© Klaus Rüschhoff, Springer Medizin

Hautarzt 2013 · 64:771–790 DOI 10.1007/s00105-013-2598-x Online publiziert: 21. Oktober 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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Syphilis Teil 1: Pathologie und Klinik Zusammenfassung

In Deutschland erkranken jährlich mehr als 3500 Menschen an Syphilis, wobei wie in anderen europäischen Ländern Menschen mit häufig wechselnden Sexualpartnern wie Männer, die Sex mit Männern haben, besonders betroffen sind. Nach rückläufigen Zahlen ist die Inzidenz ab der Jahrtausendwende steigend. Mit 4,5 Infektionen pro 100.000 Einwohner ist 2011 die höchste Inzidenz seit Einführung des Infektionsschutzgesetzes im Jahr 2001 erreicht worden. Die Syphilis stellt bei vielgestaltiger Klinik und komplexer Diagnostik eine besondere Herausforderung an alle Ärzte, im Besonderen an den Dermatologen und Venerologen dar, da initial vor allem die Haut und hautnahe Schleimhäute betroffen sind. Die Syphilis kann ernsthafte Folgen für die betroffene Person haben, z. B. am Herz-Kreislauf-System und am Zentralnervensystem, und kann auf das Un- bzw. Neugeborene übertragen werden und zum Tode führen. Deshalb müssen Fehldiagnosen dringend verhindert werden. Von besonderer Bedeutung ist der Synergismus der Syphilis mit der überwiegend sexuell übertragbaren HIV-Infektion. Die Syphilis gilt wie der genitale Herpes und andere mit Ulzera und Erosionen des Genitale und der Mundschleimhaut einhergehende sexuell übertragbare Infektionen als wichtiger Schrittmacher für HIV.

Schlüsselwörter

Primäre Syphilis · Sekundäre Syphilis · Tertiäre Syphilis · Neurosyphilis · Kongenitale Syphilis

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Lernziele Nach Lektüre dieses Beitrages F kennen Sie den Erreger, die Pathogenese und die Pathologie der Syphilis, F sind Ihnen die verschiedenen Stadien und die zugehörigen Krankheitsbilder der ­Syphilis vertraut, F kennen Sie die wichtigsten Differenzialdiagnosen der Syphilis.

Einleitung

Ab der Jahrtausendwende hat die Inzidenz der Syphilis in Deutschland wieder zugenommen Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen positiver Syphilisserologie und der HIV-Konversionsrate

Besonders betroffen sind Subpopulationen mit hohem Partnertausch

Dermatologen kommt eine Schlüsselrolle in der Diagnostik, Behandlung und Prävention sexuell übertragbarer Infektionen (STIs) und sexuell übertragbarer Krankheiten (STDs) zu. Viele dieser Infektionen spielen sich an der Haut und an den hautnahen Schleimhäuten ab und gehören seit jeher in das Fachgebiet der Dermatovenerologie. Die niedrigen Inzidenzzahlen der klassischen sexuell übertragbaren Krankheiten wie Syphilis in den letzten 20 Jahren des 20. Jahrhunderts führten dazu, dass die Kenntnisse zahlreicher Ärzte vor allem zu dieser komplexen Krankheit abnahmen. Ab der Jahrtausendwende hat die Inzidenz der Syphilis in Deutschland wieder zugenommen. Eine besondere Problematik dieser Entwicklung liegt darin, dass ein enger Zusammenhang zwischen positiver Syphilisserologie und der HIV-Konversionsrate existiert. Die neuesten Zahlen der Syphilismeldungen des Robert-Koch-Institutes [1] zeigen einen weiteren Anstieg der Syphilisneuinfektionen in Deutschland [2, 3]. Im Vergleich zu 2010 stieg im Jahr 2011 die Zahl der Meldungen von 3033 auf 3698 Infektionen an. Dies entspricht einem Anstieg von 21,9% (. Abb. 1). Die Anzahl der Meldungen ist so hoch wie zuletzt 1986. Die Inzidenz lag 2010 in Deutschland bei 3,7 Fällen/100.000 Einwohnern, 2011 bei 4,5 Fällen/100.000 Einwohnern. Es stellt sich die Frage, ob sich in Deutschland und in Europa eine Syphilisepidemie entwickelt? Frauen stellen weniger als 10% der Infizierten dar. Besonders betroffen sind Subpopulationen mit hohem Partnertausch wie Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), wobei ein großer Prozentsatz dieses Personenkreises HIV-infiziert ist. Entsprechend den letzten Meldungen des Robert Koch-Institutes handelt es sich bei 84% der neu infizierten Männer um MSM. Wie in ganz Europa wird die Syphilis in Deutschland in Großstädten am häufigsten registriert ([3]; . Abb. 1). Eine besondere Problematik besteht darin, dass eine enge Korrelation zwischen positiver Syphilisserologie und der HIV-Konversionsrate [4, 5, 6, 7] existiert.

Syphilis · Part 1: Introduction, pathology and clinical aspects Abstract

In Germany more than 3,500 people become infected with syphilis annually. As elsewhere in Western Europe there is a low level endemicity with a concentration among population subgroups with high rates of partner exchange, such as men who have sex with other men. In Germany after initially reduced numbers of cases, the incidence rate has increased after the turn of the millennium. In 2011 the incidence reached 4.5 cases per 100,000 inhabitants, which is the highest incidence since the introduction of the Infection Protection Act of 2001. Syphilis, like other sexually transmitted infections and diseases with its manifold clinical manifestations and complex diagnostics, is a large global problem for public health systems. The recent resurgence of syphilis presents a challenge for all physicians but particularly for dermatologists and venereologists because the skin and adjacent mucous membranes are initially affected. Rapid diagnosis, differential diagnosis, consequent treatment and monitoring can cure the disease. Prevention of misdiagnosis is essential otherwise severe, sometimes fatal cardiovascular complications, neurosyphilis and transfer to unborn and newborn children can occur. The synergy of syphilis and sexually transmitted human immunodeficiency virus (HIV) is of special importance. Syphilis together with genital herpes and other sexually transmitted genital and oral ulcers is an important pacemaker for HIV.

Keywords

Primary syphilis · Secondary syphilis · Tertiary syphilis · Neurosyphilis · Congenital syphilis

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CME Anzahl Meldungen 4,000 3,500

Männer Frauen Gesamt

3,000 2,500 2,000 1,500 1,000 500 0 2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010 2011 Jahr der Diagnose

Abb. 1 8 Anzahl der gemeldeten Syphilisfälle nach Geschlecht und Jahr der Diagnose in Deutschland, 2001–2011. (Quelle: http:\\www.rki.de)

Die Syphilis kann sich in sehr unterschiedlicher Form präsentieren und manifestiert sich an unterschiedlichen Organen, zunächst an der Haut, an hautnahen Schleimhäuten und später am zentralen Nervensystem und am Herz-Kreislauf-System. Unbehandelt können schwerste, z. T. tödlich endende Komplikationen auftreten [8]. Der anhaltende Anstieg der Syphilis in Deutschland ist möglicherweise Ausdruck eines gefährlichen Risikoverhaltens und scheint vor allem auf eine erhöhte Bereitschaft zu ungeschützten Sexualkontakten unter MSM zurückzuführen zu sein. Möglicherweise spielen hierbei auch die mittlerweile verbesserten Behandlungsverfahren der HIV-Infektion eine Rolle. Die Zunahme der Syphilis ist mit Sorge zu betrachten. Nur bei rascher Diagnostik und Abb. 2 8 Dunkelfeldnachweis von Treponema pallidum Therapie der Krankheit sowie gezielter Aufklärung und Prävention sind Komplikationen zu verhindern und die Ausbreitung der Syphilis sowie das Risiko der ebenfalls sexuell übertragbaren HIV-Infektion einzudämmen. Die Syphilis ist eine komplexe Erkrankung, die verschiedenartige Stadien durchläuft. Oftmals wird die Diagnose nicht gestellt. Mit mehr als 12 Mio. Infektionen pro Jahr ist die Syphilis eine weltweite Belastung für das öffentliche Gesundheitssystem. Grundlage für die Diagnostik ist die Kenntnis der verschiedenen Krankheitsbilder und die sorgfältige Untersuchung der gesamten Haut, inklusive der Anogenitalregion, der Mundhöhle, der Lymphknoten, der Hautanhangsgebilde und die Erhebung des grobneurologischen Status. Nachdem die regelmäßige Testung der Syphilisserologie in Deutschland verlassen wurde, muss die Syphilis heute verstärkt klinisch im Rahmen der Differenzialdiagnostik ausgeschlossen werden. Das bedeutet, die Indikation zur Erhebung der Syphilisserologie muss konsequent gestellt werden. Dies erfolgt allerdings oft nicht. Die Kenntnisse über die mannigfaltige Symptomatik und Pathologie der Syphilis haben über die letzten Jahre abgenommen. Prinzipiell wird Folgendes von der Deutschen STI-Gesellschaft (DSTIG), Gesellschaft zur Förderung der Sexuellen Gesundheit empfohlen: F Bei jeglichem Verdacht auf eine sexuell übertragbare Infektion sollte konsequent eine Diagnostik erfolgen, die die Syphilisserologie [“Treponema pallidum hemagglutination assay“ (TPHA), Cardiologie-Mikroflockungstest (CMT)] umfasst. F Zusätzlich sollen folgende Screeninguntersuchungen durchgeführt werden: HIV-Serologie, Hepatitis-A-, -B-, -C-Serologie, Abstriche auf Neisseria gonorrhoeae, Mycoplasma hominis (optima-

Der anhaltende Anstieg der Syphilis in Deutschland ist möglicherweise Ausdruck eines gefährlichen Risikoverhaltens

Syphilis ist eine komplexe Erkrankung, die verschiedenartige Stadien  durchläuft

Die Indikation zur Erhebung der   Syphilisserologie muss konsequent gestellt werden

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Abb. 3 8 a Psoriasiforme Epidermishyperplasie mit neutrophilenreicher Parakeratose. Die basalen Keratinozyten weisen eine vakuolige Degeneration auf. Ausgeprägte lymphozytäre Interface-Dermatitis mit zahlreichen Plasmazellen. Dilatierte Lymph- und Blutgefäße im oberen Korium. b Nahaufnahme aus Teilabbildung a. c Immunhistochemischer Nachweis von Treponemen im Gewebeschnitt. d Vergrößerung aus Teilabbildung c mit zahlreichen intraepidermal lokalisierten Treponemen

Abb. 4 9  a Ulcus durum im Bereich des inneren Präputialblattes. b Harter Schanker an Labium majus rechts

lerweise auch auf Mycoplasma genitalium), Trichomonaden und Chlamydia trachomatis (beim Mann Polymerasekettenreaktion (PCR)-Nachweis aus dem Urin). F Bei schmerzhaften Erosionen und Ulzera ist ein Herpes-simplex-Virus (HSV)-Nachweis per direktem Immunfluoreszenztest oder PCR indiziert. F Ergänzend werden eine klinische genitoanale Untersuchung und orale Untersuchung sowie bei Verdacht auf genitale Warzen und/oder intraepitheliale Neoplasie [penile intraepitheliale Neoplasie (PIN), vulvare intraepitheliale Neoplasie (VIN), perianale intraepitheliale Neoplasie (PAIN)] die Essigsäure-Diagnostik inklusive bioptischer Abklärung empfohlen.

Erreger Erreger der Syphilis ist Treponema pallidum

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Erreger der Syphilis ist Treponema pallidum, ein zur Gattung Treponema aus der Familie der Spirochaetaceae zählendes schraubenförmiges Bakterium. Spirochaetaceae umfassen unter anderem auch Borrelien und Leptospiren. Treponema pallidum ist fakultativ anaerob und weist eine sehr lange Ge-

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Abb. 5 8 a Primäre Syphilis, eine Mundwinkelrhagade und Cheilitis simplex imitierend. b Ulcus durum der Unterlippeninnenseite. c Frische primäre Syphilis am harten Gaumen

Abb. 6 9 Makulöses, angedeutet anuläres Syphilid (Roseola syphilitica) an der Abdominalhaut einer 26-jährigen Frau

nerationszeit von ca. 30 h auf. Die gramnegativen, gewundenen Bakterien sind schlecht im Gewebe auffindbar und haben eine Länge von 5–15 μm und eine Dicke von ca. 0,1–0,2 μm (. Abb. 2). Die Erreger sind sehr sensibel gegen Austrocknung und Temperaturschwankungen und überleben nur für kurze Zeit außerhalb des Körpers. In Blutkonserven halten sie sich jedoch längere Zeit. Treponema pallidum weist ein winziges Genom im Vergleich zu vielen anderen Bakterien auf. Eine kulturelle Anzüchtung des Bakteriums ist nicht möglich. Treponema pallidum ist in der Lage, sich der Immunabwehr zu entziehen, und persistiert jahrzehntelang im Wirt. Im Dunkelfeld ist Treponema pallidum aufgrund seiner charakteristischen Bewegungen erkennbar.

Pathogenese Die Übertragung von Treponema pallidum erfolgt über kleinste Mikroverletzungen der Haut und Schleimhaut, in mehr als 90% im genitoanalen Bereich. Die weitere Dissemination erfolgt über das Lymphsystem und über die Blutbahn im gesamten Organismus. Als Folge der Besiedelung der Lymphgefäße kommt es zur Aufstauung der Lymphe und zu einem umschriebenen Lymphödem. Zusätzlich zum direkten, überwiegend genitalen Übertragungsweg, können die Erreger transplazentar und über Blutprodukte wie Blutkonserven sowie über Nadelstichverletzungen und selten über andere nichtsexuelle Wege (z. B. Küssen) übertragen werden. Nur bei jedem zweiten Infizierten sind klinische Symptome auffindbar. Wichtige Lokalisationen der Infektion sind neben den Genitalien auch die Mundschleimhaut, die Lippen, aber auch andere Hautareale. Die Infektiosität nimmt ab dem sekundären Stadium ab. Im Rahmen zunehmender Infektionen kommt es zu einer erhöhten Inzidenz der infektiösen Syphilis (Frühsyphilis, Spätsyphilis und frühe Syphilislatenz) bei Frauen im gebärfähigen Alter und damit zu kongenitaler Syphilis. Frühere Untersuchungen zum natürlichen Verlauf der Syphilis ergaben bei 15–40% unbehandelter Patienten Spätkomplikationen der Erkrankung mit Manifestationen vor allem am Zentralnerven-

Die Übertragung von Treponema  pallidum erfolgt über kleinste   Mikroverletzungen der Haut und Schleimhaut

Nur bei jedem zweiten Infizierten sind klinische Symptome auffindbar Die Infektiosität nimmt ab dem   sekundären Stadium ab

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CME Tab. 1  Klinische Einteilung der Syphilis (Syphilis acquisita) Stadium Inkubationszeit Primäre Syphilis

Dauer nach Primärinfektion 3 Wochen (9 bis 90 Tage) Zirka 6 Wochen

Sekundäre Syphilis

Monate

Latente Syphilis

Frühlatenz 1 Jahr Jahre

Tertiäre Syphilis 70% der Patienten ohne Therapie sind asymptomatisch Quartäre Syphilis Metasyphilis

Jahre

Klinische Manifestation   Lokale Infektion Primäraffekt (= Ulcus durum) Generalisation Syphilide Hämatogene Streuung Organbefall Positive Serologie Klinische Erscheinungsfreiheit Tuberoserpiginöse Syphilide, Gummen (Haut, Mundschleimhaut, andere Organe, z. B. Herz-KreislaufOrgane, Neurosyphilis) Tabes dorsalis Progressive Paralyse

system und an den großen thorakalen Gefäßen. Unbehandelte Männer sind von den Komplikationen häufiger betroffen als Frauen [9].

Pathologie

Das Primärstadium der Syphilis ist histopathologisch gekennzeichnet durch eine hyperplastische Epidermis mit verlängerten Reteleisten Charakteristisch für das Sekundärstadium sind dichte, gefäßzentrierte lymphoplasmazelluläre Infiltrate im gesamten Korium

Die Histologie im Tertiärstadium zeigt Granulome mit dichten Lymphozytenwällen, Epitheloidzellen, multinukleären Riesenzellen und wenigen Plasmazellen

Den verschiedenen Stadien der Syphilis sind Gefäßreaktionen im Sinne einer obliterierenden Endarteriitis bzw. Periarteriitis mit perivaskulären „plasmazellreichen“ Rundzellinfiltraten gemeinsam. Das Primärstadium der Syphilis ist histopathologisch gekennzeichnet durch eine hyperplastische Epidermis mit verlängerten Reteleisten. Typischerweise wird das Ulcus durum von einem Exsudat aus Fibrin, nekrotischem Gewebe und polymorphkernigen Leukozyten bedeckt. Im Korium liegen perivaskulär dichte lymphoplasmazelluläre Infiltrate. Die Endothelzellen erscheinen ödematisiert. Spirochäten sind vor allem im dermoepidermalen Junktionsbereich über immunhistologische Techniken oder über Silberfärbung nachweisbar (. Abb. 3). Charakteristisch für das Sekundärstadium sind dichte, gefäßzentrierte lymphoplasmazelluläre Infiltrate im gesamten Korium. Die verbreiterte Epidermis weist eine Spongiose, Parakeratose sowie Exozytose von Granulozyten auf. Endothelzellproliferationen zahlreicher kleiner Gefäße sind in Läsionen der spätsekundären Syphilis aufzufinden. Granulomatöse Infiltrationen im Korium sind gelegentlich von mehrkernigen Riesenzellen durchsetzt [10]. Die typische Histologie der Syphilis im Tertiärstadium zeigt Granulome mit dichten Lymphozytenwällen, Epitheloidzellen, multinukleären Riesenzellen und wenigen Plasmazellen (. Abb. 13). Granulomatöse Infiltrate ziehen gelegentlich bis in die Subkutis. Zum Teil werden Gefäße und elastische Fasern zerstört unter Ausbildung sog. Gummen.

Klinische Manifestationen Die Syphilis ist bekannt als der „große Imitator“ zahlreicher Hautkrankheiten, wie z. B. Exantheme, Enantheme, Akne und Ulzera. Auch Organkrankheiten, insbesondere Krankheiten des Nervensystems können nachgeahmt werden. Nur bei 50% der Infizierten sind allerdings klinische Symptome vorhanden. Manifestationen der primären und sekundären Syphilis werden oft nicht erkannt.

Einteilung der Syphilis in Stadien Es wechseln sich asymptomatische Latenzphasen und Phasen mit manifester Krankheitssymptomatik ab

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Die Syphilis ist eine komplexe Systemkrankheit, die unbehandelt chronisch in Phasen verläuft. Hierbei wechseln sich asymptomatische Latenzphasen und Phasen mit manifester Krankheitssymptomatik ab. In den asymptomatischen Phasen ist die Syphilis nur serologisch erkennbar. Als Frühsyphilis werden die infektiöse primäre Syphilis und die sekundäre Syphilis sowie die sich an das Sekundärstadium anschließende frühlatente Syphilis bis zu 1 Jahr nach der Primärinfektion zusammengefasst (. Tab. 1).

CME Zur Spätsyphilis werden die länger als 1 Jahr nach Primärinfektion bestehende spätlatente Syphilis, die tertiäre Syphilis und die sog. quartäre Syphilis (Metalues) gezählt. Das klinische Bild der Spätsyphilis ist zunächst geprägt von granulomatösen Entzündungsreaktionen bei starker, gegen die Erreger gerichteter zellulärer Abwehrreaktion (Hyperergie). Im 4. Spätstadium ändert sich das Bild, und es besteht eine Anergie gegenüber Treponemen. Die frühen Stadien der Krankheit sind überwiegend durch Befall der Haut- und hautnahen Schleimhäute charakterisiert. Später äußert sich die unbehandelte Syphilis in Form von Organmanifestationen z. B. als kardiovaskuläre Syphilis oder als Neurosyphilis. Im vierten Stadium (Metalues) bestehen irreversible Schäden des Nervensystems.

Frühsyphilis Abb. 7 8 Sogenannte Alopecia specifica („mottenfraßähnliche“ Alopezie)

Primäre Syphilis (Lues I, Primärstadium)

Die klassische Primärläsion der Syphilis ist der harte Schanker (Ulcus durum), ein in der Regel solitäres, schmerzloses Ulkus mit scharf begrenzten, harten, nicht unterminierten Rändern. Die Primärläsion ist hochinfektiös und typischerweise am Genitale lokalisiert. Die Diagnostik der Syphilis im Stadium I kann wegen atypischer Symptomatik, atypischer Morphologie und atypischer Lokalisation erschwert sein. Die Folge ist, dass nur ca. 15–30% der infizierten Patienten im Stadium I der Syphilis diagnostiziert werden [11]. Nach einer Inkubationszeit von ca. 3 Wochen (10 bis 24 Tagen, längstens 9 bis 90 Tagen) treten an der Eintrittsstelle der Erreger ein dunkelroter Fleck und dann ein derbes Knötchen auf. Daraus entwickelt sich schnell eine Erosion und sukzessive ein Ulkus. Dieses Bild wird als Primäraffekt bezeichnet. Im Laufe der Infektion zeigt sich dann ein charakteristisches, scharf abgegrenztes, schmerzloses, flaches Ulkus mit hartem Rand. In der Umgebung bildet sich eine ödematöse, derbe Schwellung aus („harter Schanker“, Ulcus durum). Beim Mann sind oft der Sulcus coronarius penis und das innere Vorhautblatt betroffen (. Abb. 4a). Bei der Frau ist der Primäraffekt typischerweise an den großen und kleinen Labien, in der Umgebung der Urethralmündung, der hinteren Kommissur der Vulva und an der Portio uteri lokalisiert (. Abb. 4b). In ca. 10% der Fälle können auch extragenitale Lokalisationen, wie z. B. die Mundschleimhaut, die Mamillen, die perianale Haut und der Anus, aber auch die periunguale Haut vor allem der Finger und andere Hautareale befallen sein. Durch Superinfektion z. B. mit Herpes-simplex-Viren kann ein atypisches Bild des Primäraffektes mit multiplen Ulzera entstehen, das von zahlreichen Differenzialdiagnosen abgegrenzt werden muss. Bei Immunsupprimierten wie HIV-positiven Patienten ist ein völlig anderes Erscheinungsbild des Primäraffektes möglich. Die Inkubationszeit ist hier oft abgekürzt. Im Anschluss an den Primäraffekt kommt es zur lymphogenen Ausbreitung mit Ausbildung einer in der Regel asymptomatischen Lymphadenitis. Auch im Verlauf treten schmerzlose, derbe, nicht einschmelzende, regionäre Lymphknotenschwellungen auf. Wie bei anderen Infektionen können jedoch Lymphknotenschwellungen bei der akuten Infektion mit Treponema pallidum auch schmerzhaft sein. Die Abheilung des Primärkomplexes nimmt ca. 4 bis 6, manchmal 10 Wochen in Anspruch. Das Ulcus durum zusammen mit geschwollenen Lymphknoten wird als Primärkomplex bezeichnet. Atypische Formen und Lokalisationen der primären Syphilis.  Die Diagnosestellung der primären Syphilis kann dadurch wesentlich erschwert sein, dass das Bild nur mit Schwierigkeiten von HSV2oder HSV1-bedingten Erosionen und Ulzera bzw. von einem Ulcus molle abgrenzbar ist [12]. In ca. 30% können solche atypische Formen schmerzhaft sein und mit multiplen Ulzerationen imponieren. Dies trifft vor allem auf extragenital lokalisierte Primäraffekte zu. Ein schwer zu erkennender Primäraffekt ist auch das Oedema indurativum, das bei Frauen häufiger als bei Männern vorkommt.

Die klassische Primärläsion der   Syphilis ist der harte Schanker

Nur ca. 15–30% der infizierten   Patienten werden im Stadium I der Syphilis diagnostiziert

Im Anschluss an den Primäraffekt kommt es zur lymphogenen Ausbreitung mit Ausbildung einer asymptomatischen Lymphadenitis

Das Ulcus durum zusammen mit geschwollenen Lymphknoten wird als Primärkomplex bezeichnet

Extragenital lokalisierte Primäraffekte sind oft schwer zu erkennen

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Abb. 8 8 a, b Kleinfleckiges Palmoplantarsyphilid

Grundlage ist eine massive Entzündungsreaktion der Lymphgefäße. Eine typische Lokalisation hierfür ist das Labium majus bei der Frau und das Präputium beim Mann. Extragenitale Primäraffekte werden an quasi jeder Körperstelle, sogar an Fingern und Zehen [13], beschrieben. Mehr als die Hälfte der extragenitalen primären Syphilisfälle weisen Hautveränderungen im Kopfbereich und mit steigender Inzidenz im Bereich der Mundhöhle und der Lippen (. Abb. 5) auf. Wegen überwiegend fehlender oder uncharakteristischer Symptomatik werden bei Frauen Primäraffektionen der Vagina, der Klitoris, der Zervix und des Analkanals leicht übersehen. Bei Männern, die Sex mit Männern (MSM) haben, werden analog Erosionen und Ulzera im Analkanal und rektal oft nicht erkannt. Diagnostik des Primärstadiums.  Die Diagnose wird gestellt mithilfe von: F Erregernachweis: Dunkelfeldmikroskopie, Nukleinsäurenachweis (PCR), histochemischer Nachweis im Gewebe, F serologischem Nachweis [“Treponema pallidum hemagglutination assay“ (TPHA)/“Treponema pallidum particle agglutination assay“ (TPPA)] und „Venereal disease research laboratory“ (VDRL)/Cardiolipin-Antikörper-Test. Die Differenzialdiagnostik genitaler und perioraler/oraler erosiv ulzeröser Läsionen beinhaltet: F andere infektionsbedingte Ulzera: Herpes genitalis, Ulcus molle, Lymphogranuloma venereum, Granuloma inguinale, schankriforme Pyodermie, Tuberculosis cutis, F Skabies, Leishmaniosen, F Entzündungen: Morbus Behçet, Morbus Crohn, Aphthen, Lippenfurunkel, Pyoderma gangraenosum. Lichen planus, Lichen sclerosus, Morbus Reiter, Analfissur, F Medikamente: Erythema exsudativum multiforme, fixes Arzneimittelexanthem, F Neoplasien: maligne Tumore, Hämorrhoiden, F Traumata: Artefakte, Verletzungen. Vier bis 10 (12) Wochen nach Primärinfektion kommt es zu einer   generalisierten Bakteriämie

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Sekundäre Syphilis (Lues II, Sekundärstadium)

Etwa 4 bis 10 (12) Wochen nach Primärinfektion kommt es zu einer generalisierten Bakteriämie. Diese tritt meist nach Abheilung des Primäraffekts auf. In bis zu 30% der Fälle ist der primäre Schanker jedoch noch zeitgleich nachweisbar. In diesem Stadium können alle Organsysteme von der In-

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Abb. 9 8 Lues maligna bei einem HIV-positiven Mann. a Einzelne nekrotisierende Effloreszenzen am Rücken. b Ekthyma-ähnliche Nekrosen an der Gesichtshaut. c Nahaufnahme von Teilabbildung a

Abb. 10 8 a Plaqueförmige Effloreszenzen an der Oberlippe. b Plaques muqueuses mit gleichzeitigem Soor der Zunge

fektion betroffen werden. An der Haut tritt meist ein hellrotes, nicht bzw. wenig juckendes, zunächst makulöses Exanthem ( Roseola syphilitica) am seitlichen Stamm, später an Kopf und Extremitäten (vor allem Beugeseiten) auf (. Abb. 6). In mehr als zwei Drittel aller Fälle wird nur 1 Schub der Syphilis II beobachtet. Ansonsten kann die sekundäre Syphilis auch einen Verlauf mit mehreren Schüben aufweisen. Unter Abheilung können die Exantheme Pigmentstörungen, insbesondere Leukoderme vor allem im Halsbereich („Halsband der Venus“), hinterlassen. Lichenoide, nodöse, ulzerierende, ringförmige und sogar urtikarielle sowie granulomatöse Bilder sind möglich. Vor allem die erosiven Läsionen sind reich an Erregern. Am behaarten Kopf kann sich im Rahmen des frühen Sekundärstadiums ein Der Hautarzt 10 · 2013 

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Bei der sekundären Syphilis ist an den Palmae und Plantae ein kleinfleckiger Befall typisch

An der Mundschleimhaut sind   charakteristische Veränderungen Plaques muqueuses und   Schwellung der Tonsillen

Anhaltende palpable Lymphknotenschwellungen zervikal, axillär und inguinal können eine Beteiligung anderer Organsysteme anzeigen

Im Sekundärstadium wird die   Diagnose überwiegend über die   Serologie gestellt

diffuser Haarausfall zeigen. Bei der späten Sekundärsyphilis wird ein mottenfraßähnlicher Haarausfall (Alopecia specifica) beobachtet (. Abb. 7). Bei der sekundären Syphilis ist an den Palmae und Plantae ein kleinfleckiger Befall typisch. Syphilide sind makulöse Effloreszenzen, die oft diskret ausgebildet sind (Palmoplantarsyphilid; . Abb. 8). Bei übermäßiger Hornbildung werden palmoplantar die sog. Clavi syphilitici beobachtet. Auch eine luetische Paronychie kann in Form kleiner periungualer Papeln auftreten. Bei Abwehrschwäche kann es zur sog. Lues maligna kommen, einer nekrotischen Form der Syphilis im 2. Stadium (. Abb. 9), die vernarbt und häufig mit Fieber, Gelenkschmerzen und Verschlechterung des Allgemeinzustandes einhergeht. Nach Daten von Schöfer et al. [7] liegt bei 7% gleichzeitig mit HIV und Syphilis Infizierten eine Lues maligna vor. An der Mundschleimhaut sind charakteristische Veränderungen Plaques muqueuses und eine Schwellung der Tonsillen (Angina specifica). An Mundwinkelrhagaden erinnernde Bilder, flächige makulöse Verände- Abb. 11 8 Typische Condylomata lata der Gluterungen sowie Plaques (Plaques lisses, Plaques opalines) alhaut und Rima ani sind auf der Zunge, sublingual, palatinal und buccal erkennbar (. Abb. 10, [14]). Die Haut- und Schleimhautveränderungen sind von einer Vielzahl von anderen Läsionen abzugrenzen. Lange anhaltende palpable Lymphknotenschwellungen zervikal, axillär und inguinal können eine Beteiligung anderer Organsysteme anzeigen. Besonders charakteristisch sind die Lymphknotenschwellungen epitrochleär. Allgemeine Symptome im Stadium II sind Abgeschlagenheit, Muskel- und Gelenkschmerzen sowie Knochenschmerzen (Periostitis), Gewichtsverlust, Halsschmerzen, Hepatomegalie und Anämie. Seltener sind Gastritis, Glomerulonephritis, Iridozyklitis und Meningitis im Stadium II. Patienten mit akuter syphilitischer Meningitis leiden unter leichten Kopfschmerzen, Nackenschmerzen und Übelkeit. Ein Befall der Hirnnerven II, III, VII und VIII ist in diesem Stadium möglich. Bei unklarer Uveitis, Erkrankung des N. opticus, Pupillen- oder Motilitätsstörung sollte auch bei älteren Patienten frühzeitig an eine Syphilis gedacht werden. Im Sekundärstadium wird die Diagnose der Syphilis überwiegend über die Serologie gestellt. In einzelnen Fällen kann die Infektion im Rahmen einer histologischen Untersuchung mit Nachweis lymphoplasmazellulärer Entzündungsinfiltrate und über Spezialverfahren erkannt werden (. Abb. 3). Diagnostik des Sekundärstadiums.  Die Diagnose wird gestellt mithilfe von: F Serodiagnostik (Positivität in 100%), F Leukozytose, Lymphozytose, erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit, F Dunkelfeld-Erregerdiagnostik bei erosiven Läsionen (z. B. Condylomata lata), F evtl. neurologischer Untersuchung und ophthalmologischer Untersuchung, F ausführlicher klinischer und histologischer Differenzialdiagnostik. Die Differenzialdiagnostik beinhaltet: F Exantheme: Arzneimittelexantheme, Virusexantheme, HIV-Exanthem, F Neoplasien: Lymphome, Pseudolymphome, Kaposi-Sarkom, F Entzündungen: Vaskulitiden, Pityriasis rosea, Pityriasis lichenoides, Lichen ruber generalisatus, Granuloma anulare, Akne, Impetigo contagiosa, F genitoanale Läsionen: Condylomata acuminata, bowenoide Papulose, Morbus Bowen (VIN, PIN, PAIN), Mollusca contagiosa, F orale Läsionen: Aphthen, Angina tonsillaris, Angina Plaut-Vincenti, Lingua geographica, Morsicatio buccarum, orale Haarleukoplakie, Soor, Neoplasien,

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Abb. 12 8 Tuberoserpiginöse Hautveränderungen im Tertiärstadium der Syphilis. a Asymmetrischer Befall der linken oberen Extremität. b, c Bogige anuläre Hautveränderungen am Handrücken und am Thenar. (Quelle: [15])

F Gesicht/behaarter Kopf: Impetigo contagiosa, Mundwinkelrhagaden, Alopecia areata, Alopecia diffusa, Akne.

Frühlatenz

Am Ende des Sekundärstadiums und im Stadium der Frühlatenz (. Tab. 1) kann es zu Rezidiven von exanthemartigen Hautveränderungen kommen, die klinische Besonderheiten darstellen. Hierzu gehören blasse, ringförmige Flecken (Roseola anularis), das korymbiforme Syphilid (von kleinen Papeln umgebene, größere, zentral gelegene Papel), der Lichen syphiliticus (zahlreiche harte, follikuläre kleine Papeln) und die nodöse Form der Syphilis an den Unterschenkeln. Im Gegensatz zum Erythema nodosum können syphilitische Knoten exulzerieren. Im Bereich der inguinalen Haut, perianal und perigenital sind die an Condylomata acuminata erinnernden erregerreichen nässenden Condylomata lata, für dieses Stadium typisch (. Abb. 11).

Im Gegensatz zum Erythema   nodosum können syphilitische   Knoten exulzerieren

Diagnostik.  Bei seropositiven (IgM-FTA-Positivität), klinisch asymptomatischen Patienten ist immer eine Durchuntersuchung indiziert: F neurologische Untersuchung, Liquordiagnostik, F Diagnostik der Aorta: Ultraschall, CT, MR-Angiographie, F augenärztliche Untersuchung.

Tertiäre Syphilis (Lues III, Tertiärstadium)

Die Erkrankungsstadien der Lues II und der Lues III gehen zum Teil fließend ineinander über. Das Vollbild des Tertiärstadiums wird frühestens 1 Jahr bis zu 10 Jahre nach Primärinfektion mit Treponema pallidum erreicht. Manifestationen an der Haut, kardiovaskuläre Manifestation und ZNS-Beteiligung im Sinne der Neurosyphilis sind typisch. Seltener ist ein Knochenbefall.

Hautmanifestationen, kardiovaskuläre Manifestation und ZNS-Beteiligung im Sinne der Neurosyphilis sind typisch Der Hautarzt 10 · 2013 

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Abb. 13 8 a Serpiginöse, zum Teil polyzyklische Bilder an der Unterarmstreckseite. b, c Histologie: granulomatöse lymphoplasmazelluläre Infiltrate mit einzelnen Riesenzellen (HE-Färbung, b Vergr. 10:1, c Vergr. 25:1)

Das Stadium III ist charakterisiert durch Granulombildung, die proliferierend oder nekrotisierend sein kann. An der Haut werden umschriebene infiltrierte, granulomatöse, zum Teil ulzerierte Effloreszenzen beobachtet, wobei kutane und tiefere subkutane Formen unterschieden werden.

Bei Exulzeration und Borkenbildung entsteht das Bild des tuberoulzeroserpiginösen Syphilids

Typische Lokalisationen der Gummen sind Stirn, Gaumen, Lippen, Nasenseptum, Hals, Genitale und Unterschenkel Bei ca. 10% der Patienten kann es 10 bis 30 Jahre nach der Primärinfektion zur kardiovaskulären Syphilis kommen

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Tuberonodöse und tuberoserpiginöse Syphilide (kutane Lokalisation).  Hierbei handelt es sich um gruppierte Papeln und Knoten rotbrauner Farbe, die zentral unter Atrophie abheilen und sich peripher ausdehnen und bogige Formen bilden (. Abb. 12). Zum Teil können auch anuläre, polyzyklische, serpiginöse Bilder entstehen. Bei Exulzeration und Borkenbildung entsteht das Bild des tuberoulzeroserpiginösen Syphilids. Diese Hautveränderungen sind meist asymmetrisch an der gesamten Haut, besonders an den oberen Extremitäten (Streckseiten!), am Rücken und im Gesicht lokalisiert (. Abb. 13). Differenzialdiagnostisch kommen Lupus vulgaris, kutaner diskoider Lupus erythematodes, Sarkoidose, Granuloma anulare, Mycosis fungoides, Pilzinfektionen und Psoriasis vulgaris in Betracht. Gummen (subkutane Lokalisation).  Hierbei handelt es sich um schmerzlose, solitäre, knotige, zum Teil tumoröse Hautveränderungen von derber bis gummiartiger Konsistenz. Die Knoten können unter Produktion eines gummiartigen Sekretes perforieren. Typische Lokalisationen der zum Teil bohnenförmigen Gummen sind die Stirn, der Gaumen, die Lippen, das Nasenseptum, der Hals, das Genitale und die Unterschenkel. Auch innere Organe wie die Leber, Knochen und Hoden können betroffen sein. Bei Perforation des Gaumens müssen auch andere Krankheiten ausgeschlossen werden. Neben Gummen im Tertiärstadium der Syphilis kommen auch Kokainabusus sowie andere Infektionen (Tuberkulose, Diphtherie, Aktinomykose), Neoplasien, entzündliche Krankheiten (Sarkoidose, systemischer Lupus erythematodes und die Wegener-Granulomatose) infrage [16]. Kardiovaskuläre Syphilis.  Bei etwa 10% der Patienten kann es ca. 10 bis 30 Jahre nach der Primärinfektion zur kardiovaskulären Syphilis kommen. Über die Treponemen-Infektion der Vasa vasorum

CME Tab. 2  Beteiligung des ZNS in den verschiedenen Syphilis-Stadien Syphilisstadium II Spätlatentes Stadium III

III IV IV

Beteiligung des ZNS Frühsyphilitische Meningitis (Meningismus, Kopfschmerzen, Hirnnervenläsionen) Asymptomatische Neurosyphilis (pathologische Liquorbefunde, positive Syphilisserologie, positiver VDRL-Test im Liquor, keine objektiven oder subjektiven Befunde) Meningovaskuläre Neurosyphilis Paralytische Neurosyphilis (progressive Paralyse) Tabische Neurosyphilis (Tabes dorsalis)

VDRL „venereal disease research laboratory“.

und Ausbildung einer Endarteriitis der großen Herzgefäße, vor allem der Aorta (Mesaortitis syphilitica), können sich eine Aufdehnung der Aorta ascendens, eine Insuffizienz der Aortenklappen und Aneurismen ausbilden mit der Gefahr von Gefäßrupturen. Arteriosklerotische Plaques können in größeren Arterien des Thoraxraumes zu Gefäßverengungen wie bei Arteriosklerose führen. Vor Behandlung einer tertiären Syphilis muss stets eine klinische Untersuchung zum Ausschluss einer kardiovaskulären Syphilis erfolgen (CT, MRT, Ultraschall).

Vor Behandlung einer tertiären Syphilis muss eine klinische Untersuchung zum Ausschluss einer kardiovaskulären Syphilis erfolgen

Neurosyphilis.  Eine milde Mitreaktion des Zentralnervensystems ist in bis zu 30% während des Sekundärstadiums und Latenzstadiums möglich. Eine Neurosyphilis kann sich bei ca. 5–10% der unbehandelten, mit Treponema pallidum infizierten Patienten noch nach Jahren bis Jahrzehnten entwickeln [17]. Insgesamt ist die Neurosyphilis selten. Der derzeitige Inzidenzlevel in Deutschland beträgt kalkulatorisch 0,15 bis 0,20 Fälle mit Neurosyphilis pro 100.000 Einwohner [18]. Die Beteiligung des ZNS in den verschiedenen Syphilisstadien zeigt . Tab. 2. Im Rahmen der tertiären Syphilis kann sich die Infektion des ZNS durch Treponema pallidum in verschiedenen Manifestationsformen wie der asymptomatischen Neurosyphilis äußern. Diese Form ist definitionsgemäß durch positive Syphilisserologie, lymphozytäre Pleozytose und Liquorproteinerhöhung und/oder positiven VDRL-Test im Liquor ohne klinische Symptomatik gekennzeichnet. Die meningovaskuläre Neurosyphilis entwickelt sich ca. 6 Jahre und später nach der primären Infektion mit Treponema pallidum. Im Vordergrund stehen meningeale, neurologische und psychiatrische Symptome, Hör- und Sehstörungen sowie Schwindel [18]. Im Rahmen von Thromboembolien sind rezidivierende Apoplexien möglich (. Abb. 14a,b). Differenzialdiagnostisch ist die Abgrenzung gegenüber Hirntumoren wichtig! Eine meningitische Form mit Kopfschmerzen, Hirnnervenläsionen, vor allem Schädigung des N. opticus sowie Hydrozephalus wird von einer vaskulitischen Form mit Mono- oder Hemiparese, Hirnstammläsionen, Schwindel, Hörverlust, Epilepsie und hirnorganischem Psychosyndrom unterschieden. Zugrunde liegt eine zum Teil oblitierende Endarteriitis mittelgroßer Arterien an der Hirnbasis (A. cerebri media und A. basilaris) mit Thrombosen. Eine seltene Form ist die gummatöse Neurosyphilis, die Ausdruck multipler, syphilitischer Gummen im Bereich der Hirnhäute ist. Gummen des inneren Auges können zu schwersten Schädigungen mit Atrophie des N. opticus und Augenmuskellähmungen führen. Eine absolute Pupillenstarre tritt bei Erkrankung des Okulomotoriuskerns auf und kann durch Gummen (tertiäre Syphilis) oder auch im Rahmen einer quartären Syphilis (Metalues) ausgelöst werden. Die reflektorische Pupillenstarre auf Licht (Argyll-Robertson-Zeichen) ist hinweisend auf eine Metalues und wird oft von Miosis und Anisokorie begleitet. Diagnostik der tertiären Syphilis.  Die Diagnose wird gestellt mithilfe von: F Syphilisserologie, F Liquordiagnostik: Zellzahl, Proteinmuster, positiver VDRL-Test, F neurologischer Untersuchung, F Sonographie, Thorax-CT, MRT, MR-Angiographie, F augenärztlicher Untersuchung, Der Hautarzt 10 · 2013 

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Abb. 14 8 Fall: 29-jähriger männlicher Patient, bislang gesund, klinisch sensomotorische Hemiplegie links infolge eines ischämischen Hirninfarktes rechts (maligner Mediainfarkt) bei Neurolues (ED bei bislang nicht bekannter Lues- und HIV-Infektion, Stadium B 3 nach CDC). Diagnose: Neurolues im Tertiärstadium, meningovaskuläre Variante. Empfehlung: Bei jedem jungen Schlaganfallpatienten ist immer eine Liquoranalyse einschließlich Luesserologie (TPPA, TPHA, VDRL-Test) indiziert. a (li. Bild) Kranielle Computertomographie (CCT) am Aufnahmetag: subakuter, demarkierter kompletter Mediainfarkt rechts, (re. Bild), älterer inkompletter Posteriorteilinfarkt rechts. b (li. Bild) kranielle Kernspintomographie (cMRT) im Verlauf: malazisch umgewandelter Territorialinfarkt im Media- und Posteriorstromgebiet rechts, (re. Bild) MR-Angiographie: mittel- bis hochgradige, kurzstreckige Stenose am Übergang des Karotis-T / proximale A. cerebi media rechts sowie kaliberschwache A. basilaris. (Quelle: Dr. Ulrike Reuner, OÄ an der Klinik und Poliklinik für Neurologie, CCT / MRT aus der Abteilung für Neuroradiolgie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, mit freundl. Genehmigung)

Quartäre Syphilis (Synonym: Metalues) Die quartäre Syphilis ist charakterisiert durch irreversible Schädigungen des Zentralnervensystems

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Die quartäre Syphilis ist charakterisiert durch irreversible Schädigungen des Zentralnervensystems, wobei es sowohl im Bereich des Gehirns als auch am Rückenmark zu degenerativen Veränderungen kommt. Die quartäre Syphilis äußert sich als progressive Paralyse oder als Tabes dorsalis. An diesen schwersten Komplikationen erkranken jeweils ca. 2% der unbehandelten Syphilispatienten ca. 10 bis 20 Jahre nach Primärinfektion [18].

CME

Abb. 15 9 Pemphigus syphiliticus bei einem Neugeborenen mit Syphilis connata praecox. (Moulage der Univ.-Klinik für Dermatologie und Venerologie Rostock, mit freundl. Genehmigung)

Paralytische Neurosyphilis (Syn.: progressive Paralyse, Dementia paralytica).  Bei chronisch progredienter Enzephalitis mit Schädigung und Atrophie der grauen Substanz des Hirnvorderlappens treten zahlreiche neurologische und psychiatrische Krankheitsbilder in Form eines organischen Psychosyndroms in Erscheinung. Hierzu gehören kognitive Defizite, Kritik- und Urteilsschwäche, psychotische Episoden, Sprachstörungen, Kopfschmerzen, Schwindel, abnorme Pupillenreaktionen, Zungentremor, epileptische Anfälle, Reflexanomalien, Demenz, Harn- und Stuhlinkontinenz sowie Marasmus. Tabische Neurosyphilis (Syn.: Tabes dorsalis, Entmarkung der Hirnstränge und der Dorsalwurzeln).  Degenerative Veränderungen der Hinterstränge des Rückenmarks und der dorsalen Wurzeln manifestieren sich als chronische, progrediente dorsale Radikuloganglionitis. Sogenannte lanzierende, tabische Schmerzen an den Extremitäten und im Bauchraum können zu Hyp- und Anästhesie der unteren Extremitäten und schließlich zu neurotrophischen Ulzera (Malum perforans) führen. Weitere mögliche Symptome sind: Augenmuskellähmung, Optikusatrophie, Argyll-RobertsonPhänomen, (Beeinträchtigung der Lichtreaktion bei erhaltener Konvergenzreaktion), Reflexverlust, unkoordinierte Bewegungen und Gangataxie sowie Miktionsstörungen, Impotenz, Überstreckbarkeit der Knie- und Hüftgelenke. Diagnostik der quartären Syphilis.  Die Diagnose wird gestellt mithilfe von: F Syphilisserologie, F Liquordiagnostik, F neurologischer Untersuchung, F augenärztlicher Untersuchung.

Syphilis während der Schwangerschaft und Syphilis connata Zirka 12 Mio. Menschen weltweit infizieren sich jährlich mit Treponema pallidum, 2 Mio. davon sind schwangere Frauen. Die Hälfte dieser Schwangerschaften endet mit dem Tod des Fötus (sog. Spät­ abort, meist nach der 18. Schwangerschaftswoche) oder mit dem perinatalen Tod des Kindes. Auch Säuglinge mit geringem Geburtsgewicht können die Folge sein. Überleben die Kinder, kommt es zur Ausbildung einer Syphilis connata [19]. Weltweit gehört die Syphilis zu den häufigsten Todesursachen bei mehr als 1 Jahr alten Kindern. Laut Schätzung der WHO ist eine mütterliche Syphilis verantwortlich für zwischen 713.000 und 1.575.000 Fälle von kongenitaler Syphilis weltweit. Das klinische Bild der Syphilis in der Schwangerschaft unterscheidet sich in der Regel nicht von der Syphilis bei nichtschwangeren Frauen. Eine Differenzierung von Schwangerschaftsdermatosen und syphilitischen Exanthemen kann schwierig sein. Der Übertritt der Treponemen ist diaplazen-

Weltweit gehört die Syphilis zu den häufigsten Todesursachen bei mehr als 1 Jahr alten Kindern

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CME Tab. 3  Nichtvenerische Syphilis. (Weiteres über Spezialliteratur [22])   Frambösie Pinta Endemische Syphilis

In der Regel erfolgt die Übertragung der Syphilis im 4. bis 5. Schwangerschaftsmonat

Erreger Treponema pertenue Treponema carateum Treponema pallidum Subsp. endemicum

Vorkommen Tropen Zentral- und Südamerika Trockene Regionen (Arabien, Bejel, Afrika, Balkan)

tar in jedem Stadium der unbehandelten Syphilis möglich. In der Regel erfolgt die Übertragung der Syphilis im 4. bis 5. Schwangerschaftsmonat. Das Transmissionsrisiko ist abhängig von der Treponemen-Konzentration im mütterlichen Blut und damit vom klinischen Stadium der Infektion. Eine Erregerübertragung ereignet sich in 80–100% der Fälle bei primärer Syphilis der Mutter, in ca. 70% bei sekundärer Syphilis, in 40–80% bei frühlatenter Syphilis und in 10% bei spätlatenter Syphilis. Alle Organe des Kindes können von den Treponemen infiziert werden. Auch über die Geburtswege ist eine Infektion möglich mit der Folge eines Krankheitsbildes, das sich nicht von einer Syphilis acquisita unterscheidet. Übertragung durch Stillen ist nur bei Hautläsionen an der Brust denkbar.

Syphilis connata praecox

Die Letalität bei Syphilis connata praecox liegt bei 50%

Seit Einführung des serologischen Screenings von Schwangeren ist dieses Krankheitsbild selten geworden. In 50–70% der Fälle weisen die Kinder bei der Geburt keine Auffälligkeiten auf. Die Diagnose kann dann nur serologisch gestellt werden. Klinisch äußert sich die Frühform der Syphilis connata (S. connata praecox) in Form von respiratorischen Problemen, niedrigem Geburtsgewicht, Unreife, Ödembildung, vergrößertem Abdomen, interstitieller Pneumonie, Hydrops, Hepatosplenomegalie und Hauteffloreszenzen. Bei zunächst unauffälligen Kindern können Fieber, makulopapulöse oder vesikulobullöse Effloreszenzen (vor allem an den Palmae und Plantae lokalisiert, sog. Pemphigus syphiliticus), Petechien und Fissuren auftreten (. Abb. 15). Weitere typische Zeichen sind Blässe, Ikterus, Ödeme, blutige Rhinitis (Coryza) im Rahmen syphilitischer Papeln der Nasenschleimhaut, nachlassende Trinkleistung, Schleimhautulzera, Pseudoparalyse (durch schmerzhafte Periostitis), Osteomyelitis und Osteochondritis sowie generalisierte Lymphknotenschwellung. Auch Condylomata lata, Enteritis und Laryngitis sind mögliche Symptome. Die Letalität bei Syphilis connata praecox liegt bei 50%. Zwischen dem 3. und 6. Lebensmonat können Symptome einer Meningitis auftreten. Auch Hirnnervenausfälle oder Krampfanfälle sind möglich.

Syphilis connata tarda

Typische und sichere Stigmata der Syphilis connata tarda sind die Parrot-Furchen und die HutchinsonTrias

Die Spätform der Syphilis connata tritt gewöhnlich kurz vor der Pubertät, gelegentlich schon ab dem 2. Lebensjahr auf. Die Symptomatik weist eine große Variationsbreite auf mit Uveitis, Keratitis, Tonnenzähnen, Schwellung der Kniegelenke, säbelscheidenartiger Tibia, gotischem hohem Gaumen, Exostosen des Os frontale mit Veränderungen an Stirn und Nase (im Sinne einer „Sattelnase“). Hinzukommen können Taubheit, Hydrozephalus, Hirnnervenausfälle und Krampfanfälle. Typische und sichere Stigmata der Syphilis connata tarda sind auch die sog. Parrot-Furchen und die Hutchinson-Trias (Keratitis parenchymatosa, Innenohrschwerhörigkeit und Hutchinson-Zahndeformationen mit distalwärts sich verjüngenden Zähnen sowie Diastemata, . Abb. 16). Parrot-Furchen sind periorale radiäre Narbenzüge nach perioral lokalisierten syphilitischen Papeln in der Säuglingszeit. Auch kardiovaskuläre Läsionen und Neurosyphilis werden gelegentlich bei Syphilis connata tarda beschrieben [9].

Syphilis und HIV Bei etwa 15% der Patienten mit   Syphilis besteht eine Koinfektion mit HIV

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Bei etwa 15% der Patienten mit Syphilis besteht eine Koinfektion mit HIV. Bei Koinfizierten kann es zu klinisch atypischen und foudroyanten Verläufen der Syphilis kommen. Die Syphilis erhöht die Empfänglichkeit für HIV um ca. das 2- bis 4-Fache und die Infektiosität von HIV um das 2- bis 9-Fache [4]. Gehäuft treten Primäraffekte mit multiplen Ulzerationen oder mit prolongiertem Verlauf auf. Im Stadium der sekundären Syphilis wird öfter über Fieber, Abgeschlagenheit und Gelenkschmer-

CME zen geklagt. Die Hauterscheinungen weisen eine besonders große Manifestationsbreite auf [20]. Es werden makulopapulöse Exantheme, Impetigo syphilitica, Ecthymata syphilitica, variolaartige Pusteln, Noduli und Ulzera sowie Lichen syphiliticus beschrieben. Etwa 7% der HIV-seropositiven Patienten mit Sekundärsyphilis entwickeln eine Lues maligna. Hierbei handelt es sich um eine Extremvariante der Syphilis im Sekundärstadium mit akzeleriert verlaufenden granulomatösen und nekrotisierenden Effloreszenzen. Es liegen wie ausgestanzt erscheinende ekthymatöse Ulzerationen Abb. 16 8 Hutchinson-Zahndeformität: sog. mit überlagernden austernschalenartigen Krusten und Tonnenzähne und Diastema. (Fotoarchiv der Borken vor (sog. Rupia syphilitica; . Abb. 9, [21]). Bei Univ.-Klinik für Dermatologie und Venerologie HIV-seropositiven Patienten wurde eine rasche ProgreRostock, mit freundl. Genehmigung) dienz der Syphilis innerhalb von Monaten vom Sekundär- zum Tertiärstadium beobachtet. Gehäuft sind okuläre Beteiligung und Affektion der Blut-Liquor-Schranke mit symptomatischer ZNS-Infektion in Form einer frühen Neurosyphilis. Die Spätsyphilis kann bei HIV-Infizierten im Verlauf früher auftreten als bei HIV-negativen Personen. Auch das gleichzeitige Erscheinen von Gummen und tuberoserpiginösen Syphiliden wurde beschrieben. Bereits 12 Monate nach Primärinfektion können zerebrale Gummen zu apoplektischen Insulten führen. Bei HIV-Infektion ist die frühe Neurosyphilis gekennzeichnet durch Übertritt der Treponemen in den Liquorraum. Bei HIV-seropositiven Personen ist die Elimination von Treponema pallidum begrenzt. Die späte Neurosyphilis schließt Tabes dorsalis und progressive Paralyse mit ein. Bei latenter Syphilis oder unklarem Infektionszeitpunkt sollte bei HIV-Infizierten deshalb immer eine Liquordiagnostik erfolgen.

Etwa 7% der HIV-seropositiven   Patienten mit Sekundärsyphilis   entwickeln eine Lues maligna

Bei HIV-Infektion ist die frühe Neurosyphilis gekennzeichnet durch Übertritt der Treponemen in den Liquorraum

Diagnostik bei Syphilis und HIV-Seropositivität.  Die Diagnose wird gestellt mithilfe von: F Syphilisserologie, F Liquordiagnostik, F neurologischer Untersuchung, F augenärztlicher Untersuchung.

Tropische (endemische) nichtvenerische Treponematosen Definitionsgemäß handelt es sich hierbei um syphilisähnliche Krankheiten, die überwiegend in tropischen Gebieten vorkommen. Die Übertragung erfolgt auf nichtvenerischem Weg. Die Erreger sind weder morphologisch noch serologisch von Treponema pallidum zu unterscheiden. Die Behandlung erfolgt mit Penicillin. Im Einzelnen handelt es sich um die Frambösie, die Pinta und die endemische Syphilis (. Tab. 3).

Fazit für die Praxis F In Deutschland erkranken jährlich mehr als 3500 Menschen an Syphilis, wobei Menschen mit häufig wechselnden Sexualpartnern besonders betroffen sind. F Die Übertragung von Treponema pallidum erfolgt über kleinste Mikroverletzungen der Haut und Schleimhaut, in mehr als 90% im genitoanalen Bereich. F Grundlage für die Diagnostik ist die Kenntnis der verschiedenen Krankheitsbilder und die sorgfältige Untersuchung der gesamten Haut und angrenzenden Schleimhäute. F Wichtige Lokalisationen der Infektion sind neben den Genitalien auch die Mundschleimhaut, die Lippen, aber auch andere Hautareale. F Die Syphilis kann ernsthafte Folgen für die betroffene Person haben, z. B. am Herz-Kreislauf-System und am Zentralnervensystem, und kann auf das Un- bzw. Neugeborene übertragen werden und zum Tode führen. F Von besonderer Bedeutung ist der Synergismus der Syphilis mit der überwiegend sexuell übertragbaren HIV-Infektion. Der Hautarzt 10 · 2013 

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CME Korrespondenzadresse Prof. Dr. G. Gross Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie, Universitätsmedizin Rostock Strempelstr. 13, 18057 Rostock [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  G. Gross, B. Flaig und S. Rode geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur   1. Bremer V, Marcus U, Hamouda O (2012) Syphilis on the rise again in Germany – results from surveillance data for 2011. Euro Surveill 17(29):pii=20222   2. N.N. (2012) Erneuter Anstieg der Syphilis-Meldungen in 2011. Epid Bull 24:221–226   3. N.N. (2012) Zur Situation bei wichtigen Infektionskrankheiten in Deutschland. Syphilis in Deutschland in den Jahren 2010 bis 2011. Epid Bull 48:481–488   4. Zetola NM, Klausner JD (2007) Syphilis and HIV infection: an update. Clin Infect Dis 44(9):1222–1228   5. Dyer JR, Eron JJ, Hoffman IF et al (1998) Association of CD4 cell depletion and elevated blood and seminal plasma human immunodeficiency virus type 1 (HIV-1) RNA concentrations with genital ulcer disease in HIV-1-infected men in Malawi. J Infect Dis 177(1):224–227   6. Jarzebowski W, Caumes E, Dupin N et al (2012) Effect of early syphilis infection on plasma viral load and CD4 cell count in human immunodeficiency virus-infected men: results from the FHDH-ANRS CO4 cohort. Arch Intern Med 172(16):1237–1243   7. Schöfer H, Imhof M, Thoma-Greber E et al (1996) Active syphilis in HIV infection: a multicentre retrospective survey. The German AIDS Study Group (GASG). Genitourin Med 72(3):176–181

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CME-Fragebogen Bitte beachten Sie: • Teilnahme nur online unter: springermedizin.de/eAkademie • Die Frage-Antwort-Kombinationen werden online individuell zusammengestellt. • Es ist immer nur eine Antwort möglich .

??Welche Aussage zu Syphilis connata ist





falsch? Die Spätform der Syphilis connata tritt gewöhnlich kurz vor der Pubertät auf. Zeichen eines sog. Pemphigus syphiliticus sind typisch für die Syphilis connata praecox. Zur Hutchinson-Trias als typisches Zeichen der Syphilis connata tarda gehören Hydrozephalus, Innenohrschwerhörigkeit und Zahndeformität. Die Letalität der Syphilis connata praecox liegt bei 50%. Eine diaplazentare Übertragung von Treponemen ist in jedem Stadium der unbehandelten Syphilis möglich.





men ist korrekt? Gummen … können von den Meningen ausgehen. sind feste Knoten, die sich nach innen entleeren können. sind mit flüssigem, grünlichem Eiter gefüllt. zeigen im histologischen Bild eine randbetonte Nekrose. sind immer scharf abgegrenzt und zeigen keine Tendenz zur Einschmelzung.



philis ist korrekt?  ie hämatogene Ausbreitung der Erreger D ist charakteristisch für das Primärstadium der Frühsyphilis. Gummen treten typischerweise im Sekundärstadium der Frühsyphilis auf. Condylomata lata zeigen sich als typisches Zeichen des Tertiärstadiums der Syphilis. Eine lang anhaltende palpable Lymphknotenschwellung tritt charakteristisch im Sekundärstadium der Frühsyphilis auf.

dium II der Syphilis ist charakteristisch durch … tuberonodöse Syphilide der Haut. das Oedema indurativum. palmoplantaren Befall mit makulopapulösen Syphiliden, den sog Clavi syphilitici. einen Befall der Treponemeninfektion von Herz und großen Thoraxgefäßen. eine Alopecia areata.

??Welche Läsionen sind nicht typisch für

das Sekundärstadium der Syphilis?  ondylomata lata C Plaques opalines der Mundschleimhaut Lues maligna Leukoderme im Halsbereich „Halsband der Venus“ Orale Haarleukoplakie

??Welche Aussage ist falsch? Die Syphilis



??Welche Aussage zu den Stadien der Sy-

??Welche Aussage ist falsch? Bei jeglichem

??Welche Antwort ist richtig? Das Sta-



??Welche Aussage zu syphilitischen Gum-

Im Stadium der Neurosyphilis tritt typischerweise eine Selbstheilung ein.







bei HIV-positiven Patienten … zeigt eine beschleunigte Progredienz vom Sekundär- zum Tertiärstadium innerhalb von Monaten. erhöht die Infektiosität von HIV um das 2- bis 9-Fache. ist durch gehäufte okuläre Beteiligung charakterisiert. kann sich früher als Spätsyphilis zeigen als bei HIV-negativen Patienten. ist typischerweise durch monomorphe Manifestationen an der Haut charakterisiert.



Verdacht auf eine sexuelle Übertragung sollte konsequent eine Screeninguntersuchung erfolgen, die Folgendes umfasst: Syphilisserologie (TPHA, CMT) Hepatitis-A-, -B-, -C-Serologie Gesamt-IgE im Serum Abstrich auf Chlamydia trachomatis (beim Mann PCR-Nachweis im Urin) HIV-Serologie

??Welche Aussage zur Frühsyphilis ist







falsch?  ur ca. 15–30% der mit Treponema palliN dum infizierten Patienten werden im Primärstadium diagnostiziert. In ca. 10% der Fälle des Primärstadiums sind extragenitale Lokalisationen befallen. Die Abheilung des Primärkomplexes (Ulcus durum mit vergrößerten regionalen Lymphknoten) nimmt bis zu 18 Wochen in Anspruch. Die häufigsten Lokalisationen des Primäraffektes bei der Frau sind die großen und kleinen Labien. Der Begriff „harter Schanker“ geht auf die derbe ödematöse Schwellung zurück (Entzündungsreaktion der Lymphgefäße) in der Umgebung des flachen Ulkus.

??Was ist kein Symptom der Tabes dorsalis?



L anzierende Schmerzen an den Extremitäten und im Abdominalbereich Neurotrophische Ulzera (Malum perforans) der unteren Extremitäten im Rahmen von Hyp- und Anästhesie Überstreckbarkeit der Knie- und Hüftgelenke Unkoordinierte Bewegungen und Gangataxie

D Für Zeitschriftenabonnenten ist die Teilnahme am e.CME kostenfrei Der Hautarzt 10 · 2013 

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CME-Fragebogen



 usdruck einer chronisch progredienten A Enzephalitis mit Schädigung der grauen Substanz des Hirnvorderlappens

??Welche Aussage zu Erreger und Pathoge-



 ie Generationszeit von Treponema palliD dum liegt bei über 60 h. Treponema pallidum kann sich der Immunabwehr entziehen und persistiert jahrzehntelang im Wirt.

nese der Syphilis ist falsch?  ie Infektiosität nimmt dem sekundären D Stadium ab. Der Erreger Treponema pallidum kann transplazentar übertragen werden. Treponema pallidum ist ein gramnegatives gewundenes Bakterium.

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