Journal Club Med Klin Intensivmed Notfmed 2014 DOI 10.1007/s00063-014-0389-5 Eingegangen: 14. April 2014 Angenommen: 16. April 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

Originalpublikation Meyer G, Vicaut E, Danays T et al. (2014) Fibrinolysis for patients with intermediaterisk pulmonary embolism. N Engl J Med 370:1402–1411

Hintergrund Die akute venöse Thromboembolie (VTE) oder akute Lungenembolie (LE) zählt zu den häufigsten medizinischen Notfällen. In Registern beträgt die jährliche Inzidenz der VTE 150–200 Fälle auf 100.000 Einwohner. Bei einem Drittel wird die Primärdiagnose LE gestellt [4]. In Deutschland sterben jährlich schätzungsweise 40.000 Patienten an den Folgen einer LE. Das klinische Bild der LE ist sehr variabel und reicht von der asymptomatischen zufällig entdeckten subsegmentalen LE bis hin zur hämodynamisch relevanten LE mit initialer Reanimation, kardiogenem Schock und komplizierendem Multiorganversagen [6]. Die europäischen Leitlinien unterteilen entsprechend dem Sterblichkeitsrisiko 2 Schweregrade [9]: Patienten mit hämodynamischer Instabilität (Reanimation, persistierende arterielle Hypotonie oder kardiogener Schock) werden als Hochrisiko-LE klassifiziert. Alle übrigen Patienten werden als Nichthochrisiko-LE eingestuft. Die Hochrisiko-LE erfordert rasches diagnostisches aber v. a. therapeutisches Handeln. Neben der zwingenderweise notwendigen antithrombotischen Therapie sollte die Thrombuslast in der pulmonalen Strombahn so rasch wie möglich reduziert werden. Die Thrombolysetherapie gilt hier als die Therapie der Wahl. Die Patienten mit Nichthochrisiko-LE werden therapeutisch antikoagu-

U. Janssens Klinik für Innere Medizin, St.-Antonius-Hospital, Eschweiler

Ausweitung der Indikation zur Thrombolysetherapie bei Patienten mit Lungenembolie? liert. In dieser großen Gruppe von Patienten mit LE finden sich immer wieder Fälle mit einer hohen Thrombuslast. Die konsekutive Belastung des rechten Ventrikels führt zu einer rechtsventrikulären Dysfunktion und möglicherweise einer Myokardnekrose. Die kurz-, mittel- und langfristige Prognose dieser Patienten kann ebenfalls sehr kritisch sein [3]. Die europäischen Leitlinien weisen diesen Patienten ein sog. intermediäres Sterblichkeitsrisiko zu. Hämodynamisch stabile Patienten mit einer (echokardiographisch oder computertomographisch) nachgewiesenen rechtsventrikulären Dysfunktion bzw. Dilatation und erhöhtem Troponinwert als Marker der myokardialen Ischämie erfüllen derzeit noch nicht die Indikationskriterien für eine Thrombolysetherapie. Allerdings erlauben die Leitlinien [9] eine Thrombolyse bei ausgewählten Patienten mit intermediärem Risiko auf einem niedrigen Empfehlungs- und Evidenzgrad (IIb bzw. B). In der PulmonaryEmbolism-Thrombolysis(PEITHO)-Studie wurde daher die klinische Wirksamkeit und Sicherheit einer Thrombolysetherapie mit Tenecteplase bei normotensiven Patienten mit akuter LE und einem intermediären Sterblichkeitsrisiko untersucht.

Methode In diese prospektive multizentrische doppelblinde placebokontrollierte Studie wurden hämodynamisch stabile Patienten ≥18 Jahre mit nachgewiesener Lungenembolie innerhalb von 15 Tagen nach Symptombeginn eingeschlossen. Eine rechtsventrikuläre Dysfunktion musste echokardiographisch oder mittels Computertomographie nachgewiesen werden. Ei-

ne Erhöhung von Troponin T oder Troponin I war gleichermaßen für den Studieneinschluss notwendig. Die Patienten der Thrombolysegruppe erhielten körpergewichtsbezogen Tenecteplase als intravenösen Bolus. Die antithrombotische Therapie wurde in beiden Gruppen (Thrombolyse- und Placebogruppe) nach Randomisierung mit unfraktioniertem Heparin in einem intravenösen Bolus (UFH) eingeleitet. Anschließend wurde UFH über einen Perfusor unter Kontrolle der aktivierten partiellen Thromboplastinzeit (aPTT) verabreicht.

Ergebnisse Von 1006 randomisierten Patienten wurden 1005 in die Intention-to-treat-Analyse aufgenommen. Zu Tod oder hämodynamischer Dekompensation kam es bei 13 von 506 Patienten (2,6%) in der Tenecteplasegruppe gegenüber 28 von 499 (5,6%) in der Placebogruppe (Odds Ratio: 0,44; 95%-Konfidenzintervall: 0,23–0,87; p=0,02). Damit trat der primäre Endpunkt Tod (alle Ursachen) oder hämodynamische Dekompensation an Tag 7 in der Placebogruppe signifikant häufiger auf (. Tab. 1). Dieser signifikante Unterschied wurde im Wesentlichen durch häufigere hämodynamische Dekompensationen verursacht (. Tab. 1). Zwischen Randomisierung und Tag 7 starben 6 Patienten (1,2%) in der Tenecteplasegruppe und 9 (1,8%) in der Placebogruppe (p=0,42). Eine extrakraniale Blutung trat bei 32 Patienten (6,3%) in der Tenecteplasegruppe und bei 6 Patienten (1,2%) in der Placebogruppe auf (p75 Jahre) kam es häufiger zu intrakraniellen Blutungen im Vergleich zu jungen Patienten, dieser Unterschied war aber statistisch nicht signifikant.

Diskussion Die Ergebnisse dieser Studie sind eindeutig: Eine Thrombolysetherapie erscheint vor dem Hintergrund der hohen Blutungsrate weiterhin bei hämodynamisch stabilen Patienten und Zeichen der Rechtsherzbelastung mit Ischämie nicht

2 | 

gerechtfertigt und muss Gegenstand einer Einzelfallentscheidung bleiben. Daran ändert auch nichts die Tatsache, dass es zu weniger hämodynamischen Dekompensationen in der Thrombolysegruppe kam. Von 6 Todesfällen in dieser Gruppe wurden 5 durch einen (hämorrhagischen) Insult (n=4) bzw. eine extrakranielle Blutung (n=1) verursacht. In der Placebogruppe starben 9 Patienten, davon 3 in Folge einer hämodynamischen Dekompensation und weitere 3 nach erneuter Lungenembolie. Somit bilden die Todesursachen in gleicher Weise die Wirksamkeit, aber auch die Risiken der Thrombolysetherapie ab.

Kommentar Die Sterblichkeit in der PEITHO-Studie ist angesichts der Tatsache, dass es sich hier um ein Risikokollektiv handelte, erstaunlich niedrig. Das International Cooperative-Pulmonary-Embolism-

Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 2014

Registry(ICOPER)-Register analysierte die 3-Monats-Sterblichkeit bei 2454 Patienten mit LE [3]. An Tag 14 lag die Sterblichkeit bei 11,4% und nach 3 Monaten bei 17,4%. Bei hämodynamisch instabilen Patienten lag die Sterblichkeit im Vergleich zu stabilen Patienten deutlich höher (58,3% vs. 15,1%). Der echokardiographische Nachweis einer rechtsventrikulären Dysfunktion war ebenfalls mit einer erhöhten 3-Monats-Sterblichkeit assoziiert. Im Vergleich zu den Patienten mit rechtsventrikulärer Dysfunktion des ICOPER-Registers liegt die Sterblichkeit in der PEITHO-Studie deutlich niedriger. Der Vergleich mit einem historischen Kollektiv ist natürlich immer problematisch. Auch das Studiendesign (prospektives Register vs. prospektiv randomisierte Studie) erlaubt keinen direkten Vergleich. Allerdings finden sich auch zu anderen Kollektiven Unterschiede in der Sterblichkeit. In der prospektiven Management-Strategies-and-Prognosis-in-Pulmonary-Embolism-Trial(MAPPET)-2-Studie wurden 106 konsekutive Patienten mit einer LE untersucht [5]. Troponin I (cTnI) war bei 41% der Patienten, Troponin T (cTnT) bei 37% der Patienten erhöht. Die erhöhten Biomarker korrelierten signifikant mit der rechtsventrikulären Dysfunktion. Die intrahospitale Sterblichkeit aller Patienten lag bei 6,6%. Ein pathologischer Troponin-I-Wert erhöhte das intrahospitale Sterblichkeitsrisiko um den Faktor 17. Die hohen und auch klinisch relevanten Blutungsraten in der Thrombolysegruppe müssen natürlich sehr ernst genommen werden. Aus Sicht des Autors muss die Indikation zur Thrombolyse bei hämodynamisch stabilen Patienten mit LE nach Veröffentlichung der PEITHOStudie nun noch strenger – wenn überhaupt – gestellt werden. Dieses gilt v. a. für ältere Patienten (≥75 Jahre). Die Aufklärung muss besonders sorgfältig und mit den entsprechenden Hinweisen auf potenzielle Komplikationen erfolgen. Aus diesem Grund sollte eine Thrombolyse in dieser klinischen Situation nur mit einer reduzierten Dosierung erfolgen. Hier empfiehlt sich die Gabe von Alteplase mit einer Dosierung von 0,6 mg/kg Körpergewicht über 15 min (maximal 50 mg; [1, 2]). In den zugrunde liegenden Studien wurde allerdings kein Wirksamkeitsunterschied

zwischen einer Bolustherapie mit Alteplase und der konventionellen Infusion von 100 mg Alteplase über 2 h nachgewiesen [1, 2]. Ein weiterer sehr interessanter Ansatz zur sicheren Thrombolyse wurde kürzlich publiziert [8]. In dieser prospektiv randomisierten Single-center-Studie wurden 121 stabile Patienten mit mittelschwerer LE untersucht. Der Nachweis einer rechtsventrikulären Dysfunktion bzw. erhöhter Biomarker (Troponin oder B-Typ natriuretisches Peptid, BNP) war nicht erforderlich. Die Definition einer mittelschweren LE ergab sich ausschließlich aus den Ergebnissen der Bildgebung (CT-Angiographie oder Ventilations-/ Perfusions-Szintigraphie). Alle Patienten erhielten UFH oder Enoxaparin. Alteplase wurde bei Patienten mit einem Körpergewicht ≥50 kg mit 50 mg verabreicht. Alteplase wurde initial als Bolus (10 mg über 1 min) intravenös appliziert, die restlichen 40 mg wurden dann über 2 h gegeben. Bei Patienten unter 50 kg wurde Alteplase mit 0,5 mg/kg Körpergewicht kalkuliert. Wiederum als Bolus wurden 10 mg, der Rest über 2 h intravenös gegeben. Der primäre Endpunkt pulmonale Hypertonie (pulmonalarterieller systolischer Druck ≥40 mmHg) trat 28 Monate später bei 16% Patienten (n=9) der Thrombolysegruppe (n=58) und 57% Patienten (n=32) der Placebogruppe auf. Ein weiterer sicherheitsorientierter Ansatz könnte eine ultraschallbeschleunigte Thrombolyse mit gleichzeitiger lokaler niedrig dosierter Gabe eines Thrombolytikums darstellen [7]. Diese Vorgehen wird derzeit in einer weiteren Studie (NCT01513759, https://clinicaltrials.gov. Zugegriffen: 20. Mai 2014) untersucht. In der PEITHO-Studie sollten die eingeschlossenen Patienten unbedingt longitudinal verfolgt werden. Möglicherweise ergeben sich erst im Langzeitverlauf Hinweise für einen Vorteil der Thrombolysetherapie. Hier wäre insbesondere auf die Entwicklung einer chronischen pulmonalarteriellen Hypertonie zu achten.

Fazit für die Praxis F Hämodynamisch stabile Patienten mit einer LE und Nachweis einer Rechtsherzbelastung sowie einer Ischämie sollten nur nach außerordentlich kritischer Indikationsstellung sowie Aufklärung über mögliche Blutungen eine Thrombolysetherapie erhalten. F Ob eine reduzierte Dosis des Thrombolytikums bei gleicher Wirksamkeit weniger Blutungen verursacht, muss durch weitere prospektive Studien abgesichert werden.

7. Kucher N, Boekstegers P, Muller OJ et al (2014) Randomized, controlled trial of ultrasound-assisted catheter-directed thrombolysis for acute intermediate-risk pulmonary embolism. Circulation 129:479–486 8. Sharifi M, Bay C, Skrocki L et al (2013) Moderate pulmonary embolism treated with thrombolysis (from the „MOPETT“ Trial). Am J Cardiol 111:273– 277 9. Torbicki A, Perrier A, Konstantinides S et al (2008) Guidelines on the diagnosis and management of acute pulmonary embolism: the task force for the diagnosis and management of acute pulmonary embolism of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J 29:2276–2315

Korrespondenzadresse Prof. Dr. U. Janssens Klinik für Innere Medizin, St.-Antonius-Hospital Dechant-Deckers-Str. 8, 52249 Eschweiler uwe.janssens@ sah-eschweiler.de

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  U. Janssens gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur 1. Goldhaber SZ, Agnelli G, Levine MN (1994) Reduced dose bolus alteplase vs conventional alteplase infusion for pulmonary embolism thrombolysis. An international multicenter randomized trial. The Bolus Alteplase Pulmonary Embolism Group. Chest 106:718–724 2. Goldhaber SZ, Feldstein ML, Sors H (1994) Two trials of reduced bolus alteplase in the treatment of pulmonary embolism. An overview. Chest 106:725–726 3. Goldhaber SZ, Visani L, De Rosa M (1999) Acute pulmonary embolism: clinical outcomes in the International Cooperative Pulmonary Embolism Registry (ICOPER) (see comments). Lancet 353:1386–1389 4. Konstantinides S (2012) Akute schwere Lungenembolie. Dtsch Med Wochenschr 137:2014–2017 5. Konstantinides S, Geibel A, Olschewski M et al (2002) Importance of cardiac troponins I and T in risk stratification of patients with acute pulmonary embolism. Circulation 106:1263–1268 6. Konstantinides S, Goldhaber SZ (2012) Pulmonary embolism: risk assessment and management. Eur Heart J 33:3014–3022

Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 2014 

| 3

[Should the indication for thrombolytic therapy in patients with pulmonary embolism be extended?].

[Should the indication for thrombolytic therapy in patients with pulmonary embolism be extended?]. - PDF Download Free
218KB Sizes 2 Downloads 5 Views