M. Schmidt: Das spontane perirenale Hümatom als Komplikation det chronischen Pyelonephritis

Fortschr. Röntgenstr. 122,2

Fortschr. Röntgenser. 122, 2 (1975) 112-115 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Das spontane perirenale Hämatom als Komplikation der chronischen Pyelonephritis

Spontaneous peri-renal haematoma as a complication of chronic pyelonephritis

Von M. Schmidt

Three cases with spontaneous peri-renal haematomas, a rare complication of chronic pyelonephritis, are described. The clinical features and diagnosis of this condition are discussed with reference to these cases and the literature is

3 Abbildungen Zentrales Strahieninstitut der Städt. Krankenanstalten Nürnberg (Vorstand: Dr. A. Jacob, Städt. Medizinaldirektor)

Es werden 3 Fälle von spontanem perirenalem Hämatom, einer seltenen Komplikation der chronischen Pyelonephritis, beschrieben. Anhand dieser Fälle und der Literatur wird insbesondere auf Klinik und die Möglichkeit der Diagnostik

reviewed.

(F. St.)

eingegangen. Das spontane perirenale Hämatom als Komplikation der chronischen Pyelonephritis ist ein relativ seltenes Ereignis im Gegensatz zum perirenalen Hämatom anderer Genese, insbesondere als Folge von Traumen. Erwartungsgemäß

daß diese Komplikation der chronischen Pyelonephritis gar nicht so selten zu sein scheint, wie die wenigen Mitteilungen im Schrifttum zunächst annehmen lassen.

findet man auch nur eine geringe Anzahl von Mitteilungen im Schrifttum (1,4). Klinisch tritt das spontane perirenale Hämatom mit sehr unterschiedlicher Symptomatik in Erscheinung. Beobachtet wurden das Bild des akuten Abdomens (4), hochf ebril septisches Krankheitsbild (eigener Fall), Makrohämatune (eigener Fall), Hypotonie (1) und intraabdominelle oder

Kasuistik

retroperitoneale Raumforderung (2, 3, eigener Fall). Röntgenologisch imponiert das spontane perirenale Hämatom bei Pyelonephritis als raumfordernder perirenaler Prozeß

und muß daher in die Differentialdiagnostik perirenaler Raumforderungen einbezogen werden. Wir hatten in 2 Jahren Gelegenheit, 3 Fälle zu beobachten, was darauf hindeutet,

Im 1. Fall handelt es sich um eine 6ljdhrige Patientin (K. R., geb. am 15. 9. 1918, Karteinummer 76141), bei der seit Jahren ein Diabetes mell., eine Hypertonie und eine Nephrolithiasis rechts bekannt waren. Die Patientin war dann wegen eines unklaren rechtsseitigen Oberbauchprozesses unter einem akuten septischen Krankheitsbild mit Temperaturen bis 40°C und Azotämie stationär eingewiesen worden. Der rechte Oberbauch und das rechte Nierenlager waren erheblich druckschmerzhaft, eine Abwehrspannung fehlte. Auf der Abdomenübersichtsaufnahme

im Stehen in a.-p. und seitlicher Projektion (Abb. la und b) zeigte sich im rechten Oberbauch, dorsal unter dem Zwerchfell

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gelegen, eine große Gasansammiung mit SpiegelbildLing. Da sich

im Leherszintigramm (Abb. le) die Leber als stark vergrößert erwies, mit faustgroßem Speicherdefekt im rechten unteren Leber-

lappen, hatte man außer einem retroperitonealen Abszeß auch differentialdiagnostisch einen Leherabszeß in Erwägung gezogen.

Weitere diagnostische Maßnahmen entfiefen, da die Patientin

geb. am 14. 5. 1912, Karteinummer 483t6), die sich 1970 und 1972 jeweils wegen Diabetes mell., Pyelonephritis, Hypertonie und kardiosklerotischer Herzinsuffizienz in stationärer Behandlung befand. 1973 wurde die Patientin wegen Zuckerstoffwechseldekompensation, für die ursächlich eine abszedierende Pyelone-

phritis mit Pyo- und Hämaturie in Frage kam, erneut stationär aufgenommen. Eine Makrohämaturie in Verbindung mit einem

Abb. la

palpablen Tumor in der linken Flanke gab An'aß zu einem Renovasogramm. Dieses zeigte neben einer Nierenarterienstenose

Konturunregelmäßigkcitcn und Parenchymdefekte im Bereich der lateralen Nierenoberfläche der linken Niere (Abb. 2a und b), in deren Bereich in der arteriellen Phase Gefäßahhrüche und winkelige Gefäßverläufe zur Darstellung kamen - angiographische Veränderungen, die für chronische Pyelonephritis typisch

sind. Darüber hinaus kam im oberen Polbereich ein kalibersrarkes Kapselgefäß zur Darstellung, das dreiflngerbreit nach lateral einen wenig weichteildichren gefäßleeren Schatten umfaßte, der sich über die laterale Nierenkontur projizierte. Dieser wurde als pyelonephritischer Abszeß gedeutet. Dic anschließend vorgenommene Ncphrektomie (Befund-Nr.: 13484/73) förderte eine 740 g schwere Niere mit erheblicher chronischer, teilweise abszedierender Pyelonephritis und massiver Blutung unter und in die Nierenkapsd zutage. Postoperariv kam die Patientin an Linksherzversagen hei terminaler Niereninsufflzienz der rechten Restniere ad exitum.

Im 3. Fall handelt es sich urn einen 74jährigen Mann (E. K., geh. am 24. 7. 1900, Karteinummer 29121) mir seit mehreren Jahren bekannter Hypertonie. Der Patient klagte seit einem Jahr über Schmerzen im linken Abdomen. Die stationäre Einweisung erfolgte wegen eines im linken Mittelbauch palpablcn Tumors. Die Anamnese war sonst leer. Bei der Aufnahmeuntersuchung konnte in der Tiefe des linken Mittelbauchs ein kindskopfgroßer Tumor mit etwas höckeriger Oberfläche und derber Konsistenz

getastet werden. Es lag eine Hypertonie mit Blutdruckwerten von 210/110 mm Hg vor. Ansonsten waren der physikalische Untersuchungsbefund und die laborchemischen Untersuchungsergebnisse ini Normbercich. Im Ausscheidungsurogramm projizierte sich ein kindskopfgroßcr weichteildichter runder Schatten mit schalenförmiger Kalkeinlagerung in den unteren Randpartien auf eine kleine linke Niere mit noch guter Konrrastmittelausscheidung. Eine Zuordnung dieses Tuniorsehattens zur linken Niere war nicht sicher möglich. Auch aufgrund einer abdominellen Aortographie ließ sich der Ausgangsurt dieses Tumors nicht eindeutig bestimmen. Der Tumor erwies sich im Angiogramm (Abb. 3a) gefäßfrei in Projektion auf eine linksseitige Schrumpfniere. In der seitlichen Projektion (Abb. 3b) war dieser Tumorschatten überwiegend ventral der nicht verlagerten linken Niere zu lokalisieren. Bei der Operation fand sich ein retroperitoneal gelegenes kindskopfgroßes zystisches Gebilde, das den oberen

Abb. lb

Abb. la und b.

Die Abdomcnübersichrsaufnahmc im Stehen in a-p. und seitlicher Projektion zeigt im rechten Oberbauch dorsal unter dem Zwerchfell gelegen eine große, glockenlörmige Gasansammlung mit Spiegelbildung.

Nierenpol der linken Niere einschloß. Da es sich um cine pyclone-

phritische Schrumpfniere handelte, wurde diese linke Niere mit dem Tumor entfernt. Makro- und mikropathologisch (BefundNr.; 9144/74) erwies sich der zystische, 700 g schwere Tumor als ein weitgehend organisiertes perirenales Hämatom, das von

einer Spontanblutung im schwer narbig veränderten oberen Polbereich der pyelonephritischcn Schrumpfniere links seinen Ausgang genommen hatte.

Diskussion Wie die Klinik dieser 3 Fälle zeigt, kann man eine akute Form

von einer chronischen Form dieser Komplikation, der ebro-

Abb. I c.

Im Leberszintigramcn erkennt man neben einer deut-

lich vergrößerten Leber einen faustgroßen Speicherdefekt ini rechten Leberlappen.

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an Herz- und Kreislaufversagen bei Urämie ba'd ad exitum kam. Die Sektion (Befund-Nr. 898/73) ergab eine rechtsseitige pyelonephritische Schrumpfniere hei Nephrolithiasis nut einem kleinkindskopfgcoßcn, eitrig eingeschmolzenen perirenalen Häinarom. Beim 2. Fall handelt es sich um cine 6ljiihrige Patientin (B. M.,

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Abb. 2a. Arterielle Phase eines selektiven Renovasogramms links mit Nierenarterienstenose, Gefäßverschlüssen und winke-

Abb. 2b.

ligen, zum Teil unharmonischen Gefäßverläufen der Arteriae arcutae und interlobulares. Außerdem kommt ein kaliberstarkes oberes Kapselgefäß zur Darstellung, das eine wenig weichteil-

Ausdruck einer chronischen Pyelonephritis.

Die Parenchymphase zeigt Konturunregelmäßigkeiten,

Konturunschärfen und Parenchymdefekte der linken Niere als

dichte, gefäßlose subkapsuläre Raumforderung umgreift.

Abb. 3a.

gefäßfreien Tumorschatten in Projektion auf eine linksseitige

Abb. 3b. Seitliche Projektion in der Spätphase des Angiogramms. Der Tumorschatten projiziert sich vorwiegend ventral

Schrumpfniere.

der nicht verlagerten linken Niere, ohne daß eine eindeutige

Ubersichrsaortographie mit einem faustgroßen runden

Beziehung zur linken Niere festgestellt werden kann.

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M. Schmidt:

as spontane perirenale HImatom als Komplikation der chronischen Pyelonephritis

nischen Pyelonephritis, unterscheiden. Die Akuität des ersten Falles war durch die Infizierung des perirenalen Hämatoms bedingt, so daß ein paranephritischer Abszeß bzw. in diesem

speziellen Fall ein Leberabszeß angenommen worden war. Aber auch ohne Infizierung kann durch ein perirenales Hämatom allein ein plötzlich und dramatisch einsetzendes Krank-

heitsbild mit einem palpablen intraabdominellen Tumor, begleitet von Abdominalschmerzen, Flankenschmerz, Auftreibung des Abdomens, Erbrechen und Hypertonie, verursacht werden, was eine intraabdominelle freie Perforation vortäuschen kann (4). Ein Ausscheidungsurogramm als nächster diagnostischer Schritt führt hier weiter. Das Urogramm zeigt bei der akuten Form gewöhnlich eine vergrößerte Niere ohne Ausscheidung. Differentialdiagnostisch muß man

dann natürlich an eine Hydronephrose, einen Tumor oder einen paranephritischen Abszeß denken. Jedoch nach Abklingen der akuten Symptomatik ergibt das Urogramm beim spontanen perirenalen Hämatom wieder eine normale Ausscheidung mit einem Hohiraumsystem ohne Hinweis auf intrarenale Raumforderung (3). Das Fehlen von Fieber spricht

dann auch gegen einen paranephritischen Abszeß. Erst ein Renovasogramm ergibt aber, wenn auch nicht immer, wie z. B. in unserem dritten Fall, genauere Hinweise über Lokalisation und Organzuordnung. Die chronische Verlaufsform macht sich durch ein dumpfes Druckgefühl im Nierenlager oder einen Flankenschmerz bemerkbar, der die Patienten schließlich zum Arzt führt wie im dritten Fall, oder zwingt durch eine begleitende Makrohämaturie zu entsprechenden diagnostischen Eingriffen wie im zweiten Fall. Ein palpabler Tumor, eventuell noch in Verbindung mit einer Makrohämaturie, läßt hier zunächst immer an einen malignen Nierentumor denken. Die Indikation zur

Renovasographie ist damit gestellt. Das Renovasogramm zeigt dann einen gefäßleeren perirenalen Prozeß, wobei eine

Zuordnung zur Niere durch die Abhebung von Kapselgefäßen möglich sein kann wie im zweiten Fall. Aber selbst aufgrund eines Renovasogramms ist eine Organzuordnung nicht immer möglich, wie das Beispiel des dritten Falles zeigt. Es gibt keine absolut typischen diagnostischen Zeichen, die eine präoperative Diagnose zu sichern vermögen. Nur die

Synopsis von Klinik und Röntgenbefunden kann an die Komplikation des spontanen perirenalen Hämatoms bei chronischer Pyelonephritis denken lassen.

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Die Differentialdiagnose umfaßt in erster Linie perirenale Hämatome anderer Genese: das traumatische, das idiopathische, das durch Blutungen bei Hydronephrose, Nierentuberkulose, Nieren- und Nebennierentumoren, Nierenarterien- und -aortenaneurysmen auftretende perirenale Hämatom und das infolge von Spontanbiutungen entstehende perirenale Hämatom im Rahmen von Erkrankungen, die mit Gerinnungsstörungen und Blutungsneigung einhergehen, wie

Hämophilie, Polyzythämie, Leukosen und thrombozytopenischer Purpura. In zweiter Linie kommen differentialdiagnostisch gefäßarme Tumoren der Nierenkapsel, der Nebenniere und des Retroperitoneums in Betracht.

Die Ätiologie des spontanen perirenalen Hämatoms bei chronischer Pyelonephritis ist im entzündlich bedingten Gewebszerfall zu suchen, der zu Gefäßeröffnungen führen kann, was durch die bei chronischer Pyelonephritis vorliegende Hypertonie noch begünstigt wird. Inwiefern eine plötzliche Kongestion der Niere eine zusätzliche Rolle spielt, wird diskutiert (4).

Da die Diagnose des spontanen perirenalen Hämatoms bei chronischer Pyelonephritis bis heute in keinem Falle präoperativ gestellt wurde, bestand die Therapie immer in der operativen Entfernung des Hämatoms, häufig auch in Verbindung mit einer Nephrektomie. Es gibt jedoch Autoren (3),

die aufgrund von Erfahrungen in der Behandlung posttraumatischer und sogenannter idiopathischer spontaner perirenaler Hämatome ein konservatives Vorgehen in der Behandlung befürworten. Literatur

Koehler, P. R., L. B. Talner, M. J. Friedenberg, M. M. Kyaw: Association

Engel, W. J., J. H. Page: Hypertension due to compression resulting

of subcapsular haernatomas with the

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nonfunctioning kidney. Radiology 101 Martin, K. W.: Spontaneous circum-

Fenlon, J. W., J. Silber, P. R. Koehlcr: Perirenal masses simulating tumors.

renal haematoma, a review and report of two cases. Brit. Med. J. 25 (1949)

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Dr. Manfred Schmidt, Chefarzt der Radiologischen Abt. des Stadtkrankenhauses, 86 Bamberg, Sandstraße

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