Originalien HNO 2013 · 61:1032–1037 DOI 10.1007/s00106-013-2770-8 Online publiziert: 25. Oktober 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Redaktion

P.K. Plinkert, Heidelberg

Hintergrund und Fragestellung Wird ein Kind mit einem Cochleaimplantat (CI) versorgt, erwartet dessen Umgebung damit zumeist eine altersgerechte Sprachentwicklung sowie eine positive kognitive und motorische (allgemeine) Entwicklung. Es existieren wenig Daten darüber, wie schnell und inwieweit die Kinder in der Sprachentwicklung und allgemeinen Entwicklung nach einer frühzeitigen Implantation aufholen. Sprachentwicklungsstörungen können unter anderem mit Teilleistungsstörungen wie z. B. der Beeinträchtigung von motorischen Funktionen und des auditiven Gedächtnisses einhergehen [1, 2]. Eine unversorgte oder unzureichend versorgte hochgradige kindliche Hörstörung führt zu einer Deprivation des auditorischen Systems [3, 4]. Die Folge ist eine erheblich gestörte Sprachentwicklung. Auch mit bestmöglicher Hörgeräteversorgung kann der Rückstand in der Sprachentwicklung bei diesen Kindern nicht aufgeholt werden [5]. Blamey et al. verwiesen in ihrer Untersuchung, in der hochgradig hörgeschädigte Grundschulkinder über 3 Lebensjahre hinweg beobachtet wurden, auf einen Sprachentwicklungsrückstand von 4–5 Jahren [6]. Hingegen wird bei frühversorgten Kindern die Ausbildung einer besseren auditorischen Rückkopplungsschleife postuliert, die den Prozess des Spracherwerbs maßgeblich unterstützt [7]. Studien belegen rasante Fortschritte nach CI-Versorgung hinsichtlich Sprachverständnis sowie Sprachproduktion und sogar das Aufholen zur „peer group“ [8, 9, 10]. Der Nutzen der frühen Implantation für die Sprachentwicklung ist inzwischen in vie-

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Sprachentwicklung und allgemeine Entwicklung bei Kindern mit früher Cochleaimplantation len nationalen sowie internationalen Studien belegt [11, 12, 13, 14, 15]. Ziel der Studie war es zu überprüfen, ob die Sprachentwicklung und allgemeine Entwicklung von hochgradig schwerhörigen und gehörlosen Kindern nach frühzeitiger CI-Versorgung im Höralter von 12 Monaten vergleichbar ist mit der Entwicklung hörgesunder Kinder im Lebensalter von 12 Monaten. Verglichen wurden die Ergebnisse des ELFRA1-Fragebogens der Kinder ein Jahr nach Cochleaimplantation mit den Normwerten für hörgesunde Kinder.

Patienten und Methode Die ELFRA-1-Daten zur Beurteilung der Sprachentwicklung, Feinmotorik und zum Einsatz von Gesten von 40 Kindern nach frühzeitiger Cochleaimplantation wurden retrospektiv ausgewertet. Eingeschlossen wurden hochgradig schwerhörige oder gehörlose Kinder ohne erkennbare geistige oder motorische Behinderung, die innerhalb der ersten 2 Lebensjahre mit einem CI versorgt worden waren. Bei allen Kindern wurde die Implantation in einer Universitätsklinik in den Jahren 2004–2010 durchgeführt. Zuvor erfolgte für 2–6 Monate eine bestmögliche Hörgeräteversorgung. Etwa 12 Monate nach der Sprachprozessorerstanpassung beantworteten die Eltern gemeinsam mit den Therapeuten den Fragebogen. Im Durchschnitt waren die Kinder bei der Implantation auf der ersten Seite 14 Monate alt. Das jüngste Kind wurde im Alter von 6 Monaten mit einem CI versorgt, das älteste im Alter von 24 Monaten. Präoperativ hatten alle Kinder bereits Hörgeräte erhalten. Konnte trotz

Hörgeräteversorgung keine ausreichende Hör- und Sprachentwicklung erreicht werden, wurde mit den Eltern die Möglichkeit der Cochleaimplantation besprochen. Nach der Sprachprozessoranpassung begann im Einverständnis mit den Eltern der Hör- und Sprachaufbau nach den Prinzipien der auditiv-verbalen Therapie (AVT). Die AVT begründet sich darauf, dass präverbale Prozesse und die Fähigkeit zur Symbolbildung Voraussetzung für die Sprachentwicklung sind [16]. Eingebettet in die Interaktion mit der Umwelt bildet der menschliche Organismus neue Strukturen, die durch pädagogisch-therapeutische Interventionen wie den Einsatz von Hörlernlauten im natürlichen Sprachkontext des Kindes effizient aufgebaut werden. Dadurch wird die auditive Merkfähigkeit sowie die phonetisch-phonologische Entwicklung angeregt [17]. Der ELFRA-1 wurde 12 Monate nach Implantation der ersten Seite ausgefüllt. Die Kinder waren zum Testzeitpunkt zwischen 18 und 36 Monate alt. Genau die Hälfte der Kinder wurde einsprachig erzogen (n=20), die andere Hälfte bilingual. Bei mehrsprachig erzogenen Kindern wurden alle Wörter gewertet. Das Geschlechtsverhältnis war ausgeglichen (21 weiblich, 19 männlich). Zum Testzeitpunkt waren 28 Kinder bilateral, 10 Kinder bimodal versorgt (Hörgerät plus CI), und 2 Kinder trugen nur unilateral ein CI. Die Gruppe der bilateral versorgten Patienten wurde weiter unterteilt in Gruppe 1 mit Implantation auf der Gegenseite innerhalb von 6 Monaten (n=18) und Gruppe 2 mit dem 2. CI nach mehr als 6 Monaten (n=10; . Abb. 1). Erst nach mehr als 6 Monaten implantiert wurde die Gegenseite bei einigen Kindern aufgrund

Originalien

5% 25%

45%

25%

unilateral bimodal

bilateral < 6 bilateral > 6

Abb. 1 8 Art der CI-Versorgung der Kinder. Verteilung der einseitigen, sowie der zweiseitigen frühen (Implantation auf der 2. Seite innerhalb der ersten 6 Monate nach Erstimplantation) und späten Versorgung (Implantation des 2. CI mindestens 6 Monate nach der 1. Implantation) und der bimodalen Versorgung

8%

5%

18% 35%

22% 12%

Z. n. Meningitis Connexin26 Syndrom

Unklar familiäre CMV

Abb. 2 8 Unterteilung nach der Ursache der Schwerhörigkeit. Häufigkeitsverteilung der Ertaubungsursachen im untersuchten Kollektiv. CMV Zytomegalievirusinfektion

des anästhesiologischen Risikos, des in­ traoperativen Verlaufs oder des Wunsches der Sorgeberechtigen, die in manchen Fällen den Erfolg der ersten Seite abwarten wollten, bevor sie sich für die Implantation auf der Gegenseite entschieden. Es wurde ferner nach der Ursache der Schwerhörigkeit stratifiziert: Mutation des Connexin-26-Gens (n=14), nicht weiter spezifizierte familiäre Schwerhörigkeit (n=9), syndromale Erkrankungen (n=4),

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Zytomegalievirus(CMV)-Infektion (n=3) sowie Taubheit infolge einer Meningitis (n=2). Bei 8 Kindern blieb die Ursache unklar (. Abb. 2). Die eingeschlossenen syndromalen Erkrankungen waren das Waardenburg-Syndrom (2 Patienten) und das Jervell-Lange-Nielsen-Syndrom ebenfalls mit 2 Patienten. Die Patienten hatten zum Testzeitpunkt nach pädagogischer sowie kinderneurologischer Einschätzung keine erkennbare kognitive Beeinträchtigung. Der ELFRA-1 nach Grimm und Doil [18] ist ein standardisierter Elternfragebogen. Er wurde zur Beurteilung der Sprachentwicklung bei der kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchung U6 entwickelt. Die Normwerte sind definiert für Kinder im Lebensalter von 12 Monaten. In der vorliegenden Untersuchung wurde der ELFRA-1 jeweils im Höralter von 12 Monaten durchgeführt. Der ELFRA-1 ist unterteilt in 4 Untergruppen und schätzt das Sprachverständnis, die Sprachproduktion, die Gestik sowie die Feinmotorik des Kindes ein [18]. Der ELFRA-Fragebogen ist angelehnt an die MacArthur Communicative Inventory Scales (CDI, [19]). Im ersten Untertest wird Sprachproduktion und Sprachverstehen abgefragt und differenziert nach „versteht“ oder „versteht und spricht“. Weiterhin wird die Reaktion auf Sprache sowie die feinmotorische Entwicklung und die Gestik getestet. Jedes erfüllte Item wird mit einem Punkt bewertet. Die Ergebnisse der Teilbereiche Sprachproduktion, Sprachverständnis, Feinmotorik und Gestik werden addiert und zu einem Gesamtergebnis zusammengefasst. Die maximale Punktzahl beträgt für die Sprachproduktion 181 Punkte (kritischer Wert 7 Punkte), Sprachverständnis 171 Punkte (kritischer Wert 17 Punkte), Gesten 30 Punkte (kritischer Wert 11 Punkte), Feinmotorik 13 Punkte (kritischer Wert 7 Punkte). Die maximal erreichbare Punktzahl beträgt für alle 4 Items 395 Punkte. Die kritischen Werte sind für alle 4 Bereiche definiert und stehen für die Leistung von hörgesunden Kindern im Alter von 12 Monaten, die 80% der Gesamtstichprobe erfolgreich erbracht, jedoch 20% verpasst haben. Die Kinder, die diesen „Grenzwert“ unterschreiten, werden in dem Testmanual als „Risikokinder“ für

eine Sprachentwicklungsstörung bezeichnet, und eine engmaschige Betreuung wird empfohlen. Die Fragebögen sind geeignet zur Testung von Kindern in dieser Altersgruppe, da die Kinder oft in fremder Umgebung zurückhaltend, schüchtern oder unkooperativ sind und die Elterneinschätzung reliabler ist als der kurze Einblick, den der Arzt oder Therapeut in einer Untersuchung erhält. Die statistische Analyse der Ergebnisse erfolgte mit IBM SPSS Statistics 20 (Fa. SPSS, Chicago/IL). Die Ergebnisse sind dargestellt mit Mittelwert, Standardabweichung, minimaler und maximaler Punktzahl (. Tab. 1).

Ergebnisse Untersucht wurden 40 Kinder im Alter von 18–36 Monaten (Median bei 26 Monaten). Alle Kinder waren innerhalb der ersten 2 Lebensjahre mit einem CI versorgt worden. Etwa 12 Monate nach Sprachprozessoranpassung wurde der ELFRA-1 durchgeführt. Das durchschnittliche Gesamtergebnis der 4 Untertests lag bei 160 Punkten. In den Teilbereichen Sprachverständnis wurden durchschnittlich 78 Punkte, Sprachproduktion 45 Punkte, Gestik 24 Punkte bzw. Feinmotorik 13 Punkte erreicht. In allen Teilbereichen wurden damit Grenzwerte für den ELFRA-1 erreicht. Es zeigte sich signifikante Korrelation (p=0,01) zwischen den einzelnen Untergruppen des ELFRA-1 (. Tab. 2). Es zeigte sich keine Korrelation zwischen den Ergebnissen im ELFRA-1 und dem Implantationsalter der Kinder (p=0,78). Die einsprachig erzogenen Kinder erreichten eine signifikant höhere Punktzahl (193 Punkte im Mittelwert vs. 133 Punkte im Mittelwert, p=0,002) als die zweisprachig erzogenen Kinder. Zwischen männlichen und weiblichen Patienten war kein signifikanter Unterschied im Gesamtergebnis (p=0,576; . Abb. 3) erkennbar. Die männlichen Patienten erreichten im Mittelwert 161 Punkte, die weiblichen Patienten 153 Punkte. Kinder mit der Ertaubungsursache Meningitis erreichten im Durchschnitt 182 Punkte, Kinder mit einer Mutation im Connexin-26Gen 172 Punkte, Kinder mit Syndrom 156 Punkte, Kinder mit unklarer Ertaubungs-

Zusammenfassung · Abstract ursache 187 Punkte, Kinder mit einer familiären Schwerhörigkeit 108 Punkte und Kinder mit Zustand nach CMV-Infektion 131 Punkte. Bimodal versorgte Kinder erreichten im Durchschnitt 168 Punkte, unilateral versorgte Kinder 163 Punkte, bilateral versorgte Kinder (Implantation auf der Gegenseite nach 6 Monaten) 159 Punkte. Es ließen sich keine signifikanten Unterschiede (p=0,17) zwischen den verschiedenen Ursachen für die Schwerhörigkeit sowie der Versorgungsart der Kinder feststellen.

Diskussion Die Einführung des universellen Neugeborenenhörscreenings 2009 in Deutschland hat den Diagnosezeitpunkt von frühkindlichen Hörstörungen deutlich verbessert. Früher lag der Zeitpunkt der Diagnose einer hochgradigen, kindlichen Schwerhörigkeit im Durchschnitt bei 2 Jahren, der durchschnittliche Therapiebeginn bei 2,2 Jahren [20]. Durch das Screening werden heute hochgradige Hörstörungen i. d. R. in den ersten Lebensmonaten erkannt und versorgt. Sowohl der frühzeitigere Diagnosezeitpunkt als auch die Erkenntnisse über die Vorteile der frühen Implantation führen heute bei vielen Kindern zu einer CI-Versorgung in den ersten 2 Lebensjahren [21, 22]. Bei einer beidseitigen, hochgradigen Hörstörung wird die bilaterale CI Versorgung angestrebt, damit die kritische Phase zur neuronalen Entwicklung des binauralen Hörens genutzt wird [23]. Die große Varianz der kindlichen Entwicklung und insbesondere der Sprachentwicklung ist auch bei CI-Kindern zu sehen. Als mögliche Ursachen für eine nicht erwartungsgemäße Sprachentwicklung werden die späte Implantation [12], eine nichtoptimale Sprachprozessorfeinanpassung, allgemeine Entwicklungsstörungen sowie unzureichende Förderung im häuslichen Umfeld gesehen [24]. Diese Untersuchung konnte zeigen, dass der Durchschnitt der hochgradig schwerhörigen, kognitiv nicht beeinträchtigen Kinder, die innerhalb der ersten 24 Lebensmonate mit einem CI versorgt wurden, 12 Monate postoperativ in allen

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Sprachentwicklung und allgemeine Entwicklung bei Kindern mit früher Cochleaimplantation Zusammenfassung Hintergrund.  Mit der Cochleaimplantatversorgung eines Kindes ist die Erwartung an eine normgerechte Sprachentwicklung sowie allgemeine Entwicklung verbunden. Es ist bisher nicht klar, wie schnell Kinder nach einer frühzeitigen Cochleaimplantation Defizite im Vergleich zu normal hörenden Kindern ausgleichen. Methoden.  Die Daten des ELFRA1-Fragebogens von 40 hochgradig oder an Taubheit grenzend schwerhörigen Kindern ohne bekannte Zusatzbehinderungen, die vor dem 2. Lebensjahr in einem Universitätsklinikum mit einem Cochleaimplantat (CI) versorgt worden waren, wurden retrospektiv ausgewertet. Dieser Fragebogen, der gemeinsam mit dem Therapeuten 12 Monate nach Implantation bearbeitet wurde, erfragt die Sprachproduktion, das Sprachverständnis, den Einsatz von Gesten und Feinmotorik des Kindes. Ergebnisse.  Die Kinder erreichen durchschnittlich im Höralter von 12 Monaten

Normwerte in allen Untergruppen, die denen hörgesunder Kinder im Lebensalter von 12 Monaten vergleichbar waren. Es zeigt sich eine signifikante Korrelation (p=0,01) zwischen den einzelnen Untergruppen (Sprachproduktion, Sprachverständnis, Gesten und Feinmotorik) des ELFRA-1. Einsprachig erzogene Kinder zeigen signifikant bessere Resultate im Gesamtergebnis. Schlussfolgerung.  Innerhalb von 12 Monaten nach Implantation eines CI erreichten die Kinder in allen Untergruppen im ­ELFRA-1 Normwerte. Dies weist auf ein zügiges Aufholen der Defizite im Bereich der Sprachentwicklung sowie auch der Motorik und der Gestik hin. Schlüsselwörter Sprachentwicklung · ELFRA-1 · Cochleaimplantation · Schwerhörigkeit · Kinder

Speech and general development in children receiving early cochlear implants Abstract Background.  After cochlear implantation, most parents expect a normal speech and general development of their child. However, it remains unclear how quickly after early coch­lear implantation these children can compensate for their deficits compared to normal-hearing children. Methods.  This study retrospectively analyzed ELFRA-1 questionnaire data from 40 children with borderline deafness or highgrade hearing loss (without other known impairments) who had undergone cochlear implantation at a university medical center before reaching 2 years of age. ELFRA-1 questionnaires were filled out parents assisted by specialists 12 months after implantation. Questions assessed the children’s speech production and comprehension, as well as their use of gestures and fine motoric skills. Results.  At an average hearing-age of 12 months, the children achieved normal val-

ues in all of the subgroups that were comparable to those of 12-month-old children without hearing impairments. A significant correlation (p=0.01) between the individual subgroups of the ELFRA-1 (speech production, speech comprehension, gestures and fine motor skills) was observed. Unilingual educated children performed significantly better overall. Conclusion.  Within 12 months of receiving a cochlear implant, all children passed the four categories of the ELFRA-1. This demonstrates a rapid compensation of deficits in speech, motor skills and gesture development by children undergoing early cochlear implantation. Keywords Speech development · ELFRA-1 · Cochlear implantation · Hearing loss · Children

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Originalien Tab. 1  Normwerte und Ergebnisse der Untertests des ELFRA-1-Tests  

n

Sprachproduktion 39,95±5 52,43±7,79 62,85±6,96 30,0±4,72

Gestik

21 19 20 20

Sprach-  verständnis 78,24±9,35 75,11±10,12 92,2±8,8 59,9±9,3

Mädchen Jungen Einsprachig Mehr­ sprachig Normwerte (Maximalwert) Normwerte (kritischer Wert)

24,81±0,54 24,3±0,96 25,55±0,6 23,26±0,89

Fein-  motorik 12,7–0,12 12,6–0,18 12,8±0,11 12,52±0,17

Gesamtergebnis 156,7±13,57 169,3±17,39 193,4±3,38 130,2±14,13



171

181

30

13

395



7

17

11

7

42

Darstellung der möglichen Maximalwerte, der Normwerte und der erzielten Ergebnisse der einzelnen Untertests des ELFRA-1 aufgeschlüsselt nach Geschlecht und ein- bzw. mehrsprachige Erziehung.

Tab. 2  Korrelation der ELFRA-1-Subgruppen untereinander  



Produktiver Wortschatz

Korrelation nach Pearson Signifikanz (2-seitig) Korrelation nach Pearson Signifikanz (2-seitig) Korrelation nach Pearson Signifikanz (2-seitig) Korrelation nach Pearson Signifikanz (2-seitig)

Rezeptiver Wortschatz

Gesten

Feinmotorik

Produktiver Wortschatz 1

Rezeptiver Wortschatz 0,579a

Gesten

Feinmotorik

0,574a

0,414a

p=0,000

p=0,000

p=0,000

p=0,008

0,579a

1

0,444a

0,242

p=0,000

p=0,000

p=0,004

p=0,133

0,574a

0,444a

1

0,579a

p=0,000

p=0,004

p=0,000

p=0,000

0,414a

0,242

0,579a

1

p=0,008

p=133

p=0,000

p=0,000

Signifikante Korrelation der 4 Subgruppen des ELFRA-I-Fragebogens. aDie Korrelation ist auf dem Niveau von 0,01 (2-seitig) signifikant.

Untergruppen des ELFRA-1 die Grenzwerte für hörgesunde Kinder im Alter von 12 Monaten erreichen konnte. Kritisch ist zu betrachten, dass die später mit einem CI versorgten Kinder zum Testzeitpunkt älter waren als die Kinder mit früher Implantation. Deshalb konnte womöglich keine Beziehung des Testergebnisses zum Implantationszeitpunkt festgestellt werden. Es konnte bereits ein deutlicher Zusammenhang zwischen früher Implantation und guter Sprachentwicklung nachgewiesen werden [11]. Dieser Zusammenhang ließ sich in unserer Untersuchung nicht nachweisen. Gründe hierfür könnten der frühe Untersuchungszeitpunkt und das Untersuchungsinstrument sein. Die Erkenntnis, dass Kinder mit früher

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Implantation 12 Monate nach CI-Versorgung zumindest den ELFRA-1-Test bestehen können, ist für die kompetente Beratung betroffener Familien von großer Bedeutung. Erreicht ein Kind diese frühen Entwicklungsschritte nicht, sind die weitere kinderneurologische Abklärung und ggf. auch eine Veränderung des Therapiekonzepts indiziert. Die Ergebnisse weisen eine signifikante Korrelation zwischen den einzelnen Untergruppen des ELFRA-1 auf, die auf dem Niveau von 0,01 signifikant ist. Dieses Ergebnis stützt die Annahme, dass kognitive und sprachliche Entwicklung eng miteinander verknüpft sind [25]. Kinder scheinen durch eine CI-Versorgung neben der Sprachentwicklung auch in

den Bereichen Feinmotorik und Gestik zu profitieren. Bilingual erzogene Kinder haben in diesem Kollektiv signifikant schlechter abgeschnitten als einsprachig erzogene Kinder, obwohl die Wortschatzsumme beider Sprachen gewertet wurde. Dies konnte bereits durch andere Studien belegt werden [26]. Bei bilingual erzogenen Kindern sollte deshalb ganz besonders auf die Entwicklung der Sprache nach CI-Versorgung geachtet werden, um frühzeitig Defizite aufzuarbeiten und die Kinder intensiver zu fördern. Andere Studien zeigen jedoch auch, dass viele mehrsprachig erzogene Kinder zu einem späteren Zeitpunkt in ihrer Sprachentwicklung im Vergleich zu den einsprachig erzogenen Kindern aufholen und in einigen Bereichen auch Vorteile aufweisen. In der frühen Sprachentwicklung zeigen die bilingual erzogenen Kinder im Durchschnitt jedoch zunächst Defizite. Den in der Literatur beschriebenen Vorteil der Mädchen in der Sprachentwicklung konnten wir nicht nachweisen [15, 27]. Ein Grund hierfür könnte sein, dass die Kinder in den zitierten Studien deutlich älter waren, möglicherweise wird der Unterschied erst später mit zunehmender Varianz in der Sprachentwicklung deutlich. Zudem könnte die geringe Fallzahl hierfür verantwortlich sein. Festzuhalten bleibt auch die Limitation des verwendeten Messinstruments. Der hier verwendete ELFRA-1-Fragebogen stellt keine objektive Untersuchung dar und wurde zu nur einem Testzeitpunkt ausgefüllt. Somit hängen die Ergebnisse von der Zuverlässigkeit der elterlichen Angaben sowie der Therapeuten ab. Jedoch ist der ELFRA-1 ein standardisierter und anerkannter Fragebogen. Kothe et al. [28] und Brachmaier et al. [29] zeigten, dass mit Elternfragebögen verlässliche und zuverlässige Aussagen gemacht werden können. Außerdem muss die relativ geringe Fallzahl (n=40) kritisch angemerkt werden sowie das Fehlen einer direkten Matched-Pairs-Kontrollgruppe. Bei unserer retrospektiven Betrachtung wurde auf die publizierten Normwerte zurückgegriffen [18]. Weitere Studien werden zeigen können, inwieweit die frühe Wortschatzentwicklung ein prognostischer Faktor für die weitere Entwicklung eines Kindes mit CI ist.

150 100 50 0

**

250 Erreichte Punktzahl (ELFRA1)

Erreichte Punktzahl (ELFRA1)

200

männlich

weiblich

Fazit für die Praxis Hochgradig schwerhörige oder gehörlose Kinder ohne erkennbare Zusatzbehinderung, die innerhalb der ersten 24 Lebensmonate mit einem CI versorgt werden, erreichen im Durchschnitt im ­ELFRA-1-Fragebogen 12 Monate nach Implantation in allen Teilbereichen die Normwerte. Einsprachig erzogene Kinder zeigen zu diesem Zeitpunkt ein signifikant besseres Gesamtergebnis als mehrsprachig erzogene Kinder.

Korrespondenzadresse Dr. S. Mikolajczak Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie,   Uniklinik Köln Gebäude 23, 50924 Köln stefanie.mikolajczak@  uk-koeln.de

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  S. Mikolajczak, B. Streicher, J.C. Luers, D. Beutner, R. Lang-Roth geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.   Alle im vorliegenden Manuskript beschriebenen Untersuchungen am Menschen wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethik-Kommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Von allen beteiligten Patienten liegt eine Einverständniserklärung vor.

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[Speech and general development in children receiving early cochlear implants].

After cochlear implantation, most parents expect a normal speech and general development of their child. However, it remains unclear how quickly after...
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