Kasuistik

Weichgewebstumor in der Nähe von Gelenken: Hibernom Soft Tissue Tumor Near the Joint: Hibernoma

Autoren

J. Schmolders 1, S. Gravius 1, M. J. Friedrich 1, M. Kriegsmann 2, D. C. Wirtz 1, J. Kriegsmann 3

Institute

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Schlüsselwörter " Weichteiltumor l " Hibernom l " benigne Tumoren l Key words " soft tissue tumor l " hibernoma l " benign tumors l

Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Bonn Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg Zentrum für Histologie, Zytologie und Molekulare Diagnostik Trier

Zusammenfassung

Summary

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Gelenknahe Tumoren müssen histologisch abgeklärt werden, da neben entzündlichen Veränderungen auch benigne und maligne Tumoren auftreten. Wir berichten über einen glatt begrenzten Tumor, der in der Ellenbeuge lokalisiert war und sich histologisch als Hibernom erwies. Die Therapie erfolgt chirurgisch durch komplette Resektion, Rezidive treten sehr selten auf. Es lag keine MDM-2-Genamplifikation vor, somit war ein Liposarkom mit hibernomähnlichen Arealen auszuschließen. Hibernome sind Tumoren des braunen Fettgewebes, die selten auch in der Nachbarschaft von Gelenken auftreten können.

Joint associated tumors must undergo histological analysis, since not only inflammatory, but also benign and malign tumors exist in this location. We report a well circumscribed tumor, located in the elbow that histologically turned out to be a hibernoma. Complete surgical excision is the therapy of choice and recurrences are rare. To rule out liposarcoma with hibernoma like changes, fluorescence in-situ hybridisation has been performed and showed no MDM-2 amplification. Hibernomas are tumors of brown adipose tissue that may be localized next to joints.

Einleitung

suchung des Ellenbogens in 2 Ebenen als auch eine Routineblutuntersuchung blieben ohne pathologischen Befund.

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Gelenkassoziierte Tumoren sind in der klinischen Praxis häufig, wobei neben Lipomen vorwiegend Riesenzelltumoren der Sehnenscheide auftreten. Da gelenkassoziiert auch Sarkome beobachtet werden, ist eine histologische Abklärung des Befunds unbedingt erforderlich. In wenigen Fällen werden auch Hibernome in dieser Lokalisation beobachtet. Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1382860 Z Orthop Unfall 2014; 152: 366–368 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 1864‑6697 Korrespondenzadresse Dr. Jan Schmolders Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Universitätsklinikum Bonn Sigmund-Freud-Straße 25 53127 Bonn Tel.: 02 28/2 87-1 41 06 Fax: 02 28/2 87-1 41 75 jan.schmolders@ ukb.uni-bonn.de

Befund Kernspintomografisch imponierte eine homogene und glatt begrenzte, ovale Raumforderung unklarer Dignität mit einem maximalen Durchmesser von 8 cm.

Diagnose Fallbericht !

Anamnese Wir berichten von einer 54-jährigen Patientin, die sich mit einem rasch wachsenden Tumor in der rechten Ellenbeuge vorstellte. Dieser entwickelte sich schmerzlos zu einer walnussgroßen, nicht verschieblichen, tastbaren Schwellung über einen Zeitraum von ca. 12 Wochen und verursachte zunehmend Einschränkungen in der Flexion. Die periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität war ansonsten zu jeder Zeit intakt. Sowohl eine zuvor durchgeführte röntgenologische Unter-

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Zur abschließenden Dignitätseinschätzung wurde der Tumor offen exzidiert. Histopathologisch wurde die Raumforderung als Hibernom identifi" Abb. 1). In der weiteren molekularpathoziert (l logischen Begutachtung konnte keine MDM2Genamplifikation mittels 2-farbiger Fluoreszenzin-situ-Hybridisierung nachgewiesen werden " Abb. 2), sodass die Raumforderung eindeutig (l gegenüber atypischen lipomatösen Tumoren – diese besitzen i. d. R. eine MDM2-Genamplifikation – als benigner lipomatöser Tumor charakterisiert werden konnte.

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vakuoläre Adipozyten mit granuliertem Zytoplasma und exzentrisch gelegenen kleinen, relativ uniformen Zellkernen, dazwischen kleine Kapillaren.

Verlauf und Therapie Operativ konnte dann ambulant über einen Zugang über der Fossa cubitalis ein 17 g schwerer Tumor mit den Abmessungen von 5,5 × 3,7 × 3,4 cm in toto reseziert werden. Der weitere postoperative Verlauf gestaltete sich frei von Komplikationen. Die Patientin ist in der klinischen Verlaufskontrolle nach einem Jahr asymptomatisch.

Diskussion !

Gelenkassoziierte Schwellungen können neben entzündlichen Veränderungen auch benigne oder maligne Tumoren darstellen. Benigne Tumore sind Lipome, Angiolipome, Hämangiome, Myome Fibrome und Riesenzelltumoren der Sehnenscheide. Letztere rezidivieren im Gegensatz zu den anderen benignen Tumoren einschließlich der Hibernome. Sehr selten treten Sarkome im Gelenkbereich auf. Zu diesen zählen Liposarkome, Leiomyosarkome, Synovialsarkome sowie Klarzellsarkome [1]. Hibernome sind sehr seltene benigne Weichteiltumoren, die entwicklungsgeschichtlich dem braunen Fettgewebe zuzuordnen sind. Braunes Fettgewebe ist an der Thermoregulation beteiligt und tritt vorwiegend beim Fötus zwischen der 21. und 24. SSW auf [2]. Der erwachsene Mensch besitzt nur spärlich braunes Fettgewebe. Nach der Geburt setzt schnell dessen Rückbildung ein. Hibernome treten häufig in Lokalisationen auf, in denen braunes Fettgewebe auch nach der Geburt vorkommt, wie Oberschenkel, Stamm, Rücken und Nacken [3]. Da Hibernome im Kindesalter eine Rarität darstellen ist eine neoplastische Entstehung aus pluripotenten mesenchymalen Zellen wahrscheinlich [2]. Dieses Argument wird auch durch die z. T. ungewöhnlichen Lokalisationen dieser Tumoren gestützt. Somit sind auch Tumoren desselben – Hibernome – insgesamt selten. Im Jahre 1906 wurde der Tumor zum ersten Mal beschrieben, bis heute liegen nur wenige Fallberichte vor. Furlong und Mitarbeiter [3] berichten über 170 Fälle, vorwiegend am Oberschenkel, dem Körperstamm und dem Hals- und Nackenbereich lokalisiert. Daneben wurde diese Tumorentität intrathorakal [4], im Mediastinum [5], retroperitoneal [6], intradural und intraspinal beschrieben [7]. Elf Fälle waren im Bereich des Armes lokali-

Abb. 2 Ausschluss einer MDM2-Genamplifikation mittels Fluoreszenz-insitu Hybridisierung (FISH).

siert, der Tumor kann auch intraossär oder in inneren Organen wie Niere und Herz auftreten [8]. Klinisch imponieren diese Tumoren als langsam wachsende, weiche und schmerzlose Raumforderungen. Makroskopisch handelt es sich um einen gelblich-braunen, weichen Tumor, welcher histologisch lobulär aufgebaute, polygonale braune Fettzellen und kleine runde eosinophile Zellen mit kapillären Blutgefäßen und Stromazellen zeigt. Der Tumor besitzt, wie auch Lipome, eine zarte bindegewebige Kapsel. Die Zellen des braunen Fettgewebes sind durch zahlreiche Mitochondrien charakterisiert, die den histologisch granulären Aspekt erklären [2]. Es werden histologisch unterschiedliche morphologische Varianten beschrieben, welche von atypischen lipomatösen Tumoren und rundzelligen Liposarkomen abzugrenzen sind [1]. Immunhistologische Untersuchungen mit Antikörpern gegen CDK4 und MDM2 (Hibernome: negativ) sind hilfreich in der differenzialdiagnostischen Abgrenzung zu Liposarkomen. Da multivakuoläre Adipozyten rein histomorphologisch schwer von Lipoblasten und Pseudolipoblasten zu unterscheiden sind, ist eine molekularpathologische Untersuchung zur MDM-2-Genamplifikation erforderlich, um den Tumor von Liposarkomen mit hibernomähnlichen Arealen zu differenzieren. Es wurde in einigen Fällen ein signifikanter Gewichtsverlust beschrieben, der der exzessiven Thermogenese der Tumoren zuge-

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Abb. 1 a und b Histologischer Aspekt des Tumors (a Übersicht, b Nahaufnahme). Man sieht dicht gelagerte, polygonale, unterschiedlich große, multi-

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Fazit für die Praxis ! "

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Gelenknahe Schwellungen umfassen neben entzündlichen Veränderungen auch benigne oder maligne Tumoren. Hibernome sind seltene benigne Tumoren des braunen Fettgewebes. Molekulare Untersuchungen sollten zur Abgrenzung von malignen Prozessen durchgeführt werden. Rezidive sind nach kompletter chirurgischer Entfernung selten.

Literatur 1 Nielsen GP, Rosenberg AE, OʼConnell JX et al. Tumors and diseases of the joint. Semin Diagn Pathol 2011; 28: 37–52 2 Sell H, Deshaies Y, Richard D. The brown adipocyte: update on its metabolic role. Int J Biochem Cell Biol 2004; 36: 2098–2104 3 Furlong MA, Fanburg-Smith JC, Miettinen M. The morphologic spectrum of hibernoma: a clinicopathologic study of 170 cases. Am J Surg Pathol 2001; 25: 809–814 4 Little BP, Fintelmann FJ, Mino-Kenudson M et al. Intrathoracic hibernoma: a case with multimodality imaging correlation. J Thorac Imaging 2011; 26: W20–W22 5 Barbetakis N, Asteriou C, Stefanidis A et al. Mediastinal hibernoma presenting with hoarseness. Interact Cardiovasc Thorac Surg 2011; 12: 845–846 6 Collado L, Sierre S, Bosalec A et al. [Hibernoma: brown fat retroperitoneal tumor. Report of a pediatric case]. Arch Argent Pediatr 2011; 109: 126–129 7 Kumar R, Deaver MT, Czerniak BA et al. Intraosseous hibernoma. Skeletal Radiol 2011; 40: 641–645 8 Di Tommaso L, Chiesa G, Arena V et al. Cardiac hibernoma: a case report. Histopathology 2012; 61: 985–987 9 Essadel A, Bensaid Alaoui S, Mssrouri R et al. [Hibernoma: a rare case of massive weight loss]. Ann Chir 2002; 127: 215–217 10 Martini N, Londero V, Machin P et al. An unusual breast lesion: the ultrasonographic, mammographic, MRI and nuclear medicine findings of mammary hibernoma. Br J Radiol 2010; 83: e1–e4

Interessenkonflikt: Nein

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schrieben wurde [9]. Bildgebende Verfahren zeigen einen glatt begrenzten Tumor, eine weitere Einordnung ist jedoch nicht möglich. Das MRT-Signal ist heterogen, da der Tumor einen variablen Anteil fibröser Septen besitzen kann. Ebenso ist die Gefäßausstattung des Tumors sehr variabel, jedoch ausgeprägter als in Lipomen [10]. Oftmals ist die Entdeckung ein Zufallsbefund. Nach marginaler chirurgischer Tumorexzision ist keine erhöhte Rezidivneigung in der Literatur beschrieben [3]. Zusammenfassend stellen wir einen seltenen Fall eines Hibernoms in ungewöhnlicher Lokalisation vor, der in die differenzialdiagnostischen Überlegungen benigner und maligner Tumoren in Gelenknähe einbezogen werden muss.

[Soft tissue tumor near the joint: hibernoma].

Joint associated tumors must undergo histological analysis, since not only inflammatory, but also benign and malign tumors exist in this location. We ...
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