Spontane Dissektion der Arteria mesenterica superior: eine seltene Ursache des akuten Abdomens

Einführung !

Die spontane Dissektion der Arteria mesenterica superior (AMS) ohne gleichzeitige Aortendissektion wird selten beobachtet, ist jedoch eine Differenzialdiagnose des akuten Abdomens. Die kontrastmittelunterstützte Computertomografie (CT) ist hierbei das diagnostische Instrument der ersten Wahl. Aufgrund seines raren Vorkommens ist die Pathogenese dieses Krankheitsbildes nicht abschließend geklärt und es gibt derzeit keine verbindlichen Empfehlungen zum Management.

Fallbeschreibung !

Wir berichten über einen 61-jährigen Patienten, der sich mit am Vortag akut aufgetretenen und nun permanenten epigast-

rischen Schmerzen mit gürtelförmiger Ausstrahlung in den Rücken in der Notaufnahme unserer Klinik vorstellte. Auf zuvor eingenommenes Buscopan war es zu keiner Besserung gekommen. Bei der körperlichen Untersuchung war die Bauchdecke weich, das Abdomen ohne Abwehrspannung und nicht druckschmerzhaft. In der klinischen Vorgeschichte bestand eine langjährige arterielle Hypertonie sowie eine kürzlich abgelaufene unkomplizierte Gastroenteritis. Laborchemisch lagen ein leicht erhöhtes CRP (0,7 mg/dl, Normwert: ≤ 0,5 mg/dl) sowie eine minimal erhöhte GPT (67 U/l, Normwert ≤ 50 UI/l) vor. Blutbild, Lipase, Bilirubin und Laktat waren normwertig. Aufgrund der persistierenden Schmerzsymptomatik wurde auch zum Ausschluss einer Pathologie der Aorta eine biphasische CT-Untersuchung des Abdomens mit

Abb. 1 61-jähriger Patient mit akutem Abdomen: in der dünnschichtig rekonstruierten CT-Angiografie (3 mm) ist das Dissektat ab Höhe des unteren Pankreasrandes (ca. 2,5 cm distal des AMS-Abgangs) eindeutig abzugrenzen (A, Pfeil). Im weiteren Verlauf ist die AMS zunächst aneurysmatisch erweitert (B, Pfeil). Das Dissektat lässt sich in mehrere mesenteriale Endäste

i. v.-Kontrastmittel durchgeführt (120 ml Iomeprol 350 mgI/ml, KM-Fluss: 4,5 ml/ sec; arterielle Phase: 100 kV, 233 eff.mAs, CTDIvol 9,63 mGy, Bolusdetektion in der abdominalen Aorta [Schwellenwert 100 HU] zzgl. 5 s Startverzögerung; venöse Phase: 100 kV, 249 eff.mAs, CTDIvol 10,26 mGy, feste Startverzögerung von 88 s). Hier zeigte sich eine langstreckige Dissektion der AMS, wobei sich das Dissektat – beginnend knapp distal des Abgangs der rechten A. hepatica (Normvariante) – in mehrere periphere Seitenäste " Abb. 1, 2). In einem nachverfolgen ließ (● dieser Seitenäste ging das falsche Lumen in ein langstreckiges intramurales Hämatom mit nur filiformer Konfiguration des wahren Lumens über. Es bestand kein Hinweis auf eine Darm(wand)ischämie in der venösen Untersuchungsphase. Nach stationärer Aufnahme wurde interdisziplinär ein primär konservatives Vorgehen eingeschlagen mit Thrombozytenaggregationshemmung (ASS) und Vollheparinisierung. Nach 10 Tagen erfolgte eine Umstellung auf den Faktor-Xa-Inhibitor Rivaroxaban. Unter engmaschigem Blutdruckmonitoring wurde die antihypertensive Therapie mit systolischem Zielwert von maximal 140 mmHg auf eine 4-fach Kombination ausgeweitet. Die Echo-

verfolgen (C, Pfeil), wo das falsche Lumen teilweise thrombosiert ist bzw. in ein intramurales Hämatom übergeht (C, Pfeilspitze). Multiplanare Reformationen (D koronar, E sagittal) machen den Verlauf des Dissektats deutlicher. Auch bei dünnschichter Rekonstruktion (3 mm) ist in venöser Untersuchungsphase (F) die Pathologie erheblich schlechter zu erkennen.

Zinsser D et al. Spontane Dissektion der … Fortschr Röntgenstr 2014; 186: 1035–1036 · DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0034-1366225

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The Interesting Case

The Interesting Case

Abb. 2 Durch 3D-Volume-Rendering-Technique (A, B) und Curved-PlanarReformations (C) kann die Pathologie noch weiter verdeutlicht werden: so ist hier besonders die aneurysmatische Erweiterung des Gefäßes (A, Pfeil), aber auch das Dissektat selbst abgrenzbar (B und C, Pfeil). In distalen Ästen

kardiografie zeigte eine leichte Linksherzhypertrophie, vereinbar mit dem vorbekannten art. Hypertonus, jedoch ohne diastolische Dysfunktion. Das Vorliegen eines Diabetes mellitus konnte ausgeschlossen werden. Ergänzend wurde eine cholesterinsenkende Dauertherapie mit Simvastatin begonnen. Bei vollständig rückläufiger Beschwerdesymptomatik und nach problemlosem langsamem Kostaufbau wurde der Patient nach 11 Tagen in die ambulante Weiterbehandlung entlassen. Eine planmäßige CT-Verlaufskontrolle 4 Wochen nach Entlassung zeigte bei weiterhin negativem Laktat einen morphologisch unveränderten Befund.

Diskussion !

Die spontane Dissektion der Arteria mesenterica superior, ohne gleichzeitige Aortendissektion, ist eine seltene Ursache des akuten Abdomens und wurde erst 1947 initial beschrieben (Bauersfeld SR. Ann Intern Med 1947; 26: 873 – 889). Die verfügbare Literatur beschränkt sich auf Einzelfallberichte und kleinere Fallserien. Dennoch ist eine Kenntnis dieser Pathologie insbesondere für den im Notfalldienst tätigen Radiologen von besonderer Wichtigkeit, da durch eine frühe Diagnosestellung die potenziell lebensbedrohlichen Komplikation der mesenterialen Ischämie bzw. des Mesenterialinfarkts abgewendet werden kann. Als das Auftreten begünstigende Faktoren gelten atherosklerotische Gefäßwandveränderungen, Vaskulitiden, systemische Bindegewebserkrankungen (v. a. EhlersDanlos-Syndrom), Traumata, die fibromuskuläre Dysplasie und die zystische Medianekrose (Verde F et al. J Assist Comput Tomogr 2012; 36: 539 – 545). Zudem

ist das falsche Lumen teilthrombosiert bzw. geht in ein längerstreckiges intramurales Hämatom über (A und C, Pfeilspitze). Anatomische Variante mit Abgang der A. hepatica dextra aus der AMS (A, Sternchen).

weisen viele der Betroffenen eine arterielle Hypertonie oder einen Nikotinabusus auf (Verde F et al. J Assist Comput Tomogr 2012; 36: 539 – 545). Scherkräfte in der Gefäßwand in Höhe des Pankreasrands (Übergang von retroperitonealem zu intraperitonealem Gefäßverlauf) sind als auslösende Ursache diskutiert worden und würden die Beobachtung erklären, dass der Einriss meist 1,5 – 3 cm distal des Abgangs liegt (Chu S-Y et al. Clinical Radiology 2012; 67: 32 – 37). Zudem schlagen manche Autoren als begünstigenden Faktor einen gesteigerten Blutfluss in der AMS vor, wie er etwa bei einer Stenose des Truncus coeliacus oder – wie in unserem Fall – einer anatomischen Variante mit (Teil-)Abgang der A. hepatica aus der AMS vorkommt (Jibiki M et al. Surg Today 2013; 43: 260 – 263). Die häufigsten Symptome sind diffuse Bauchschmerzen, manchmal begleitet von Übelkeit und Erbrechen. Oftmals verläuft die Dissektion der AMS klinisch stumm und fällt später inzidentell auf. Da klinische Symptomatik und Laborbefunde unspezifisch sind, kommt der Bildgebung, insbesondere der kontrastmittelunterstützten CT, die entscheidende Rolle bei der Diagnosestellung zu. Die Verwendung einer interaktiven Postprocessing-Software mit multiplanaren Reformationen (MPR’s) erhöht dabei selbst in aktuellen Studien die diagnostische Genauigkeit substanziell (Verde F et al. J Assist Comput Tomogr 2012; 36: 539 – 545). Zudem verdeutlicht der vorgestellte Fall, dass bei Verdacht auf Pathologien der Aorta oder mesenteriale Ischämie eine biphasische CT-Untersuchung mit arterieller und venöser Phase durchgeführt werden sollte. In der Regel sind in dünnschichtig rekonstruierten CTA-Serien bei insgesamt aneurysmatischer Dilatation der AMS die Dissektionsmembran bzw.

das thrombosierte falsche Lumen direkt darstellbar und grenzen diese Pathologie von einer reinen arteriellen Thrombose oder Embolie ab. Die häufig nachweisbare streifige Imbibierung des perivaskulären Fettgewebes unterstützt die Diagnose (Suzuki S et al. Abdom Imaging 2004; 29: 153 – 157). Es gibt keine Leitlinie zur Behandlung der symptomatischen AMS-Dissektion. Neben einem primär konservativen Vorgehen mit Blutdrucksenkung und Antikoagulation wie in unserem Fall mit Option zum Stenting bei Verschlechterung sind auch Strategien mit primärem Stenting beschrieben. Ein offenes chirurgisches Vorgehen mit Bypass-Versorgung, Patch-Angioplastie oder Thrombektomie bleibt heutzutage schweren Fällen mit akuter mesenterialer Ischämie oder hochgradiger aneurysmatischer Dilatation der AMS vorbehalten. (Jibiki M et al. Surg Today 2013; 43: 260 – 263). Gerade weil in der Literatur kein Konsens bzgl. des optimalen therapeutischen Vorgehens besteht, bietet sich eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Radiologie, innerer Medizin und Gefäßchirurgie an. Während alle bis 1972 publizierten Patienten (n = 11) mit spontaner AMS-Dissektion an den Folgen ihrer Erkrankung verstorben sind, hat sich mit der Einführung chirurgischer Therapieverfahren die Prognose ab 1975 deutlich verbessert (Yasuhara H et al. J Vasc Surg 1998; 27: 776 – 779) und kann heute bei früher Erkennung mittels Computertomografie als gut bezeichnet werden. D. Zinsser, J.M. Nagel, C.C. Cyran, F. Schwarz, München

Zinsser D et al. Spontane Dissektion der … Fortschr Röntgenstr 2014; 186: 1035–1036 · DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0034-1366225

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[Spontaneous dissection of the superior mesentery artery: a rare cause of acute abdomen].

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