PRAXIS

Mini-Review

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Klinik für Kardiologie, Universitäres Herzzentrum Zürich Christian Schmied

Sportkardiologie - ein praxisorientiertes U pdate Sports Cardiology - a Practical Update

Z u s a m m e n fa s s u n g

Die Sportkardiologie beschäftigt sich als Subspezialität der Kardiologie im speziellen Kontext mit der Sportmedi­ zin bzw. den Sport- und Bewegungs­ wissenschaften im Allgemeinen. Im Zentrum steht dabei das sogenannte «Sport-Paradox», das den Umstand bezeichnet, das einerseits der gesund­ heitsfördernde, primär- und sekundär­ präventive Nutzen eines regelmässigen Trainings heutzutage unbestritten und wissenschaftlich sehr gut belegt ist und andererseits Sport, insbesondere im Falle einer zugrundeliegenden Herz­ erkrankung, als Trigger für den plötz­ lichen Herztod identifiziert werden konnte. Dennoch überwiegen die ge­ sundheitsfördernden Effekte bei Wei­ tem, wenn jeder Sporttreibende durch eine kardiale Vorsorgeuntersuchung und individuelle Sportempfehlungen adäquat vorbereitet wurde. Dieser Review beleuchtet verschie­ denste Aspekte der Sportkardiologie, wie etwa Präventionsstrategien zur Verhinderung des plötzlichen Herz­ tods im Sport, Trainingsempfehlungen bei vorliegender kardialer Erkrankung oder gesundheitsfördernden Sport. Schlüsselwörter: Sportkardiologie plötzlicher Herztod - Sportparadox Vorsorgeuntersuchungen

Die Sportkardiologie beschäftigt sich auf dem Gebiet der Kardiologie im speziel­ len Kontext mit der Sportmedizin bzw. den Sport- und Bewegungswissenschaf­ ten im Allgemeinen. Im Zentrum steht dabei das sogenannte «Sport-Paradox», © 2014 V erlag Hans H uber, H ogrefe AG, Bern

das den Umstand bezeichnet, dass ei­ nerseits der gesundheitsfördernde, pri­ mär- und sekundärpräventive Nutzen eines regelmässigen Trainings heutzu­ tage unbestritten und wissenschaftlich sehr gut belegt ist: Nicht nur das Ge­ samtüberleben wird verlängert, sondern auch die Lebensqualität des verlängerten Lebens wird quasi verbessert: Die Selbst­ ständigkeit und gleichzeitig die Sturz­ prävention im Alter werden ebenso ge­ fördert, wie psychischen Erkrankungen vorgebeugt wird [1,2]. Insbesondere im breiten Spektrum der kardiovaskulären Erkrankungen sind die positiven Aus­ wirkungen von regelmässigem Sport eindrücklich und mannigfaltig, werden doch insbesondere auch die klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren, wie Übergewicht/vermehrter Bauchumfang, Diabetes mellitus, Cholesterinstoffwech­ selstörungen, arterielle Hypertonie und natürlich die Sedentarität per se positiv beeinflusst [3]. Interessanterweise zeig­ ten diverse Studien sogar einen positi­ ven Einfluss auf gewisse Malignomarten, klassische Bespiele sind etwa das KolonKarzinom, das Pankreas- und auch das Mammakarzinom [4], Der Begriff «Sport-Paradox» wird nun aber im Allgemeinen von der Tatsache begründet, dass Sport auch als «Trigger» für einen plötzlichen Herzstillstand, im schlimmsten Fall auch für einen plötz­ lichen Herztod, gilt. Dieser Zusammen­ hang konnte bereits Ende der siebziger Jahre hergestellt werden und führte ver­ ständlicherweise zu einer grossen Verun­ sicherung [5]. Glücklicherweise handelt es sich zumindest bei jungen Sportlern, bis zum Alter von 30 bis 35 Jahren ins­ gesamt, aber nicht zuletzt auch auf­

grund etablierter Screening-Strategien, um eher seltene Ereignisse: Die aktuelle Datenlage geht von einer Prävalenz zwi­ schen 0,8 bis 3 Todesfällen pro 100000 junger kompetitiver Athleten pro Jahr aus [6-10], Die effektiven Zahlen sind jedoch stark abhängig vom untersuchten Kollektiv und v.a. auch von der Metho­ dik der Studien. Viele, v.a. amerikani­ sche Studien basieren auf internetbasier­ ten «media-searches», die naturgemäss einer grossen Dunkelziffer unterliegen. So steht exemplarisch eine Erhebung bei amerikanischen Marathonläufern, bei denen der plötzliche Herztod seltener als erwartet auftritt [11], deutlich höhe­ ren Inzidenzen bei etwa amerikanischen Soldaten gegenüber, deren Todesfälle statistisch zuverlässiger erfasst werden [12]. Eindrücklicherweise kalkulierten Harmon et al. ein Risiko von 1:3000 für einen schwarzen College Basketballspie­ ler eines «Division I»-Colleges, einen plötzlichen Herztod zu erleiden [10]. Die Unklarheiten werden bei älteren Sportlern (>30-35 Jahre), die jedoch ge­ rade im Ausdauerbereich nicht minder kompetitiv Sport treiben, nur grösser. Fundierte Zahlen liegen in diesem Seg­ ment nur in ungenügendem Masse vor. Alarmierende Zahlen präsentierten aber Marijon und Kollegen [13]: Im Rahmen einer grossen Erfassung unter sogenann-

Im A r tik e l v e r w e n d e te A b k ü r z u n g e n : A ED

A u t o m a t is ie r t e r e x te r n e r D e f ib r illa t o r

EKG

E le k t r o k a r d io g r a m m

ESC

E u ro p e a n S o c ie ty o f C a r d io lo g y

FIFA

F e d e ra tio n I n t e r n a t io n a le d e F o o tb a ll A s s o c ia tio n

KHK

K o ro n a re H e r z k r a n k h e it

DOI 1 0 .l0 2 4 /l6 6 l-8 l5 7 /a 0 0 1 7 4 3

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M in i-R eview

Koronaranomalie 6,4%

(mögliche) HCM 3,1 %

Commotio cordis 3,0%

Myokarditis 2,2% andere (kardial) 1,9% ARVC 1,6% lonenkanalerkr. 1,3% Mitralklappenprolaps 1,3% Myokardbrücke 1,2% Koronare Herzkrankheit 1,2% Aortendissektion 1,0% Aortenstenose 0,9% Dilatative Kardiomyopathie 0,8% WPW Syndrom 0,6%

Abb. i:

U rsachen des p lö tz lic h e n H erztodes bei ju n g e n S p o rtle rn {a d a p tie rt nach [9]).

ten «Hobby- und Amateursportlern» in Frankreich, konnte gezeigt werden, dass mehr als 90% der sport-assoziierten Herztodesfälle sogenannte «Freizeitund Hobbysportler» betreffen [13]. Evidenzbasiert lässt sich festhalten, dass das Risiko für einen plötzlichen Herztod im Sport zusätzlich bei älteren Sport­ lern erhöht ist, bei Männern oder bei schwarzen Sportlern afrikanischer Ab­ stammung [9-16]. Doch ist der Begriff des «Sport-Para­ dox» tatsächlich korrekt? Eigentlich nicht, denn per definitionem versteht man unter einem «Paradox» etwas, was einen (scheinbar) unauflöslichen Wi­ derspruch in sich enthält. Dies trifft also keineswegs auf die Interaktion zwischen Sport und Herz zu.

D ie P r ä v e n tio n d e s p l ö t z ­ lic h e n H e r z to d s im S p o r t

Das Kerngebiet der Sportkardiologie liegt, wie erwähnt, in der Prävention des plötzlichen Herztods bzw. in der Aufga­ be, das sogenannte «Sport-Paradoxon» zu widerlegen. Und so gilt, dass das zweifelsohne wäh­ rend und direkt nach einer sportlichen

Tätigkeit erhöhte Risiko für ein fatales kardiales Ereignis, aufgrund der insge­ samt positiven präventiven Effekte des regelmässigen Trainings nur dann tole­ riert werden darf, falls bei der Sportlerin/dem Sportler eine relevante kardia­ le Grunderkrankung mittels Screening ausgeschlossen werden konnte. Entscheidend bei der Festlegung der Screening-Strategie ist die Frage nach den Ursachen für einen plötzlichen Herzstillstand. Es ist in diesem Zusam­ menhang sinnvoll, jüngere von älteren Sportlern zu unterscheiden. Während bei jüngeren Sportlern, im Alter bis zu 30-35 Jahren, eine angeborene Herz­ erkrankung (z.B. Kardiomyopathien, Koronaranomalien, eine Erregungslei­ tungsstörung oder eine Bindegewebs­ schwäche) zugrundeliegt (Abb. 1), ist bei älteren Sportlern (>30-35 Jahre) in mehr als 80% der Fälle eine koronare Herzkrankheit (KHK) bzw. ein Herz­ infarkt für den plötzlichen Herztod im Sport verantwortlich [6-9,16]. Es liegt auf der Hand, dass sich die De­ tektion einer klinisch meist asymptoma­ tischen koronaren Herzkrankheit beim sogenannt «älteren» Sportler ungleich schwieriger darstellt als die Suche von angeborenen Erkrankungen bei «jün­

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geren» Sportlern [16-18]. Die Sensitivität eines Ruhe-EKG in der Primär­ diagnostik von angeborenen kardialen Erkrankungen ist ausgezeichnet: Über 90% der Athleten mit einer hypertro­ phen Kardiomyopathie, der häufigsten zugrundeliegenden, fatalen Erkrankung bei jungen Sportlern zeigen pathognomonische Veränderungen im RuheEKG [6,7,19,27]. Eine ebenfalls gute Sensitivität besteht in der Diagnostik der arrhythmogenen rechtsventrikulä­ ren Kardiopathie [20] und bei primä­ ren Reizleitungsstörungen, die bis zu 10% der Todesfälle bei jungen Athleten bedingen [8,9,12,15,21]. Ergänzt durch eine fokussierte Risiko-Anamnese (ori­ entiert an den sogenannten «Lausanne Recommendations» des Internationa­ len Olympischen Komitees [IOC]) und einen kardialen Status (inklusive Herz-/ Lungenauskultation, bilateraler Blut­ druckmessung und Beurteilung einer allfälligen Bindegewebserkrankung (z.B. anhand der Ghent-Kriterien zur Dia­ gnose eines Marfan-Syndroms; [22]) bildet das Ruhe-EKG die entscheidende Basisuntersuchung bei jungen kompeti­ tiven Sportlern (Abb. 2) [21,27]. In Itali­ en, wo die Vorsorgeuntersuchung für alle jungen kompetitiven Sportler seit Jahr­ zehnten sogar gesetzlich vorgeschrieben ist, konnte mit diesem Konzept eine Re­ duktion des Risikos für einen sport-as­ soziierten plötzlichen Herztod um 89% erreicht werden [6,7,27]. So gilt eine ab dem 12. bis 14. Lebensjahr begonnene und alle ein bis zwei Jahre wiederhol­ te Screeninguntersuchung bei jungen kompetitiven Sportlern heutzutage als Standard und wird in dieser Form neben dem IOC unter anderem auch von der European Society of Cardiology (ESC) und dem Weltfussballverband (FIFA) empfohlen [21,26,28] (Abb. 2). Der adäquaten Interpretation des 12-Ableitungs-EKG kommt die entscheidende Rolle in diesem erfolgreichen Konzept zu: Eine vor allem aufgrund trainings­ assoziierter, aber physiologischer EKGVeränderungen monierte Spezifitäts­ minderung der Untersuchung führte

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M in i-R e v ie w

Sportlich aktive Personen 1 2 - 3 0 Jahre

____________

£

_________________

Basis-Screening Anamnese, klinische Untersuchung, Ruhe-EKG

Sporttauqlichkeit Individuelle Trainingsempfehlung

Weiterführende Diagnostik angezeigt

Abb. 2: S cree ningko nze pt bei jü n g e re n S p o rtle rn (< 30-35 Jahre).

Tab. 1 : E K G -B efunde,die in den m e is te n Fällen als N o rm v a ria n te bei S p o rtle rn in te rp re tie rt w e rd e n können. Die fo lg e n d e n « tra in in g s b e d in g te n » EKG -Veränderungen entsprech en ph ysiologischen A d a p ta tio n e n an ein regelm ässiges T ra in in g und w e rd e n als N o rm v a ria n te n bei S p o rtle rn in te rp re tie rt. Sie b e n ö tig e n keine w e ite re n A b k lä ru n g e n bei a s y m p to m a tis c h e n und klinisch u n a u ffä llig e n In d iv id u e n : 1.

S inusb radyka rdie (2 3 0 /m in )

2. S in u s a rrh y th m ie 3. E ktoper a tria le r R h yth m us 4. J u n k tio n a le r «escape»-R hythm us 5. AV-Block I (PR In te rv a ll >200 ms) 6. AV-Block II (Typ M o b itz I bzw. W enckebach) 7.

In k o m p le tte r R echtsschenkelblock

8. Iso lie rte ORS «h ig h vo lta g e » K rite rie n (fü r lin k s v e n trik u lä re H y p e rtro p h ie ) • A usn ah m e sind ORS «hig h v o lta g e » -K rite rie n in A ssoziatio n m it w e ite re n EKG -Kriterien fü r lin k s v e n trik u lä re H y p e rtro p h ie (z.B. p s in is tro -a tria le , Linksachsen-D eviation, ST-Sen­ k u n g ,T -N e g a tiv ie ru n g e n o d e r O-Zacken). 9. Early re p o la ris a tio n (ST-elevation, J -p o in t ele va tio n , J-waves, o d e r te rm in a le s ORS « slu rrin g» ) 10. Konvexe («dom ed») ST-Hebung in K o m b in a tio n m it T -N e g a tiv ie ru n g e n in V 1-V 4 (bei schw arzen A th le te n )

Tab. 2 : E K G -B efunde,die s u g g e s tiv f ü r eine K a rd io m y o p a th ie sind. Diese EKG-Befunde sind n ic h t du rch ein regelm ässiges T rain ing , im Sinne e in e r p h y s io lo g i­ schen A d a p ta tio n zu erklären . Sie sug ge riere n eine K a rd io p a th ie und im p liz ie re n w e ite re A b klä ru n g e n : • T -N e g a tiv ie ru n g e n >1 m m tie f, in m in d e s te n s zw e i A b le itu n g e n in V 2 -V 6 , II un d aVF od er I un d aVL (n ic h t p a th o lo g is c h in III, aVR und V I) • ST-Senkung >0,5 m m in m in d e s te n s zw e i A b le itu n g e n • P athologische O-Zacken, >3 m m t ie f u n d /o d e r >40 m s la n g in m in d e ste n s zw e i A b le itu n g e n (ausser III und aVR) • K o m p le tte r Linksschenkelblock • U n spe zifische r S chenkelblock von 2140 ms D auer • Linksa chsen -A bw eich un g, ü b e rd re h te r Linkslage-Typ (-3 0 ° b is -9 0 ° ) • p s in is tro -a tria le (p-W ellen B reite >120 m s in A b le itu n g I o d e r II m it e in e m ne g a tive n A n te il von >1 m m Tiefe und > 40 ms B reite in A b le itu n g VI) • R echtsven trikulä re H y p e rtro p h ie (R-V1+ S-V5> 10,5 m m u n d R e chtsachsen-A bw eichung von >120°) • V e n trik u lä re E xtrasystolen (VES),falls 22 VES pro 10 sek • V e n trik u lä re A rrh y th m ie n , w ie C o u p le ts,T rip le ts un d K a m m e rta c h yka rd ie n

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mitunter dazu, dass viele, v. a. nordame­ rikanische Expertengremien von einem EKG im Basisscreening junger Sportler absahen [29,30]. Damit können wohl viele «falsch-positiv» befundete EKG vermieden werden, die Sensitivität des Screenings wird jedoch ohne Integrati­ on des EKG massiv reduziert, was letzt­ endlich inakzeptal ist. Die von einem internationalen Expertengremium, das erfreulicherweise auch viele Amerikani­ sche Spezialisten integrierte, entwickel­ ten «Seattle Recommendations» sind die zur Zeit aktuellsten und wohl akkura­ testen EKG-Interpretations-Richtlinien [25,31-33]. Diese ermöglichen eine Differenzierung zwischen gutartigen und nicht weiter abklärungsbedürftigen, durch regelmässiges Training bedingten EKG-Befunden (Tab. 1) und pathologi­ schen, strukturelle (Tab. 2) oder primär elektrische (Tab. 3) Kardiopathien sug­ gerierenden Veränderungen [25,31-33 ]. Die Schwachstellen des Screeningkon­ zepts sind bekannt: Koronaranomalien, die je nach statistischer Erfassung eine nicht unwichtige Rolle spielen, sind praktisch nie durch EKG-Veränderun­ gen zu erkennen und suggestive Warn­ symptome treten nur selten auf [9,34], Dasselbe gilt für eine potenziell fatale Myokarditis, die natürlich auch primär «normale» Herzen betreffen kann. Auch wenn bezüglich Inzidenz und Prognose der Erkrankung kaum verlässliche Da­ ten bestehen, sollte während und einige Zeit nach febrilen Infekten eine genü­ gend lange Sportpause eingelegt werden, um Affektionen des Herzmuskels zu ver­ meiden [35,36]. Zu guter Letzt betrifft auch eine sogenannte Commotio cordis, die durch ein stumpfes Thoraxtrauma in der vulnerablen Repolarisationsphase zu spontanem Kammerflimmern führen kann, gesunde Sportlerherzen und kann weder durch das klassische Screening noch durch Anpassungen der Sport­ regeln oder der Ausrüstung/Protektion vermieden werden [9]. Diese wenigen Beispiele machen klar, dass die Fälle von plötzlichem Herzstill­ stand im Sport, trotz optimalem Scree-

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Tab. 3: EKG Befunde, die eine prim är elektrische Kardiopathie suggerieren. Diese EKG Befunde sind nicht durch ein regelmässiges Training, im Sinne einer physiologischen Adaptation zu erklären. Sie suggerieren eine Kardiopathie und im plizieren weitere Abklärungen: • Ventrikuläre Prä-Exzitation m it einem PR-Intervall von 120 ms) • Langes OT-Intervall* (OTc 5470 ms bei Männern, OTc 5480 ms bei Frauen; generell bei OTc 5500 ms («markante» OT-Verlängerung)) • Kurzes OT-Intervall (OTc 90% der kardialen Todesfälle bei jungen Sportlern verhindert werden. • Bei älteren Sportlern gestaltet sich das Screening komplexer und weniger effektiv. Ein zusätzlicher Belastungstest ist ange­ zeigt, wenn das nach etablierten Risiko-Scores berechnete kardiovaskuläre Risiko mittel- oder schwergradig erhöht ist. • Letztendlich werden fatale kardiale Ereignisse im Sport niemals vollständig verhindert werden können. Umso wichtiger sind deshalb Faktoren der kardiopulmonalen Reanimation im Falle eines Herzstillstands. Dabei besonders hervorzuheben ist die flächendeckende Verfügbarkeit eines automatischen externen Defibrillators (ARD).

L e rn fra g e n

1. Welche Behauptung ist korrekt? (Einfachauswahl, 1 richtige Antwort) a) Die Inzidenz des Sport-assoziierten plötzlichen Herztods wird unterschätzt, weil viele Erhebungen einer massiven «Mess-Bias» unterliegen und fatale kardiale Ereignisse bei sogenannten «Hobby-Sportlern» häufig nicht erfasst werden. b) Studien bei nordamerikanischen College- und High School-Sportlern zeigten, dass im Falle eines plötzlichen Herzstill­ stands, der Einsatz eines automatischen externen Defibrillators (AED) zu Überlebensraten von über 90% führte. c) In Italien, wo das kardiale Screening bei jungen Sportlern sogar gesetzlich vorgeschrieben ist, führte dieses seit seiner Einführung zu einer Reduktion des Risikos für einen sport-assoziierten plötzlichen Herztod um etwa 50%. d) Bei unter 45-jährigen Sportlern, die einen plötzlichen Herztod erleiden, liegt in den allermeisten Fällen eine angebore­ ne bzw. genetisch bedingte Kardiopathie zugrunde (Kardiomyopathien, Reizleitungsstörungen). 2. Wie viele Prozent der über 1000 kompetitiv Sport treibenden, vor kurzem befragten Personen in der Schweiz gaben an, sich jemals zuvor einer sportkardiologischen Vorsorgeuntersuchung unterzogen zu haben? (Einfachauswahl, 1 richtige Ant­ wort) a) 20% b) 9% c) 2% d) 34% 3. Welche Behauptung ist falsch? (Einfachauswahl, 1 richtige Antwort) a) Ein französische Erhebung zeigte, dass über 90% der sport-assoziierten Todesfälle sogenannte «Freizeit- und HobbySportler» betreffen. b) Regelmässiges körperliches Training kann einen positiven Einfluss auf gewisse Tumorerkrankungen (z.B. das Colon Karzinom) haben. c) Bei ambitionierten Ausdauersportlern (z.B. Langläufer, Strassenradfahrer) treten AV-Reentry Tachykardien signifikant häufiger auf, als in einem vergleichbaren Kollektiv von Nicht-Sportlern. d) Über 90% der Sportler mit einer zugrundeliegenden hypertrophen Kardiomyopathie zeigen pathologische Verände­ rungen im Ruhe-EKG.

prägte - «Alle Dinge sind Gift und nichts ist ohne Gift, allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift sei» - bezog er sich nicht primär auf das richtige bzw. «nicht-toxische» Ausmass an körper­

lichem Training. Trotzdem lassen sich seine Beobachtungen zu medikamen­ tösen Wirkstoffen problemlos auf diese Thematik projizieren. Obwohl mittler­ weile viele Studien das Mindestmass an

gesundheitswirksamem Sport belegen, besteht weiterhin Unklarheit bezüglich der Obergrenze von «noch gesundem» körperlichem Training [1,2]. Wird re­ gelmässig, primär ausdauerbasierter

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Sport betrieben, kommt es zur physiolo­ gischen Adaptation des Herzens, das als Konsequenz gemeinhin als «Sportherz» bezeichnet wird. Diese Veränderungen sind bei Sportkarenz regredient und in der Regel völlig benigne, auch wenn die Veränderungen die Interpretation der elektrokardiographischen und auch echokardiographischen Befunde durch­ aus erschweren können [1,2]. Doch gibt es auch eine «pathologische» Variante dieses Sportherzens, das zu re­ levanten gesundheitlichen Konsequen­ zen führen kann? In diesem Zusam­ menhang sicher eindrücklich belegt, ist die erhöhte Prävalenz von Vorhofflim­ mern bei älteren Sportlern, die über längere Zeit intensiven Ausdauersport betrieben (z.B. Strassenradfahrer oder Langläufer) [52,53]. Die dabei zugrun­ deliegenden pathophysiologischen und morphologischen Ursachen sind viel­ seitig (u.a. inflammatorische Reize, Fi­ brose und Dilatation der Herzkavitäten [52,53]. Eine weitere «vulnerable» Struktur, die zur Manifestation eines «pathologi­ schen» Sportherzens führen kann, ist der rechte Ventrikel. So konnte die Gruppe um La Gerche et al. eindrücklich de­ monstrieren, dass es im Rahmen von intensiven Ausdauerbelastungen bei ge­ wissen Sportlern zu einer signifikanten Dilatation und Funktionseinschränkung des rechten Ventrikels kommen kann, die vereinzelt auch noch über mehre­ re Wochen und Monate anhält [54]. In diesem Zusammenhang von einer «er­ worbenen rechtsventrikulären arrhythmogenen Kardiopathie» zu sprechen, ist aufgrund der noch unvollständigen Da­ ten aber sicher verfrüht. Letztendlich bleibt die entscheidende Frage nach dem idealen Mass an körper­ lichem Training weiterhin unbeantwor­ tet. Doch früher oder später wird dies möglich sein - dank individuell massgeschneiderter Empfehlungen, basierend auf bereits etablierten aber auch neuen diagnostischen Möglichkeiten wie etwa bildgebenden Verfahren und neuen ge­ netischen Ansätzen.

M in i-R e v ie w

A bstract As a sub-speciality, Sports Cardiology focuses on sport and physical training interacting with cardiac issues. Particu­ larly, Sports Cardiology deals with the so-called “Sports Paradox”, which im­ plicates the fact the on one side regular physical training leads to a multitude of relevant health benefits. But on the other hand, exercise can also be a trig­ ger for sudden cardiac death, particu­ larly in case of an underlying cardiac disease. However, health benefits by regular training outweigh potential risks by far, but only if an adequate car­ diac screening and individual recom­ mendations for sports participation have been provided. This review highlights various aspects of Sports Cardiology like strategies to prevent sudden cardiac death in sports and training recommendations in pa­ tients with an underlying cardiovascu­ lar disease. Key words: Sports Cardiology - sud­ den cardiac death - paradox of sport - cardiac screening

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cardiologie du sport comme Strategie pour prevenir le mort subite en sport et les recommandations d'entrainement pour les patients ayant une maladie cardiaque sous-jacente. Mots-cles: cardiologie du sport - mort subite - paradoxe du sport - examens de depistage K o rrespondenzadresse

Dr. med. Christian Schmied Leiter Kardiologisches Ambulatorium und Sportkardiologie Universitäres Herzzentrum Zürich Klinik fü r Kardiologie Rämistrasse 100 8091 Zürich [email protected] Interessenskonflikt: Der A utor erklärt, dass kein Interessenskonflikt besteht. M anuskript eingereicht: 5.4.2014, revidierte Fassung agenommen: 6.5.2014.

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Resume

dations fo r physical activity programs for

Comme speciality, la cardiologie du sport focalise sur l'interaction du sport et de l'entrainement avec des sujets cardiaques. En particulier, la cardiolo­ gie du sport s'occupe du paradoxe du sport, lequel definit le fait qu'un entrainement regulier offre de nombreux benefices sur le plan de la sante, mais que d'un autre cote il peut aussi provoquer une mort subite, ceci en par­ ticulier lorsqu'il existe une pathologie cardiaque sous-jacente. Malgre cela, le benefice sur la sante exede largement ces risques, mais ceci’il si des examens de depistage adequats sont effectues et si des recommandations individuelles concernant la participation au sport sont prodiguees. Cette revue systematique discute differents aspects de la speciality de la

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[Sports cardiology - a general practice oriented update].

Comme spécialité, la cardiologie du sport focalise sur l'interaction du sport et de l'entrainement avec des sujets cardiaques. En particulier, la card...
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