Nr. 24, 17. Juni 1977, 102. Jg.

Stoizenbach u. a.: Splenektomie bei chronischer myeloischer Leukämic

889

Dtsch. med. Wschr. 102 (1977), 889-893 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart

G. Stoizenbach, M. Garbrecht und G. Delling II. Medizinische Universitätsklinik und -Poliklinik )Geschäftsführender Direktor: Prof. Dr. H. Frahm) und Institut für Pathologie der Universität (Direktor: Prof. Dr. G. Seifert>, Hamburg

Bei drei Patienten mit typischer chronischer myeloischer Leukämie wurde nach Wiederherstellung des kompensierten Stadiums durch Busulfanbehandlung eine Splenektomie durchgeführt. In einem Fall trat 14 Monate nach Abschluß der Primärinduktion eine ausgeprägte Panzytopenie infolge eines Hyperspieniesyndroms auf, die sich durch

Splenektomie vollständig beheben ließ, was durch vorangegangene Milzbestrahlung nicht möglich war. Die komplikationslos exstirpierte Muz zeigte histologisch myeloische Infiltrate, in der Leberbiopsie dagegen waren Infiltrationen nicht nachweisbar. Nach weiteren 18 Monaten befindet sich der Patient ohne Rezidivprophylaxe mit Busulfan noch immer im kompensierten Stadium. In zwei weiteren Fällen wurde die Splenektomie auch im rekompensierten Stadium durchgeführt, und zwar 1 Monat bzw. 5 Jahre nach Abschluß der Primärinduktion. Auch in diesen beiden Fällen fand sich eine myeloische Infiltration der Milz. Bei beiden Patienten kam es 6 bzw. 2 Wochen nach Splenektomie zu einer leichten Leukozytose mit Linksverschiebung bis zu Promyelozyten, die Veranlassung zur Reinduktion mit Busulfan gab. Auch diese zwei Patienten befinden sich 12 bzw. 10 Monate nach Splenektomie im kompensierten Stadium. Die Bedeutung der Splenektomie in der frühen Phase liegt in der Möglichkeit, die Blastenkrise hinauszuzögern und die Myelofibrose zu vermeiden, sowie in der sicheren Vermeidung von Komplikationen der späten Phase. Nach einer 1968 veröffentlichten Studie (4) der Medical Research Council's Working Party for Therapeutic Trials in Leukemia (MRC-Studie) ließ sich die mit 19 Monaten angegebene mittlere Cberlebenszeit der uribehandelten chronischen myeloischen Leukämie durch Strahlentherapie auf 28, durch Busulfanbehandlung auf 391/2 Monate verlängern. 71% der Patienten kommen in die Blastenkrise (4), deren Prognose sich durch die Polychemotherapie trotz einer Remissionsrate von über 60% (7, 8) nicht wesentlich verbessert hat. Die Mehrzahl der Patienten stirbt entweder in der Blastenkrise oder in der (chemotherapeutisch induzierten) Myelofibrose (1) an Blutungen, Infektionen oder am Herz-Kreislauf-Versagen. Schließlich sind die Patienten von Komplikationen der späten Phase wie Hyperspieniesyndrom, Milzinfarkt

splenectomy for chronic myeloid leukaemia in the early and late phases Splenectomy was performed in three patients with typical chronic myeloid leukaemia after a compensated stage had been reached with busuiphan. Marked pancytopenia as a result of hypersplenism occurred in one patient 14 months after the end of the primary induction, and was successfully treated by splenectomy after radiotherapy of the spleen had failed. Splenectomy was performed without complication, and the histological appearance of the spleen showed mycloid infiltrates while there was none in the liver biopsy. After another 18 months the patient remained compensated, without busulphan administration. In the two other patients splenectomy was performed in the recompensated stage, one month and five years, respectively, after the primary induction had been concluded. In these two patients, too, there was myeloid infiltration of the spleen. In both, mild leucocytosis with shift to the left as far as promyelocytes occurred six and two weeks, respectively, after splenectomy and busulphan was started again. Twelve and ten months, respectively, after splenectomy they are both in the compensated stage. The importance of splenectomy in the early phase lies in the possibility of delaying blast crisis and avoiding myelofibrosis, as well as in the prevention of complications in the later stages.

oder anhaltenden Schmerzen bedroht, die durch die stark vergrößerte Milz verursacht werden. Diese Tatsachen habei zu neuen Anstrengungen geführt, die TJberlebenschancen der Patienten durch Splenektomie zu verbessern. Die Splenektomie in der späten Phase (zur Behebung von Komplikationen, wie sie unser Fall 1 darstellt) wird zwar von den meisten Autoren als risikoreich, bei strenger Indikationsstellung aber als oft unumgänglich angesehen. Die elektive Splenektomie in der frühen Phase (im Anschluß an die Remissionsinduktion, wie sie unser Fall 2 darstellt) war Gegénstand einer 26 Patienten umfassenden Studie von Spiers und Mitarbeitern (9). Diese vor 9 Jahren begonnene Studie hat folgende Zwischenergebnisse erbracht:

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Bedeutung der Splenektomie bei chronischer myeloischer Leukämie in der frühen und späten Phase

Stolzenbach u. a.: Splenektomie bei chronischer myeloischer Leukämie

Bei allen 26 Patienten war die klinische und hämatologische Kontrolle nach Splenektomie im Verlauf der chronischen Phase der chronischen myeloischen Leukämie (wie bei nicht spienektomierten Patienten) zufriedenstellend. Die Realisierungshäufigkeit der Blastenkrise bei den splenektomierten Patienten blieb jedoch mit fünf von 26 Fällen unter der Erwartungshäufigkeit von zwölf von 26 Fällen beim statistischen Vergleich mit der MRCStudie. Die Differenz zwischen der beobachteten und der erwarteten Inzidenz der Blastenkrise war statistisch signifikant mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 2%. In keinem der 26 Fälle wurde bis zur Zusammenstellung der Ergebnisse eine Myelofibrose beobachtet. Da 21 der 26 Patienten zum Zeitpunkt der Zusammenstellung lebten, ist die mittlere Oberlebenszeit nach Splenektomie noch unbekannt. Schwarzenberg und Mitarbeiter (7) berichteten jedoch über eine Verlängerung der mittleren Cberlebenszeit um 11 Monate bei 15 splenektomierten Patienten gegenüber der nicht splenektomierten Kontrollgruppe.

Kasuistik Fall 1: Bei dem 4Sjährigen Patienten H. G., dessen Mutter an einer Blutkrankheit und dessen Großmutter mütterlicherseits an einem Krebsleiden starb, sind keine ernsten Vorerkrankungen bekannt. Seit 1968 traten typische Gichtanfälle im rechten Großzehengrundgelenk, später auch im linken Schultergelenk auf, die mit Coichicin und Probenecid behandelt wurden. Die anläßlich einer Durchfallerkrankung im Oktober 1972 durchgeführte Untersuchung deckte eine typische chronische myeloische Leukämie im dekompensierten Stadium auf.

Befunde: Der Patient, der lediglich über Abgeschlagenheit klagte, hatte eine ausgeprägte Splenomegalie (27 cm unter dem linken Rippenbogen) und eine mäßige Hepatomegalie (6 cm unter dem rechten Rippenbogen). Im MiIz- und Leberszintigramm fanden sich jeweils Regionen verminderter Aktivitätsbelegung im Sinne multipler Raumforderungen. Das Blutbild ergab eine starke Vermehrung der Leukozyten auf 107 X 10°/l mit Linksverschiebung bis zu den Promyelozyten (41% Segmentkernige, 13% Stabkernige, 6% Metamyelozyten, 19% Myelozyten, 14% Promyelozyten, 6% Basophile, 1% Eosinophile), die Thrombozyten waren mit 150 X 10°/I, die Erythrozyten mit 4,30 X 10°°/l (Hämoglobin 143 g/l) nur unbedeutend gesenkt. Im Sternalmark ließen sich eine extreme Steigerung und deutliche Linksverschiebung der Granulopoese mit leichter Basophilie ohne Beeinträchtigung der Erythropoese bei unauffälliger Thrombopoese nachweisen; in 14 von 22 analysierten Metaphasen fand sich ein Philadelphia-Chromosom. Der Index der alkalischen Leukozytenphosphatase war auf 3 deutlich gesenkt. Die nephrologische Diagnostik ergab den dringenden Verdacht auf eine Nephropathia urica bei einer Hyperurikämie um 130 mg/I, entsprechend 773,3 cmol/l. Therapie und Verlauf: Die Therapie mit Busulfan nach den üblichen Richtlinien führte mit einer Gesamtdosis von 200 mg im Verlauf von 3 Monaten (November 1972 bis Januar 1973) zu einer Rekompensation der chronischen myeloischen Leukämie mit völliger Beschwerdefreiheit, Rückbildung der Hepato-Splenomegalie (auf 2 bzw. 8 cm unter dem Rippenbogen) und Normalisierung des weißen und roten Blutbildes (Leukozyten um 10 X 10°/l; 57% Segmentkernige, 3% Stabkernige, 2% Basophile, 1% Eosinophile, 8% Monozyten, 29% Lymphozyten; Erythrozyten 5,00 X 1052/I, Hämoglobin 144 g/l). Im März 1974 wurde eine ausgeprägte Panzytopenie bei unauffälligem Differentialblutbild und ohne wesentliche Progredienz der Splenomegalie festgestellt (Leukozyten 3,7 X 10/l; Erythrozyten 2,75 X 10°/l, Hämoglobin 94 g/l; Thrombozyten 31 X 10°/l). Die

Deutsche Medizinische Wochenschrift

eingehende differentialdiagnostische Klärung mittels Sternalpunktion, Beckenkammbiopsie (Abbildung la) und Radioeisenstudium ergab als Ursache der Panzytopenie ein Hyperspleniesyndrom mit einer auf über das Fünffache der Norm gesteigerten lienalen Erythrozytensequestration und Verkürzung der mittleren Erythrozytenlebensdauer auf 28 Tage, bei mäßig hyperaktiver erythropoetischer Knochenmarksfunktion; eine Myelofibrose wurde ausgeschlossen. Die chronische myeloische Leukämie befand sich zu diesem Zeitpunkt nach wie vor und bis jetzt anhaltend in sogenannter Remission, ein Philadelphia-Chromosom war nachweisbar, der Index der alkalischen Leukozytenphosphatase lag bei 22. Eine immunhämolyrische Anämie wurde ebenso wie eine Immunthrombopenie ausgeschlossen. Die im August 1974 durchgeführte fraktionierte, perkutane Milzbestrahlung unter Stehfeldbedingungen mit Gammastrahlen des Telekobaltgerätes in einer Gesamtoberflächendosis von 800 rd führte zwar zu einer geringen Rückbildung der Milzgröße, jedoch blieb die Panzytopenie völlig unbeeinflußt. Man entschloß sich daher zur kausalen Therapie des Hyperspleniesyndroms durch Splenektomie, die am 19. Februar 1975 durchgeführt wurde. Hämorrhagische, thrombotische oder infektiöse Komplikationen traten nicht auf, die Wundheilung war einwandfrei, sogenanntes Milzfieber wurde nicht beobachtet. Die histologische Untersuchung der 1250 g schweren, 24 X 11 X 6 cm großen Milz (Abbildung 1 b) ergab in der Naphthol-AS-Dchioracetatesterase-Reaktion vereinzelte Infiltrationen durch myeloische Zellen, außerdem eine erhebliche Kapselfibrose. In der Leberbiopsie (Abbildung 1 c) dagegen waren keine Infiltrate nachweisbar. Postoperativ kam es zu einer sofort einsetzenden und kontinuierlichen Besserung der Panzytopenie bis zur vollständigen Normalisierung des gesamten Blutbildes im Verlauf von 3 Monaten, die mit zunehmender Leistungsfähigkeit des Patienten einherging und bis zum jetzigen Zeitpunkt anhält. Sternalmarkkontrollen bestätigten die anhaltende Remission der chronischen myeloischen Leukämie; in zwei von 20 analysierten Metaphasen fand sich 3 Monate nach Splenektomie ein Philadelphia-Chromosom. Die Zahl der Leukozyten, Erythrozyten und Thrombozyten in Abhängigkeit von den therapeutischen Maßnahmen ist in Abbildung 1 d dargestellt. Fall 2: Bei der 36jährigen Patientin G. I. wurde 1970 im Anschluß an eine Frühgeburt eine Toxoplasmose festgestellt und bis Juni 1971 mit Pyrimethamin behandelt. Die wegen einer Bronchitis im Mai 1975 erhobenen Befunde führten zur Diagnose einer typischen chronischen myeloischen Leukämie im dekompensierten Stadium. Befunde: Vermehrung der Leukozyten auf 35 X 10°/l und Anstieg auf 80 X 10°/I innerhalb von 4 Wochen. Im Differentiaiblutbild fand sich eine Linksverschiebung bis zu den Promyelozyten (57% Segmentkernige, 8% Stabkernige, 2% Metamyelozyten, 12% Myelozyten, 50/e Promyelozyten, 2% Basophile, 1% Eosinophile, 4% Monozyten, 9% Lymphozyten). Die Thrombozyten lagen bei 328 X 10°/l, die Erythrozyten bei 3,78 X 1012/I, das Hämoglobin bei 131 g/l. Das Sternalmark zeigte eine deutliche Vermehrung und Linksverschiebung der Granulopoese mit leichter Basophilie; in 13 von 14 analysierten Metaphasen fand sich ein PhiladelphiaChromosom. Die Beckenkammbiopsie (Abbildung 2 a) ergab das Bild einer chronischen myeloischen Leukämie, eine Faserneubildung innerhalb der Markräume war nicht nachweisbar. Der Index der alkalischen Leukozytenphosphatase war auf 2 deutlich gesenkt. Der direkte Coombs-Test war positiv, Hämolysezeichen jedoch fehlten. Die Toxoplasmoseserologie fiel negativ aus. Leber und Milz waren nicht tastbar vergrößert, im Saintigramm fand sich eine normal große Leber sowie eine 13 X 9,5 cm große Milz mit gleichmäßiger Aktivitätsanreicherung. Therapie und Verlauf: Die Therapie mit Busulfan führte mit einer Gesamtdosis von 220 mg im Verlauf von S Wochen (Juni 1975 bis Juli 1975) zu einer Rekompensation der chronischen myeloischen Leukämie mit vollständiger Normalisierung des gesamten Blutbildes (Leukozyten 5,0 X 10°/I; S2% Segmentkernige, 5% Stabkernige, 4% Basophile, 5% Eosinophile, 4% Monozyten, 30% Lymphozyten; Erythrozyten 4,80 X 1012/1, Hämoglobin 167 g/I; Thrombozyten 185 X 10°/l).

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Nr. 24,

17. Jurü 1977, 0)2.

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Stoizenbach u. a.: Spknektumie bci chronischer rnyeloischrr Lcukämie

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Abb. 1 d. Fall 1: Leukozyten-, Erythrozyten- und Thrombozytenzahl in Abhängigkeit von den therapeutischen Maßnahmen (Splenektomie in der späten Phase).

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Abb. 2 a. Fall 2: dichte Knochenmarksinfiltration mit myeloischen Zellen aller Reifestadien. Giemsa, uncntkalkt, 584 : 1.

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Abb. 2 b. Fall 2: MiIz mit myeloischer Infiltration. Schwarze Granula (im Original leuchtend rot) in nicht segmentierten Vorstufen der myeloischen Reihe. Naphthol-AS-D-chloracetatesterase-Reaktion, 584 : 1.

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Sptencktomie bei chronischer rnyeloisdtcr Lcukämie

Stolzenbach u.

Dic Splcnektomie wurde einen Monat nach Abschluß der Primärinduktion am 19. August 1975 komplikationslos durchgeführt. Die histologische Untersuchung der 150 g schweren, 12 X 8 X 4 cm großen Muz (Abbildung 2 b) zeigte in der Naphthol-AS-D-chloracetatesterase-Reaktion einzelne myeloische Infiltrate. Die postoperative Thronibozytose erreichte mit 420 X 10°/i ihren höchsten Wert. Die Leukozyten stiegen im Verlauf von 6 Wochen auf maximal 2.5 X 10°/I mit einer Linksverschiebung bis zu Promyclozyten (55% Segmentkernige, 2% Stabkernige, 2% Metamyelozyten, 2°1 Myelozyten, 4% Promyelozyten, 6% Basophile, 1% Eosinophile, 11% Monozyten, 17% Lymphozyten), was Veranlassung zur ersten Reindukrion mit insgesamt 136 mg Busulfan gab. Die Sternalmarkkontrolle nach Reinduktion zeigte einen Normalbefund. Der Index der alkalischen Lcukozytcnphosphatase lag bei 0. Bei einer Leukozyrose von 19 X 10°/I wurde ab Januar 1976 die zweite Re. induktion mit insgesamt 116 mg Busulfan, bei einer Leukozyrose von 12,3 X 10°/I ab Juli 1976 die dritte Reinduktion mit insgesamt 30 mg Busulfan durchgeführt. Die Zahl der Leukozyten unter Busulfan-Behandlung vor und nach Splenekiomie ist in Abbildung 2 c dargestellt. ao

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20

Deutsche Medizinische Wothenschrift

halb der Markräurne war nicht nachweisbar. Der Index der aikalischen Leukozvtenphosphatase lag bei 6. Im Szintigramm fanden sich eine normal große Leber und eine 13 X 8 cm große Milz. Das Radiocisenstudium im April 1975 ergab eine unauffällige Knochenmarkstopographie hei herabgesetzter Erythropoese, aber keinen Anhalt für eine lienale Hypersequesrration der Erythrozyten. Im April 1975 war bei einer Leukozytenzahl von 13,4 X 10°/I eine dritte Reinduktion mit Busulfan in einer Gesamtdosis von 20 mg erforderlich. Die Splenektomie wurde 6 Monate nach Abschluß der dritten Reinduktion am 8. Oktober 1975 ohne Komplikationen vorgenom. men. Dabei wurde eine kleine Nebcnmilz mitentfernr. Dic histologische Untersuchung der 235 g schweren, 13 X 7 X 4 cm großen Milz ergab eine mäßig dichte diffuse Infiltration mit myeloischen Zellen (Naphthol-AS-D-thloracetatesterase-Reaktion). Die postoperative Thrombozytose erreichte 2 Wochen nach der Operation mit 720 X 10°/i ihren Höhepunkt. Zu diesem Zeitpunkt gab eine Leukozytose von 18,3 X 10°/i mit Linksverschiebung bis zu Prornyelozyten (66% Segmenrkernige, 1% Stabkernige, 1% Meramyelozyren, 2% Myelozyten, 1% Promyelozyten, 11% Basophile, 3% Eosinophile, S% Monozyten, 10% Lymphozyten) Veranlassung zur vierten Reinduktion mit 70 mg Busulfan. Seither befindet sich die Patientin in anhaltender Remission mit Leukozytenzahlen um 7,5 X 10°/i ohne Linksverschiebung und normaler Erythrozyten- sowie Thrombozytenzahl. Die Sternalmarkkontrolle bestätigte die Remission; in allen 15 analysiertest Mctaphasen fand sich erneut ein Philadelphia-Chromosom. Derindex der alkalischen Lcukozytenphosphatase lag bei 0. Die Zahl der Leukozyten während Busulfan-Behandlung vor und nach Splenektomie ist aus Abbildung 3 zu ersehen.

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Abb. 2 c. Fall 2: Leukozytenzahl während Busulfan-Behandlung vor und nach Splenektomie in der frühen Phase. Fall 3: Die 36jährige Patientin K. M. erkrankte 1969 mit Abgeschlagenheit und wiederholten Zahnfleischhlurungen. 1m Oktober 1969 wurde eine chronische myeloische Leukamie diagnostiziert. Befunde: Die Leukozytenzahl betrug anfangs 309 X 10°/I. Das Differentialbiutbild zeigte eine Linksverschiehung bis zu den Myeloblasten (28% Segmentkernige, 21% Stabkernige, 11% Metamyelozyten, 20% Myclozyten, 6% Promyelozyten, 5% Mycloblasten. 6% Basophile, 1% Eosinophile, 1% Monozyten, 1% Lymphozyten), die Erythrozyten waren mit 3,57 X 1012/E leicht gesenkt (Hämoglobin 114 gIl), die Thrombozyten lagen mit 218 X 10°/I im Normbcreich. Das Sternalmark war beherrscht von granulopoetisehen Vorstufen mit deutlicher Vermehrung von Promyelozyten und Myeloblasten. Die Muz war 2 cm unter dem linken Rippenbogen tastbar, die Leber war nicht tastbar vergrößert. Therapie und Verlauf: Die Therapie mit Busulfan führte im Verlauf von S Monaten (Oktober 1969 bis März 1970) zur Senkung der Leukozytenzahl auf 10 X 10°/i. Von Juli 1971 bis Januar 1973 wurde wegen einer Leukozytenzahl von 86 X 10°/i die erste, von April 1973 bis September 1973 wegen einer Leukozytenzahl von 16,8 X 10°/I die zweite Reinduktion mit Busulfan in einer Gesamtdosis von 310 bzw. 74 mg durchgeführt. Die im Oktober 1973 vorgenommene Kontrollunrersuchung bestätigte die Diagnose einer typischen chronischen myeloischcn Leukäniie und ergab eine anhaltende Remission mit folgenden Befunden: Leukozyten 5,1 X 10°/I, Erythrozyten 4,65 X 1012/i (Hämoglobin 136 g/l), Thrombozyten 123 X 10°/I. Im Differentialbiutbild 56% Segmentkernige. 1% Stabkernige, 2% Eosinophile, 2% Monozyten, 39% Lymphoz)-ten. Im Sternalmark sah man eine geringe Steigerung der Granulopoese ohne Linksverschiebung; in allen elf analysierten Mctaphasen fand sich ein Philadelphia-Chromosom. Die Beckenkammbiopsie zeigte ein zellreiches Mark, das zum überwiegenden Teil aus Zellen der Myelopoese bestand, eine Faservermehrung inner-

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Abb. 3. Fall 3: Leukozytenzahl während Busulfan-Behandiung or und nach Splenekromie in der späten Phase.

Diskussion Nach den Zwischenergebnissen der Studie von Spiers und Mitarbeitern (9), den Mitteilungen von Schwarzenberg und Mitarbeitern (7) sowie den Untersuchungen der Italian Cooperative Study Group on Chronic Myeloid Leukaemia (3) können derzeit folgende Begril ndu ngen für die Splenektomie in der frühen Phase der chronischen myeloischen Leukämie gegeben werden: A. Die Splenektomie dient mit großer Wahrscheinlichkeit der Hinauszögerung der Blastenkrise. Da durch die Splenektomie eine Eliminierung von myeloischen Stammzellen und in einigen Fällen eine Reduktion der totalen Granulozytenmasse erreicht werden kann, lassen sich über den Mechanismus dieser Wirkung folgende Hypothesen aufstellen:

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1. Die Eliminierung von myeloischen Stammzellen der

Muz bedeutet eine Reduktion des möglicherweise selektierten Zelltyps der Blastenkrise, für den die Muz ein bevorzugter Aufenthaltsort zu sein scheint. Hierfür sprechen folgende Untersuchungsergebnisse (2,5, 10, 11): Myeloische Zellen der Milz weisen eine doppelt so häufige Aneuploidie auf wie diejenigen des Knochenmarks. Das Verhältnis von Promyelozyten und Myelozyten einerseits zu Myeloblasten andererseits ist niedriger in der Muz als im Knochenmark. Der Mitose-Index von Myeloblasten ist niedriger in der Muz als im Knochenmark. Die Zahl der Zellen, die Agar-Kolonien bilden, ist höher in der Milz als im Knochenmark. Metaphasen mit zwei Ph1-Chromosomen sind vierbis fünfmal häufiger in der Milz als im Knochenmark. 2. Die Reduktion der totalen Granulozytenmasse ermöglicht eine Verminderung der zur Aufrechterhaltung des kompensierten Stadiums erforderlichen BusulfanDosen. Dies dürfte nach den Untersuchungsergebnissen von Pedersen (6) zur Verminderung der Selektion von Zellen beitragen, von denen angenommen wird, daß sie zur Entwicklung der Blastenkrise führen. Die Splenektomie verzögert oder verhindert möglicherweise die Entwicklung einer Myelofibrose. Die Splenektomie vermeidet sicher die durch Splenomegalie verursachten Komplikationen der späten Phase wie Hyperspleniesyndrom, Milzinfarkt oder anhaltende Schmerzen, bei denen die Splenektomie technisch schwieriger und wesentlich risikoreicher ist. Unsere drei mitgeteilten Fälle lassen hierzu folgendes erkennen: Bei Splenektomie in der frühen und in der späten Phase fand sich eine myeloische Infiltration der Muz. Weder die Primärinduktion, noch wiederholte Reinduktionen mit Busulfan haben zur vollständigen Beseitigung der myeloischen Infiltration der Milz geführt. Die Bedeutung der Splenektomie in allen Fällen dürfte in der Eliminierung von myeloischen Zellen der Milz liegen, von denen nach den dargelegten Untersuchungsergebnissen vermutet werden muß, daß von ihnen die Blastenkrise ihren Ausgang nehmen kann. Auch die Milzbestrahlung hat nicht zur Beseitigung der myeloischen Infiltrate der Milz geführt.

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Stoizenbach u. a.: Splenektomie bei chronischer myeloïscher Leukämie

Im Anschluß an die Splenektomie kommt es zu einer Leukozytose (zwischen 18 und 25 X 10/l) mit Linksverschiebung bis zu Promyelozyten, die ihren Ausgang zweifellos vom Knochenmark nimmt. Dabei muß die Frage offenbleiben, ob der Fortfall der lienalen Sequestrationsleistung die alleinige Ursache für den Anstieg der peripheren Leukozytenzahl darstellt. Jedes der nachfolgenden Rezidive war jedoch charakterisiert durch eine geringere Geschwindigkeit des Leukozytenanstiegs. Die zur Reinduktion benötigten Busulfan-Dosen lagen jeweils niedriger als die zur Primärinduktion oder zur vorhergehenden Reinduktion benötigten Dosen. Die Splenektomie ist die einzige kausale Therapie des Hyperspleniesyndroms, das sich im Verlauf einer chronischen myeloischen Leukämie entwickeln kann und besonders unter dem Aspekt einer erforderlichen zytostatischen Therapie eine schwere Komplikation darstellt. Daher ist die Prophylaxe des Hyperspieniesyndroms ein wichtiges Ziel der Splenektomie in der frühen Phase. Literatur Gralnick, H. R., J. Harbor, C. Vogel: Myelofibrosis in chronic granulocytic leukemia. Blood 37 (1971), 152.

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MünchenBerlinWien

Dr. G. Stoizenbach, Dr. M. Garbrecht Hämatologisch-Onkologische Arbeitsgruppe der II. Medizinischen Universitäts-Klinik und -Poliklinik

Privatdozent Dr. G. Delling Institut für Pathologie der Universität 2000 Hamburg 20, Martinistr. 52

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Nr. 24, 17. Juni 1977, 102. Jg.

[Splenectomy for chronic myeloid leukaemia in the early and late phases (author's transl)].

Nr. 24, 17. Juni 1977, 102. Jg. Stoizenbach u. a.: Splenektomie bei chronischer myeloischer Leukämic 889 Dtsch. med. Wschr. 102 (1977), 889-893 © G...
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