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Niesen als mechanische Abwehr – Numerische Simulation mit Analyse der durchströmten Nasenbereiche Sneezing as a Mechanical Defence – A Numerical Simulation and Analysis of the Nasal Flow

Institute

Schlüsselwörter ▶ Niesen ● ▶ Strömung ● ▶ numerische Simulation ● ▶ Schleimhaut ● ▶ Klimatisierung ● Key words ▶ sneezing ● ▶ climatization ● ▶ numerical simulation ● ▶ mucosa ● ▶ air flow ●

F. Sommer1, M. Scheithauer1, R. Kröger2, G. Rettinger1, J. Lindemann1 1 2

Universitätsklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie, Universitätsklinikum Ulm ANSYS Germany, Darmstadt

Zusammenfassung



Hintergrund: Die Nase übernimmt die Befeuchtung, Erwärmung und Reinigung der eingeatmeten Luft. Der Niesreflex führt bei starker Partikelbelastung durch beschleunigte Ausatmung zu einer stoßartigen Reinigung der Nase. Ziel dieser Studie war die Simulation der intranasalen Luftströmung im Rahmen des Niesens in einem realistischen Computermodell. Material und Methoden: Aus dem CT-Datensatz eines 40-jährigen Mannes wurde ein 3-dimensionales Computer-Modell der Nasenhaupthöhle und der Siebbeinzellen erstellt. Strömungssimulationen wurden für verschiedene Einatmungsund Ausatmungs-Geschwindigkeiten (± 2 m/s bis ± 45 m/s) durchgeführt, um den Niesvorgang zu simulieren. Ergebnisse wurden mittels Videosimulation dargestellt und analysiert. Ergebnisse: Bei der Inspiration verläuft der Hauptatemstrom entlang der mittleren Nasen-

Einleitung

▼ eingereicht 17. April 2014 akzeptiert 14. Juli 2014 Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1385862 Laryngo-Rhino-Otol 2014; 93: 746–750 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0935-8943 Korrespondenzadresse Fabian Sommer Universitätsklinik für HalsNasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie Universitätsklinikum Ulm Frauensteige 12 89075 Ulm [email protected]

In Ruheatmung ermöglicht die Nase eine Erhöhung der eingeatmeten Luft auf nahezu Körpertemperatur auf der Strecke vom Naseneingang bis zum Nasopharynx. Die Luftfeuchtigkeit wird von 30 % auf bis zu 95 % erhöht [1]. Durch den engen Schleimhautkontakt bleiben eingeatmete Partikel auf der Schleimhaut haften und werden durch den konstant vorhandenen Zilienstrom zusammen mit dem Schleimfilm in Richtung Nasenrachen transportiert und dort geschluckt. Neben der mukoziliären Clearance existiert ein weiteres Reinigungssystem der Nasenschleimhaut: das Niesen. Es gibt verschiedene Ursachen für Niesen. Der photooptische Niesreiz soll durch eine geringe anatomische Distanz des N. opticus zum N. trigeminus bedingt sein [2]. Bei starkem Lichteinfall auf die Retina kommt es zu „Signalübersprung“

Sommer F et al. Niesen als mechanische Abwehr… Laryngo-Rhino-Otol 2014; 93: 746–750

muschel. Bei der Exspiration befindet sich die Strömung weiter kranial. Dieser Effekt wird durch die Form des Nasopharynx und die posterioren Anteile der Nasenmuscheln verursacht, die wie Schaufelräder den Luftstrom lenken. Bei sehr hohen Geschwindigkeiten (Niesen) werden auch angrenzende Siebbeinzellen und die Regio olfactoria von dem stoßartigen Atemstrom erfasst. Eine große Wirbelbildung im Nasopharynx sorgt für eine gleichförmige Verteilung auch des unteren Nasengangs. Schlussfolgerung: Niesen ist ein Schutzreflex zur Reinigung der Nase. Die Strömung erfasst ab 10 m/s die kranialen Nasenabschnitte und angrenzende Siebbeinzellen. Im Vergleich zur Einatmung ist der Ausatemstrom nicht einfach nur umgekehrt. Kraniale Nasenbereiche, in denen während der Ruheatmung Partikel abgesetzt werden, werden erfasst.

auf den N. trigeminus. Betroffenen Menschen niesen beim Blick in die Sonne oder andere helle Lichtquellen. Der Niesreflex ist z. T. willentlich beeinflussbar und damit kein echter Reflex. Bei Kontakt von Reizstoffen mit der Nasenschleimhaut wird der Reflex über den N. trigeminus (V/2) ausgelöst. Die zentral verantwortliche Region ist der ventromediale Anteil der Nucleus spinalis nervi trigemini im Hirnstamm [3]. Diese Region löst eine reflektorische und motorische komplexe Antwort aus [4]. Dieser physiologische Mechanismus dient der der raschen Säuberung der oberen Atemwege. Das Niesen wird in 3 Phasen unterteilt. 1) Einatmung 2) Luftanhalten, Glottisschluss 3) Forcierte Exspiration In verschiedenen Studien wurde die Verteilungsgeschwindigkeit der Partikel außerhalb der Nase

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Autoren

untersucht. Tang et al. untersuchten Partikelgeschwindigkeiten beim Husten [5] und veröffentlichten 2013 eine Studie, in der das Niesen mittels „shadowgraph imaging technique“ und einer Hochgeschwindigkeitskamera analysiert wurde [6]. Partikelgeschwindigkeiten von ca. 4,5 m/s außerhalb der Nase und ein Auswurfradius von ca. 0,6 m wurden festgestellt. In Phase 3 des Niesens wird eine Luftgeschwindigkeit an der Glottis von bis zu 160 km/h oder umgerechnet 45 m/s erreicht. Der explosionsartige Atemstrom dient der druckwellenartigen Reinigung aller Nasenbereiche. Bislang existieren keine Studien, die diesen Reflex und den dadurch bedingten Strömungsvorgang untersucht haben. Die Problematik einer In-vivo-Messung dieses physiologischen Vorgangs liegt in der hohen Luftgeschwindigkeit. Messsonden reagieren zu träge, da sich die Luftgeschwindigkeit in ca. 0,4 s von 0 auf bis zu 45 m/s erhöht. Zudem sind nur einzelne Messpunkte erfassbar, da alle Sonden mit Kabeln an die Messaparatur angeschlossen sein müssen. In posterioren Nasenbereichen (Nasopharynx/Oropharynx) sind diese Kabel für den Probanden störend und lösen Reflexe mit nachfolgenden anatomischen Veränderungen (z. B. Würgen) aus. Eine objektive Messung ist hierdurch nicht möglich. Es existiert bislang keine Studie, die die intranasalen Vorgänge des Niesens analysiert hat. Computational Fluid Dynamics (CFD), sog. Numerische Simulationen, bieten eine in der Industrie etablierte Methode, eine hochauflösende Analyse der Luftströmung in allen Nasenbereichen über einen beliebigen Zeitraum durchzuführen. Beliebig viele Analysepunkte sind definierbar. Die CFD-Technik stammt ursprünglich aus der Industrie. Innerhalb des letzten Jahrzehntes sind viele Crash-Tests durch Numerische Simulationen ergänzt oder ersetzt worden. Auch in den medizinischen Bereich hat diese Technik Einzug gehalten. In zahlreiche Publikationen wurde der Blutfluss in Gefäßen in unterschiedlichsten Anordnungen dargestellt und analysiert [7–10]. Neben Flüssigkeiten lassen sich auch Luftströmungen untersuchen. Untersuchungen zur Strömung in Lunge und Bronchien [11–13] sowie zahlreiche Studien zur Nasenphysiologie [14–16] und Auswirkungen von Pathologien oder chirurgischen Eingriffen [14, 17–23] wurden durchgeführt. Schwierigkeiten bereiten dynamische Vorgänge, also Messzeiten, innerhalb derer sich die Variablen Geschwindigkeit, Temperatur und Feuchte verändern. Die vorliegende Analyse sollte die Machbarkeit eines komplexen physiologischen Vorgangs mit sich stark ändernder Strömungsgeschwindigkeit untersuchen. Ziel war zudem, die durchströmten Bereiche und Mechanismen für die Luftverteilung aufzuzeigen und eine Aussage zu linearer oder turbulenter Strömungsverteilung treffen zu können.

durchgeführt. Der gesamte Nasennebenhöhlen-Scan hatte 241 Schichten. Die Segmentierung erfolgte mittels ScanIP (Version 4.0) und ScanFE (Version 3.2.3). Die Modellmodifikation und -optimierung wurde mit T-Grid (ANSYS Workbench 14), die Strömungssimulation sowie deren grafische Darstellung wurden mit Fluent (ANSYS Workbench 14) realisiert. Das fertige Modell bestand aus ca. 9 Millionen Zellen und 2,6 Millionen Polyedern ▶ Abb. 1 zeigt das fertige Modell in nach fertiger Vernetzung. ● 3-dimensionaler Ansicht. Für die Strömungssimulationen wurden verschiedene statische Einatmungs- und Ausatmungs-Geschwindigkeiten ( ± 2 m/s bis ± 45 m/s) analysiert. Die variable Niesgeschwindigkeit von 35 m/s (Beginn des Nasopharynx) wurde mittels einer transienten Simulation dargestellt. Hierzu erfolgte eine exponentielle Stei▶ Tab. 1 gerung von 0 auf maximal 35 m/s innerhalb von 0,4 s. ● zeigt das Geschwindigkeitsprofil, welches dem Niesvorgang zugrunde lag. Eine farbliche Darstellung der Luftströmung sowie die Flugbahn masseloser Partikel, die die Strömungsverteilung visualisieren, ermöglichten die genaue Analyse der durchströmten Bereiche. Die Momentaufnahmen der Partikel lieferten nach entsprechender Bearbeitung ein Video, das den Niesvorgang 3-dimensional zeigt.

Material und Methoden

Tab. 1 Geschwindigkeitsprofil am Nasopharynx, das den Niesvorgang simuliert.



Aus einem CT-Datensatz wurde ein 3-dimensionales ComputerModell der Nasenhaupthöhle und der Siebbeinzellen erstellt. Der Patient, dessen Datensatz verwandt wurde, hatte anamnestisch keine Rhinosinusitis oder Polyposis nasi. Die Bildgebung wurde aufgrund unklarer Cephalgien durchgeführt und wegen der annähernd symmetrischen anatomischen Verhältnissen als Grundlage für die vorliegende Simulation verwendet. Die Anatomie wies keine strömungsrelevanten Variationen auf, die Proportionen der Nasenhaupthöhlen waren annähernd symmetrisch. Eine Muschelhypertrophie bestand nicht. Die CT-Untersuchung wurde an einem Philips Brilliance 16 Computertomografen mit einer Schicktdicke von 1,3 mm bei einem Vorschub von 0,6 mm

3 a

1

2

b

Abb. 1 3-dimensionales Nasenmodell mit Übergang zum Nasopharynx. Farblich dargestellt sind beispielhafte koronare Schnittebenen, die den Verlauf der Strömung innerhalb der Nase darstellen. a Naseneingang b Nasopharynx 1: Anteriore Schnittebene 2: Mittlere Schnittebene 3: Posteriore Schnittebene.

Zeitpunkt (s) 0 0,04 0,08 0,12 0,16 0,2 0,24 0,28 0,32 0,36 0,4

Geschwindigkeit Nasopharynx (m/s) 0 1 3 5 11 18 26 36 42 44 45

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2 m/s

Bei Inspiration mit einer Geschwindigkeit von 2 m/s am Nasopharynx ist das Zentrum des Luftstroms entlang der mittleren Nasenmuschel verteilt. Die Unterseite teilt den eintretenden Strom in die Nasenhaupthöhle und den mittleren Nasengang auf ▶ Abb. 2, oben). Die Strömungsgeschwindigkeit erreicht an der (● Muschel bis zu 1,2 m/s. Der untere Nasengang zeigt Luftgeschwindigkeiten von bis zu 0,7 m/s auf. Die kranialen Nasenbereiche erreichen nur im Anschluss an die Nasenhaupthöhle einen Luftstrom von bis zu 0,3 m/s. Bei Exspiration in Ruhe verläuft die Hauptströmung weiter kra▶ Abb. 2, Mitte). Der größte Anteil der Luft strömt an der nial (● medialen Wand der mittleren Muschel bis an den oberen Nasengang. Durch das kleinere Lumen werden in diesem Bereich Geschwindigkeiten in Ruhe bis zu 1,7 m/s erreicht. Der mittlere Nasengang weist 0,7 m/s und der untere Nasengang 0,5 m/s auf. Bei stark forcierter Exspiration (Niesen) verlagert sich der ▶ Abb. 2, unten). Im Hauptluftstrom noch weiter nach kranial (● Nasopharynx verläuft die Hauptströmung im Gegensatz zur Exspiration in Ruhe unmittelbar an der Schleimhautgrenze. Der Luftstrom verteilt sich in den oberen Nasengang bis zur Schädelbasis. Der mittlere Nasengang wird lateral mit Geschwindigkeiten zwischen 15–20 m/s erreicht. Auch angrenzende Siebbeinzellen werden durchflutet. Der untere Nasengang weist Strömungsgeschwindigkeiten von 7–8 m/s auf. Der CT-Datensatz dem Patienten, dessen Datensatz zur Modellerstellung herangezogen wurde, weist als anatomische Variation eine kleine Dehiszenz in der Grundlamelle der mittleren Muschel links auf, was ▶ Abb. 2 zu sehen ist. in ● ▶ Abb. 3 zeigt eine 3-dimensionale Darstellung der maximalen ● „Niesgeschwindigkeit“ von lateral gesehen. Sichtbar sind die Flugbahnen masseloser Partikel, farblich dargestellt ist deren Fluggeschwindigkeit. Deutlich sichtbar ist die hohe Geschwindigkeit im Nasopharynx und im weiteren Verlauf in den kranialen Nasenbereichen. Auffällig ist eine große Wirbelbildung im ▶ Abb. 3, roter Nasopharynx am Übergang zum Nasenboden (● Pfeil). Dieser Wirbel füllt fast den gesamten Nasopharynx aus und sorgt einerseits für eine gleichmäßige Verteilung der herausgeschleuderten Luft auch auf die unteren Nasenbereiche, andererseits verhindert er ein Zurückwirbeln der Partikel in den Nasopharynx nach Ende des Atemstoßes. Die Strömung im kranialen Nasopharynx erscheint nahezu linear. Durch den Wirbel im Nasopharynx ist auch der untere Nasenbereich von dem Atemstoß betroffen. Eine vollständige Durchströmung der Nase wird auf diese Weise ermöglicht.

1,5 m/s

Diskussion



In der Antike galt Niesen als Aussagebekräftigung unter göttlichem Einfluss (s. Homer, Od. 17, 539–551) [24]. Auch im Mittelalter waren mit dem Reflex abergläubische Mythen assoziiert. Erst in der Neuzeit wurde der eigentliche Zweck dieses physiologischen Mechanismus verstanden. Zahlreiche Studien, die die komplexe Nasenphysiologie erforscht haben, belegen die komplizierte Funktionsweise der menschlichen Klima- und Filteranlage. Eine Studie, die den Niesvorgang analysiert, ist bislang nicht existent. Die intranasalen Vorgänge sind bei hohen Luftgeschwindigkeiten im engen Nasenraum nur schwer untersuchbar, was die bislang dürftige Studienlage erklären kann. Numerische Simula-

1,0 m/s

Inspiration

0,5 m/s 0 m/s 2 m/s 1,5 m/s 1,0 m/s

Exspiration

0,5 m/s 0 m/s

35 m/s 26 m/s S

MM

17 m/s

Niesen

S

9 m/s 2 m/s

1

2

3

Abb. 2 Darstellung der Inspiration (oben), Exspiration (Mitte) und des Niesens (unten). Farblich skaliert ist die Luftströmung. S: Nasenseptum MM: Mittlere Muschel UM: Untere Muschel. Schnittebenen 1: Anterior 2: Mitte 3: Posterior.

3,03e+01 2,88e+01 2,73e+01 2,58e+01 2,43e+01 2,27e+01 2,12e+01 1,97e+01 1,82e+01 1,67e+01 1,52e+01 1,36e+01 1,21e+01 1,06e+01 9,10e+00 7,58e+00 6,06e+00 4,55e+00 3,03e+00 1,52e+00 0,00e+00

Z X Y

Abb. 3 Momentaufnahme des Niesens. Dargestellt sind die Flugbahnen masseloser Partikel. Farblich dargestellt ist deren Strömungsgeschwindigkeit. Der rote Pfeil markiert eine Wirbelbildung der posterioren Nasenhöhle unmittelbar vor dem Übergang zum Nasopharynx (entsprechend ▶ Abb. 1 und 2). Schnittebene 3 in ●

tionen ermöglichen eine hochauflösende Darstellung der intranasalen Vorgänge auch bei derart beengten Verhältnissen, sind in der Industrie seit Jahren etabliert und haben Windkanalexperimente in vielen Bereichen verbessert und teilweise abgelöst. Einige numerische Simulationen haben die Luft-, Feuchtigkeits und Temperaturverteilung innerhalb der Nase analysiert [20, 25–27]. Unsere Ergebnisse hinsichtlich der Strömungsverteilung während der Inspiration sind vergleichbar mit denen von Wen et al. [25]. Allerdings wurden in dieser Studie nur statische Simulationen mit 2 konstanten Geschwindigkeiten (7,5 l/ min und 15 l/min) durchgeführt. Unseren Analysen lagen transiente Simulationen mit zeitabhängigen Strömungs- und Druck▶ Tab. 1). Leong et al. [26] wiesen in einer profilen zugrunde (● Übersichtsarbeit auf die Bedeutung der Nasenklappe für die

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rerer Punkte geschweige denn eine Kartierung wie in der Numerischen Simulation sind mittels In-vivo-Messungen unmöglich. Bisher veröffentlichte Studien zeigen sehr variable Geschwindigkeiten bei forcierter Exspiration (Niesen, Husten). Allerdings wird in diesen Messungen immer nur eine Durchschnittsgeschwindigkeit außerhalb der Nase angegeben. Tang et al. [6] berichten von einer extranasalen Geschwindigkeit von 4,5 m/s in einer Entfernung von der Nase von ca. 0,6 m. In Anbetracht der sehr engen Naseneingänge und nachfolgenden Volumenerweiterung vor der Nase erscheint diese Geschwindigkeit durchaus realistisch. Wie bei einem Diffusor wird die Luft in der Engstelle (Nase und Naseneingänge) massiv beschleunigt, um dann durch die schnelle Volumenerweiterung in möglichst unterschiedliche Richtungen „entsorgt“ zu werden und damit eine erneute Inspiration der Partikel zu vermeiden. Verglichen mit dem Naseneingang ist die Geschwindigkeit außerhalb der Nase wesentlich geringer. Alle Ergebnisse zeigen das Ziel, die Reizstoffe möglichst schnell aus und weit weg von der Schleimhaut der oberen Atemwege zu befördern.

Zusammenfassung



Die vorliegende numerische Simulation zeigt eine starke Durchströmung auch der Regio olfactoria und des mittleren Nasengangs mit den angrenzenden Siebbeinzellen. Arbeitshypothese der Autoren ist eine Reinigung dieser Regionen, in denen sich Duft- und Reizstoffe ablagern. Zudem konnte eine Wirbelbildung am Übergang zum Nasopharynx dargestellt werden. Diese scheint Teile der Hauptströmung, welche im kranialen Nasenbereich verläuft, auch in die kaudalen Nasenbereich zu lenken und so die Funktion der Nasenklappe bei umgekehrter Durchströmung der Nase zu übernehmen. Weitere numerische Simulationen und klinische Studien sind erforderlich, um die genannten Hypothesen zu untermauern.

Widmung



Die Autoren widmen diesen Artikel Herrn Prof. Dr. Dr. med. h. c. Gerhard Rettinger anlässlich seiner Emeritierung.

Interessenkonflikt: Wissenschaftliche Kooperation mit Dr. Ralf Kröger, ANSYS Germany.

Abstract

Sneezing as a Mechanical Defence – A Numerical Simulation and Analysis of the Nasal Flow



Introduction: The nose is responsible for humidification, heating and cleaning of the inhaled air. The sneeze reflex leads to a shock-like cleaning of the nose in strong particle exposure. The aim of this study was the simulation of intranasal air flow of sneezing in a realistic computer model. Materials and Methods: Based on the CT scan of a 40 year old man a three-dimensional computer model of the nasal cavity and the ethmoid sinuses was created. Flow simulations were performed for different inspiratory and expiratory velocities (± 2 m/s to ± 45 m/s) in order to simulate sneezing. Results were visualized and analyzed by video simulation.

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Verteilung des eingeatmeten Luftstroms und die hohe turbulente kinetische Energie der eingeatmeten Luft hin, welche über die mittlere Nasenmuschel verteilt wird. Weitere Daten zu numerischen Simulationen eines Niesvorgangs existieren nicht. Besonders auffällig ist die kranial gelegene Luftströmung während des Niesvorgangs. Durch erhöhten Druck beim Niesen wird das Zentrum des Luftstroms noch weiter in die oberen Nasenbereiche verlagert als bei der Ruhe-Exspiration. Während bei der Inspiration die untere Muschelseite als Leitschiene dient, betrifft das Niesen die mediale Wand der mittleren Muschel und den oberen Nasengang. Bei der Ruheatmung herrscht in diesen Bereichen eine deutlich geringere Luftgeschwindigkeit, wodurch sich Partikel, die aus dem Hauptstromgebiet abzweigen, besser absetzen können. Der Luft-Schleimhaut-Kontakt besteht in diesen Arealen deutlich länger. Ishikawa et al. [28] zeigten in einer numerischen Simulation, dass bei der Inspiration und besonders während des „Schnupperns“ die Durchströmung der Regio olfactoria erfolgt bzw. gesteigert wird. Eine mögliche Hypothese entsprechend unseren Ergebnissen könnte die Reinigung dieser „Ablagerungsregionen“ sein. Die große Wirbelbildung im Nasopharynx erscheint zunächst ungünstig für Verteilung der ausgeworfenen Luft auf die Nasenhaupthöhle. Allerdings verläuft beim Niesen die Hauptströmung ▶ Abb. 2, untere rechte sehr nahe an der Schleimhautgrenze (● ▶ Abb. 3 zeigt den Wirbel seitlich. Dargestellt Schnittebene). ● sind Partikelbahnen, die durch den Wirbel aus dem oberen Bereich der Nasenhaupthöhle in Richtung Nasenboden geschleudert werden. Damit werden auch die unteren Nasenregionen von der ausgeworfenen Strömung erfasst. Zudem wird verhindert, dass sich nach Ende des Atemstoßes Partikel zurück in die Trachea „verirren“. Vergleicht man Inspiration, Exspiration und das Niesen, so zeigt sich deutlich das stark nach kranial verlager▶ Abb. 2, oben) und die trotzdem te Zentrum der Luftströmung (● gleichmäßige Durchströmung der Nasenhaupthöhle. Alle Na▶ Abb. 2 dargestellt, zeigt senbereiche werden erfasst. Wie in ● sich in den an die Nasenhaupthöhle/den mittleren Nasengang angrenzenden Siebbeinzellen auch bei der Inspiration eine (wenn auch) langsame Strömung. Eingeatmete Partikel lagern sich vorzugsweise in Regionen mit niedrigeren Strömungsgeschwindigkeiten ab, da hier längerer Kontakt mit der Schleimhaut möglich ist. Dies betrifft auch o. g. Siebbeinzellen. Diese Zellen werden während des Niesens in umgekehrter Strömungsrichtung und mit deutlich höherer Geschwindigkeit erfasst. Der Meinung der Autoren nach spricht dies für einen gezielten Reinigungsmechanismus dieser ansonsten langsam durchfluteten Nasenareale. Ishikawa et al. [27, 28] stellten eine starke Verwirbelung und damit Generierung eines Strömungswiderstands entlang des mittleren Nasengangs dar. In der Exspiration ließen sich diese Verwirbelungen nur in deutlich geringer Form nachweisen. Interessanterweise wurde der von uns dargestellte Wirbel am Übergang zum Nasopharynx offensichtlich nicht dargestellt. Unserer Hypothese nach könnte dieser Wirbel die Nasenklappe bei umgekehrter Durchströmung der Nase ersetzen und so für eine gleichmäßigere Verteilung der exspirierten Luft sorgen. Geschwindigkeiten: Die gemessenen Geschwindigkeiten basieren auf einer Numerischen Simulation und damit einer mathematischen Näherung. Die Ergebnisse sind immer nur so genau wie deren Umgebungsvariablen, die vor jeder Analyse genau definiert werden müssen. Die in der vorliegenden Studie verwendeten Variablen stammen aus eigenen in vivo Messungen [29–34]. Geschwindigkeiten am Nasopharynx und Naseneingang können gemessen werden. Eine simultane Messung meh-

Results: During inspiration the main airflow takes place along the middle turbinate. During expiration, the flow is located more cranially. This effect is caused by the shape of the nasopharynx and the posterior portions of the nasal turbinates. During very high speeds (sneezing) also adjacent ethmoid sinuses and the olfactory region are covered by the shock-like expiratory flow. A large vortex formation in the nasopharynx is responsible for a uniform distribution of the airflow also on lower nasal areas. Conclusion: Sneezing is a protective reflex that provides for cleaning of the nose. From a flow rate of 10 m/s, the cranial nasal areas as well as adjacent ethmoid sinuses are covered by the airflow. Compared to the inspiratory airflow the exhalation is not just vice versa. Particles that deposed in the cranial nasal areas during quiet breathing are removed. Literatur 1 Sommer F, Kröger R, Lindemann J. Numerical simulation of humidification and heating during inspiration within an adult nose. Rhinology 2012; 50: 157–164 2 Hydén D, Arlinger S. On light-induced sneezing. Eye (Lond) [Internet] 2009; Nov [cited 2012 Jul 7] 23: 2112–2114 Available from: http:// www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19575036 3 Nonaka S, Unno T, Ohta Y, Mori S. Sneeze-evoking region within the brainstem. Brain Res [Internet] 1990; Mar 19 [cited 2013 Sep 22] 511: 265–270 Available from: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pub med/2139800 4 Songu M, Cingi C. Sneeze reflex: facts and fiction. Ther Adv Respir Dis [Internet] 2009; June 19 [cited 2013 Aug 8] 3: 131–141 Available from: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19617285 5 Tang JW, Nicolle A, Pantelic J, Koh GC, Wang L De, Amin M, Klettner CA, Cheong DK, Sekhar C, Tham KW. Airflow dynamics of coughing in healthy human volunteers by shadowgraph imaging: an aid to aerosol infection control. PLoS One [Internet] 2012; Jan [cited 2013 Aug 8] 7: e34818 Available from: http://www.pubmedcentral.nih.gov/ articlerender.fcgi?artid = 3335026&tool = pmcentrez&rendertype = abstract 6 Tang JW, Nicolle AD, Klettner CA, Pantelic J, Wang L, Suhaimi A Bin et al. Airflow dynamics of human jets: sneezing and breathing – potential sources of infectious aerosols. PLoS One [Internet] 2013; Jan [cited 2013 Aug 8] 8: e59970 Available from: http://www.pubmedcentral.nih.gov/ articlerender.fcgi?artid = 3613375&tool = pmcentrez&rendertype = ab stract 7 Mejia J, Mongrain R, Bertrand OF. Accurate prediction of wall shear stress in a stented artery: newtonian versus non-newtonian models. J Biomech Eng [Internet] 2011; Jul [cited 2012 Jul 5] 133: 074501 Available from: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21823750 8 Kelly S, O’Rourke M. Fluid, solid and fluid-structure interaction simulations on patient-based abdominal aortic aneurysm models. Proc Inst Mech Eng H [Internet] 2012; Apr [cited 2012 Jul 7] 226: 288–304 Available from: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22611869 9 Diehm N, Sin S, Hoppe H, Baumgartner I, Büchler P. Computational biomechanics to simulate the femoropopliteal intersection during knee flexion: a preliminary study. J Endovasc Ther [Internet] 2011; Jun [cited 2012 May 1] 18: 388–396 Available from: http://www.ncbi. nlm.nih.gov/pubmed/21679081 10 Demanget N, Avril S, Badel P, Orgéas L, Geindreau C, Albertini J-N, Farre JP. Computational comparison of the bending behavior of aortic stent-grafts. J Mech Behav Biomed Mater [Internet] 2012; Jan [cited 2012 Jul 2] 5: 272–282 Available from: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ pubmed/22100102 11 Calay RK, Kurujareon J, Holdo AE. Numerical simulation of respiratory flow patterns within human lung. Respir Physiol Neurobiol 2002; 130: 201–221 12 Beda A, Jandre FC, Giannella-Neto A. A numerical model of the respiratory modulation of pulmonary shunt and PaO2 oscillations for acute lung injury. Ann Bio med Eng 2010; 38: 993–1006 13 Freitas RK, Schroder W. Numerical investigation of the three-dimensional flow in a human lung model. J Biomech 2008; 41: 2446–2457 14 Pless D, Keck T, Wiesmiller K, Rettinger G, Aschoff AJ, Fleiter TR, Lindemann J. Numerical simulation of air temperature and airflow patterns in the human nose during expiration. Clin Otolaryngol Allied Sci 2004; 29: 642–647

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[Sneezing as a mechanical defence - a numerical simulation and analysis of the nasal flow].

The nose is responsible for humidification, heating and cleaning of the inhaled air. The sneeze reflex leads to a shock-like cleaning of the nose in s...
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