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Lehmann u. a.: Hepatitis-B-Merkmale in Kontroliseren des klinischen Laboratoriums

Deutsche Medizinische Wochenschrjft

Serologische Hepatitis-B-Merkmale in Kontroilseren des klinischen Laboratoriums

Serological hepatitis B characteristics in clinical laboratory control sera

H. Lehmann, H. D. Bruhn und M. Schlaak

99 samples of 29 different reference sera were tested for HBs-

Abteilung für Allgemeine Innere Medizin (Direktor: Prof. Dr. A. Bernsmeier) der Universität Kiel

99 Serumproben von 29 verschiedenen Chargen wurden mit der Oberwanderungselektrophorese und radioimmunologisch auf HBs-Antigen und Anti-HBs getestet. Vier von 99 (4°/o) der Proben, vier von 29 der Chargen (14°/o) waren HBs-Antigen-positiv, 45 von 99 (45°/o) der Proben und fünf von 29 der Chargen (17°/o) Anti-HBs-positiv. Kontroilseren stellen ein mögliches zusätzliches Hepatitisrisiko in klinischen Laboratorien dar und sind als potentiell infektiös anzusehen. Der tägliche Umgang mit einer großen Anzahl von Serumproben stellt für das medizinisch-technische und ärztliche Personal des klinischen Laboratoriums ein besonderes Risiko dar (3, 4, 8, 9, 12, 13, 15, 16, 17, 18, 19). Als zweithäufigste meldepflichtige Infektionskrankheit ist die Hepatitis (11) dabei besonders gefürchtet. Als Infektionsquellen kommen in erster Linie Patientenseren in Frage. Eine weitere Infektionsmöglichkeit ergibt sich aus dem täglichen Umgang mit Kontroilseren, die bei jedem Testgang als Standard mitgeführt werden (2, 19, 20, 21). Wenngleich diese aus gepoolten Seren zusammengesetzten Kontrollen nach Angaben der Hersteller (1) zum Teil auf HBs-Antigen und Anti-HBs mit der Uberwanderungselektrophorese vorgetestet sind, so galt Cs ZU prüfen, ob neuere radioimmunologische Testverfahren für HBs-Merkmale zusätzlich positive Befunde erbringen und somit einen Hinweis auf das Infektionsrisiko solcher Seren ergeben könnten.

Material und Methode 99 einzelne Serumproben von insgesamt 29 verschiedenen Chargen im klinischen Laboratorium verwendeter Kontroliseren unterschiedlicher Hersteller konnten gesammelt werden. Alle Seren wurden mit der Oberwanderungselektrophorese und dem Radioimmunassay (Abbot Lab., Chicago, USA) in der Modifikation nach Schober und Thomssen (14) hinsichtlich des Hepatitis-B-Oberflächenantigens (HBs-Antigen) und mit dem Radioimmunoassay (Combria, Biotest Frankfurt) hinsichtlich des dazugehörigen Antikörpers (Anti-HBs) getestet. Positive Befunde wurden wiederholt und durch vorheriges Einpipettieren von HBs-Antigen bzw. Anti-HBs neutralisiert. Nur reproduzierbare und hemmbare Befunde wurden als positiv angesehen.

Ergebnisse Die 99 Serumproben erwiesen sich alle mit der Oberwanderungselektrophorese als negativ hinsichtlich des HBs-Antigens und Anti-HBs. Mit radioimmunologischer

antigen and anti-HBs radioimmunologically and by means of counter-current electrophoresis. 4 of 99 (4°/o) of the samples and 4 of 29 (14°/o) of the reference sera were HBs-antigen positive. 45 of 99 (450/o) of the samples and S of 29 (17°/o) of the reference sera were anti-HBs positive. Reference sera are an additional risk for hepatitis in clinical laboratories and must be considered potentially infectious.

Technik konnte in 4% (4 von 99) HBs-Antigen und in 45% (45 Von 99) Anti-HBs in den Serumproben nachgewiesen werden. Auf die Anzahl der Chargen bezogen, fand sich in 14% (4 von 29) HBs-Antigen und in 17% (5 von 29) Anti-HBs (Tabelle 1). Tab. 1. Hepatitis-B-Oberflächenantigen (HBs-Antigen) und -antikörper (Anti-HBs) in Standardkontrollen, radioiononunologische Meßmethode

Kontrollseren n

=

Anti-HBs

keine HBs-Merkmale

4 (4°/o)

45 (45°/o)

50 (51°/o)

5 (17°/o)

20 (69°/o)

99

Chargen n

HBs-Antigen

= 29

4 (14°/o)

Diskussion Ärzte und medizinisches Personal erkranken 6- bis 20mal häufiger an einer zum Teil inapparenten Hepatitis als Normalpersonen (8). Die Hepatitishäufigkeit bei Laboratoriumspersonal betrug in den USA bis zu 7,4% (6). Zahlen zwischen 1,1 bis 2,68% je nach Art der Laboratorien werden aus Großbritannien mitgeteilt (3). Als Infektionsquellen kommen vor allem Patientenseren in Frage. Dieser Tatsache wird meist dadurch Rechnung getragen, daß Serumproben aus Hämodialyse-Einheiten und Infektionsstationen, die naturgemäß ein hohes Risiko tragen, besonders gekennzeichnet sind. Eine mögliche weitere Infektionsquelle stellen Kontrollseren dar. Diese als Qualitätskontrollen in der Laboratoriumsroutine unentbehrlichen Seren werden aus gepoolten Seren gewonnen und standardisiert. Alle Seren werden seit längerem (1) mit der Oberwanderungs-

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Dtsch. med. Wschr. 101 (1976), 688-.689 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart

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elektrophorese auf HBs-Antigen und Anti.-HBs geprüft. Wir fanden mit diesen im Vergleich zu neueren Methoden unempfindlicheren Testverfahren (18) niemals HBsAntigen oder Anti-HBs. Hingegen konnte mit radioimmunologischer Technik HBs-Antigen in 14% der Chargen gefunden werden. Erstmals hatten Ginsberg und Conrad (2) in neun von zehn Kontroliseren, Vranckx (19) in sechs von elf, Wetli und Mitarbeiter (22) in 45 von 135 (33%) sowie Watson und Mitarbeiter (20) in 35 von 48 (72%) HBs-Antigen nachgewiesen. Die von uns gefundene Häufigkeit liegt deutlich niedriger, ein möglicher Hinweis darauf, daß bereits eine Aussonderung von HBs-Antigen-positiven Seren von seiten der Firmen durchgeführt worden ist. Ober Häufigkeiten von Antikörpern gegen HepatitisB-Oberflächenantigen (Anti-HBs) wurde bisher noch nicht berichtet. Dieses serologische Merkmal fand sich in unserem Material in 17% der Chargen und 45% der untersuchten Serumproben. Wenngleich die Bedeutung von Anti-HBs als zusätzlichem serologischen Merkmal für das Hepatitis-B-Virus noch immer kontrovers ist (10), so kann nicht ausgeschlossen werden, daß ein Teil dieser Seren von Rekonvaleszenten einer HBs-Antigen-positiven Hepatitis stammen könnte, zumal gepoolte Seren aus klinischen Laboratorien nach Bestimmung der biochemischen Werte an Firmen abgegeben werden, die ihrerseits daraus Standardkontrollen herstellen. Die Gefährdung durch HBs-Antigen-positive Kontrollseren wird auch dadurch betont, daß die Chargen zum Teil über mehrere Wochen verwendet werden und jeder Hinweis auf eine etwaige Abtötung von Hepatitis-B-Viren durch Erhitzen über 60 °C, wie bei der Herstellung von Albuminen zum Beispiel üblich, fehlt. Wenngleich nur indirekt über die Häufigkeit des Merkmals auf die Gefährdung durch solche Kontrollseren geschlossen werden kann, so werden die erhöhten Hepatitisfrequenzen in klinischen Laboratorien eine Reihe von Maßnahmen rechtfertigen: Serumproben, die zur Herstellung von Standardseren gepoolt werden, sollten auch mit neuesten radioimmunologischen Techniken auf HBs-Antigen und, wenn möglich, auf Anti-HBs getestet werden. HBs-Antigen-positive Seren sollten entweder ausgesondert oder nach einer Empfehlung von Lo Grippo und Mitarbeitern (5, 7) mit -Propiolacton und anschließender UV-Bestrahlung behandelt werden.

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Auch Kontroliseren sollten mit einem deutlichen Hinweis auf ein evéntuelles Hepatitisrisiko versehen werden. Auch im Umgang mit Kontroilseren sollten die allgemeinen Maßnahmen, zum Beispiel das Arbeiten mit Handschuhen, das Vermeiden von Pipettieren mit dem Mund und sorgfältige Beseitigung von verschütteten Seren sowie Desinfektion von nicht wegwerfbarem Gerät gelten. Literatur Anido, G.: Australia-antigen transmission in laboratory. New EngI. J.

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Lo Grippo, G. A., H. Hayashi,

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Dr. H. Lehmann, Privatdozent Dr. H. D. Bruhn, Privatdozent Dr. M. Schlaak Abteilung für Allgemeine Innere Medizin der Universität 2300 Kiel, Schittenhelmstr. 12

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Nr. 18, 30. April 1976, 101. Jg.

[Serological hepatitis B characteristics in clinical laboratory control sera].

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