Archivesof Oto-Rhino-Laryngology @ Springer-Verlag1979

Arch. OtorhinolaryngoL222, 23-27 (1979)

Stellenwert des CEA-Testes bei Malignomen im ORL-Bereieh* R. Grossenbacher ORL-Klinik der Universit/it Zfirich (Direktor: Prof. Dr. U. Fiseh), R/imistrasse 100, CH-8091 Ziirich, Schweiz

Signifieanee of the CEA-Test in Malignomas of the Head and Neck Summary. Serum carcinoembryonic antigen (CEA) levels were determined in 80 patients, 65 with malignant and 15 with non-malignant affections. Among the malignant tumor bearing patients, in only 30% increased CEA levels were found. On the other hand, in the non-malignant patient group 33% had elevated CEA levels. It is concluded, that the determination of the CEA-Serum levels in malignomas of the head and neck has no diagnostic significance. Key words: CEA-Test - Malignoma - Head and Neck.

Zusammenfassung. Bei 80 Patienten, 65 mit malignen und 15 mit nichtmalignen Erkrankungen, wurde der Serumwert des carcinoembryonalen Antigens (CEA) bestimmt. Dabei fand sich bei den malignen Tumoren nur in ca. 30% der F~ille ein erh6hter CEA-Wert. Bei den Nichtmalignomen wurde ebenfalls in ca. 30% der F/ille ein erh6hter CEA-Titer festgestellt. Der Bestimmung des CEA-Wertes kommt somit bei Malignomen im Kopf-Halsgebiet keine diagnostische Bedeutung zu. Sehliisselwiirter: CEA-Test - Malignom - ORL-Bereich.

Sogenannte onkofetale Antigene sind k/Srpereigene Substanzen, die im Prinzip nur im embryonalen und fetalen Stadium produziert werden. Maligne Transformationsprozesse sowie bestimmte Reiz- und Regenerationsvorg/inge k6nnen jedoch mit dem Wiedererscheinen solcher onkofetaler Antigene im erwachsenen Organismus verbunden sein. In der klinischen Krebsdiagnostik haben von diesen onkofetalen Antigenen das c~-Fetoprotein und das carcinoembryonale Antigen (CEA), von dem hier die Rede sein soil, eine gewisse Bedeutung erlangt. * Vortrag gehalten am Symposionfiber experimentelleTumorforschungin der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dfisseldorf, 6.--8. 4. 1978

0302-9530/79/0222/0023/$ 01.00

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R. Grossenbacher

Das CEA wurde 1965 erstmalig yon Gold und Freedman aus Adenocarcinomen des Kolons isoliert, dann wurde es yon den gleichen Autoren im Darm, in der Leber sowie im Pankreas 2--6 Monate alter Embryonen resp. Feten nachgewiesen. Mittels Immunfluoreszenz wurde sp~iter das CEA in einer unmittelbar der Zellmembran aufliegenden Schleimschicht, dem sogenannten Glykokalyx, lokalisiert. Dabei handelt es sich beim CEA wahrscheinlich eher um ein Sekretionsprodukt der Zelle als um einen festen Bestandteil der Tumorzellmembran. Chemisch besteht das CEA aus einer Reihe einander sehr/ihnlicher Glykoproteine mit einem Molekulargewicht yon ca. 200 000. Die in den ersten Jahren nach der Entdeckung vermutete Tumorspezififfit des CEA ffir Carcinome des Gastrointestinaltraktes hat sich nicht bestfitigen lassen. Man findet zwar das CEA mit den grSl3ten Konzentrationen bei gastrointestinalen Carcinomen; daneben wurde CEA auch in Tumoren anderer Lokalisation, in Geweben mit gutartigen Erkrankungen und sogar in Normalgewebe bei Erwachsenen nachgewiesen. Das CEA wird heute also nicht mehr als tumorspezifisches, sondern als tumorassoziiertes Antigen betrachtet, indem zwischen benignen und malignen Ver/inderungen nicht eigentlich qualitative, sondern vielmehr quantitative Unterschiede bestehen. 1969 konnte mittels einer radioimmunologischen Methode das CEA dann auch im Serum von Koloncarcinompatienten nachgewiesen werden. Dieses radioimmunologische Verfahren liegt auch dem in unserer Untersuchung verwendeten CEA-Testes zugrunde, einem in vitro-Test, der die Spezififfit immunologischer Bestimmungen mit der Sensibilitgt einer Radioisotopenmethode verbindet. Der CEA-Nachweis im Serum ist jedoch, wie derjenige im Gewebe, nicht tumorspezifisch. Erh6hte CEA-Werte wurden neben Careinompatienten auch bei gesunden Probanden gefunden. In einer Studie an fiber 9000 Patienten durch die Firma Hoffmann-La Roche wurden bei verschiedenen Krankheiten folgende Prozents~itze erhShter CEA-Werte gefunden: Pankreascarcinom 90%, Kolorektalcarcinom 72%, Magencarcinom 61%, Lungencarcinom 75%, Kopfi und Halscarcinom 51%, Mammacarcinom 47%, maligne Lymphome 35%, Sarkome, 31%; Athylische Leberzirrhose 71%, M. Crohn 43%, Colitis ulcerosa 31%, Lungenemphysem 57%, gesunde starke Raucher 31%, gesunde Nichtraucher 3%. Bei 128 Patienten mit Kopf-Halscarcinomen wurde in der Roche-Studie in 51% ein erhfhter CEA-Wert gefunden. In einer Untersuchung der Temple Universiffit in Philadelphia wurde bei 34 Kopf- und Halscarcinomen sogar in 60% ein erh6hter CEA-Wert festgestellt. Aufgrund dieser eben erw/ihnten Werte begannen wir uns ffir den CEA-Test zu interessieren und haben in der Folge am eigenen Krankengut die Validit/it dieses CEA-Testes zu bestimmen versucht. Unsere Absicht lag vor allem in der Beantwortung der folgenden Frage: Bringt der CEA-Test in der Diagnostik yon Prim/irtumoren sowie Rezidiven bei ORL-Malignomen einen Fortschritt?

Methoden und Krankengut 10 ml frisch entnommenenBluteswird mit K-Sorbatund EDTA vermischtund anschlieBendw~ihrend 30 min bei 3000 Umdrehungen/minzentrifugiert.Das fiberstehendePlasma wird entnommenund an die Fa. Hoffmann-LaRoche geschickt, wo der CEA-Wert radioimmunologisch(Methode Hansen)

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bestimmt wird. Die empirisch festgelegte obere Normgrenze f'tir CEA im Plasma liegt bei der HansenMethode bei 2,5 ng/ml. Im Zeitraum vom Juni 1977 bis Februar 1978 wurde bei m6glichst allen in der ORL-Klinik der Universit~itZfirich zur Hospitalisation gelangendenPatienten mit Malignomenund malignomverd~ichtigen Zust~indensowie einigen benignen Ver~inderungender CEA-Test durchgeffihrt, insgesamt bei 80 Patienten. Bei den Malignomen wurden sowohl Patienten mit einem Prim~irtumorsowie Rezidive nach vorangegangener Therapie (Bestrahlung oder Operation) erfal3t. Die Rezidivtumorenwurden ebenfalls gem~il3 ihrer aktuellen Ausdehnung nach dem eigentfichnur ffir die Prim~irtumorengeltenden TNMSystem der UICC kategorisiert. Somit lie6en sich ffir die gr613teGruppe der Malignome, den Plattenepithelcarcinomen, hinsichtlich Tumorausdehnung einigerma6en einheitliche Gruppen schaffen.

Resultate Von den 80 untersuchten Patienten waren 64 M~inner und 16 Frauen. 53 Patienten wiesen ein Plattenepithelcarcinom, 12 ein anderes Malignom und 15 Patienten eine nicht maligne Erkrankung auf. Die Patientengruppe mit Pflasterzellcarcinom wurde nach dem T N M - S y s t e m in drei Kategorien unterteilt. Die Resultate sind auf der Tabelle 1 zusammengefal3t. F/Jr die Pflasterzellcarcinome aller drei Kategorien z u s a m m e n liel3 sich ein Prozentsatz von 32% CEA-positiver F~ille nachweisen (17/53). Neben dieser Malignomgruppe mit Pflasterzellcarcinomen wurde bei zw61f Patienten mit anderen Malignomen der C E A - W e r t untersucht. Bei zwei F~illen, einem hochdifferenzierten Adenocarcinom der Nasennebenh6hle (104 ng/ml) sowie einem soliden C a r c i n o m der rechten Gesichtsseite (4,4 ng/rnl) wurden erh6hte CEA-

Tabelle 1. Pflasterzellcarcinome Stadium

Anzahl Patienten

CEA (ng/ml)

T1 NO

4

normal 3 erh6ht 1 (4,4)

T2 NO

12

normal 11 erhSht 1 (4,5)

T2 N1

1

normal 1

T2 N3

3

normal 2 erhfht 1 (43)

T3/4 NO

14

T3/4 N1

4

normal 3 erhfht 1 (3,0)

T3/4 N2

1

normal 1

T3/4 N3

14

I/4 = 25%

2/16 = 12%

normal 8 erhfht 6 (5,7/3,4/3,6/4,8/4,0/6,0)

normal 7 erh6ht 7 (4,3/5,6/3,9/2,9/3,9/3,2/7,9) (50%)

Total 53 Patienten (44 M~inner, 9 Frauen), davon 17 mit erhShten CEA = 32%

14/33 = 42%

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R. Grossenbacher

Tabelle 2. CEA-Wertebei Malignomenund Nichtrnalignomenim ORL-Bereich Total Patienten

CEA erh6ht

% pos. CEA

Pflasterzellcarcinome Andere Malignome Total Malignorne

53 12 65

17 2 19

32% 17% 29,2%

Nichtrnalignome

15

5

33,3%

Werte festgestellt. Normale CEA-Titer lagen bei den restlichen zehn Malignomen vor: Adenoidcystisches Carcinom der Zunge, Basaliom Nase, viertes Basaliomrezidiv periorbital, zwei solide Carcinome der Parotis, wenig differenziertes Adenoearcinom der Parotis, Basalzellcarcinom der Parotis, Esthesioneuroblastom, Spindelzellsarkom Oberkiefer, Rhabdo-Myo-Sarkom Oberkiefer. Von den zw61f Patienten (11 M~inner, 1 Frau) wurde also lediglieh bei zwei ein erhfhter CEA-Wert gefunden, was einem Prozentsatz von 17% fiir diese Malignomgruppe entspricht. Fal3t man die PflasterzeUcarcinome und die andern Malignome zusammen, so ergibt sich eine Patientenzahl yon insgesamt 65, bei denen in 19 F~illen ein erh6hter CEA-Wert konstatiert wurde. Dies entspricht einem Prozentsatz von 29,2%. Der Patientengruppe mit Malignomen kann eine kleine Gruppe von 15 Patienten mit nicht malignen Verdnderungen gegen~bergestellt werden. In der Mehrzahl handelt es sich hier um gutartige Tumorbildungen (Paragangliome, Pleomorph. Adenome, Lymphangiome, Vagusneurinom, Narbenkn&chen, Fibroepitheliom). Dabei wurde in ffinf der total 15 Patienten ein erhShter CEA-Titer gefunden, was 33,3% CEA positiver Werte f/Jr diese Nichtmalignomgruppe ergibt. Auf Tabelle 2 sind die Zahlen und Prozents~itze positiver CEA-Werte zusammenfassend dargestellt.

Diskussion

Wir haben bei 65 Patienten mit Malignomen im ORL-Bereich in knapp 30% der F/ille einen erh6hten CEA-Wert festgestellt. Bei einer kleineren Gruppe mit 15 Patienten, die eine nichtmaligne Erkrankung aufwiesen, wurde in 33,3% ein gesteigerter CEA-Wert gefunden. In unserer Untersuchung konnten die Daten der Roche-Studie mit 51% positiver CEA-Werte bei Kopf- und Halsmalignomen und der Studie der Temple University Philadelphia mit sogar 60% erhShter CEA-Werte, nicht best~itigt werden. Vielmehr hat es sich an unserem Krankengut gezeigt, dal3 im ORL-Bereich die CEA-positiven F~ille bei der Gesamtzahl der Malignome und der Nichtmalignome ungef'~ihr mit gleicher H~iufigkeit, n/imlich um 30%, auftreten. Innerhalb der Malignomgruppe konnte allerdings bei den Pflasterzellcarcinomen des Stadiums T3/4 N3 bei 14 Patienten in 50% ein erh6hter CEA-Wert naehgewiesen werden. Lediglich bei diesen ausgedehnten PflasterzeUcarcinomen mit fixierten Lymphkno-

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tenmetastasen werden also CEA-positive Werte gefunden, wie sie in der RocheStudie f/Jr die Gesamtzahl der Kopf- und Halsmalignome mitgeteilt wurden. Ber/icksichtigt man zus~itzlich die Tatsache, dab in 3 i% der starken Raucher in der Roche-Studie erh6hte CEA-Werte gefunden wurden und wie viele unserer Patienten starke Raucher sind, kann die eingangs gestellte Frage nach unserer Ansicht verneint werden, d. h. dab in der Diagnostik yon Prim/irtumoren sowie Rezidivtumoren im ORL-Bereich die CEA-Bestimmung in der Regel keine zus/itzliche Information liefert. Wohl kann die CEA-Untersuchung bei der Diagnostik wie auch der posttherapeutischen VerlaufskontroUe von kolorektalen und Pankreascarcinomen eine wertvolle Bereicherung darstellen, so bleibt bei der Erfassung der doch relativ gut zug~inglichen Tumoren im HNO-Bereich der eingehenden klinischen Untersuchung der erste Platz erhalten. Bei ausgedehnten Pflasterzellcarcinomen T3/4 N3 sowie bei gut differenzierten Adenocarcinomen, die vor Therapie eindeutig erh6hte CEA-Werte aufwiesen, k6nnte eventuell der CEA-Wert ein Parameter f/Jr die Verlaufskontrolle sein. Ein nach Therapie normalisierter CEA-Wert, der wieder ansteigt, k6nnte dann ein Hinweis fiir eine Rezidivbildung oder Metastasen sein. Ob tats/ichlich jedoch ein praktischer Nutzen daraus resultiert, scheint fraglich, da einerseits das Rezidiv oder die Metastasen wahrscheinlich auch mit den herk6mmlichen Untersuchungsmethoden festzustellen sind, andererseits therapeutisch Rezidive nach Operation und Bestrahlung sowie Metastasen mit den heutigen Mitteln der Onkotherapie kaum kurativ angegangen werden k6nnen.

SehluOfolgerung Dem CEA-Test kann im ORL-Bereich in der Diagnostik von Malignomen keine Bedeutung zugemessen werden, da bei malignen Tumoren im Vergleich zu nichtmalignen Erkrankungen keine eindeutig verwertbare CEA-Titer auftreten. Interessehalber werden wir jedoch bei ausgedehnten Pflasterzellcarcinomen sowie Adenocarcinomen in Zukunft den CEA-Wert noch weiter bestimmen, um an einer gr613eren Patientenzahl zu ergrtinden, ob der CEA-Test in der Verlaufskontrolle dieser Malignome einen gewissen Wert haben k6nnte.

Literatur

CEA Roche-Test. Basel: F. Hoffmann-LaRoche A.G. Langan, J. et al.: Scand. J. Clin. Lab. Invest. 29 (Suppl.), 126 (1972) Holyoke, G. D. et al.: Cancer 35, 830--836 (1975) Zamcheck, N.: Cancer 36, 2460-2468 (1975) Gold, Ph. et al.: JAMA 234, 190--192 (1975) Herbermann, R. B.: Cancer 37, 549-562 (1976) Eingegangen am 25. Juli 1978

[Significance of the CEA-Test in malignomas of the head and neck (author's transl)].

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