Pneumologie

Tabakentwöhnung – was gibt es Neues?   Christian Reinhardt, Stefan Andreas

Was ist neu? ▶▶ Aktuelle Leitlinie: Goldstandard der Therapie bleibt die Kombination aus

nichtmedikamentösen und medikamentösen Maßnahmen. ▶▶ Allgemeine Befindlichkeit: Nach dem Rauchstopp bessert sich die allgemeine

psychische Befindlichkeit. ▶▶ Pathologische Lungenfunktion: Beim Aufklärungsgespräch sollte auf eine

bereits eingeschränkte Lungenfunktion eingegangen werden. Dies erhöht die Abstinenzwahrscheinlichkeit. ▶▶ Vareniclin: Vermutete Sicherheitsbedenken wegen erhöhter kardiovaskulärer Mortalität und psychischer Störungen werden in aktuellen Metaanalysen bzw. kontrollierten Studien nicht bestätigt. ▶▶ E-Zigarette: Aufgrund mangelnder Daten kann derzeit keine Empfehlung zum Einsatz ausgesprochen werden.

Der Anteil der Raucher in Deutschland sinkt (▶ Abb. 1). Dennoch gehört die Tabakentwöhnung zu den wichtigsten präventiven Maßnahmen in der Medizin. Noch ist sie im Alltag wenig etabliert, da häufig keine Zeit für ein motivierendes ärztliches Gespräch ist und / oder das Wissen um effektive Entwöhnungsmaßnahmen fehlt.

Aktuelle Leitlinie zur ­Tabak­ent­wöhnung bei COPD Die Leitlinie zur Tabakentwöhnung bei COPD-­ Patienten wurde 2014 neu publiziert [1]. Kernaussage bleibt: Jeder Raucher sollte regelmäßig zu seinem Tabakkonsum befragt und in einem ärzt-

Abb. 1  Rauchquote von erwachsenen Männern und Frauen in Deutschland (Selbstauskunft). Datenquelle: Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell“ (GEDA) des Robert Koch-Instituts.

lichen Gespräch zum Rauchstopp animiert werden. Hierbei empfiehlt sich ein strukturiertes ­Vorgehen. Die Tabakanamnese steht dabei an erster Stelle. Im Anschluss wird der Raucher in ­einem ärztlichen Gespräch zum Rauchstopp motiviert. Entscheidet er sich hierfür, sind die weiteren Therapiemaßnahmen und die Nach­ ­ betreuung zu arrangieren. Lehnt der Raucher dies ab, sollten ähnliche Gespräche regelmäßig wiederholt werden. In ▶ Abb. 2 ist dieses Vorgehen schematisch dargestellt. Zur weiteren Unterstützung nach dem Rauchstopp sollten nichtmedikamentöse und medikamentöse Maßnahmen kombiniert werden, da hiermit nachweislich die höchste Abstinenzrate erreicht werden kann [2]. Bei den nichtmedikamentösen Verfahren stehen verhaltenstherapeutische Angebote (meist in Form von Nichtraucherkursen) oder motivierende ärztliche Gespräche im Vordergrund. Medikamentös kann zwischen der Nikotinersatztherapie, Vareniclin (Champix®) und Bupropion (Zyban®) gewählt werden. Klinische Relevanz Alle Raucher sollten regelmäßig zu ihrem Tabakkonsum befragt werden. Besteht der Wunsch, mit dem Rauchen aufzuhören, sollten medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapiemaßnahmen kombiniert werden. Dieses Vorgehen hat sich als am erfolgreichsten erwiesen.

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Frauen

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Allgemeine psychische Befindlichkeit

Klinische Relevanz Raucher, die aus Angst vor Verschlechterung ihres psychischen Wohlbefindens einen Rauchstopp scheuen, sollten über diesen Trugschluss aufgeklärt werden.

Pathologische Lungenfunktion Lässt sich bei einem Raucher eine pathologische Lungenfunktion nachweisen, sollte auf diesen Befund während des motivierenden ärztlichen Gesprächs eingegangen werden. In einer britischen Studie wurde bei Rauchern eine Lungenfunktion durchgeführt und hiernach das Lungenalter berechnet. Die Gruppe von Rauchern, denen das Lungenalter mitgeteilt wurde, hatte eine signifikant höhere Abstinenzrate nach 12 Monaten als Raucher, die über ihr Lungenalter im Unklaren gelassen wurden [4]. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass bereits die Durchführung eines Lungenfunktionstests die Motivation zum Rauchstopp erhöht – unabhängig vom Vorliegen einer COPD [5]. Die Lungenfunktionsprüfung kann als eine Art „teachable moment“ angesehen werden. Ein ähnlicher Effekt ließ sich auch nach Durchführung eines CT-Thorax im Rahmen eines Screenings auf ein Lungenkarzinom nachweisen [6]. Klinische Relevanz Auf eine pathologische Lungenfunktion sollte im Rahmen des motivierenden Gesprächs eingegangen werden.

Vareniclin Vareniclin wird seit einigen Jahren zur Tabakentwöhnung eingesetzt. Das Präparat ist verschreibungspflichtig und in der Vergangenheit in die Kritik geraten, da Hinweise für eine erhöhte kardiovaskuläre Sterblichkeit aufkamen.

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Abb. 2  Vorgehen bei der Tabakentwöhnung [1].

In zwei aktuellen Metaanalysen, war die Zahl kardiovaskulärer Ereignisse numerisch etwas erhöht, der Unterschied jedoch nicht statistisch ­signifikant [7, 8]. In einer Cochrane-Analyse zur Effektivität und Sicherheit von Medikamenten zur Tabak­entwöhnung aus dem Jahr 2013, konnte für Vareniclin keine erhöhte kardiovaskuläre Ereignissrate nachgewiesen werden [9]. In einer großen dänischen Kohortenstudie war die Rate an kardiovaskulären Ereignissen für Vareniclin genauso hoch wie unter Bupropion, welches als kardial sicher gilt [10]. Aufgrund der aktuellen Datenlage sollte daher Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen Vareniclin nicht vorenthalten werden. Außerdem wurde früher bei Anwendung von Vareniclin eine Zunahme psychischer Störungen vermutet. In einer 2013 publizierten Studie wurde die Wirkung von Vareniclin bei 525 R auchern mit bekannter stabiler Depression ­ oder depressiven Episoden in der Vergangenheit getestet [11]. Die Tabakabstinenz war in der ­Vareniclin-Gruppe signifikant höher, eine Zunahme der depressiven Symptomatik ließ sich nicht nachweisen. Das Mittel konnte sogar sicher zur Langzeittherapie bei Rauchern mit Schizophrenie oder bipolarer Störung eingesetzt werden [12].

Reinhardt C, Andreas S. Tabakentwöhnung ...  Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 188–190

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Raucher gehen oftmals davon aus, dass ihr psychisches Wohlbefinden wesentlich durch den ­Tabakkonsum stabilisiert wird. Sie haben daher Angst, dass sich dies nach einem Rauchstopp zum Negativen ändert. Eine aktuelle Metaanalyse bestätigt eindeutig das Gegenteil [3]. 26 Studien, in denen das psychische Befinden nach einem Rauchstopp mit Personen, die weiter­ geraucht haben, verglichen wurde, sind in die Auswertung eingegangen. In der Gruppe der Raucher, die den Tabakkonsum beendet haben (Quitter), waren Symptome wie Ängstlichkeit, Depressivität und Stress deutlich gebessert.

Pneumologie

Dr. Christian Reinhardt ist Funktionsoberarzt an der Lungenfachklinik Immenhausen [email protected]

Prof. Dr. Stefan Andreas ist Ärztlicher Leiter der Lungenfachklinik Immenhausen und Leiter des Bereichs Pneumologie (F&L), Universitätsmedizin Göttingen.

Klinische Relevanz Auch bei Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen oder mit stabiler depressiver Symptomatik kann Vareniclin erfolgreich eingesetzt werden. Generell sind hierbei, wie überhaupt bei der Tabakentwöhnung, nachfolgende Kontakte wichtig.

E-Zigarette Das öffentliche Interesse an der E-Zigarette ist enorm, was auf geschicktes Marketing zurückzuführen ist und sich an steigenden Verkaufszahlen widerspiegelt. Bisher sind nur zwei randomisiert kontrollierte Studien zum Einsatz der E-Zigarette im Rahmen der Tabakentwöhnung veröffentlicht. In einer 2013 erschienen Arbeit wurden E-Zigaretten mit und ohne Nikotin bei 300 nicht entwöhnungswilligen Rauchern getestet [13]. In allen Gruppen ließ sich eine signifikante Reduktion der Menge an täglich gerauchten Zigaretten nachweisen. Die Tabak­ abstinenzrate über alle Gruppen lag nach 52 Wochen bei nur 8,7 %. Eine weitere Studie untersuchte die Effektivität von E-Zigaretten im ­Vergleich zu einer konventionellen Nikotinersatztherapie [14]. Ein signifikanter Unterschied in der Abstinenzrate ließ sich zwischen den Gruppen nicht nachweisen. Etwa ein Drittel aller als entwöhnt eingestuften Raucher benutzte die E-Zigarette weiter. Insgesamt bleiben durch die bisher vorliegenden Daten noch viele Fragen unbeantwortet. Wie steht es um das Rückfallrisiko? Schließlich wird die E-Zigarette in vielen Fällen weiterbenutzt und damit das gewohnte Verhaltensmuster fortgesetzt. Weiterhin können zu den Langzeitrisiken des E-Zigarettenkonsums keine Aussagen gemacht werden. Das Bundesamt für Risikobewertung hat hierzu kritisch Stellung bezogen [15]. Auch ist die E-Zigarette bei Jugendlichen problematisch. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann daher keine Empfehlung für den Einsatz von E-Zigaretten im Rahmen der Tabakentwöhnung ausgesprochen werden.

Interessenkonflikt Die Autoren geben an, dass sie Honorare der Firma Pfizer zur Durchführung einer Studie zur Tabakentwöhnung erhalten haben.

Klinisch Relevanz Aufgrund mangelnder Datenlage sollten E-Zigaretten nicht zur Tabakentwöhnung eingesetzt werden. Stattdessen stehen gut evaluierte und sichere pharmakologische Produkte zur Verfügung.

DOI 10.1055/s-0041-100074 Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 188–190 © Georg Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-0472

Reinhardt C, Andreas S. Tabakentwöhnung ...  Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 188–190

Literatur 1 Andreas S, Batra A, Behr J et al. Tabakentwöhnung bei COPD (Smoking cessation in patients with COPD). Pneumologie 2014; 68: 237–258. 2 Strassmann R, Bausch B, Spaar A et al. Smoking cessation interventions in COPD: a network metaanalysis of randomised trials. Eur Respir J 2009; 34: 634–640. 3 Taylor G, McNeill A, Girling A et al. Change in mental health after smoking cessation: systematic review and meta-analysis. BMJ 2014; 348: g1151 4 Parkes G, Greenhalgh T, Griffin M et al. Effect on smoking quit rate of telling patients their lung age: the Step2quit randomised controlled trial. BMJ 208; 336: 598–600. 5 Sundblad B, Larsson K, Nathell L. Lung function testing influences the attitude toward smoking cessation. Nicotine Tob Res 2009; 12: 37–42. 6 van der Aalst CM, van Klaveren RJ, van den Bergh KA et al. The impact of a lung cancer computed tomography screening result on smoking abstinence. Eur Respir J 2011; 37: 1466–1473. 7 Ware JH, Vetrovec GW, Miller AB et al. Cardiovascular safety of varenicline: patient-level meta-analysis of randomized, blinded, placebo-controlled trials. Am J Ther 2013 20: 235–246. 8 Prochaska JJ, Hilton JF. Risk of cardiovascular serious adverse events associated with varenicline use for tobacco cessation: systematic review and meta-analysis. BMJ 2012; 344: e2856 9 Cahill K, Stevens S, Perera R et al. Pharmacological interventions for smoking cessation: an overview and network meta-analysis. The Cochrane database of systematic reviews 2013; 5: CD009329. 10 Svanström H, Pasternak B, Hviid A. Use of varenicline for smoking cessation and risk of serious cardiovascular events: nationwide cohort study. BMJ 2012; 345: e7176 11 Anthenelli RM, Morris CD et al. Effects of varenicline on smoking cessation in adults with stably treated current or past major depression: a randomized trial. Ann Intern Med 2013 159: 390–400. 12 Evins AE, Cather C, Pratt SA et al. Maintenance treatment with varenicline for smoking cessation in patients with schizophrenia and bipolar disorder: a randomized clinical trial. JAMA 2014; 311: 145–154. 13 Caponnetto P, Campagna D, Cibella F et al. EffiCiency and Safety of an eLectronic cigAreTte (ECLAT) as tobacco cigarettes substitute: a prospective 12-month randomized control design study. PloS one 2013; 8: e66317. 14 Bullen C, Howe C, Laugesen M et al. Electronic cigarettes for smoking cessation: a randomised controlled trial. Lancet 2013; 382: 1629–1637. 15 Bundesinstitut für Risikobewertung. Liquids von E-Zigaretten können die Gesundheit beeinträchtigen Stellungnahme Nr. 016/2012 des BfR vom 24. Februar 2012, ergänzt am 21. Januar 2013

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