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Schlafmedizin: neue Erkenntnisse und Entwicklungen Sleep medicine: new data

3Schlafapnoe als Risikofaktor für sexuelle Funktionsstörungen: Die obstruktive Schlafapnoe ist ein unabhängiger Risikofaktor für erektile Dysfunktion und sexuelle Funktionsstörungen. Die kontinuierliche Überdruckbeatmung (CPAP) führt bei langfristiger Anwendung zu einer Besserung dieser Funktionsstörungen. 3Postoperative Komplikationen bei obstruktiver Schlafapnoe: Fallberichte und kleinere Serien weisen auf eine Häufung schwerer postoperativer Komplikationen inklusive Delir hin. 3Risikoreduktion vor elektiven Operationen: Vor elektiven Operationen: nach Hinweisen auf eine obstruktive Schlafapnoe fahnden und ggf. eine adäquate Diagnostik und Therapie beispielsweise mit auto-CPAP einleiten. 3Schlafapnoe und Tumoren: In klinischen Kohorten findet sich eine positive Korrelation zwischen dem Schweregrad schlafbezogener Atmungsstörungen zum Zeitpunkt der Diagnostik und der Tumorinzidenz/-sterblichkeit im Verlauf.

Schlafapnoe als Risikofaktor für sexuelle Funktionsstörungen ▼ In den USA leiden einer Umfrage zufolge rund 18 % der erwachsenen Männer und bis zu 50 % der Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen an einer erektilen Dysfunktion (ED) [15]. Eine Schlafapnoe ist unabhängig mit einer ED assoziiert – auch wenn bekannte andere Risiken für eine ED vorliegen. In einer Studie von Budweiser et al. [2] korrelierte die mittlere nächtliche Sauerstoffsättigung von Patienten mit Schlafapnoe mit dem Schweregrad der ED und der allgemeinen sexuellen Funktion. Besonders bedeutsam ist dabei wahrscheinlich die repetitive nächtliche Hypoxämie infolge der Apnoen. Dabei verringert sich die NO-Freisetzung und die Endothelinproduktion nimmt zu. Diese Konstellation könnte eine endotheliale Dysfunktion bedingen, die eine ED verursacht. In Kurzzeitstudien mit kleiner Fallzahl fand sich bei Behandlung der Schlafapnoe mit CPAP eine Besserung der ED, die mit dem Ausmaß der ED vor Therapiebeginn korrelierte [7]. Die Besserung der ED mit CPAP korrelierte mit dem Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) und dem Ausmaß der nächtlichen Hypoxämie, doch wurden Patienten mit anderen Erkrankungen ausgeschlossen, die gehäuft mit einer ED einhergehen [7, 11]. Es wäre also denkbar, dass die ED nicht auf die Schlafapnoe per se, sondern auf die Komorbiditäten zurückzuführen ist.

Inzwischen liegt eine prospektive Studie vor, die bei 401 Schlaflabor-Patienten über 36 Monate untersuchte, ob CPAP auch in Gegenwart anderer Risikofaktoren der ED zu einer Besserung der sexuellen Funktion beiträgt [3]. Erfasst wurden klinisch relevante Begleiterkrankungen und Medikamente. Ausgeschlossen wurden nur Patienten mit signifikanten psychiatrischen oder neurologischen Erkrankungen, Hypogonadismus, schwerer Lungenerkrankung oder Einnahme von Phosphodiesterase-5-Hemmern. Alle Patienten wurden zum Zeitpunkt der diagnostischen Polysomnographie (PSG) und 36 Monate danach aufgefordert, den Fragebogen „International Index of Erectile Function“ (IIEF-15) auszufüllen. Bei mittelschwerer und schwerer Schlafapnoe sowie moderater bis schwerer erektiler Dysfunktion kam es unter CPAP zu einer hochsignifikanten Besserung der sexuellen Funktion im Vergleich zu Patienten mit gleichschwerer obstruktiver Schlafapnoe, die CPAP nicht verwendeten (q Abb. 1). Dies galt auch für Orgasmusfähigkeit und sexuelles Verlangen. Patienten mit initial schwerer erektiler Dysfunktion und Normalisierung der Sauerstoffsättigung unter CPAP berichteten außerdem über eine Besserung der ED.

S. Werther1 H. Teschler1 Pneumologie Pneumologie | Commentary

Schlüsselwörter Schlafapnoe schlafbezogene Atmungsstörung Tumorinzidenz Tumorsterblichkeit perioperatives Risiko CPAP

q q q q q q

Keywords sleep apnea sleep disordered breathing tumor incidence tumor mortality perioperative risk CPAP

q q q q q q

Klinische Relevanz Bei Männern mit moderater bis schwerer obstruktiver Schlafapnoe kann CPAP zu einer Verbesserung der ED und der sexuellen Funktion beitragen. Voraussetzung für den positiven Langzeiteffekt ist eine gute Adhärenz und eine Normalisierung der Sauerstoffsättigung im Schlaf. Bei unklarer ED oder sexueller Funktionsstörung sollte eine Schlafapnoe als Ursache ausgeschlossen und ggf. behandelt werden.

Postoperative Komplikationen bei obstruktiver Schlafapnoe ▼ Zu den perioperativen Auswirkungen einer Schlafapnoe sind in letzter Zeit einige Studien erschienen: Memtsoudis et al. [12] analysierten den Zusammenhang zwischen einer Schlafapnoe und perioperativen Komplikationen bei orthopädischen und allgemeinchirurgischen Operationen anhand von Daten der US-Datenbank „National Inpatient Sample Data“. Ausgewertet wurden 2 610 441 Datensätze für orthopädische und 3 441 262 Datensätze für allgemeinchirurgische Operationen zwischen 1998 und 2007.  Die Diagnose Schlafapnoe fand sich bei 2,52 % aller orthopädischen und 1,40 % aller allgemeinchirurgi-

Institut Universitäre Pneumologie, Ruhrlandklinik, Westdeutsches Lungenzentrum am Universitätsklinikum Essen Bibliografie DOI 10.1055/s-0034-1370061 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 1390 0:1231–1233 · © Georg Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Dr. Stefanie Werther Ruhrlandklinik, Westdeutsches Lungenzentrum am Universitätsklinikum Essen Tüschener Weg 40 45239 Essen Tel. 0201/433-01 Fax 0201/433-4009 eMail stefanie.werther@ ruhrlandklinik.uk-essen.de

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Was ist neu?

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Abb. 1 Änderung des IIEF-15-SummenScores im Fragebogen „International Index of Erectile Function“ bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer erektiler Dysfunktion und Schlafapnoe, die CPAP regelmäßig nutzen oder nicht [3].

p = 0,014

30 20 10 0 – 10 – 20 – 30 Keine CPAP-Nutzung 4,5 4,0

orthopädische Operationen

CPAP-Nutzung

ohne Schlafapnoe mit Schlafapnoe

3,99

3,5

Inzidenz (%)

3,0 2,5 2,0 1,5 1,0

1,18

Abb. 2 Perioperative Komplikationen nach orthopädischen und allgemeinchirurgischen Eingriffen bei Patienten mit und ohne Schlafapnoe [12].

1,06

0,84

0,79 0,45

0,5

0,42

0,51

0,0 12

allgemeinchirurgische Operationen

10,8

schen Erkrankungen, Alkoholismus oder relevanten psychischen Störungen. Bei 27 von 106 Patienten (25 %) entwickelte sich postoperativ ein Delirium: 8 /15 mit OSA (53 %) versus 19 /91 ohne OSA (20 %) (p = 0,0123; OR = 4,3). In einer multivariaten Analyse war die OSA der einzige statistisch signifikante Prädiktor für die postoperative Manifestation eines Deliriums. Ende 2012 wurde auf der Basis der bislang vorliegenden Originalarbeiten eine Metaanalyse zu diesem Themenkomplex publiziert [8]. In die finale Analyse wurden 13 Studien mit 3942 Patienten aufgenommen. Eine Schlafapnoe erhöhte unter anderem das Risiko für kardiale Ereignisse (OR=2,07), respiratorisches Versagen (OR=2,43), Reintubation (OR=2,05) und die Rückverlegung auf die Intensivstation (OR=2,81). Diese Daten lassen den Schluss zu, dass die obstruktive Schlafapnoe ein unabhängiger Risikofaktor für perioperative pulmonale Komplikationen und Delirium nach nicht kardiochirurgischen Eingriffen ist. Dieses erhöhte Risiko umfasst die häufigere Notwendigkeit der Behandlung auf der Intensivstation und längere Krankenhausaufenthalte infolge neurologischer und respiratorischer Komplikationen.

10 8 5,94

6

2,79

2

Für Patienten mit hohem Schlafapnoerisiko finden sich in der neueren Literatur praxisrelevante Empfehlungen zur präoperativen Evaluation und zum perioperativen Management [6].

3,79

4 2,05

2,44

0,49

0

Aspiration

ARDS

Risikoreduktion vor elektiven Operationen ▼

0,45

Lungenembolie

schen Patienten. Bei Patienten mit Schlafapnoe kam es perioperativ unabhängig vom operativen Eingriff und nach Justierung für andere Risikofaktoren häufiger zu pulmonalen Komplikationen wie Aspiration, ARDS und Lungenembolie; es war signifikant häufiger eine Intubation erforderlich (q Abb. 2). In einer zweiten Studie [9] wurden 1759 Datensätze von Patienten ausgewertet, bei denen in den letzten 3 Jahren vor dem operativen Eingriff eine Polysomnographie erfolgt war. Eine obstruktive Schlafapnoe wurde bei einem AHI von 5 und mehr respiratorischen Ereignissen pro Stunde angenommen. Dies war assoziiert mit einer höheren Inzidenz an postoperativer Hypox-

Intubation

ämie (OR 7,9; p = 0,009), mit mehr Komplikationen (OR 6,9; p = 0,003) und einem häufigeren Aufenthalt auf der Intensivstation (OR 4,43; p = 0,096) oder einer längeren Behandlungsdauer im Krankenhaus (OR 1,65; p = 0,05). Der Schweregrad der Schlafapnoe und auch eine bereits zu Hause etablierte CPAP-Therapie waren nicht mit postoperativen Komplikationen (p = 0,3 bzw. 0,75) oder längerem Krankenhausaufenthalt assoziiert (p = 0,97 bzw. 0,21). Eine weitere Studie befasste sich mit der Inzidenz eines postoperativen Deliriums am Tag 2 oder 3 nach elektiver Knieoperation bei älteren Menschen abhängig vom Vorliegen einer OSA [5]. Ausgeschlossen wurden Patienten mit Demenz, neurologi-

Präoperativ sollte nach einer diagnostizierten Schlafapnoe gefragt, bei der körperlichen Untersuchung der MallampatiScore erhoben sowie ein Screening-Fragebogens (z. B. Berlin-, STOP-BANG-Fragebogen) verwendet werden, um Patienten mit hohem Risiko für eine relevante Schlafapnoe zu erfassen. Bei ihnen erscheint eine Schlafstudie (z. B. Polygraphie) ratsam. Intraoperativ zu empfehlen sind die Minimierung von chirurgischem Stress, eine möglichst kurze Operationszeit, Regionalanästhesie anstelle einer Vollnarkose, die Vorbereitung auf eine möglicherweise schwierige Intubation, eine Extubation in halb aufrechter Position sowie die Einlage von Tuben, die den Kollaps der oberen Atemwege verhindern. Postoperative Maßnahmen umfassen die bevorzugte Gabe von nicht-steroidalen Antiphlogistika statt Opioiden und Seda-

Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: 1231–1233 · S. Werther u. H. Teschler, Schlafmedizin: neue Erkenntnisse …

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Änderung im IIEF-15-Summenscore (n)

40

Inzidenz (%)

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Im Falle eines elektiven Eingriffs bei Hochrisikopatienten kommen die präoperative Einstellung auf CPAP oder Alternativen sowie entsprechende postoperative Maßnahmen in Frage. Bei postoperativ erstmals beobachteter Schlafapnoe sind die Überweisung in ein Schlaflabor oder die ambulante Einleitung einer CPAP-Therapie mit selbstadaptierendem System und Überprüfung der Güte der Einstellung mit Hilfe der vom Gerät erkannten und gespeicherten respiratorischen Ereignisse erforderlich [10].

Klinische Relevanz Bei der Vorbereitung auf eine elektive Operation sollte an eine obstruktive Schlafapnoe gedacht werden (Symptome, Phänotyp, charakteristisches Spektrum an Komorbiditäten). Im Zweifel ist eine Diagnostik indiziert – zumindest mittels nächtlicher Speicher-Pulsoxymetrie oder Polygraphie. Bei diagnostizierter Schlafapnoe sollte eine leitliniengerechte Therapie (z. B. CPAP) eingeleitet und postoperativ sofort wieder angewendet werden. Grundsätzlich sollte man sich auf schwierige Intubationsbedingungen einstellen, Sedativa und Opiate meiden, erst wach extubieren und ein längeres O2- (und CO2-) Monitoring veranlassen.

Schlafapnoe und Tumoren ▼ Untersuchungen an der Maus weisen darauf hin, dass repetitive Hypoxämie das Wachstum und die Metastasierung von Tumorzellen beschleunigt [1]. Schlafbezogene Atmungsstörungen (SBAS) sind gekennzeichnet durch repetitive Hypoxämie, die hervorgerufen wird durch die Atempausen im Schlaf. Besteht also ein Zusammenhang zwischen dem Schweregrad einer SBAS und der Tumorinzidenz bzw. –sterblichkeit? Diese Frage wurde in zwei aktuellen Kohortenstudien erforscht. Die Wisconsin-Schlafkohorte umfasst 1522 Patienten, bei denen über 22 Jahre auch Todesursachen erfasst wurden [13]. Bei allen Probanden wurde zum Zeitpunkt der Einschleusung eine PSG zur Charakterisierung von Schlaf und SBAS durchge-

führt. Die Kategorisierung der Patienten erfolgte einerseits anhand des AHI und andererseits mit Hilfe des Hypoxämie-Index, d. h. der Zeitspanne mit einer Sauerstoffsättigung unter 90 % im Schlaf. Das Risiko der Tumorsterblichkeit wurde für alle Schweregrade der SBAS analysiert und nach Alter, Geschlecht, BMI sowie Rauchverhalten adjustiert. Im Vergleich zu Probanden ohne SBAS fand sich ein relatives Risiko der Tumorsterblichkeit von 1,1 bei leichter (AHI 5–15), von 2,0 bei moderater (AHI 15–30) und von 4,8 bei schwerer Schlafapnoe (AHI > 30). Diese Beziehung war hoch signifikant (p = 0,005). Bei Definition des Schweregrades der SBAS mittels Hypoxämie-Index betrug das relative Risiko der Tumorsterblichkeit bei leichter Störung 1,6, bei mittelschwerer 2,9 und bei schwerer sogar 8,6.  Darüber hinaus war das Risiko der Patienten mit Schlafapnoe höher, wenn diese nicht adipös und nicht mit CPAP behandelt waren. Die mögliche Assoziation zwischen dem Schweregrad einer OSA und der Tumorinzidenz wurde in einer multizentrischen Kohorte mit 4910 Probanden untersucht [4]. Die mittlere Verlaufsbeobachtung betrug 4,5 Jahre. Zum Zeitpunkt der Rekrutierung wurde der Schweregrad der Schlafapnoe definiert anhand von AHI und prozentualem Anteil des Schlafs mit einer Sauerstoffsättigung  43,0 vs. 

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