.B.

Pharmazie in unserer Zeit / 6. Jahrg. 1977 / Nr. 5

nach dem Aufbau einer Tablette - zu losen, sondern auch handfeste praktische Ergebnisse zu erzielen vermag.

Methodisches Fur die vorliegenden Untersuchungen wur-

147

den Starken verwendet, die bei 40% relativer Feuchtigkeit (20-25") aquilibriert waren. Kaliumchlorid (gesiebt) hatte eine mittlere Teilchengrofle von 165 pm ( o = 1,58 im logarithmischen Wahrscheinlichkeitsnetz). ASS wurde in Form von Aspirin ,,Bayer" krist. mit einer mittleren Teilchengrofle von 400 ym verwendet ( o = 1,33). Lactose wurde in ungemahlener Qualitat, mit einer mittleren Teilchengrofievon 150 pmverwendet ( 0 = 1,53). Von Araldit@wurdeTypF gebraucht. Technovit@ Typ 4071-d ist ein vorpolymerisiertes Methacrylat (Hersteller: Kulzer & Co. GmbH, D-6380 Bad Homburg). Fur die Replika-Aufnahmen wurden das Kaliumchlorid und die Starke durch Erwarmen in Wasser von 80" C und anschlieflende Ultraschallbehandlung in kaltem Wasser entfernt. Die REM-Aufnahmen erfolgten rnit einem Stereoscan S4-10 (Cambridge Instrument CO.).

Literatur [I] H. Hess, Pharm. Acta Helv. 45, 89-100 (1969). [2] W. Kleber, Einfuhrung in die Kristallographie. VEB Verlag Technik, Berlin, 10. A., 1967, S. 250,257. [3] C. Fuhrer, E. Nickel, F. Thiel, Acta Pharm. Technol. 21,149-160 (1975). [4] R. Huttenrauch, I. Keiner, Pharmazie 31, 329-331 (1976). [5] A. W. Holzer, J. Sjogren, Drug Devel. Ind. Pharm. 3,23-37 (1977). [6] P. J. Wheatley, J. Chem. SOC. (1964), 6036-6048.

Abb. 29. Oberflache einer ASS-Tablette mit 20 70Kartoffelstarke, Prefikraft ca. 2000 kp.

REM-Aufnahme 80". Abb. 30. Oberflache einer ASS-Tablette rnit 20 % Kartoffelstarke, Prefikraft ca. 2000 kp, nach Befeuchten mit Finger. REM-Aufnahme 80". Abb. 31. Oberflache einer ASS-Tablette mit 20 70Kartoffelstarke, Prefikraft ca. 2000 kp. REM-Aufnahme SO", 4 Tage nach Tablettierung (Rekristallisationserscheinungen).

148

Pharmazie in unserer Zeit / 6. Jahrg. 1977 I Nr. 5

Danksagung Tabelle 5. Verhalten von Tabletten mit Acetylsalicylsaure (ASS).

Instrumentierte Exzenterpresse (Korsch EK 0),Stempel 10 mm, biplan; Matrizenfullung von Hand, Tabletten einzeln verpreflt. Tablettenhohe bei maximalem Prefldruck 3,70 mm (mit Metalltablette eingestellt). Werte aus je 6 Tabletten.

Substand Mischung

Prefldruck Oberstempel kp/78,5 mm2

Druck auf Unterstempel 70des Pref3druckes

Gewicht

1001

81

406

mg

Zeit der Hohen- Porositat Messung Zunahme nach 70 70 Pressung

15 s

Ih 24 h

338 3,9 3,9

Einen wesentlichen Anteil an der vorliegenden Arbeit haben die REM-Aufnahmen, die ich Frl. Ch. Brucher verdanke. Die AralditAbdrucke und Profilschnitte sowie die entsprechenden Berechnungen wurden von Herrn S. Glitsch durchgefuhrt. Frau G. Rihs wertete die Rontgenstrukturanalyse von ASS aus (Abbildung 11 und entsprechender Text). Die kristallographischen Angaben uber Natrium- und Kaliumchlorid verdanke ich Herrn Dr. R. Muller. Die Herstellung und Prufung der Tabletten erfolgten durch Herrn R. Friedli.

2,46

Tablets under the microscope

ASS 15 s

2105

92

414

Ih 24 h

15 s 964

84

4 04

ASS

+

5 70Reisstarke

988

93

83

414

407

ASS

+ 10 70Kar-

toffelstarke 2032

93

[7] W. Lowenthal, Pharm. Acta Helv. 48, 589-609 (1973). [8] W. Lowenthal, J. Pharm. Sci. 61, 455459 (1972).

[9] P. Fuchs, Arch. Pharm. 303, 471-480 (1970). [lo] R. Huttenrauch, J. Jacob, Pharmazie 26, 293-299 (1971).

Pharmazie in unserer Zeit / 6. Jaahrg. 1977 / Nr. 5

414

.

Abstract 132

3,2 33 33

2,85

Ih 24 h

496 4,9 439

1,90

15 s 1h 24 h

4,1 493 473

2,99

15 s 1h 24 h

4,9 4,9 4,9

2,03

1h 24 h 15 s

2048

4,6 499 499

The compression of different model pharmaceutical materials has been investigated by means of the scanning electronmicroscope (SEM) using a variety of preparation and observation techniques. Preparation techniques included epoxy replicas, cross section of epoxy and methacrylate casts; some of the samples were observed in the SEM with angles of 35" and 80°, the epoxy cross sections with a light microscope. The forces on the upper and lower punch, the residual and ejection forces as well as important tablet properties such as strength, disintegration, porosity and elastic behaviour were also recorded. The results demonstrate that potassium chloride and acetylsalicylic acid are mainly plastic and the reason for this is discussed. Lactose is extensively fractured at the tablet surface but not throughout the tablet while the various starches are elastic a t low and increasingly plastic under higher strains. Compression of starches together with plastic materials clearly demonstrates the characteristic behaviour of this important group of excipients.

Dr. phil. Hans K. Hess, geboren 1930 in Basel. Studium der Pharmazie in Basel. Promotion 1958 bei P. Speiser und K. Meyer. Seit 1958 in der galenischen Entwicklung (heute Pharmazeutische Entwicklung) der Ciba bzw. Ciba-Geigy AG. Arbeitsgebiet: Entwicklung und Technologie fester Darreichungsformen.

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[Tablets, a close-up view].

Pharmazie in unserer Zeit HansHess Tabletten, von ganz nah betrachtet Zusammenhalt der Stoffe ungeniigend sind. Durch eine Granulierung mit Bindemit...
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