Editorial

Schwerpunktthema „Entzündliche Augenerkrankungen“ Special Focus: Inflammatory Diseases of the Eye

C. Cursiefen

A. Heiligenhaus

Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1368402 Klin Monatsbl Augenheilkd 2014; 231: 488–489 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0023-2165 Korrespondenzadresse Prof. Dr. med. Claus Cursiefen, FEBO Zentrum für Augenheilkunde Universität zu Köln Kerpener Str. 62 50924 Köln Tel.: +49/(0)2 21/4 78 43 00 Fax: +49/(0)2 21/4 78 50 94 [email protected] Korrespondenzadresse Prof. Dr. Arnd Heiligenhaus St.‑Franziskus-Hospital Augenabteilung Hohenzollernring 74 48145 Münster Tel.: +49/(0)2 51/93 30 80 arnd.heiligenhaus@ uveitis-zentrum.de

Die Öffentlichkeit wird über eine dramatisch ansteigende Zahl von Allergikern informiert. Damit gewinnt ein lange bekannter Krankheitskomplex zunehmend Relevanz in unserem Gesundheitssystem und hat immer mehr ökonomische Bedeutung. Mit der Kenntnis, dass Allergien multifaktoriell entstehen und Umweltfaktoren, Klimaveränderungen und soziale Verhältnisse bedeutenden Einfluss nehmen, rückt die Allergie in den Fokus aktueller Politik. Die Hygiene-Hypothese, nach der die keimarme Umgebung in der „postindustriellen“ Welt die Entwicklung des Immunsystems während der Kindheit behindert und Allergien fördert, wird aber immer mehr infrage gestellt. Wir erleben die moderne Augenheilkunde immer mehr als eine hochtechnisierte medizinische Fachdisziplin. Hightech-Medizin scheint zur unverzichtbaren Grundlage für eine stadiengerechte und evidenzbasierte Medizin zu werden. Die Übersichtsarbeiten in dieser Ausgabe zum Thema „Allergie“ dokumentieren aber übereinstimmend, dass im Mittelpunkt der Betreuung von Allergiepatienten zuerst einmal ein ausführliches Patientengespräch stehen muss. Ein detektivisches Forschen nach den möglichen Verursachern im unmittelbaren Umfeld des Betroffenen, und das bezieht auch Umweltbelastungen mit ein. Gesprächsmedizin ist also auch in Zeiten der Hightech-Medizin nicht „out“, sondern absolut „in“. Denn im Mittelpunkt des Managements von Allergikern stehen möglichst der Nachweis der auslösenden Allergene und die Prävention einer erneuten Allergenexposition. Allergiekarenz und Milieusanierung sind die zentralen Säulen in der Patientenbetreuung. Wenngleich sehr potente Medikamente zur Allergiebehandlung verfügbar sind, ist ihr Einsatz zum Scheitern verurteilt, wenn nicht die verursachenden Trigger vermieden werden. Auch können sehr einfache Hilfsmittel den Patienten vor schweren Folgeschäden der Augenoberfläche bewahren. Wie beispielsweise eine Brille mit Seitenschutz zum Schutz vor der saisonalen aerogenen Allergielast. Von herausragender klinischer Bedeutung ist weiterhin die Immunisierung, die zur Minimierung der Entzündung bei einer späteren unvermeidbaren Allergenexposition führen kann. Dieses präventive Behandlungskonzept ist auch eine wirksame Sekundärprävention von Komplikationen der Augenoberfläche, die das Sehen gefährden. Was muss ein Augenarzt über Allergien und die Betreuung von Patienten mit allergischen Augenerkrankungen wissen? Eine zentrale Aufgabe des

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Augenarztes ist, die Allergie als solche zu erkennen und gegenüber anderen Entitäten abzugrenzen, z. B. von toxischen Begleitreaktionen oder Autoimmunerkrankungen (z. B. Rosazea oder Pemphigoid). Da Allergie nicht gleich Allergie ist, gilt es, die unterschiedlichen allergischen Erkrankungen der Augenoberfläche voneinander abzugrenzen. Nicht nur, weil ihre Prognose sehr unterschiedlich ist und die potentiell sehr gefährdenden Entitäten einer aggressiveren Therapie bedürfen, sondern auch wegen der unterschiedlichen pathogenetischen Grundlagen der Krankheitsbilder, auf deren Kenntnis voneinander divergierende Therapiewege eingeschlagen werden müssen. Grundsätzlich gilt, dass bei dem Verdacht auf eine allergische Grunderkrankung ein Dermatologe konsultiert werden muss. Unter sachkundiger Umsetzung der Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft zur Prävention und Therapie von Allergien kann die Langzeitprognose bei Allergikern mit Augenbeteiligung verbessert werden. Bei entsprechender Anamnese und Klinik sind auch HNO-Ärzte und Pulmonologen einzubeziehen. Bei Betrachtung der Grundlagen der Entzündungsreaktionen von Allergien der Augenoberfläche wird offenkundig, dass Mastzellen und eosinophile Granulozyten eine zentrale Rolle spielen. Zu den lange etablierten Medikamenten zählen daher Antihistaminika, Mastzellstabilisatoren und Kortikosteroide. Mit Bekanntwerden der wichtigen pathogenetischen Rolle auch von TLymphozyten haben nun Calcineurin-Inhibitoren einen festen Platz im Therapieplan erhalten. In Fachjournalen berichten Experten über immer mehr Detailkenntnisse der allergischen Erkrankungen und über innovative Therapieansätze, wie z. B. Inhibitoren von H4-Rezeptoren (Alcaftadine), selektive Glukokortikoid-Rezeptor-Antagonisten (z. B. Mapracorat), Arylhydrocarbon-Rezeptor-Blocker und Prostaglandin-D2-Antagonisten (CRTH2). Ihr Stellenwert zur Therapie von Allergien der Augenoberfläche ist derzeit aber noch unklar. Erste erfolgversprechende Fallberichte zum Einsatz von monoklonalen Antikörpern gegen freies zirkulierendes IgE (z. B. Omalizumab) liegen auch bei Patienten mit schweren Allergien der Augenoberfläche vor. Die subkutane Immuntherapie ist gegenüber der topischen anti-allergischen Therapie hinsichtlich einer Minderung der okulären Symptome signifikant überlegen, die sublinguale Immuntherapie aber nicht. Aktuellen Schätzungen zu Folge leiden bis zu 25 % der Menschen in Europa an einer allergischen

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Rhinokonjunktivitis. Obschon das klinische Erscheinungsbild harmlos erscheint, sind der Einfluss auf die Lebensqualität der Patienten und die nachgewiesenen sozioökonomischen Konsequenzen immens. Im Gegensatz zu den warmen Klimazonen ist die Keratokonjunktivitis vernalis in unseren Gefilden relativ selten. Die Erkrankung betrifft typischerweise Kinder und ist wegen der Riesenpapillenbildung (sogenanntes Tissue-remodeling) und der potentiellen Hornhautbeteiligung gefürchtet. Konjunktivale Narbenbildung und Hornhautkomplikationen sind auch für die atopische Keratokonjunktivitis charakteristisch. Bei beiden Krankheitsbildern ist von therapeutischer Relevanz, dass neben den IgE-vermittelten Reaktionen auch Eosinophile und Lymphozyten von grundlegender Bedeutung sind. Insofern rücken hier neben den dual wirksamen Präparaten die Kortikosteroide und Calcineurin-Inhibitoren in den Vordergrund. Die gigantopapilläre Konjunktivitis (GPC) ist eine häufige Komplikation bei Kontaktlinsenträgern und die häufigste Ursache von Kontaktlinsenintoleranz. Die GPC wird durch Ablagerungen auf der Kontaktlinse verursacht, die dem Immunsystem auf der Augenoberfläche präsentiert werden. Betroffen sind Patienten mit langer Kontaktlinsentragezeit, schlechten Desinfektionsstandards und Anpassstatus. Durch die Verschiebung der Kompetenzen in der Kontaktologie ist zu befürchten, dass Augenärzte künftig eher mit den fortgeschrittenen Stadien zu tun haben werden. Unter den Lidekzemen ist das allergische Kontaktekzem die häufigste Form. Im Gesicht ist die recht dünne Haut in der Periorbitalregion besonders oft betroffen. Unter den mannigfaltigen aus-

lösenden Allergenen befinden sich insbesondere Kontaktlinsenflüssigkeiten, bei jungen Frauen Kosmetika und Hautpflegeprodukte und bei älteren Patienten die topisch applizierten Ophthalmika. Auch aerogene Allergene im häuslichen Bereich (z. B. Baumaterialien) oder im beruflichen Umfeld sind abzuwägen. Bei chronischer Allergenexposition wird die Diagnose schwieriger, da die Entzündungszeichen zurücktreten und epidermale Verhornungsstörungen, Lichenifikation und Schuppung in den Vordergrund rücken. Wegen der Häufigkeit von Kontaktsensibilisierungen als Ursache für Ekzeme im Lidbereich sollte bei jedem Patienten eine allergologische Abklärung erfolgen. Dem Nachweis dienen eine umfassende allgemeine und spezielle Anamnese, die Inspektion der gesamten Haut und der Epikutantest. Vorrangiges Ziel der allergologischen Therapie ist auch bei diesem Krankheitsbild die Allergenkarenz. Alternativ werden topische Kortikosteroide und Calcineurin-Inhibitoren angewendet. Die nächste Allergiesaison wird kommen. Obschon die Sensibilisierung auf die Allergene bei den Patienten, die unseren Rat einholen, längst erfolgt ist, können wir als Augenärzte sehr wirksame Maßnahmen zur Linderung der Symptome in der Früh-/Sofortphase und Spätphase einbringen – es gibt viel Neues, um das Leid der Patienten zu lindern. Viel Freude beim Studium der Artikel im diesjährigen Themenheft wünschen Ihnen Arnd Heiligenhaus, Münster Claus Cursiefen, Köln

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