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Das spontane spinale epidurale Hämatom F. S cheil. U. Larkam p, U. Mutharoglu tt) Neurochirurgische Univ.cKlinik der Christian-Albrechts Universität Kiel

Zusammenfassung

Spontan eous spinal epidural

Das erstma lig von Blauby 1808 besc hriebene spinale epidurale Hämatom ist se lten Ursac he einer spinalen Raum for derung.ln den letzten 18 J ah ren beobachteten wir 7 Patienten im Alter von 16 bis 75 J ahren . In jeweils 3 Fä llen konnte keine Blutu ngsu rsa che nachgewiesen werden bzw . handelte es sich um Blutungen unter Antikoagulantien-Einnahme . Bei eine r Patientin konnte ein Hämangiom nachgewi es en werden . 3 Hämatome waren im Bereich der Brustwirb elsäule, 2 im Bereich der Lendenwir belsäule lokali siert. Der ce rvico-thoraca!e Übe rga ngs be re ich sowie die Halswir belsäul e wa ren in je einem Fall betroffen. Alle Patienten wurden operiert, wobei es in 5 Fällen zu einer guten bz w. vollständigen Rückb ildung der Beschwerd en un d neuro logische n Störu ngen kam. Bei 1 Pat ient en blieben tr otz erheblicher Besserung deu tliche ne urologische Aus fälle zurück. Nach zun äch st erfolgte r Besserung vers ta r b 1 Patient an den Folgen ein er 3 Monate später erlittenen Lungen embolie. Besch reibun g der Fälle, Literat urüb er sicht.

Spon taneous epidural hematom a is seldom the cause of spinal cord compress ion. It was describ ed for the first time by Blaub y in 180 8. We obse rved 7 pati ents from the age 16 up to 75 in the la st 18 years . In 3 cases bleeding was caus ed by anticoagulant agents, In anot her 3 cases the cause of hemorrhag e could not be pro ved. One patient suITered fro m bleeding by rupture of a spinal extradural hemangioma. Localisa tion was thoracic vertebral column in 3 cases and the lumb ar verte bra l column in 2 cases. In anothe r 2 cases the level of the lesion was the cervical and cerv ica l-tho racic region . All pati ent s were ope rated on . 5 pati ents ha d an almost com plet e regression of the symptoms a nd neuro logical signs, on e pat ient st ill h ad seve re n eurologica l defects. Ano ther pati ent who had und ergon e dialysis for yea rs before bleed ing imp roved as weil, bu t died three mont hs later of embolism. Case reports, and a review of the literature are presented. Key-Words Spina l epidura l hematoma , spontaneous , spinal cord compression

Die erste Besc hreibung eines spinalen epiduralen Hämatoms erfolgte du rch Blauby im Ja hre 1808 (zitiert bei Pendl et al., 1971). 1869 wurde diese Diag nose nach der Mitteilun g von Jackson (1869) von Sir William Jenn er bei einem 14jährigen Mädchen geste llt. Erste zu samm enfassend e Arbeiten über dieses seltene Krankheitsbild erfolgte n durch Levy (1964) un d Markham (1967) sowie spä ter du rch Jelli nger (1972) und Piotrowski (1979) .

In der Neurochir urgische n Klini k Kiel sind in dem Zeitraum von 1972 bis Mai 1990 7 Pati ent en aufgrund eines spontanen spinalen epiduralen Hämatom s behandelt wo rde n .

Neurochirurgia 33 (1990) 45 - 49 (Supplement I) © Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Fallberichte Fall 1: 62jährige Patientin, die nach einer Beinvenenthrombose se it 2 Jahren mit Marcum ar behand elt wurde . 2 Tage vor der statio nären Aufnahme habe die Patienti n wä hrend gymnastischer Übungen einen .Knacks" im Rücken verspürt, kurze Zeit danach habe s ie beide Beine nicht mehr bewe gen können. Bei anhaltend bestehenden Rückenschmerzen im Bereich der mittleren und unteren Brustw irbelsäule lage n be i Aufnahme neurologisch eine Areflexie und schlaffe Pa raparese der Beine mit sens iblen Störungen distal des Dermatoms TB 12 beid seits vor. Weiter hin bestand eine Überlaufblase . Nach med ikame ntöse r Nor mallsierung der Gerinnungs paramete r fand s ich myelographisch ein inkompletter Kontrastmittelstopp in Höhe BW 7 bis BW 9 . Bei nur verzögert durchgängigem Queckenstedt -Ver such betrug der Liquor-Eiweißgehalt 225 mg%. Nach der am gleiche n Tag durchge führten Lamlnektomie fand sich ein etwa 3- 4 mrn dickes manschette nfö rmiges epidurales Hämatom . Postoperativ kam es zu einer guten Rückbildung der neurologischen Störunge n und die Patlentln war ohne Hilfe gehfähig.

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hematoma:

Neurochirurgi a 33 (1990) Fa ll 2: -t6jäh riger Patient, der 4 Jahre zuvor aufgrund eines malign en Hypertonus beidseitig nephrektomiert worden war und se itdem fortl aufend häm odi alvsi ert wurde. Während eines Dialysevorganges vers pürte der Pati ent eine n ak ut en a bdo m inellen Schmerz. de m wen ig s päte r heftige Kreuzs chm erz en mit Ausstrahlung in beid e Bein e folgten . Bei Aufn ahme 3 Stunden na ch Einse tzen der in itialen Sym pt ome bestanden eine Areflexie und sc hlaffe Paraplegie der Bein e sow ie sensible Störungen distal des Derm atom s TH 10 beidseits . Nach umgehend durchgeführter medikame ntöser Normalisierung der Gerinnungsparamet er er brach te die lumbale Myelographie einen Kontrastmittel-Totalstop p in Höhe BW 12, eine zusätzlich von suhoccipital er folgte Kon trastmitte lunte rs uch ung ergab eine n Totalstopp in Höh e BW 7. Bei klar em Liquor und unauffällige m Eiwe iß befund wa r der Quecken stedtVers uch nich t durch gän gig. Intraoperativ fand s ich ein etwa 5-6 mm dickes, do rsal gelegenes und te ilweise d ie Dura man sch ettenförmig um greifen des e pidur ales Hämato m. Posto pe ra tiv trat eine rasche Rückbild ung de r Stö rungen ein und der Patient wurde wied er gehfähig. Leider kam es im we ite ren Ver lau f na ch 3 Monaten zu eine r Lun gen embolie. an der der Pat ient verstarb. Fall 3 : 16jähriger aktiver Sportl er und Leistungs-

schwimmer. der sich 12 Ta ge vor der Aufnahme vorübergeh end ..bewe gu ngsunfähig" fühlte und bei dem nach zwe i weiteren Tagen Kr ibbelmi ßempfindungen und Schmerz en in der recht en Schulter und dem rechten Oberarm a uftrate n. In den darauffolgenden Tagen kam es zu zune hmenden Pares en . 1 Tag vor der Aufn ahme wa r de r Patient nic ht meh r gehfäh ig. Bei Aufn ahme bes tanden neu rologisch eine bei n betonte Tet rap arese m it gesteigerten Muskeleigenreflexen un d bei dseits auslösbare m Babinski-Phänomen . Weiterhin lagen grobe Fas cikulatio nen an be iden Oberschenkeln, se ns ible Störu nge n distal des Dermatoms TH 3 bei dseits un d ein Ha rn verhalten (seit dem Aufnahmetagt vor. Aufgrund der gro be n Fasci kulationen wur de die lumbale Myelographie in Allgeme in na rkose du rchgefüh rt. Hierbei zeigte s ich ein Kontrastm ittel-Totalstopp in Höh e BW 2, nach zusätzlicher suboc cipitaler Kon trastmitt eleinfüllung konnte als ob ere Begrenzun g des Kont rast mittelstopps die Höhe HW 7 nachgewiesen werd en . Bei klarem . ab er xa nthoc hro men Liquo r war der Queckenstedt-Versuch nicht durchgängig. Während der myelogra phlsch en Unte rsuchu ng ka m es zur Ausbildung eines Horner-Syndroms rechts . Nach Lam inektomie im betr offen en Bereich konnte ein bereits teilw eis e a bge ka pse ltes. vorwie gen d dorsol ateral rechts gelegen es . epidura les Häm at om entfernt we rde n . Ein Hinweis auf eine Blutun gsursache erga b sich intraop erativ nicht. Post op erati v kam es zu eine r rasch en Rückbildung der neu rologisch en Stö runge n, der Pati ent wu rd e spät er wieder a ktives Mitglied der Mannsch aft im Leistungsschwimmen. Fall 4: 75jä hr iger Pa tient. bei dem seit 6 Wochen zune hmende Rücken sch merzen und 3 Wochen vor der stat ionä re n Aufna h me Pa rästh esien in beide n Gesäßhälften un d im lin ken Obersc he nke l a ufgetr eten waren. Bei Aufnah me bestan den neurologisch eine Quadricep sp arese beidseits. eine Vorfuß - und Großze henheberparese recht s, eine Großze henhebe rparese links und an sensible n Stö runge n eine Hypästh es ie und Hypalges ie in den Dermatomen L 5 und S 1 beidseits. Der PSR un d ASRwa ren bei de rseits nicht a uslösbar. Blasen-Mastd a r m-Störu ngen lagen nicht vcr. Myelograph is ch zei gte sich ein Kontrastmittelstopp in Höhe LW 3/ 4. Der Liquor -Eiweißgehalt betrug 108 mg %. Intraoperativ fan d sich ein abgekapseltes und bereits organis iert es e pidurales Hämatom. Postop erati v kam es zu eine r vollstä ndige n Rückbildung der sen sibien und mot or isch en Störungen . ledig lich der PSR· und ASR.verlust beidseits bestanden weiterhin . Fall 5 : 58jähriger Patient. der nach eine m Myoca rd- ln far kt seit 2 Jahren m it Ma rcum ar behan delt wurde. Etwa 10 Tage vor der Aufna hm e trat en bei dem Patient en akut einsetzende heftige Nackenschme rze n mit Ausstr ahlung zu r rechten Schu lter auf. Wen ige Stunden sp äter kam es zu einer zunehm enden Hem iparese rechts. Nach pr imäre r Aufnah me in eine r nicht neu rochirurgis che n Klinik wu rde zu nächs t ei ne craniale Com put ertomog ra -

F. Scheit. U. Larkamp. U. Mut harogJu tt )

phie veranlaßt. die ab er kein e Hinw eise aufdie vermutet e lntracranielle Blutung oder Durchblutungsstörung erbr achte . Unte r konserv at iver Beh andlung verschlechterte s ich der klin isch e Zustand nac h eine r weiteren Woch e dah ingeh end. daß nunmehr a uc h eine zu nehme nde Pares e des linke n Armes und Beines a uftra t, die zur Verl egung in eine neu rologische Klinik führte. Die d ort umg eh end durchg eführte myelograph isch e Unte rs uchung zeigte eine n Kontr astm ittelstopp in Höhe HW 6/7 . Nach sofo rt iger Verlegung in di e Neurochirurgische Klinik Kiel besta nd en zum Aufnahm ezeitpunkt eine re chtsbetonte sc hlaffe Tet rap a rese und nach caudal zu neh mend e. ebenfalls rechtsbet ont e sensible Störunge n distal des Der ma toms TII 1. Weiterhin bestanden ein inkompletles Hom er-Syndrom recht s sow ie ein Harnverhalt en . Nach wie vor lag eine sta r ke schmerzha fte Bewegun gseinschränkung der Halswirbelsäu le vor . Eine präo perati v no ch durch gefüh rte com putertomographisc he Unte rsuchung erbrachte ke ine zus ätz lichen Inform ati on en . Int r aoperativ fand sich nach Laminekt omi e von HW 3 bis HW 7 ein dorsolateral rechts gelege nes. in Organisation begriffen es e pidurales Häm atom. Postoperativ kam es im Bereich der link en Körperseite zu eine r nah ezu vollständigen Rückbildung der motoris chen un d sensiblen Störungen. Im Bereich der rechten Körp erseite blieben jedoc h schwere neu rologis che Störu ngen m it einer Plegie des rechten Beines zu r ück. Fall 6 : 71jähriger Pati ent m it chro nisch en lumba len Beschw erd en . 2 Monate vor der Aufnahme waren erstmals Ischialgien links und im weiteren Verlauf radiculäre Störungen für die Nerve nwurze l L 5 links aufg etreten . Bei Aufnahm e bestand eine starke lumbale Bewegu ngsstöru ng mit einem paravertebralen Druckschm erz in Höhe LW 4/ 5 links . Neu rologisch fan den sic h eine PSR-Abschw ächung und ein TPft-Verlust links sowie eine Quad riceps - und Vorfuß- bzw . Großzehe n he berparese link s. An sensible n Stör ungen lage n eine Hypästh es ie un d Hypalg esie im Dermatom L 5 links vor. Die lumbale Myelog raphie zeigte eine gr oßbogige im pr ession des Kontrastmittelb andes links lat eral in Höhe LW 4 und LW 5 mit fehlende r Darst ellun g der Wurzeltasche L 5 und Abbr uch der Wur zeltasch e L 4 lin ks (Abbild ung 11. Im Myelo-Cf fand sic h korr espond ier end dazu eine later al gelege ne weic hte ild ichte spinale Raumfo rd erungin flöhe LW 4 und LW 5 (Abbil dung 2). Intraop erativ konnte dann ein orga nisie rtes epidurales Hämatom entfern t werden . eine Blutun gsursache wa r nich t na chzuweisen . Bereits bis zum Verl egun gszeitpunkt 14 Tage nach erfolgter Operation kam es zu eine r weit gehend vollstä ndigen Rückbildung der motor isch en und se nsiblen Störungen . Abb. l LumbaleMyelographie:Großbcr gigeImpression desKontrastmittelbandeslinks lateralin Höhe LW4 und LW5 (F.1I 6)

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Das spon tan e spinale epidurale Hämatom



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giom in Höhe BW 9/10 rechts . Postope rativ zeigte sich eine rasc h einsetzende Rückbildung der Quers chnittssymptomatik. 14 Tage nach der Operation war die Patientin bereits wied er alleine gehfähig, es bestanden lediglich noch leich te Sensibilitä tsstörungen.

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Diskussion

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Abb.2 l umbale Myelo-CT: Weichteildichte spina leRaumforderung linksin Höhe LW 4 und LW5 (Fall 6)

Fall 7: 37jährige Patientin, die bis auf einen Morbus Crohn kein e wesentlichen Vorerk ra nkungen aufw ies. Beim Früh stück verspürte die Pattentin akut einsetzende heftige Schm erzen im Bereich der unteren Brustwirbelsäule. die mit starkem Schweißausbr uch und einer Hypervent ilationstetani e ein hergi ngen. Durch den Hau sa rzt wurde die Patlentln unter dem Verdacht auf eine Nierenkolik zunächst in eine interne Klinik eingewie se n und von dort nach zwischenze itlich au fgetrete ner pr ogredienter Quersch nitts sym ptomatik in die Neurochirurgische Klinik Kiel verlegt. Bei Aufnahm e bestanden ein e Areflexie und schlaffe Paraplegie der Beine sowie eine vollständ ige Aufhebun g aller sensibler Qualitäte n distal des Dermatoms Tl l l 0 beidse its. Lokal imponierte ein heftiger Mittellinie ndruckschmerz in Höhe BW 9 bis BW 11. Myelographisch zeigte sich ein inkompletter Kontrastm ittelstopp in Höhe BW 10/ 11 (Abbildung 3). Der Queckenst edt -Versuch war nicht sicher durchgängig , der Liquor-Eiweißgehalt betrug 60 mg %. Die Operation erfolgte ca. 7 Stu nden nach Einsetzen der initialen Sympto me . Nac h La minektomie im ents p rec hende n Wirbe lsäulenbereich konnte da nn in Höhe BW 8 bis BW 11 ein ca . 8 mm dickes. dorsal gelege nes epid urales Hä matom entfernt werden. Zusätzlich fand sich als Blutungsursache ein h istologisch best ätigt es Häman-

Abb.3 Lumbe-thorakaleMyelographie: lnkompletter Kontrastmittel-StoppinHöhe BW 1O/l! (Fall 7)

Als Ursachen für nicht tra umatisc he spinale epidura le Hämatome werde n Blutgerinnungsstöru ngen (angeboren, erworben, medikam entös verursacht), ar teriovenöse Mißbildungen und Neoplasmen genannt (2, 7, 8,9, 12, 16,17,20,21 , 22,2 3,24,26.28 ). Bidzinski (1966) hat einen Fall bei Vorliegen einer Schwa ngerschaft (6. Monat) beschrieben. Flaschka (1982) berichtete über einen Fall bei lmmunvaskulitis und Jackson (1963) teilte einen Fall bei Vorliegen von Pertussis mit. In vielen Fällen konn te jedoc h weder durch diagnostische Verfah ren noch intra operativ die Blutungsursac he nachgew iesen werden (2. 10. 11, 12, 17. 20. 21, 22, 23. 24, 28). Jellinger (1972) und andere Autoren (2. 5, 11, 21, 23, 24) weisen für diese Fälle auf die Bedeutung von sogenannten .Bagatell-Traume n'' als Kofaktoren einer Blutungsursache hin. Markham et al. (1967) betonten, daß in diesen Fällen der akute Krankheitsbeginn zumeist während Routineverrichtungen des täglichen Lebens eintritt. Als weitere Kofaktoren werden unter anderem bestehender arte rieller Hypertonus (I , 17, 23). Arteriosklerose (I , 17) und chronischer Alkoholabusus genan nt (29). Bereits Kaplan und Denker (1949) erinne rten an die anatomisc hen Besonde rheiten des epidura len Venenplexus (Fehlen von Venenklappen, erhe bliche Strömungsänderungen bei Preßvorgängen). Der niedrige Druck im spinalen Epiduralra um würde zusätzlich begünstigend wirken. Levy und Klingler (1964) merken zusä tzlich an. daß bei einem plötzlichen Druckanstieg im Bereich der klappenlosen Venen und verminde rter Venenw andstärke diese Gefäße einreißen können . Die zuletzt genannten Autoren weisen in diesem Zusammenhang auf die Operateuren bekann te leichte Verletzlichkeit und Blutungsneigung des intraspi· nalen epiduralen Venen plexus hin. Unter Berücksichtigung des in der Regel akuten Kra nkheits beginns und der schne ll einsetzenden Ko mpress ionssymptomat ik des Rückenmarkes beschreiben Beatty und Winston (1984) eine weitere Möglichkeit. Sie weisen auf die kleinen , frei im lateral en Wirb elkanal verlaufenden ..Brückenarterien" hin, die gegenü ber mechanischen Beeinträc htigungen anfällig seien . Eine arterielle Blutungsursache würde den oftmals dram atischen Verlauf besser erklären. Der untere Halswirbelsäulenabschnitt sei ferner mechanisch besond ers beansprucht, degenera tive Veränderungen und die in diesem Bereich der HWS überwiegend vorkommen den cervicalen Bandscheibenvorfalle bestätigen dies. Zusammenfassend führen die meisten Autoren sponta ne spinale epidurale Hämatom e auf eine multifaktorielle Pathogenese zurück. Bei größe rer Wichtigkeit eines einzelnen Faktors müßte das Kra nkheitsbild sonst häufiger sein (5, 10,11 , 17,20). Bei den von uns beschri ebenen Fällen ist das männliche Gescblecht deutlich häufiger bet rolTen. Nach Zuccarello et al. (1980) und Gruszkiewicz et al. (1987) ist

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das Vorkom men beim m ännlich en Geschlecht doppelt so hoch wie bei Frauen . Andere Autoren geben zwar geringe re Unte rsc hiede in der Geschl echt sverteilun g an (3, 13, 17 ,20, 21), je doch ledi glich Flaschka (1982) sieht kein e sich er e Geschlechtspr äferenz. Ents prechend den Angaben in der Liter atur (17,20,21) lä ßt sich a uch bei un ser en Fällen eineAlte rsbevorzugung nicht erken ne n . Laut Gruszkiew icz et al. (19 87) und Ventureyra et a l. (19 79) kommt es unt erhalb des 16 . Lebensjahres allerdings nur äußerst selten zu diesem Krankheitsbild. Der Krankh eitsbeginn ist in der Regel akut und gekennze ichnet von eine m plöt zlich eintre tende n Rükkenschmerz, we lcher dann meistens in die Extremitäten ausstrahlt. Innerhalb kurzer Zeit treten motorische und se nsible Ausfalle auf und es kommt zu einer Harnverhaltung. Diese Symptome und der en Reihenfolge sind so typisch , daß Markh am et al. (1967) in ihrer zusa mmenfasse nden Arbeit von dem Syndrom des spontan en spinalen epiduralen Hämat om sprec he n, Auch in un ser en Fällen I , 2, 3, 5 und 7 ist ein solche r Erkrankungsb eginn zu beobacht en , wob ei im Fall 3 der Verlauf etwas protrahiert ist. Die Fälle 4 und 6 zeigen ein en völlig ander en Verlauf. Es handelt sich um Patienten mit einem chronischen spinalen epiduralen Hämatom. Nac h Boyd und Pear (1972) sowie Gruszieuiicz et al. (1987) kommen die chronische n Fä lle eines sponta ne n spinalen epiduralen Hämatoms äußerst selten vor. In beiden Fällen begann die Erkra nkung mit Rückenb eschwerden , spä te r traten rad ieul äre Symptome hinzu. Aufgr und dieser Beschwerden wurden beide Patienten zunächst unter dem Verdacht eine s lumbalen Bandscheiben vorfalles beh and elt. Bereits S oien et al. (19 50) wiese n daraufhin, daß die Symptom at ik ein es spina len epiduralen Häm atoms der eine s lumbalen Band scheibenvorfalls ähne ln kann . Spä te re Arb eiten mit weiteren Fällen bestätigten dies (4,1 2,13 ,21 , 23). Nach Entfernung de s Häm atom s ist die Prognose - wie in den beid en o. g. Fällen - gut. Nach Boy d und Pear (1972) ist die grö ßere Toleranzbreite der Ca uda equina gegenübe r Druckeinwirkungen eine mögliche Ursache für den wenig er dramatischen Verlauf und die gün stige Prognose. Pendl et al. (1971) betonen, daß sich im Gege nsatz zum lumbalen Band scheib en vorfall der Kontrastm itteldefekt im Myelogramm zumeist nicht in Höhe des Zwischenwirbelraumes befind et (siehe au ch Abb. I) . Weiterhin ä hne lt die Kontrastmitte laussp arung ehe r eine m latera l bzw . dor sal gelege ne n Tumor. Neben eine m Bandscheiben vorfall im lumbalen Ber eich werde n differentiald iagnostis ch in den höh eren Wirb elsäulenab schnitten vor allem akute sp ina le Durchblutung sstörungen (A. spinalis anterior-Syndrom) . Aorten-Aneurysma, Hämatomyelie, spinale Neoplasmen und Abszess e, Myelitis, Polyradi culitis und die spinale Sub a rachnoida lblutung genannt (I , 2, 6, 10 , 28), Der Fall 5 unserer Serie gibt Anlaß, dieser Aufzählung eine weitere Feh ldiagnosenmöglichk eit hin zuzufügen . Plötzlich auftretende Nackenschmerzen in Verbindung mit einer Halbseitenlähmung sowie anamnes tisch bekannte Antikoagulatieneinnahme haben hier zunächst zur Verdachtsdiagnose einer intrakraniellen Blutung bzw . eines Insultes geführt. Erst ca. 1 Woche spät er kam es zusätzlich zu einer zunehmenden Pares e auch der anderen Seite und zu einer Harnretention .

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Das möglich e Auftreten eines Horn er-Syndroms beim cervicalen spinalen epiduralen Hämatom wird selten beschrieben, in der von uns angegebenen Literatur findet sich nur bei Beatty und Winston (19 84) ein Fall. Wir konnten dieses Symptom bei beid en Patienten (Fälle 3 und 5) beobacht en , die im un ter en Cervical- bzw . dem cervicothoracalen Übe rga ngs be re ich erkrankt wa ren. In der Regel wird die klinische Verdachtsdiagnose mit eine r myelographisch en Unters uchung erhä rtet (17,20,21 ,23 ,24). Cube(1962) we ist in se ine r Arbe it auf die zus ätzli ch e Gefahr für das bereits beeinträchtigte MyeIon bei eine r Myelograp hie hin . Aus dies em Grunde hab e er auf diese Unte rsuchung ver zichtet, na ch den klinischen Befunden gehandelt und mit gutem Erfolg operi ert . Aufgrund der heutzutage benutzten Kontrastmittel mit gege nüber 1962 deutli ch geringerer Toxizität dürfte es sich hierbei zum jetzigen Zeitpunkt jedoch um eine Einzelmeinung handeln. Emery und Cochran e (1988) beri cht et en soga r üb er eine n Fall, bei dem es unt er eine r Myelographie mit öligem Kontrastmittel zu einer erheblichen Besserung der Schmerzen und der neurologischen Störungen kam. Die Autoren nehm en dafü r eine durch das Einbringe n des Kontrastmittels veru rsachte Druckentlastung des Myelons in Verbindung mit einer Verbess erung der Liquorzirculation an . Die myelographisch e Darstellung ergibt in der Regel ein en inkompletten oder total en Kontrastmittelstopp (sieh e auch Abbildung 3). Nur in Ausnahmefallen find et sich kein Hinweis auf eine intrasp inale Raumford erung(S adka, 1953) . In Mitteilungen au s neu er er Zeit (2, 9, 12 , 28) we rde n zune hmend a uch die Möglichke iten der compute rtomogra phisehen Unte rs uchung genutzt. Das Häm atom kann hierbei entweder direkt oder als Aussparungsfigur bei Untersuchung mit intrathekalem Kontrastmittel nachgewie sen werden (Abb , 2). Der Brustwirbels äulenbereich mit Übergang zur Lenden- bzw . Halswirbelsä ule ist am h äufigsten betroffen (6, 10, 12 , 17 , 21 , 30). Cervicale und lumbale Lokalisationen kommen seltener vor. Correa und Beasley (1978) teilen für de n cervicalen Ber eich einen Anteil von ca. 25 % mit. Vor der Myelographie entnommener Liquor ist in der Regel wasserkla r, mitunter xa nthochrorn. Im Falle einer weitergehenden Laboruntersuchun g kann meisten s ein erhöhter Liquoreiweißgehalt nachgewiesen werden, es gibt jedoch auch Mitteilungen mit norma lem Eiweißgehalt (10,17, 20,21 , 28). Bei 6 der 7 von uns beobachteten Fälle wurden in unser er Klinik Lumbalpunktionen durchgeführt. Der Liquor wa r grundsät zlich klar, in ein em Fall xanthochro m. Bei weite rge he nde r Laboruntersu chung in 4 Fällen wies der Liquoreiweiß geh alt Werte zwische n 60 und 225 mg % a uf. Die schnelle oper ati ve Entla stung ist für die weitere Prognose einer spontanen spinalen epiduralen Blutung entsc heidend (10, 12 , 19, 28, 29). Die von Lepoire et a l. (1961) geäußer te Ansicht , daß bei eine m Operationszeitpunkt von mehr als 30 Stunden nach Beginn der Blutung und Einsetzen der neurologisch en Symptomatik die Prognos e ungü nstig ist , trifft für eine Vielzah l der Fälle zu. Dennoch sind der Literatur auch Verläufe mit guter postoperativer Besserung nach spät erfolgter Operation zu ent-

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nehmen, teilweise sogar bis zur restitutio ad integrum (3, 6, 8. 23. 29). Fall 3 in unser em Krank engut ist ebenfalls ein Beispiel für eine gute Rückbildun g erheblicher neurologischer Störungen nach längerem pr äoper ativen Verlauf und spät erfolgter operativer Entlastung. Die günstige Prognose dürfte in diesem Fall auch auf den relativ protrahi erten Verlauf der neu rologischen Störungen zurückzuführen sein. Jellinqer (1972 ) sowie Levy und Klingler (1961)haben bei den aus der Literatur zusammengefaßten Fällen mit protrahiertem Verlauf und unvollständi ger Querschnittssymptomatik besser e Ergebnisse beobachtet als bei den rasant verlaufenden Fällen.

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Auch die Lo kalisation des Hämatoms soll die Prognose beeinflussen, am günstigsten seien die lumbalen Lokalisationen, am schlechtesten die cervica len zu bewerten (10. 20. 23). Zusammenfassend bleibt festzuh alten. daß jeder Patient mit der Verda chtsdiagnose einer spontanen spinalen epiduralen Blutun g umgehend in eine neurochirurgische Klinik überwiesen werden muß . Umgehende Laminektomie mit entlastender Hämatomentfernung nach schnell dur chzuführender Diagnostik ist unab hängig von der Ätiologie die einzige erfolgversprechende Thera pie.

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Dr. F. Scheil Obera rzt Neurochiru rgische Univ.-Klinik Weima rer Stra ße 8 D-2300 Kiel

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Neu roc hi rurgia 33 (1990)

Das spontane sp inale epidu rale Hämatom

[Spontaneous spinal epidural hematoma].

Spontaneous epidural hematoma is seldom the cause of spinal cord compression. It was described for the first time by Blauby in 1808. We observed 7 pat...
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